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OLG Koblenz, Urteil vom 16.01.1992 – 6 U 963/91

§ 140 BGB, § 1068 BGB, § 1069 BGB, § 15 GmbHG, § 47 GmbHG, § 48 GmbHG

1. Bestellt ein GmbH-Gesellschafter auf Lebenszeit den Nießbrauch an seinem Geschäftsanteil und überträgt er dem Nießbraucher dabei – mit Zustimmung der Mitgesellschafter – unwiderruflich alle mit dem Anteil verbundenen Rechte, namentlich das Stimmrecht, bleibt er trotzdem Inhaber aller Verwaltungsrechte einschließlich des Stimmrechts.

Die Frage, wem bei einer Belastung des Geschäftsanteils mit einem Nießbrauch die Verwaltungsrechte, namentlich das Stimmrecht, zustehen, dem Gesellschafter oder dem Nießbraucher, ist auch heute noch strittig. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt dazu, soweit ersichtlich, noch nicht vor. Nach herrschender Ansicht, die nahezu einhellig im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum vertreten wird, verbleiben alle Verwaltungsrechte einschließlich des Stimmrechts als untrennbar mit der Mitgliedschaft verbundene Rechte beim Gesellschafter (so Zutt aaO., Rdnr. 61; Winter in Scholz GmbHGesetz 7. Aufl. § 15 Rdnr. 192; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz 15. Aufl. § 15 Rdnr. 52; Rowedder, GmbHG 2. Aufl. § 15 Rdnr. 37; Promberger in Staudinger, BGB 12. Aufl. Anh. zu §§ 1068 1069, Rdnr. 88; Stürner in Soergel, BGB 12. Aufl. § 1068 Rdnr. 8; nicht eindeutig Rothe in BGB-RGRK 12. Aufl. § 1068 Rdnr. 11). Die Gegenmeinung will dem Nießbraucher jedenfalls das Stimmrecht zugestehen (vgl. Sudhoff NJW 1974, 2205, 2207 f.; Ulmer in Staub, HGB 4. Aufl. § 105 Rdnr. 124, 126; Petzoldt in Münchener Kommentar 2. Aufl. § 1068 Rdnr. 36; Bassenge in Palandt BGB, 50. Aufl. § 1068 Rdnr. 4; Jauernig, BGB 6. Aufl. § 1068 Anm. 4.). Der Senat folgt der herrschenden Meinung.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann das Stimmrecht eines GmbH-Gesellschafters ebensowenig wie die übrigen Verwaltungs-(Herrschafts-)rechte von dem Geschäftsanteil losgelöst und selbständig übertragen werden (BGHZ 43, 261, 267; BGH NJW 1968, 396, 397; BGH WPM 1987, 70, 71 = NJW 1987, 780 = Betrieb 1987, 424 für die Aktiengesellschaft). Dies ist überwiegend auch die Auffassung im Schrifttum (zum Stand der Meinungen siehe Raiser in Hachenburg, GmbHG 8. Aufl. § 14 Rdnr. 32). Mit dem Grundsatz der Untrennbarkeit von Mitgliedschaft und Mitgliedschaftsrechten läßt es sich nicht vereinbaren, dem Nießbraucher das Stimmrecht zuzubilligen.

Die Bestellung des Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil soll dem Nießbraucher das Recht verschaffen, die Nutzungen des Anteils zu ziehen (§§ 1068, 1030 Abs. 1 BGB). Eine Teilhabe an den Verwaltungsrechten sehen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs für den Nießbrauch an Rechten nicht vor, sondern nur für den Nießbrauch am Anteil des Miteigentümers einer beweglichen oder unbeweglichen Sache (§ 1066 Abs. 1 BGB). Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, die nach § 1068 Abs. 2 BGB grundsätzlich zulässig wäre, verbietet sich nach Meinung des Senats angesichts der grundlegenden Unterschiede, die zwischen dem Miteigentum einer Sache und der Beteiligung an einer GmbH als Gegenstand eines Nießbrauchs bestehen und sich vor allem bei der Ausübung der Verwaltungsrechte zeigen.

2. Die in einem solchen Fall als nichtig anzusehende Übertragung des Stimmrechts kann in eine widerrufliche Stimmrechtsvollmacht für den Nießbraucher umgedeutet werden.

Der Senat hat keine Bedenken, die als nichtig anzusehende Übertragung des Stimmrechts gemäß § 140 BGB in eine widerrufliche Stimmrechtsvollmacht umzudeuten (siehe hierzu BGHZ 20, 363, 370; BGH NJW 1968, 396, 397; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, GmbHR 1990, 42). Eine solche Vollmacht wird allgemein für zulässig gehalten. Eine Umdeutung in eine unwiderrufliche und außerdem mit einem Stimmrechtsverzicht der Antragstellerin verbundene Stimmrechtsvollmacht kommt nicht in Betracht, weil dies einer – grundsätzlich unwirksamen – Abtretung des Stimmrechts gleichkäme (vgl. BGH WPM 1976, 1247, 1250 mwN.). Im übrigen kann auch nicht angenommen werden, daß die Antragstellerin bei Kenntnis der Nichtigkeit der Stimmrechtsübertragung einen Stimmrechtsverzicht gewollt hätte. Denn sie hat in der Vergangenheit von dem Stimmrecht immer Gebrauch gemacht, auch wenn sie es nur gemeinschaftlich mit der Nießbraucherin ausgeübt hat. Es scheidet auch die Umdeutung in eine bloß unwiderrufliche, aber mit keinem Stimmrechtsverzicht verbundene Stimmrechtsvollmacht aus, weil sie für die Dauer des Nießbrauchsrechts, also bis zum Tode der Nießbraucherin, eine unabänderliche und deshalb unzulässig Verselbständigung des Stimmrechts zur Folge hätte (vgl. BGH aaO.).

3. Will der Gesellschafter im Einzelfall von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch machen, sondern überläßt er die Ausübung des Stimmrechts dem Nießbraucher, so hat er nur dann ein Recht, neben dem Nießbraucher an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, wenn die Mehrheit der Mitgesellschafter einverstanden ist.

Schlagworte: Abspaltung des Stimmrechts vom Mitgliedschaftsrecht, Bevollmächtigter, Im Fall des Nießbrauchs, Kein Teilnahmerecht des vertretenen Gesellschafters, sonstige Personen, Teilnahmerecht des Bevollmächtigten, Übertragung von Vermögens- und Verwaltungsrechten