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OLG Hamm, Urteil vom 18.05.2009 – I-8 U 184/08, 8 U 184/08

§ 242 BGB, § 705 BGB, §§ 705ff BGB, § 34 GmbHG, § 241 Nr 4 AktG, § 246 Abs 1 AktG

1. Enthalten weder der von der Gesellschafterversammlung einer GmbH gefasste Beschluss, mit dem ein Geschäftsanteil eingezogen werden soll, noch die schriftliche Einladung zu dieser Versammlung Angaben über den Grund der Einziehung, wahrt der betroffene Gesellschafter, der nicht an der Versammlung teilgenommen hat, die Anfechtungsfrist, wenn er im Anfechtungsprozess erst nach Darlegung der Einziehungsgründe durch die Gesellschaft dazu inhaltlich vorträgt.

Im Streitfall hat der Kläger mit der Klageschrift die Beschlussfassung und die satzungsmäßigen Voraussetzungen dargelegt und ausgeführt, dass deren Voraussetzungen hier nicht vorgelegen hätten. Die Pfändung des Geschäftsanteils durch den Mitgesellschafter C3 und die Grundlage dieser Pfändung hat er nicht erwähnt. Unter den hier gegebenen Umständen ist gleichwohl die Anfechtungsfrist gewahrt worden. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass dem Kläger bei Klageerhebung nicht bekannt war, auf welchen konkreten Grund die Gesellschafterversammlung die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geschäftsanteils
gestützt hat. Das ihm zugeleitete Protokoll der Versammlung vom 12. Oktober 2007 enthält keine Begründung, abgesehen von der Satzungsgrundlage § 13.1. Auch das Einladungsschreiben zur Gesellschafterversammlung vom 25. September 2007 beschränkt sich auf die Wiedergabe des Wortlauts der beabsichtigten Beschlussfassung. Danach konnte der Kläger allenfalls mutmaßen, auf welchen Sachverhalt die Einziehung gestützt werde. Die vorangegangene Pfändung durch den Mitgesellschafter war auch keineswegs die einzige realistisch in Betracht kommende Grundlage für die Beschlussfassung. Angesichts des zerrütteten Verhältnisses zwischen den Gesellschaftern war denkbar, dass der Mitgesellschafter C3 grob fahrlässige Pflichtverstöße des Klägers erkannt haben könnte, auf die er die Einziehung  möglicherweise zusätzlich  gestützt hat. Solange dem Kläger die Grundlagen für die Beschlussfassung über die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht mitgeteilt worden waren, hätte es eine Überforderung dargestellt, wenn er bereits mit der Klage zu allen evtl. denkbaren Gründen hätte Stellung nehmen müssen (noch weitergehend OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, OLGR Brandenburg 2006, 395, das ein Eingehen des Anfechtungsklägers auf die Gründe der Beschlussfassung auch dann für entbehrlich hält, wenn diese mit der Einladung zur Gesellschafterversammlung bekannt gegeben worden waren).

2. Sieht die Satzung der GmbH das Recht zur Einziehung eines Geschäftsanteils auch ohne Zustimmung des betroffenen GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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u.a. im Fall der Pfändung des Geschäftsanteils vor, ist der Mehrheitsgesellschafter nicht gehindert, einen Einziehungsbeschluss herbeizuführen, auch wenn er selbst wegen titulierter Forderungen gegen den Mitgesellschafter die Pfändung bewirkt hat.

Die gesellschafterliche Treuepflicht steht einer solchen Beschlussfassung aber entgegen, wenn die Vollstreckungsmaßnahme aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Erfolg verspricht und maßgebliches Motiv die Absicht ist, den Mitgesellschafter aus der Gesellschaft zu drängen.

Ein Einziehungsbeschluss kann nach §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG dann nichtig sein, wenn bereits bei der Beschlussfassung über die Einziehung feststeht, dass die geschuldete Abfindung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft nicht geleistet werden kann und der Beschluss nicht klarstellt, dass die Zahlung nur bei Vorhandensein ungebundenen Vermögens erfolgen darf (BGHZ 144, 365, 369; BGH NZG 2009, 221). Hierzu fehlt Vortrag der Parteien, so dass der Senat diese Nichtigkeitsvoraussetzung nicht feststellen kann. Nach den Ausführungen der Steuerberaterin Schubert in ihrer Berechnung vom 21. September 2007 (Bl. 19 GA) betrug das bilanzielle Vermögen der Gesellschaft per 31.12.2006 mehr als 3.400,00 €, so dass die Abfindung von gut 300,00 €, deren Höhe von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, ohne Rückgriff auf gebundenes Vermögen nach diesen Werten hätte gezahlt werden können. Dass die Verhältnisse sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung wesentlich verschlechtert hatten, ist nicht dargelegt.

Der Kläger hat auch keinen Nichtigkeitsgrund entsprechend § 241 Nr. 4 AktG dargelegt. Nach dieser Vorschrift ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung dann nichtig, wenn er durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. Der Tatbestand dieser Vorschrift ist wegen der Bezugnahme auf den Inhalt des Beschlusses enger als derjenige des § 138 BGB; der Beschlussinhalt muss für sich allein betrachtet Sittenwidrig sein (Hüffer, AktG, 8. Aufl. § 241 Rdn. 24 m.w.N.). Weitere Umstände wie das Zustandekommen oder die Beweggründe führen dagegen nicht zur Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit, sondern können nur die Anfechtbarkeit begründen (Hüffer, a.a.O.). Das Landgericht hat auf die von dem Mehrheitsgesellschafter C3 verfolgten Ziele abgestellt und deshalb den Beschluss für Sittenwidrig gehalten. Dem kann der Senat nicht folgen. Ziele und Beweggründe spielen bei der Beurteilung im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Der Beschlussinhalt als solcher ist nicht nur im Gesetz vorgesehen (§ 34 GmbHG), sondern auch in der Satzung der Beklagten. Die Einziehung eines Geschäftsanteils als solche kann deshalb keinen sittenwidrigen Inhalt darstellen.

Die Voraussetzungen der Einziehung nach der Satzung der Beklagten lagen auch grundsätzlich vor, da der Geschäftsanteil des Klägers durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Brilon vom 27. August 2007 gepfändet worden war. Allein der Umstand, dass Gläubiger der Maßnahme der Mehrheitsgesellschafter C3 war, steht der Anwendung der Einziehungsklausel nicht entgegen. Insbesondere ist diese nicht etwa in der Weise auszulegen, dass nur Pfändungsmaßnahmen gesellschaftsfremder Dritter die Einziehung des Anteils rechtfertigen können. In erster Linie soll die Einziehungsmöglichkeit bei Vollstreckung in den Gesellschaftsanteil verhindern, dass außenstehende Dritte im Verlauf der Zwangsvollstreckung in den Gesellschafterkreis „eindringen“, was insbesondere bei personalistisch strukturierten Gesellschaften unerwünscht ist (vgl. z.B. Michalski, ZIP 1991, 147, 149). Im Falle der Verwertung nach § 857 Abs. 5 ZPO könnte etwa ein Gesellschaftsfremder den Geschäftsanteil ersteigern und anschließend ohne Hinderungsmöglichkeit der anderen Gesellschafter Mitgesellschafter werden. Diese Gefahr besteht auch dann, wenn die Vollstreckung von einem Mitgesellschafter betrieben wird.

Die Voraussetzungen der Einziehung nach der Satzung der Beklagten lagen auch grundsätzlich vor, da der Geschäftsanteil des Klägers durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Brilon vom 27. August 2007 gepfändet worden war. Allein der Umstand, dass Gläubiger der Maßnahme der Mehrheitsgesellschafter C3 war, steht der Anwendung der Einziehungsklausel nicht entgegen. Insbesondere ist diese nicht etwa in der Weise auszulegen, dass nur Pfändungsmaßnahmen gesellschaftsfremder Dritter die Einziehung des Anteils rechtfertigen können. In erster Linie soll die Einziehungsmöglichkeit bei Vollstreckung in den Gesellschaftsanteil verhindern, dass außenstehende Dritte im Verlauf der Zwangsvollstreckung in den Gesellschafterkreis „eindringen“, was insbesondere bei personalistisch strukturierten Gesellschaften unerwünscht ist (vgl. z.B. Michalski, ZIP 1991, 147, 149). Im Falle der Verwertung nach § 857 Abs. 5 ZPO könnte etwa ein Gesellschaftsfremder den Geschäftsanteil ersteigern und anschließend ohne Hinderungsmöglichkeit der anderen Gesellschafter Mitgesellschafter werden. Diese Gefahr besteht auch dann, wenn die Vollstreckung von einem Mitgesellschafter betrieben wird.

3. Die Beschlussfassung erweist sich gleichwohl als rechtswidrig, weil der Mehrheitsgesellschafter C3 mit der Ausübung seines Stimmrechts treuwidrig gehandelt hat. Es ist anerkannt, dass die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft auch zwischen den Gesellschaftern Treuepflichten begründet (M/Bayer in M/Hommelhoff, 16. Aufl. § 14 Rdn. 19). Aufgrund dieser Treuepflicht kann ein Gesellschafter gehalten sein, von ihm an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen (BGH GmbHR 1991, 362). Er braucht dabei allerdings nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter diejenigen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zurückzustellen; es kommt vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen an (BGH, a.a.O.). Diese Interessenabwägung geht hier zugunsten des Klägers aus. Das Verhalten des Mehrheitsgesellschafters C3 war zwar entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht schon deshalb treuwidrig, weil er an der Vollstreckung festhielt, obwohl der Kläger im April 2008 durch Zahlung die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Forderung erfüllt hatte. Abgesehen davon, dass die Zahlung nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geschehen ist und deshalb keine Erfüllung darstellte (vgl. Senatsurteil vom 3. September 2008 in dem damaligen Verfahren 8 U 129/07, S. 25), handelt es sich um einen Umstand, der erst Monate nach der Beschlussfassung eingetreten ist und sich auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses deshalb nicht auswirken konnte.

Ob zu Lasten des Mehrheitsgesellschafters C3 in die Abwägung der Umstand aufzunehmen ist, dass er die Rechte aus § 13.1 der Satzung in Anspruch nahm, obwohl die Zwangsvollstreckung lediglich aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil betrieben wurde, muss der Senat nicht entscheiden. Die Treuwidrigkeit folgt jedenfalls daraus, dass die Vollstreckung keinen nennenswerten Erfolg versprach. Zwar ist ein Gesellschafter nicht gehindert, seine wirtschaftlichen Interessen auch gegenüber Mitgesellschaftern zu verfolgen und Forderungen unter Umständen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Wenn andere Vollstreckungsmaßnahmen keinen gleichwertigen Erfolg versprechen, ist er durch die ihm obliegende Treuepflicht grundsätzlich nicht gehalten, von der Vollstreckung in Geschäftsanteile des Mitgesellschafters abzusehen. Dies ist jedoch anders zu beurteilen, wenn die Vollstreckung aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Unter diesen Umständen steht dem Interesse des Schuldners am Fortbestehen seiner Gesellschafterstellung kein schutzwürdiges Interesse des vollstreckenden Gläubigers gegenüber (vgl. Senat, Urteil vom 20.10.2008, 8 U 4/08). Dem vollstreckenden Gesellschafter ist in dem Fall billigerweise anzusinnen, auf die Vollstreckungsmaßnahme zu verzichten oder jedenfalls daraus keine Konsequenzen im Hinblick auf die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu ziehen.

Diese Situation liegt im Streitfall vor. Die Verwertung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des Klägers versprach im Ergebnis weder für den Mitgesellschafter noch die Beklagte einen nennenswerten Erfolg, so dass jedenfalls die darauf gestützte Zwangseinziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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treuwidrig war.

Nach alledem lässt sich als einzig nachvollziehbares Interesse des Mitgesellschafters C3 sein Bestreben feststellen, den Kläger aus der Gesellschaft hinauszudrängen, wobei er sich der formalen Rechtsposition aus § 13.1 der Satzung bediente. Dieses Verhalten war treuwidrig mit der Folge, dass die darauf beruhende Beschlussfassung keinen Bestand haben kann. Sie war auf die Anfechtung des Klägers für nichtig zu erklären.

Schlagworte: Sittenwidrige Beschlüsse nach § 241 Nr. 4 AktG analog, Treuepflicht in der GmbH, Treuepflicht unter den Gesellschaftern, Zwangseinziehung des Geschäftsanteils