GmbHG §§ 43, 46, 47; AktG §§ 93, 248
1. Bei Verstößen gegen § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG sind nur die hiergegen verstoßenden, abgegebenen Stimmen gemäß § 134 BGB nichtig (Hüffer in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG Großkommentar Bd.II, 2006, § 47 Rn. 186; Koppensteiner in: Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl., § 47 Rn. 82; Zöller in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 47 Rn. 104), nicht hingegen der Beschluss selbst. Die Folge einer Nichtigkeit der Stimmabgabe für den Beschluss hängt vielmehr gegebenenfalls davon ab, ob dieser sich nach Abzug der nichtigen Stimmen ändert. Bleibt gleichwohl eine Mehrheit für die Entscheidung vorhanden, dann ist der Abstimmungsfehler ohne Bedeutung für die Wirksamkeit des Beschlusses (Hüffer in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG § 47 Rn. 186). Nach anderer Ansicht führt die Verletzung von § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG von Rechts wegen ohnehin nur zur Unwirksamkeit der Stimme und deshalb zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG-Report Düsseldorf 1999, 425 f. m.w.N.). Aus beiden Gründen ist die Nichtigkeit der Entlastungsbeschlüsse nicht festzustellen.
2. Ein- und derselbe Gesellschafterbeschluss darf nicht für den einen Teil der Betroffenen nichtig, aber für den anderen Teil nach wie vor die verbindliche Äußerung des Gesellschaftswillens sein; das „würde … in der Mehrzahl der Fälle zu unlösbarem Wirrsal führen“ (RGZ 85, 311, 313). Es gilt deshalb hier entsprechendes wie nach der aktienrechtlichen Regelung des § 248 Abs. 1 AktG, die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herstellen soll. Eine in jenem Anfechtungsrechtsstreit der Klage stattgebende Entscheidung, durch die der jeweils angefochtene Beschluss für nichtig erklärt wurde, wirkt nach den im GmbH-Recht entsprechend anwendbaren § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG über die nur zwischen den Parteien wirkende Rechtskraft des § 325 Abs. 1 ZPO hinaus für und gegen alle Gesellschafter und Gesellschaftsorgane, auch wenn sie an diesem Verfahren nicht förmlich als Partei teilgenommen haben (vgl. BGHZ 132, 278, 285; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NZG 2004, 916, 922; Binge, Gesellschafterklagen gegen Maßnahmen der Geschäftsführer in der GmbH, 1993, S. 175 ff.; Raiser in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG Großkommentar Bd. II, Anh. § 47 Rn. 264). Auch darüber hinaus wirkt die rechtskräftige Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses für und gegen jedermann (vgl. Römermann, in: Michalski, GmbHG, 2002, Anh. § 47 Rn. 538).
3. Wirksame Entlastungsbeschlüsse schließen nur solche Ansprüche aus, die innerhalb des Entlastungszeitraums entstanden sind und deren Existenz aufgrund der von den Geschäftsführern abgelegten Rechenschaft bei sorgfältiger Prüfung erkennbar war, oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben (vgl. BGHZ 94, 324, 326; 97, 382, 384).
4. Bei einer unzureichenden Vorbereitung der Entscheidungsgrundlage kommt dem Geschäftsführer generell nicht der Spielraum des Handlungsermessens zu (vgl. Haas in: Michalski, GmbHG § 43 Rn. 74). Dasselbe gilt für eine Verletzung von Kontroll- und Überwachungspflichten (vgl. Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 43 Rn. 74, 92).
5. Zustimmungsvorbehalte sind das Instrument vorbeugender Kontrolle des Aufsichtsrats, Maßnahmen der Geschäftsleitung, die möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können, von vornherein zu unterbinden (vgl. BGH NJW-RR 2007, 390 f.). Ist bei der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ein vorhandener Aufsichtsrat in die Entscheidung eingebunden, haben die Geschäftsführer den Aufsichtsrat über die für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu informieren. Der Bericht der Geschäftsführer hat in solchen Fällen den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Die Geschäftsführer sind dem Aufsichtsrat zu unbedingter Offenheit verpflichtet (vgl. BGHZ 20, 239, 246). Der Bericht der Geschäftsführer muss vollständig und sachlich zutreffend sein, Tatsachen und Bewertungen sind zu trennen. Der Bericht oder die Vorlage der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat muss alle Informationen enthalten, die den Aufsichtsrat in die Lage versetzen, die anstehende Entscheidung zu treffen, und die für die Willensbildung ersichtlich von Erheblichkeit sind oder sein können (vgl. OLG OldenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NZG 2007, 434, 437).
6. Über Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung muss auf Geschäftsführerebene befunden werden. Der zuständige Geschäftsführer kann sich seiner Verantwortung nicht durch Delegation entziehen (vgl. Koppensteiner in: Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rn. 17).
7. Eine Schadensersatzpflicht kommt bei autonom handelnden Entscheidungsträgern in der Leitungsverantwortung einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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freilich erst dann in Betracht, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft unternehmerisches Risiko einzugehen in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Der Handlungsspielraum ist dort überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns (hier Geschäftsleiters einer Bank) das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. Eine Pflichtverletzung ist gegeben, wenn ein Organmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungssätze verstößt. Dies bedeutet für die Bankentätigkeit, dass Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten und nur unter Beachtung der Beleihungsobergrenzen gewährt werden dürfen (vgl. BGH DStR 2005, 933, 935).
8. Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers liegt bei Kompetenzüberschreitungen entgegen den vorgesehenen Zustimmungsvorbehalten stets vor (vgl. Haas in: Michalski, GmbHG § 43 Rn. 53; Meyke, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 2007, Rn. 90a), ohne dass dafür ein unternehmerischer Entscheidungsspielraum in Anspruch genommen werden könnte. Das gilt insbesondere dann, wenn das jeweils zuständige Aufsichtsgremium vom Geschäftsführer weisungswidrig nicht eingeschaltet wurde. In einem solchen Fall gibt es auch keine Entlastungsmöglichkeit und der Gegenbeweis, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, ist in einem solchen Fall ausgeschlossen (vgl. BGH NJW 1997, 314 f.). Im Übrigen trägt der Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Aufsichtsgremium, wenn es angerufen worden wäre, den Kredit gleichwohl bewilligt hätte (vgl. Fischer DStR 2007, 1082, 1087).
9. Die § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG sehen eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast vor. Ist streitig, ob die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt wurde, trifft den Geschäftsleiter danach die Darlegungs- und Beweislast. Diese Abweichung von dem Grundsatz der Beweislast des Anspruchstellers für sämtliche anspruchsbegründenden Umstände rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass das jeweilige Organmitglied die Umstände seines Verhaltens und damit auch die Gesichtspunkte überschauen kann, die für die Beurteilung der Pflichtmäßigkeit seines Verhaltens sprechen, während die von ihm verwaltete Korporation in diesem Punkt immer in einer Beweisnot wäre (vgl. BGHZ 152, 280, 283). Obwohl es dafür keine besondere gesetzliche Regelung im Recht der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gibt, wird die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast allgemein auch auf den Fall der Geschäftsführerhaftung in der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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angewendet (vgl. Koppensteiner in: Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG § 43 Rn. 36; Lutter/Hommelhoff, GmbHG § 43 Rn. 26; Mertens in: Hachenburg, GmbHG § 43 Rn. 66; Scholz, GmbHG § 43 Rn. 167b), zumal die Umkehr von der Rechtsprechung bereits angewandt wurde, als es eine gesetzliche Regelung hierfür noch nicht gab (vgl. Fischer DStR 2007, 1083, 1088). Eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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trifft danach im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr auch die Erleichterungen des § 287 ZPO zugute kommen können. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre (vgl. BGHZ 152, 280, 283). Gegenüber einem ausgeschiedenen Geschäftsführer gilt im Wesentlichen nichts anderes. Vor einer Überspannung seiner Darlegungs- und Beweislast ist er dadurch geschützt, dass die Gesellschaft die angebliche Pflichtverletzung im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu bezeichnen hat.
10. Eine Beschränkung des Verschuldens auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen der gefahrgeneigten Tätigkeit (vgl. Heisse, Die Beschränkung der Geschäftsführerhaftung gegenüber der GmbH, 1988, S. 55 ff.) findet im Bereich des § 43 Abs. 2 GmbHG auch mit Blick auf den Präventionszweck der Geschäftsführerhaftung nicht statt.
11. Gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG verjährt ein Schadensersatzanspruch aus der Verletzung von Geschäftsführerpflichten in fünf Jahren ab Entstehung des Anspruchs. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, das heißt mit Eintritt des Schadens dem Grunde nach (vgl. Scholz, GmbHG § 43 Rn. 204). Der Schaden braucht in dieser Phase noch nicht bezifferbar zu sein; es genügt, dass der Anspruch im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden könnte. Das ist regelmäßig mit Vertragsabschluss der Fall; bei nachträglichen Pflichtverletzungen gegebenenfalls aber erst später. Auf die Kenntnis der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von den anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es nicht an (vgl. BGH DB 2005, 821, 822).
12. Es gibt keinen Anspruch des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft auf Abschluss einer speziellen Haftpflichtversicherung (directors and officers-Versicherung).
Schlagworte: Abberufung aus wichtigem Grund, Anfechtungsgründe, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Darlegungs- und Beweislast, Entlastung der Geschäftsführer, Ermessensspielraum, Folgen bei Beschlussmängeln, Generalbereinigung, Generalbereinigung mit Geschäftsführer, Gesellschafterbeschluss, Kompetenzen, Kompetenzüberschreitung, nachhaltiger Verstoß gegen die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis, Nichtigkeit der abgegebenen Stimmen, Nichtigkeitsfeststellungsklage/Nichtigkeitsklage, Nichtigkeitsgründe, Rechtsfolgen bei Rechtsverletzungen, Schadensersatzanspruch, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Stimmrechtsausschluss, überprüfbares Ermessen, unzureichende Vorbereitung der Entscheidungsgrundlage, vorsätzliche Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis