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OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.03.2014 – 1 W 4/14

BRAO § 43a

1. Die Parteien dürfen in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten. Dies gilt auch, soweit der Tatsachenvortrag vertrauliche Absprachen der Gegenpartei mit ihrem Rechtsanwalt betrifft.

2. Gegen die gerichtliche Rechtsverfolgung einer Partei oder ihrer Prozessbevollmächtigten im Zivilprozess und das ihr dienende Vorbringen gibt es grundsätzlich keinen negatorischen Rechtsschutz (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 940 Rn. 8 „Prozessführung“ m.w.N.). Das sog. Ausgangsverfahren soll nicht durch die Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr dürfen die Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten (vgl. BVerfG NJW 1991, 29). Dies trägt dem Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung (BGH NJW 2012, 1659 m.w.N.). Die Rechte der davon Betroffenen werden hinreichend dadurch gewahrt, dass ihnen im Ausgangsverfahren prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz ihrer interessen bereit stehen (BGH NJW 2012, 1659; Kiethe, Zivilprozessuale Sanktionen gegen unrichtigen und rechtswidrigen Sachvortrag, MDR 2007, 625), bis hin zum Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 172 GVG oder einer ausnahmsweisen Unverwertbarkeit des fraglichen Vortrags selbst (vgl. OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, NJW 2000, 1577; s.a. Kiethe, Die Abgrenzung von zulässigem Sachvortrag und strafbewehrtem Geheimnisschutz im Zivilprozess, JZ 2005, 1034; Dauster/Braun, Verwendung fremder Daten im Zivilprozess und zivilprozessuale Beweisverbote, NJW 2000, 313).

3. Mit einer Ablehnung des begehrten Rechtsschutzes wird auch nicht der Schutz der Vertraulichkeit im Verhältnis zwischen einem Mandanten und seinem Rechtsanwalt verletzt und damit eine geordnete Rechtspflege aufgegeben. Es ist schon nicht ersichtlich, dass mit der Zuweisung der Entscheidung an das Ausgangsverfahren überhaupt eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der Antragsteller verbunden wäre. Denn die fraglichen Umstände, deren Benennung und Offenbarung die Antragsteller der Antragsgegnerin untersagen wollen, sind den Parteien bereits bekannt und damit gerade nicht mehr geheim. Auch ist nicht zu erkennen, dass durch eine Abweisung des Begehrens der Antragsteller Eingriffe in das Vertrauensverhältnis zwischen einem Mandanten und seinem Rechtsanwalt erleichtert würden oder überhand nehmen könnten (vgl. Dauster/Braun, Verwendung fremder Daten im Zivilprozess und zivilprozessuale Beweisverbote, NJW 2000, 313). Die Vorstellung der Antragsteller, alles, was zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten vertraulich gesprochen und getan wird, sei absolut geschützt und dem Vortrag der Gegenseite entzogen, verkennt Umfang und die Zielrichtung des Schutzes des anwaltlichen Mandatsverhältnisses.

4. Diesem Schutz liegt die Erkenntnis zugrunde, dass ein Rechtsanwalt seine auch im Allgemeininteresse liegende Tätigkeit als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) nur wirkungsvoll wahrnehmen kann, wenn der Mandant ihm vertraut. Dieses Vertrauen setzt aber neben Integrität und Zuverlässigkeit auch die Verschwiegenheit des Rechtsanwalts voraus, da der Mandant nur dann bereit sein wird, seinem Anwalt alle relevanten Umstände, dabei möglicherweise auch private und intime Geständnisse, zu offenbaren, wenn er davon ausgehen kann, dass diese Informationen nicht ohne oder gegen seinen Willen weitergegeben werden (vgl. Feuerich/Weyland-Böhnlein, BRAO, 8. Aufl. 2012, § 43a Rn. 12). Die Verschwiegenheitspflicht zählt daher zu den anwaltlichen Grundpflichten. Als unverzichtbare Bedingung der anwaltlichen Berufsausübung nimmt sie am Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG teil (vgl. BVerfGE 110, 226). Dem Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit dienen daneben eine Reihe (einfach)gesetzlicher Vorschriften, deren Ziel es ist, das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant gegen Störungen abzusichern (vgl. BVerfG, aaO.). Allen Regelung ist dabei gemein, dass mit ihnen die Verschwiegenheit des Rechtsanwalts als Grundbedingung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Mandant gegen Eingriffe geschützt wird.

5. Als „Herr des Geheimnisses“ (BGHZ 109, 260) kann allein sein Auftraggeber entscheiden, wann und welche Informationen an wen weitergegeben werden sollen. Indem das Schutzkonzept zur Sicherung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und seinem Mandanten an der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts ansetzt, wird zugleich deutlich, dass die aus Sicht des Mandanten geheimhaltungsbedürftigen Umstände nicht den von den Antragstellern angenommenen absoluten Schutz gegenüber Jedermann genießen – denn es wird nicht schlechthin die geheimhaltungsbedürftige Information, sondern die Verfügungsbefugnis des Mandanten über Tatsachenkenntnisse des Rechtsanwalts geschützt, von denen er als Anwalt in einer Rechtsangelegenheit erfahren hat. Das von den Antragstellern beanspruchte Recht, der Antragsgegnerin „den Mund zu verbieten“ vermittelt das zwischen den Antragstellern bestehende Mandatsverhältnis hingegen nicht.

Schlagworte: Geheimschutz, Verschwiegenheitspflicht