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OLG Hamm, Beschluss vom 31.05.2012 – I-15 W 687/10, 15 W 687/10

GmbHG §§ 16, 40; KostO

1. Für die Erstellung der Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG in der Fassung durch das MoMiG fällt eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO an. Nach dieser Vorschrift erhält der Notar für eine im Auftrag der Beteiligten ausgeübte Tätigkeit eine Gebühr in Höhe der Hälfte der vollen Gebühr, sofern nicht (Abs. 3 der Vorschrift) seine Tätigkeit als Nebengeschäft im Sinne des § 35 KostO durch eine ihm für das Hauptgeschäft zustehende Gebühr abgegolten ist.

2. Daneben ist die Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHG gebührenfreies Nebengeschäft (§ 35 KostO), für das somit keine Gebühr nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO anfällt (vgl. dazu: OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
NZG 2010, 959 (Rz. 7); Brandenburgisches OLG NZG 2011, 152 (Rz. 8), OLG Stuttgart NZG 2009, 999 (Rz. 11f); a.A.: Sikora/Tiedke a.a.O, Reimann in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann § 50 Rn. 21a; Rohs in: Rohs/Wedewer a.a.O., § 50 Rn. 8 a). Denn die Erteilung der Notarbescheinigung nach § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHG ist lediglich ein notwendiger Annex zur Einreichung der Gesellschafterliste, deren Inhalt ihrerseits nach Aufnahme in das Handelsregister allein für die materiell-rechtlichen Wirkungen im Rahmen des § 16 GmbHG ausschlaggebend ist.

3. Der Geschäftswert dieser Gebühr ist gemäß § 30 KostO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Dabei kann den Umständen des Einzelfalls, also dem Umfang und der Schwierigkeit der Tätigkeit, dem Maß der Verantwortung des Notars sowie der Bedeutung für die beteiligte Gesellschaft, Rechnung getragen werden (vgl. dazu allgemein: Senat FGPrax 2009, 183; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, JurBüro 1978, 580, 581; Rohs/Wedewer, a.a.O § 147 Rn. 21). Im Einzelfall – beispielhaft bei umfangreicher Prüfung aufschiebender Bedingungen – kann danach der Geschäftswert mit bis zu 100 % des Wertes der beurkundeten Veränderung zu bemessen sein, während in einfach gelagerten Fällen ein Geschäftswert von 20 – 25 % der beurkundeten Wertveränderung angemessen erscheint.

4. Nach der gesetzlichen Neufassung kommt dem Inhalt der Gesellschafterliste nunmehr eine weit reichende materiell-rechtliche Bedeutung zu. Aus § 16 Abs. 1 GmbHG folgt, dass im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs der Beteiligung derjenige als Inhaber eines Geschäftsanteils gilt, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Ohne die Eintragung und die Aufnahme der Liste in das Handelsregister bleibt dem Neugesellschafter die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte verwehrt, da ihm gegenüber der Gesellschaft erst mit Aufnahme der entsprechend geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister die Gesellschafterstellung zukommt. Das MoMiG hat die Gesellschafterliste dogmatisch in Annäherung an das Aktienregister bei der Namensaktie ausgestaltet, bei dem sich Probleme aus der relativen Rechtsstellung nicht ergeben haben.

5. Die Sonderregelung in § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG trägt dem Bedürfnis der Praxis Rechnung, dem Erwerber die Möglichkeit zu eröffnen, bereits vor Aufnahme der Liste in das Handelsregister unmittelbar nach Wirksamwerden des Erwerbs Rechtshandlungen in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorzunehmen, also beispielsweise an einem satzungsändernden Gesellschafterbeschluss oder einer Bestellung neuer Geschäftsführer mitzuwirken. Nach § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG sind derartige Rechtshandlungen zunächst schwebend unwirksam. Sie werden wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vorname der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird (vgl. dazu u.a.: Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Auflage 2010, § 16 Rn. 8 f m.w.N.; BT-Drucks. 16/6140 S. 37).

6. Nach der Neuregelung des § 16 Abs. 3 GmbHG kann der Erwerber unter bestimmten Voraussetzungen einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft gutgläubig von einem Nichtberechtigten erwerben, wenn dieser als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Bislang ging der Erwerber eines Geschäftsanteils das Risiko ein, dass der Anteil einem anderen als dem Veräußerer zusteht. Selbst wenn dieses Risiko durch das Verlangen der Vorlage aller relevanten Abtretungsurkunden bis zur Gründungsurkunde oder die Vereinbarung einer Garantie minimiert werden konnte, konnte der Erwerber den nicht berechtigten Veräußerer aus einer Rechtsmängelhaftung nicht auf Verschaffung des Anteils von dem wahren Berechtigten in Anspruch nehmen. Die Neuregelung des § 16 Abs. 3 GmbHG führt einen Rechtsscheintatbestand ein, der zu Lasten eines Drittberechtigten einen gutgläubigen Erwerb begründen kann. Wer einen Geschäftsanteil oder etwa ein Pfandrecht daran erwirbt, soll darauf vertrauen dürfen, dass die in der Gesellschafterliste verzeichnete Person auch wirklich Gesellschafter ist. Die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste trägt zur Sicherheit des Rechtsverkehrs bei, da nach jeder Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen eine aktuelle Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht werden muss und dann allgemein – auch online – zugänglich ist. Seit der Einführung des elektronischen Handelsregisters können die Gesellschafterlisten auch in ihrer historischen Entwicklung eingesehen werden, so dass Veränderungen transparent sind (BT-Drucks. 16/6140 S. 38f; vgl. auch Baumbach/Hueck a.a.O. Rn. 26 f m.w.N.).

7. Der Notar hat die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit der Gesellschafterliste im Rahmen des § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHG, also dafür zu tragen, dass die Angaben der Liste über den Gesellschafterbestand, abgesehen von der Veränderung an der er mitgewirkt hat, unverändert geblieben sind. Der Notar muss danach die Wirksamkeit einer Geschäftsanteilabtretung bezogen auf den Zeitpunkt der Einreichung der Liste, die die Veränderung enthält, materiell prüfen und bejahen. Die materielle Richtigkeit der Gesellschafterliste hat demgegenüber das Registergericht nicht zu prüfen (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NJW-RR 2009, 972). Dies kann im Einzelfall für den Notar zu einem erheblichen Prüfungsaufwand bei aufschiebend bedingten Anteilsabtretungen führen, durch die in der Praxis verbreitet die Wirksamkeit des Rechtsübergangs von Umständen abhängig gemacht wird, die mit dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Rechtsgeschäft verknüpft sind. Der Notar kann sich einem solchen Prüfungsaufwand nicht durch Einreichung einer Liste entziehen, die die dort ausgewiesene Veränderung im Gesellschafterbestand mit einem Hinweis auf eine aufschiebend bedingte AbtretungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aufschiebend bedingte Abtretung
verbindet. Vielmehr setzt die Verpflichtung des Notars, eine aktualisierte Gesellschafterliste einzureichen, erst mit Wirksamwerden der Veränderung in der Person des Gesellschafters, das heißt mit Bedingungseintritt, ein (BGH FGPrax 2012, 26).

8. Der Notar ist durch die gesetzliche Neuregelung der §§ 40, 16 GmbHG im Zusammenhang mit der Erstellung der Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 2 GmbHG einem beträchtlichen Haftungsrisiko ausgesetzt. Nach der gesetzlichen Neuregelung stellt die Verpflichtung gem. § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG zur (zeitgerechten) Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste eine Amtspflicht des Notars dar, aus deren schuldhafter Verletzung eine Schadensersatzpflicht nach § 19 BNotO folgen kann (vgl. dazu allgemein: Baumbach/Hueck, 19. Auflage 2010 § 40 Rn. 72; Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 40 Rn. 25; Hasselmann NZG 2009, 486 (493) m.w.N.).

9. Die Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHG ist in ihrer Konzipierung nach der Gesetzesbegründung an die Bescheinigung des Notars gem. § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG betreffend Änderungen des Gesellschaftsvertrages angelehnt. Sinn und zusätzlicher Gehalt der Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHG sind nicht evident. Die Bescheinigung soll die Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste erhöhen. Da der Notar aber bereits nach § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG verpflichtet ist, eine in seiner inhaltlichen Verantwortung erstellte Liste einzureichen, führt die Bescheinigung als solche nicht zu weitergehenden Rechtsfolgen (a.A. u.a. Rohs in: Rohs/Wedewer, KostO, Stand November 2011 § 147 Rn. 28a m.w.N.; Reimann in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann a.a.O § 50 Rn. 6, 21 a m.w.N.; Sikora/Tiedke MittBayNot 2009, 209 (211)). Eine fehlerhaft erstellte Gesellschafterliste wird auch durch die Bescheinigung nicht richtig. Die Gesellschafterliste, nicht die Notarbescheinigung ist der Rechtsscheinträger im Rahmen des § 16 GmbHG (BGH FGPrax 2012, 26, 27; Hasselmann a.a.O, 492 m.w.N.).

Schlagworte: Gebühr, Geschäftswert, Gesellschafter, gutgläubiger Erwerb, Liste der Gesellschafter, Notar, Notarkosten, Prüfungspflicht