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OLG Hamm, Beschluss vom 3.11.2020 – 27 W 98/20

UmwG §§ 120, 152

Bei einer Verschmelzung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft auf ihren Alleingesellschafter ist eine Erklärung, wonach die Verbindlichkeiten des Gesellschafters sein Vermögen nicht übersteigen, nicht erforderlich.

Gründe

I.

Die nach § 58 Abs. 1 i.V.m. § 382 Abs. 4 S. 2 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Zwischenverfügung.

Entgegen der Rechtsauffassung des Registergerichts bedarf es für die Eintragung der Verschmelzung des Vermögens der Beteiligten zu 1.) mit dem Vermögen des Beteiligten zu 2.) als ihrem Alleingesellschafter keiner Erklärung, wonach die Verbindlichkeiten des Beteiligten zu 2.) sein Vermögen nicht übersteigen.

1.

Zwar trifft es zu, dass die Verschmelzung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft auf den Alleingesellschafter geeignet ist, die Gläubiger der Kapitalgesellschaft zu gefährden, weil deren Haftungsfonds nunmehr auch dem unmittelbaren Zugriff der Gläubiger des Alleingesellschafters offen steht (so etwa Semler/Stengel, UmwG, 4. Auflage 2017, § 120, Rn. 26; Lutter, UmwG, 6. Auflage 2019, § 120 Rn. 30).

2. 8Den gesetzlichen Bestimmungen sind allerdings keine Regelungen dahingehend zu entnehmen, dass die Verschmelzung im Falle der Überschuldung des Alleingesellschafters unzulässig ist. Mit Blick hierauf fehlt es auch an einer gesetzgeberischen Vorgabe, die das Registergericht veranlassen müsste, in derartigen Fällen eine Erklärung des Alleingesellschafters darüber zu verlangen, dass bei ihm keine Überschuldung vorliegt (Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 1. Auflage 2002, 186. Lieferung Stand 01.04.2011, § 120 Rn. 23.9). 9Soweit Teile der Literatur vor diesem Hintergrund eine „bedauerliche Lücke im Gläubigerschutz“ (Lutter, a.a.O., § 130 Rn. 30) monieren und deshalb eine Rechtsfortbildung dahingehend für geboten halten, dass die Überschuldung des Alleingesellschafters gleichwohl ein Verschmelzungshindernis darstellen und das Registergericht „entsprechend der h.M. zu § 152 UmwG“ (Semler/Stengel, a.a.O., § 122, Rn. 14) die Vorlage einer entsprechenden Erklärung des Alleingesellschafters verlangen soll (Lutter, a.a.O., § 120 Rn. 30 und § 122 Rn. 11; Semler/Stengel, a.a.O., § 122 Rn. 14), folgt der Senat dem nicht.

Der Gesetzgeber hat den wirtschaftlichen Zustand des Zielrechtsträgers anders als beim Fall der Ausgliederung vom Einzelunternehmen (§ 154 UmwG) nicht dem Handelsregister zur Prüfung übertragen (Heckschen in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 1. Auflage 2002, 186. Lieferung, Stand 01.04.2011, § 120 Rn. 8.17.1). Gerade aus der in § 152 S. 2 UmwG enthaltenen ausdrücklichen Regelung zu einer der Verschmelzung auf den Alleingesellschafter spiegelbildlich vergleichbaren Konstellation folgt zwingend, dass der Gesetzgeber bei Verschmelzungsfällen eine derartige Erklärung und dementsprechend eine Prüfung des Handelsregisterrichters nicht für erforderlich erachtet, weshalb sich eine Heranziehung des Rechtsgedankens des § 152 UmwG mangels unbewusster Regelungslücke sogar verbietet (so auch Heckschen, EWiR 2005, 839, 840; ders. in: Widmann/Mayer, a.a.O.). Das Gesetz vertraut offensichtlich auf das über § 22 UmwG aufgebaute Schutzsystem (Heckschen in: Widmann/Mayer, a.a.O., § 120 Rn. 23.9). Sollte dies je nach den Umständen nicht ausreichend sein, mag zwar erwogen werden, die Verschmelzung im Einzelfall als sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB anzusehen (Böttcher/Habighorst/Schulte, a.a.O., Rn. 9; Kallmeyer, UmwG, 7. Auflage 2020, § 120 Rn. 3); eine derartige materiell-rechtliche Beurteilung unterfiele dann allerdings nicht der Prüfungskompetenz des Registergerichts.

Hinzu kommt, dass der Alleingesellschafter als natürliche Person gerade nicht Adressat des Überschuldungstatbestandes ist und auch der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bei Verschmelzung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft auf einen zumindest rechnerisch überschuldeten Alleingesellschafters nicht vorschnell erhoben werden kann. Denn der Alleingesellschafter haftet unbeschränkt und hat mit seinem Lebenseinkommen grundsätzlich für die Ansprüche nicht nur seiner Privatgläubiger, sondern auch der Gläubiger der Kapitalgesellschaft einzustehen, soweit er sich nicht durch ein Restschuldbefreiungsverfahren entschuldet (Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Auflage 2019, § 120 Rn. 9).

Schließlich würde eine Prüfung, ob und welche Gläubiger im Falle der Verschmelzung benachteiligt werden könnten, den vom Registergericht zu erwartenden Prüfungsumfang auch deutlich überschreiten; entsprechende wirtschaftliche Betrachtungen sind nicht hier, sondern im Insolvenzverfahren anzustellen, wobei der Gesetzgeber für dessen Verschleppung besondere haftungsrechtliche Folgen und strafrechtliche Sanktionen vorsieht (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.10.2005, Az. 8 W 426/05, Rn. 20; Heckschen, EWiR 2005, 839, 840).

II.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 36 Abs.1 u. 3 GNotKG.

Schlagworte: Alleingesellschafter, Sozialverbindlichkeiten, Verschmelzung