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OLG Hamburg, Urteil vom 08.11.2013 – 11 U 192/11

GmbHG § 64

1. Den Bilanzansätzen einer Handelsbilanz kommt auch im Rahmen der Überschuldungsprüfung eine zumindest indizielle Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 208/07 – ZIP 2009, 860 ff., juris Rn. 10; Versäumnisurteil vom 12. März 2007 – II ZR 315/05 – ZIP 2007, 1060 ff., juris Rn. 14; Urteil vom 7. März 2005 – II ZR 138/03 – ZIP 2005, 807 f., juris Rn. 6).

2. Eine positive FortführungsprognoseBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Fortführungsprognose
positive Fortführungsprognose
, für deren tatsächliche Voraussetzungen der aus § 64 Abs. 2 Satz 1 a.F. GmbHG in Anspruch genommene Geschäftsführer darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 – II ZR 151/09 – ZIP 2010, 2400 ff., juris Rn. 11) setzt voraus, dass der Geschäftsführer davon ausgehen können muss, dass das Unternehmen trotz der wirtschaftlichen Krise nach dem Willen der Gesellschafter fortgeführt werden soll und dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten jedenfalls in der nächsten Zeit, im Allgemeinen mindestens bis zum Ende des laufenden und des folgenden Geschäftsjahres, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wird erfüllen können. Die Fortführungsprognose ist insofern im Kern eine Zahlungsfähigkeitsprognose, die einer nachvollziehbaren Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanung bedarf (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, a. a. O., Rn. 13; Beschluss vom 9. Oktober 2006 – II ZR 303/05 – ZIP 2006, 2171, juris Rn. 3).

3. Zahlungen im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 a.F. GmbHG sind nicht nur Auszahlungen aus dem liquiden Vermögen der Gesellschaft, sondern auch Einzahlungen auf ein debitorisch geführtes Bankkonto, durch die das Aktivvermögen der Gesellschaft ebenfalls, und zwar zu Gunsten der kontoführenden Bank, vermindert wird (BGH, Urteil vom 26. März 2007 – II ZR 310/05 – ZIP 2007, 1006 ff., juris Rn. 12).

4. Der Ersatzanspruch aus § 64 Abs. 2 Satz 1 a.F. GmbHG setzt Verschulden voraus, wobei allerdings Fahrlässigkeit genügt (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91 – BGHZ 126, 181 ff., juris Rn. 32). Haftungsbegründend ist deshalb bereits die Erkennbarkeit des Insolvenzeintritts, die ihrerseits vermutet wird, wobei die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erkennbarkeit dem in Anspruch genommenen Geschäftsführer obliegt (BGH, Urteil vom 29. November 1999 – II ZR 273/98 – BGHZ 143, 184 ff., juris Rn. 6).

5. Die gemäß § 266a StGB strafbewehrte Zahlung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ist auch im Rahmen des § 64 Abs. 2 a.F. GmbHG privilegiert (BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 – II ZR 196/09 – ZIP 2011, 422 ff., juris Rn. 17).

6. Die Weiterleitung von treuhänderisch gebundenen Beträgen stellt sich als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar dar (BGH, Urteil vom 5. Mai 2008 – II ZR 38/07 – ZIP 2008, 1229 f., juris Rn. 13 f.).

7. Zur Vermeidung einer Bereicherung der Insolvenzmasse ist es dem Geschäftsführer vorzubehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 – II ZR 235/03 – ZIP 2005, 1550 ff., juris Rn. 14).

8. Eine Ersatzpflicht gemäß §§ 93 Abs. 2, 116 AktG, 52 GmbHG von Mitgliedern des fakultativen Aufsichtsrats wegen einer Verletzung ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Beachtung des Zahlungsverbots aus § 64 Abs. 2 Satz 1 a.F. GmbHG kommt nur dann in Betracht, wenn die Gesellschaft durch die regelwidrigen Zahlungen in ihrem Vermögen im Sinne der §§ 249 ff. BGB geschädigt worden wäre, nicht jedoch, wenn die Zahlungen nur zu einer Verminderung der Insolvenzmasse und damit zu einem Schaden allein der Insolvenzgläubiger geführt haben (BGH, Urteil vom 20. September 2010 – II ZR 78/09 – BGHZ 187, 60 ff., juris Rn. 11, 21

9. Eine faktische Geschäftsführerstellung erfordert den Nachweis, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2008 – II ZR 291/06 – ZIP 2008, 1026 f., juris Rn. 5; Urteil vom 11. Juli 2005, a. a. O., Rn. 8; Urteil vom 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 – BGHZ 150, 61 ff., juris Rn. 25).

Schlagworte: Arbeitnehmerbeiträge, Beiträge zur Sozialversicherung, Darlegungs- und Beweislast, faktischer Geschäftsführer, fakultativer Aufsichtsrat, Geschäftsführer Sozialversicherung, Geschäftsführerhaftung bei GmbH, GmbHG § 64 Satz 1, positive Fortführungsprognose, Überschuldungsbilanz