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OLG Hamm, Urteil vom 09.02.2015 – 8 U 103/14

§ 169 Abs 1 HGB, § 172 Abs 4 HGB, § 305c Abs 2 BGB

1. Nach allgemeiner Ansicht sind über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus auch gewinnunabhängige Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig und ihnen zu belassen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis der Gesellschafter gedeckt ist. Ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft (im Innenverhältnis) entsteht bei Rückzahlung der Einlage insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2013, II ZR 73/11.

Ein Anspruch auf Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen entsteht nicht schon dann, wenn an einen Kommanditisten auf der Grundlage von § 11 Ziffer 3 S. 1 des Gesellschaftsvertrages von § 169 Abs. 1 HGB nicht gedeckte – weil gewinnunabhängig – Auszahlungen zu Lasten seines Kapitalanteils geleistet werden, sondern setzt stets voraus, dass der Gesellschaftsvertrag eine solche Rückzahlung vorsieht (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 8). Nach der gesetzlichen Regelung in § 169 Abs. 1 S. 2 HGB hat ein Kommanditist nur einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns. Der auf den Kommanditisten anteilig entfallende Jahresüberschuss kann von diesem aber nicht gefordert werden, solange sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert würde. Nach der gesetzlichen Vorgabe sind Gewinne danach vorrangig zum Verlustausgleich zu verwenden. Über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus sind nach allgemeiner Ansicht aber auch gewinnunabhängige Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig und ihnen zu belassen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies – wie vorliegend in § 11 Ziffer 3 S. 1 – vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einverständnis aller Gesellschafter
Gesellschafter
gedeckt ist (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 9 m.w.N.). Bei einer Rückzahlung der Einlage entsteht ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft (im Innenverhältnis) damit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 11 a.E.). Denn bei der KG gibt es weder einen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz noch gibt es eine Rechtfertigung für die Annahme, dass im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Kapitalrückzahlungen der Gesellschaft im Zweifel wieder zuzuführen sind (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 12 ausdrücklich gegen OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, BeckRS 2012, 07362 – juris Rz. 25; Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 169 Rdn. 23).

2. Eine solche liegt vor, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Regelung enthält, aus der sich ein Vorbehalt der Rückforderung entnehmen lässt, da die – im Außenverhältnis gem. § 172 Abs. 4 HGB – zu einer Haftung des Kommanditisten führenden Entnahmen oder Ausschüttungen nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung – im Innenverhältnis – ausdrücklich als zinslose Darlehensverbindlichkeiten der betroffenen Gesellschafter/Treugeber gegenüber der Gesellschaft gebucht werden.

Der hier in Rede stehende Gesellschaftsvertrag, der inhaltliche Abweichungen zu dem Gesellschaftsvertrag aufweist, über den der BGH in den beiden Entscheidungen vom 12.03.2013 zu befinden hatte, enthält nach Auffassung des Senats in § 4 Ziffer 9 eine Regelung, aus der sich ein Vorbehalt der Rückforderung entnehmen lässt. Dabei sind Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 13), der der Senat folgt, allein nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt auszulegen und unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, so dass in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der AuslegungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auslegung
Zweifel bei der Auslegung
zu Lasten des Verwenders gehen (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 14 m.w.N.), was für den einer Publikumsgesellschaft beitretenden Gesellschafter bedeutet, dass sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben müssen (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 14 a.E.). Dabei sind Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 13), der der Senat folgt, allein nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt auszulegen und unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, so dass in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der AuslegungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auslegung
Zweifel bei der Auslegung
zu Lasten des Verwenders gehen (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 14 m.w.N.), was für den einer Publikumsgesellschaft beitretenden Gesellschafter bedeutet, dass sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben müssen (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 14 a.E.). Gemessen daran enthält der hier auszulegende Gesellschaftsvertrag hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Kommanditisten Auszahlungen gem. § 11 Ziffer 3 S. 1 des Gesellschaftsvertrages unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erhalten haben. Anders als in den beiden am 12.03.2013 vom BGH entschiedenen Fällen ist hier in § 4 Ziffer 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich vorgesehen, welche Konten im Einzelnen geführt werden. Neben dem festen Kapitalkonto I, auf dem die vereinbarte Einlage verbucht wird, wird ein variables KapitalkontoBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Kapitalkonto
variables Kapitalkonto
II geführt, auf dem allein die Gewinn- und Verlustanteile des Kommanditisten verbucht werden, ohne dass sich aus diesen Konten Gesellschafterrechte ergeben. Das Kapitalkonto II erfasst damit die nicht entnahmefähigen Gewinne und die Verluste. Darüber hinaus sieht der Gesellschaftsvertrag die Bildung eines gesonderten „Einlage-/Entnahme-/ Darlehenskontos“ vor, auf dem etwaige weitere Einlagen sowie sämtliche Entnahmen/Ausschüttungen gebucht werden, soweit letztere zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen. Diese – im Außenverhältnis gem. § 172 Abs. 4 HGB – zu einer Haftung des Kommanditisten führenden Entnahmen oder Ausschüttungen werden nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung – im Innenverhältnis – ausdrücklich als zinslose Darlehensverbindlichkeit der betroffenen Gesellschafter/Treugeber gegenüber der Gesellschaft gebucht. Anders als in dem Gesellschaftsvertrag, der den Entscheidungen des BGH vom 12.03.2013 zugrunde lag, ist damit klargestellt, dass mit der Auszahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen eine Verbindlichkeit des die Zahlung empfangenden Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft begründet wird, so dass dieses (variable) „Einlage-/Entnahme-/Darlehenskonto“ im Fall des Debets einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Kommanditisten ausweist. Anders als eine bloße „Buchung auf Darlehenskonto“, der sich nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, ob es sich um eine Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft oder des Gesellschafters handelt, ist vorliegend eindeutig von einer Darlehensverbindlichkeit des Gesellschafters/Treugebers die Rede, für die gerade eine Verpflichtung zur Rückzahlung charakteristisch ist. Dementsprechend sieht § 4 Ziffer 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich auch eine Rückzahlung (der Entnahmen/Ausschüttungen, die zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen) vor und macht sie „aufschiebend bedingt von der Liquiditätslage der Gesellschaft“ abhängig. Auch wenn es wünschenswert gewesen wäre, die Regelungen in § 11 Ziffer 3 und in § 4 Ziffer 9 Abs. 3 in einen engeren textlichen Kontext zu stellen, wird trotzdem – entgegen der Ansicht des Landgerichts – bei der von einem Kapitalanleger zu erwartenden sorgfältigen Befassung mit dem gesamten Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Zusammenhang der beiden Bestimmungen hinreichend deutlich. Insoweit stellen sich die Klauseln – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch nicht als überraschend dar.

3. Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, so dass in Anlehnung an § 305 c Abs.2 BGB Zweifel bei der AuslegungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auslegung
Zweifel bei der Auslegung
zu Lasten des Verwenders gehen.

4. Ist das Rückzahlungsverlangen ausdrücklich an die „Liquiditätslage der Gesellschaft“ geknüpft, liegt der vom BGH (a.a.O.) für erforderlich gehaltene besondere Grund für die Rückforderung vor.

Dadurch dass das Rückzahlungsverlangen ausdrücklich an die „Liquiditätslage der Gesellschaft“ geknüpft ist, liegt zudem der vom BGH (Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, NZG 2013, 738 – Rz. 23) für erforderlich gehaltene besondere Grund für die Rückforderung vor, da es ansonsten widersprüchlich wäre, wenn die Gesellschafter nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag regelmäßig aus Liquiditätsüberschüssen Zahlungen von der Gesellschaft erhalten sollen, ihnen diese – unter Umständen über erhebliche Zeiträume hinweg geleisteten – Zahlungen aber ohne Weiteres binnen einer Frist von drei Monaten (§ 488 Abs. 3 S. 2 BGB) wieder entzogen werden könnten.

5. Bei der Entscheidung über die Rückforderung gewinnunabhängiger Ausschüttungen handelt es sich um ein gewöhnliches Geschäft der Verwaltung. so dass diesbezüglich kein Gesellschafterbeschluss gefasst werden muss.

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht es der Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen nicht entgegen, dass hierüber kein Gesellschafterbeschluss gefasst worden ist. Bei der Entscheidung über die Rückforderung dieser Beträge handelt es sich um ein gewöhnliches Geschäft der Verwaltung, das der Komplementärin der Klägerin bzw. dem von dieser mit der Geschäftsbesorgung beauftragten Dritten übertragen ist. Nach §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 1 HGB erstreckt sich die Befugnis zur Geschäftsführung auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt. Gewöhnlich in diesem Zusammenhang ist, was in einem Handelsgewerbe wie dem vorliegenden üblicherweise vorkommen kann (Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Auflage 2014, § 116 Rdn. 1). Hierzu gehört auch die Rückforderung von Ausschüttungen. Das folgt daraus, dass die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft zu den typischen Aufgaben der Geschäftsführung gehört. Eine andere Beurteilung ist nicht deswegen angezeigt, weil es sich um Ansprüche gegen Gesellschafter handelt. Denn es geht in diesem Zusammenhang nicht um die Frage, ob Ansprüche gegen Gesellschafter begründet werden sollen, sondern ob latent bestehende Forderungen geltend gemacht und damit fällig gestellt werden sollen. Kommt die Geschäftsführung nach pflichtgemäßer Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine Geltendmachung angezeigt ist, kann sie die hierzu erforderlichen Schritte selbst vornehmen. Im Übrigen ist auch die gleichsam umgekehrte Handlung, nämlich die Vornahme der gewinnunabhängigen Ausschüttungen, von der Geschäftsführung der Klägerin aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Vorgaben vollzogen worden.

Schlagworte: Darlehen, Darlehen an Gesellschafter, gewinnunabhängige Ausschüttungen, Liquiditätskrise, Schiffsfonds gewinnunabhängige Ausschüttungen