Einträge nach Montat filtern

OLG Koblenz, Urteil vom 09.03.2011 – 5 U 1417/10

§ 765 BGB, § 767 BGB, § 769 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 1191 BGB, §§ 1191ff BGB, § 43 GmbHG, § 64 GmbHG, § 15a InsO, § 263 StGB

Zur Frage, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer, der die Weiterbelieferung der GmbH durch eine persönliche Bürgschaft bewirkt, von dem Lieferanten über den Bürgschaftsbetrag hinaus persönlich auf Zahlung in Anspruch genommen werden kann, weil er durch Stellung der Sicherheiten Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft vorgespiegelt hat.

Die Berufungsangriffe haben keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Haftung des Beklagten zu 1. für die Verbindlichkeiten der GmbH im Ergebnis zutreffend nur in Höhe von insgesamt 350.000 € und damit der Beträge bejaht, die Gegenstand der Verpflichtungsübernahme vom 24.10.2007 und der Bürgschaft vom 12.12.2008 sind. Dabei kam im ersten Punkt eine Verurteilung freilich nicht in Betracht, da die Klägerin hier bereits über einen vollstreckbaren Titel verfügt; demgemäß war es richtig, die Klage insoweit zurückzunehmen.

Eine Einstandspflicht des Beklagten zu 1. für zusätzliche Schulden der GmbH von 206.500,75 € ist ebenso wenig verlässlich zu erkennen, wie sich feststellen lässt, dass der Beklagte zu 1. der Klägerin aufgrund eines vorsätzlichen deliktischen Verhaltens verhaftet ist. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Rolle, die der Beklagte zu 1. als Geschäftsführer der GmbH gespielt hat, als auch in Bezug auf seine persönliche Gewährübernahme für die Gesellschaft.

Allerdings hat er für die GmbH Kaufverträge mit der Klägerin geschlossen und Lieferungen entgegen genommen, ohne dass das Entgelt dafür entrichtet wurde. Aber es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass ihm dieserhalb ein Betrug (§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB) zur Last zu legen ist. Die Verkäufe, aus denen die Klägerin die Ansprüche von 206.500,75 € herleitet, datieren allesamt aus der zweiten Hälfte des Jahres 2009, als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH augenscheinlich und erhebliche Zahlungsrückstände aufgelaufen waren. Insofern war von vornherein klar, dass die Liquiditätslage der GmbH die umgehende Befriedigung der Klägerin nicht gestattete. Eine prompte Vertragserfüllung konnte die Klägerin von vornherein nicht erwarten, und sie hat auch keine Zusagen des Beklagten zu 1. in dieser Richtung behauptet. Allerdings mag sie langfristig auf die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der GmbH spekuliert haben. Aber diese zukünftige Entwicklung konnte nicht Gegenstand einer strafrechtlich relevanten Täuschung durch den Beklagten zu 1. sein (Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 263  Rn. 8). Im Übrigen spekulierte der Beklagte selbst in gleicher Weise.  Anders wäre seine Bereitschaft, sich mit seinen Privatvermögen zu engagieren, nicht zu erklären gewesen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass er in der Phase der streitigen Vertragsschlüsse von einem bestimmten Zeitpunkt an mit der dauerhaften Zahlungsunfähigkeit der GmbH gerechnet hätte.

Da es auch an Behauptungen der Klägerin dazu fehlt, ab wann die GmbH überschuldet oder anhaltend zahlungsunfähig war, scheidet eine Inanspruchnahme des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der § 823 Abs. 2, § 15 a InsO ebenfalls aus. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich deshalb die Frage nach möglichen Darlegungs- und Beweiserleichterungen, die die Klägerin für sich reklamiert, nicht stellt. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 126, 181 unter juris Rn. 33) entschieden, dass den „Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht grundsätzlich der Gläubiger zu erbringen“ hat und es nur dann, „wenn feststeht, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnerisch überschuldet war, Sache des Geschäftsführers (ist), die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen“.

Aus dem Vortrag der Klägerin lässt sich allenfalls erkennen, dass die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt des anwaltlichen Schreibens vom 17.12.2009,  mit dem ein Moratorium angestrebt wurde, eingetreten waren. Das ist jedoch ohne Belang, weil es nachfolgend weder zu Geschäftsabschlüssen mit der GmbH noch zu irgendwelchen Lieferungen kam.

Die Klägerin meint des Weiteren zu Unrecht, eine Haftung des Beklagten zu 1. nach § 823, § 263 StGB auf dessen mangelnde persönliche Finanzkraft oder auf die unzureichende Werthaltigkeit der ihr eingeräumten Grundpfandrechte stützen zu können. Es fehlt nämlich an der Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Soweit der Beklagte zu 1. – in Form des Zahlungsversprechens vom 24.10.2007 und der Bürgschaftsübernahme vom 12.12.2008 – erklärte, für die Schulden der GmbH einzustehen, brachte er zum Ausdruck, dafür – bis zur Höhe des angesetzten Betrages – sein gesamtes Privatvermögen zur Verfügung zu stellen. Eben diesen Zugriff hat die Klägerin erhalten. Eine weitergehende, generelle Haftungserklärung, die sie aus den Gesamtumständen herauslesen möchte, hat der Beklagte zu 1. nicht abgegeben.

Das Risiko eines Zahlungsausfalls des Beklagten zu 1. hat die Klägerin zu tragen. Anders wäre es nur dann, wenn ihr der Beklagte zu 1. die Existenz bestimmter nicht vorhandener Vermögenswerte vorgetäuscht oder über den Umfang seiner Verschuldung falsche Auskünfte erteilt hätte; dafür gibt es aber keinen greifbaren Anhalt. Die etwaige Aussage, bei Eintritt des Sicherungsfalls leistungsfähig zu sein, würde den Tatbestand der § 823 Abs. 2,  § 263 StGB nicht erfüllen, weil sie sich nicht auf vergangene oder aktuelle Gegebenheiten bezogen hätte (Cramer/Perron a. a. O.).

Schlagworte: Bürgschaft, GmbHG § 64 Satz 1, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungsunfähigkeit