Einträge nach Montat filtern

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.10.2015 – 11 Wx 87/15

HGB § 318

1. Nach § 318 Absatz 4 Satz 1 HGB hat das Gericht auf Antrag der gesetzlichen Vertreter, des Aufsichtsrats oder eines Gesellschafters den Abschlussprüfer zu bestellen, wenn der Abschlussprüfer bis zum Ablauf des Geschäftsjahrs nicht gewählt worden ist. Nach § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB gilt Gleiches, wenn ein gewählter Abschlussprüfer die Annahme des Prüfungsauftrags abgelehnt hat, weggefallen ist oder am rechtzeitigen Abschluss der Prüfung verhindert ist und ein anderer Abschlussprüfer nicht gewählt worden ist.

2. Das Gesetz nennt als Gründe für die gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers das Fehlen, Wegfallen oder die Verhinderung am rechtzeitigen Abschluss. Anknüpfungspunkt ist hierbei, dass kein wirksam bestellter Abschlussprüfer vorhanden ist (Baumbach/Hopt/Merkt, HGB 36. Aufl. § 318 Rn. 11). Eine gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers ist daher möglich, wenn dessen wahl nichtig ist (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, ZIP 2004, 1114, 1116 f.; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB. 36. Aufl. § 318 Rn. 11). Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage erlaubt § 318 Absatz 4 HGB daher die gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil kann der Abschlussprüfer dagegen noch nicht als nicht gewählt oder weggefallen betrachtet werden.

3. § 318 Absatz 4 HGB dient der Verwirklichung des öffentlichen Interesses an der Pflichtprüfung nach § 316 HGB (Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB 5. Aufl. § 318 Rn. 1), d.h. mit dieser Vorschrift soll die Durchführung und der zeitnahe Abschluss der gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussprüfung sichergestellt werden (vgl. MünchKomm-HGB/Ebke, 3. Aufl. § 318 Rn. 75). Die Verwirklichung dieses Ziel ist aber nicht nur gefährdet, wenn eine Anfechtungsklage rechtskräftig Erfolg gehabt hat. Da sich ein Rechtsstreit über Jahre erstrecken kann, tritt eine Gefährdung auch dann ein, wenn eine Anfechtungsklage erhoben ist und sich u.U. erst nach langer Zeit herausstellen kann, dass kein wirksamer Jahresabschluss erstellt wurde. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber für diesen Fall eine gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers ausschließen wollte. Die bestehende Regelungslücke ist daher als planwidrig zu betrachten.

4. Aus der Existenz des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG lässt sich nichts gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke herleiten, da es für die Bestellung des Abschlussprüfers durch die Hauptversammlung kein Freigabeverfahren gibt (Marsch-Barner, Festschrift Hommelhoff, S. 691, 692).

5. § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB ist bei einer anhängigen Anfechtungsklage gegen den Beschluss zur wahl des Abschlussprüfers, des Konzernabschlussprüfers sowie des Prüfers für die prüferische Durchsicht des im Halbjahresbericht enthaltenen verkürzten Abschluss- und Zwischenlageberichts analog anzuwenden (AG Frankfurt, Beschluss vom 2. Februar 2005, nicht veröffentlicht; AG Duisburg, Beschluss vom 24. November 2004, nicht veröffentlicht; AG Bonn, Beschluss vom 29. Oktober 2004, nicht veröffentlicht; AG Mannheim, Beschluss vom 15. Januar 2004 – AR 495/03, nicht veröffentlicht; AG Wolfsburg, AG 1992, 205; Baumbach/Hopt, HGB 36. Aufl. § 318 Rn. 11; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar HGB mit UN-Kaufrecht 8. Aufl. § 318 Rn. 11; Haag/Löffler, HGB § 318 Rn. 27; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB 5. Aufl. § 318 Rn. 72; Marsch-Barner, FS Hommelhoff, 653, 671; von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2005, 602; vgl. auch MünchKomm-HGB/Ebke, 3. Aufl. § 318 Rn. 77).

6. Sinn und Zweck des § 318 Absatz 4 HGB ist es, die rechtzeitige Bestellung eines Abschlussprüfers sicherzustellen, damit die Gesellschaft bei vielerlei denkbaren Gestaltungen stets über einen Abschlussprüfer verfügt. Die Anfechtungsklage hat der Gesetzgeber dabei nicht berücksichtigt. Diese Lücke ist durch die analoge Anwendung des § 318 Absatz 4 HGB zu schließen (AG Wolfsburg, AG 1992, 205).

7. Sollte die Anfechtungsklage Erfolg haben, wäre die Bestellung des Abschlussprüfers rückwirkend nichtig und damit auch der von ihm geprüfte Jahresabschluss (AG Mannheim, Beschluss vom 15. Januar 2004 – AR 495/03). Dies wäre mit weitreichenden Folgen für die Gesellschaft verbunden (Marsch-Barner, FS Hommelhoff, 691, 693 f.): Mit dem Wegfall des Jahresabschlusses entfiele die Rechtsgrundlage für die Zahlung der Dividende. Diese müsste bei gleichzeitiger Kassation des Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 62 AktG zurückgefordert werden. Für einen etwaigen Ausfall der Gesellschaft hätten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats persönlich einzustehen.

8. Wegen der hohen Kosten kann die Gesellschaft nicht auf die Abhaltung einer neuen Hauptversammlung verwiesen werden (von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2005, 602).

9. Wird die Anfechtungsklage nicht auf die in der Person des Prüfers liegende Gründe gestützt, würde eine erfolgreiche Anfechtungsklage kein Hindernis für eine erneute Bestellung darstellen (von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2005, 602, 603). Geht es hinsichtlich der Bestellung durch die Hauptversammlung nur um formelle Fragen, ist der Aktionär nicht beschwert, wenn das Amtsgericht den Prüfer erneut bestellt (von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2005, 602, 603).

10. Nach § 318 Absatz 4 Satz 1 HGB hat das Gericht auf Antrag der gesetzlichen Vertreter, des Aufsichtsrats oder eines Gesellschafters den Abschlussprüfer zu bestellen, wenn der Abschlussprüfer „bis zum Ablauf des Geschäftsjahrs“ nicht gewählt worden ist. Nach § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB gilt Gleiches, wenn ein gewählter Abschlussprüfer die Annahme des Prüfungsauftrags abgelehnt hat, weggefallen ist oder am rechtzeitigen Abschluss der Prüfung verhindert ist und ein anderer Abschlussprüfer nicht gewählt worden ist. Auf Grund dieses Wortlauts wird teilweise vertreten, dass der Antrag nach § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB wegen des Verweises „Gleiches gilt“ erst nach Abschluss des Geschäftsjahres gestellt werden kann (Böcking/Gros/Rabenhorst in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 3. Aufl. § 318 Rn. 24). Überwiegend wird zwar eine Antragstellung schon vor Abschluss des laufenden Geschäftsjahres zugelassen, jedoch eine gerichtliche Bestellung erst nach Ablauf des Geschäftsjahres als möglich erachtet (Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB 5. Aufl. § 318 Rn. 70; von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2005, 602, 604; wohl auch MünchKomm-Bilanzrecht/Bormann, HGB § 318 Rn. 117).

11. Diese Argumente können bei der vorliegend vorzunehmenden analogen Anwendung des § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB nicht dazu führen, von einer Bestellung schon während des laufenden Geschäftsjahrs abzusehen. Bei der grammatikalischen Auslegung des Gesetzeswortlauts ist zwar zu berücksichtigen, dass § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB mit den Worten „Gleiches gilt“ beginnt. Es ist jedoch fernliegend, dass durch diese Verweisung auch der „Abschluss des Geschäftsjahres“ erfasst wird (MünchKomm-Bilanzrecht/Bormann, HGB § 318 Rn. 117). Der Verweis „Gleiches gilt“ ist vielmehr so zu verstehen, dass damit nur auf die Folgen verwiesen wird, wenn kein Abschlussprüfer gewählt wird. Damit ordnet der Gesetzgeber auch für die in § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB genannten Fälle die Rechtsfolge des § 318 Absatz 4 Satz 1 HGB an, dass das Gericht auf Antrag der gesetzlichen Vertreter, des Aufsichtsrats oder eines Gesellschafters den Abschlussprüfer zu bestellen hat. Aus dem Eingang des § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB lässt sich daher keine zeitliche Begrenzung der Antragstellung und der gerichtlichen Bestellung herleiten.

12. Überzeugend ist es, den Zeitpunkt der frühestmöglichen gerichtlichen Bestellung am Prinzip der Subsidiarität festzumachen. Nach § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB erfordert die gerichtliche Bestellung, dass „ein anderer Prüfer nicht gewählt“ worden ist. Deshalb ist es bei der direkten Anwendung des § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB konsequent, der Gesellschaft bei der nicht vorgenommenen wahl oder dem Wegfall des gewählten Abschlussprüfers zunächst die Möglichkeit zu einer wahl im laufenden Geschäftsjahr zu belassen (MünchKomm-Bilanzrecht/Bormann, HGB § 318 Rn. 117). Dieser Gesichtspunkt der Subsidiarität verfängt indes nicht bei der analogen Anwendung des § 318 Absatz 4 Satz 2 HGB und der gerichtlichen Bestellung des Abschlussprüfers. Denn Ausgangspunkt ist hierbei, dass die Hauptversammlung bereits eine Wahlentscheidung getroffen hat. Wie oben dargestellt verwirklicht die gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers in diesem Fall faktisch die – wenn auch angefochtene – Mehrheitsentscheidung, einen Abschlussprüfer zu bestellen und die Pflichtprüfung nach § 316 Absatz 1 HGB ordnungsgemäß und zeitnah durchzuführen sowie – bei gerichtlicher Bestellung desselben Abschlussprüfers – die getroffenen Wahlentscheidung.

13. Als zur eigenen Sachentscheidung berufenes Beschwerdegericht (§ 69 Absatz 1 Satz 1 FamFG) hält es der Senat für sachgerecht, den von der Hauptversammlung gewählten Abschlussprüfer gerichtlich zu bestellen, da es keine zwingende Notwendigkeit gibt, mit Rücksicht auf die anhängige Anfechtungsklage auf die gerichtliche Bestellung des von der Hauptversammlung gewählten Prüfers von vorneherein zu verzichten.

14. Allerdings muss das Gericht einen geeigneten Prüfer bestellen. Es ist bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben der §§ 319 ff. HGB gebunden (Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB 5. Aufl. § 318 Rn. 77). Gibt es Hinweise auf Hinderungsgründe für einen Prüfer, muss das Gericht diesen nachgehen (von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2005, 602, 603). Aus diesem Grund ist das Gericht gehalten, bei seiner Auswahlentscheidung die Frage etwaiger Ausschlussgründe zu prüfen.

15. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass eine Bestellung des gewählten Abschlussprüfers von vorneherein etwaige Probleme im Hinblick auf eine Doppelprüfung ausschließt. Bestellt das Gericht einen anderen Abschlussprüfer, gibt es ein Nebeneinander von gewähltem und bestelltem Abschlussprüfer. Die Rechtsprechung hatte bisher keine Gelegenheit, den in der Literatur seit langem bestehenden Streit zu entscheiden, ob eine Mehrfachprüfung rechtlich zulässig ist. Aus dem gesetzlichen Gebot einer einheitlichen Abschlussprüfung, eines einheitlichen Prüfberichts und eines eindeutigen Prüfungsurteils (MünchKomm-Bilanzrecht/Bormann, HGB § 318 Rn. 34; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB 5. Aufl. § 318 Rn. 19) erachtetet ein Teil der Literatur die mehrfache Prüfung ein und desselben Jahresabschlusses als unzulässig (MünchKomm-Bilanzrecht/Bormann, HGB § 318 Rn. 34; MünchKomm-HGB/Ebke, 3. Aufl. § 318 Rn. 17; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB 5. Aufl. § 318 Rn. 19 jeweils m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Wird wie hier der von der Hauptversammlung gewählte Prüfer gerichtlich bestellt, kann diese Frage dahinstehen.

Schlagworte: Abschlussprüfer, Anfechtungsklage, Bestellungshindernisse, Billigung eines von der Geschäftsführung aufgestellten Konzernabschlusses, Freigabeverfahren, gerichtliche Bestellung, Wahl der Abschlussprüfer