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OLG Köln, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 4 U 82/19

§ 708 BGB, § 522 Abs 2 Nr 4 ZPO

1. Es kann einen Verstoß gegen die Pflichten eines Geschäftsführers darstellen, dass er es versäumt hat, hinsichtlich der Enwicklung und Produktion eines Erfrischungsgetränks wenigstens die dem Prokuristen zugeleiteten Unterlagen eines hinzugezogenen Instituts und des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) betreffend die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des Produkts selbst auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.

2. Dass ein Gesellschafter sich durch eine schadenbegründende Handlung zugleich selbst schädigt, reicht zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2013, II ZR 391/12).

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 28. März 2019 – 83 O 64/17 wird zurückgewiesen.

2. Die Berufungsrücknahme des Klägers hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.

3. Die Kosten der Berufungsverfahren tragen der Kläger zu 43% und die Beklagten zu 57%.

4. Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren des Klägers und der Beklagten wird auf jeweils 50.000 EUR festgesetzt. Der Gesamtstreitwert wird für die Zeit bis zum 6. August 2020 auf 100.000 EUR und für die Zeit danach auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger, ein Onkel der Beklagten, ist mit einem Anteil von 38% Gesellschafter der Privatbrauerei A B & Co. oHG (im Folgenden: A oder oHG) und wendet sich gegen Beschlüsse über die Verwendung des 2016 erwirtschafteten Gewinns sowie die dem Beklagten zu 1) für jenes Geschäftsjahr erteilte Entlastung als Geschäftsführer. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, an der – anders als in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils (LU, Seite 14) ausgeführt ist – anstelle der Beklagten zu 2) und 3) unstreitig nicht der Beklagte zu 1), sondern Rechtsanwalt Dr. C als deren Vertreter teilgenommen hat, sind mehrheitlich am 16. Oktober 2017 gefasst, und zwar derjenige über die Entlastung des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer (TOP5) mit den Stimmen der Beklagten zu 2) und 3), die als Erben ihres am 17. Januar 2017 verstorbenen Vaters D B, eines Bruders des Klägers, jeweils Anteile von rund 20,67% an der A halten, und derjenige über die Gewinnverwendung (TOP4) zusätzlich mit den Stimmen des Beklagten zu 1), der bereits vor dem Tod von D B mit 15% beteiligt war, nunmehr gleichfalls rund 20,67% der Anteile an der A hält (Anlage K2, 7 ff.) und das Amt des Geschäftsführers der A bereits seit mehr als 10 Jahren bekleidet.

1. Die A betreibt eine Brauerei. Ihr ursprünglich mit Fremdmitteln im unteren zweistelligen Millionenbereich finanzierter Produktionsstandort befindet sich seit 2016 im E Stadtteil F. Gegenstand des Unternehmens der A ist die Herstellung und der Vertrieb von Bier und bierähnlichen Erzeugnissen (§ 2 (1) des Gesellschaftsvertrages (im Folgenden: GV)). § 9 GV befasst sich mit der Verwendung des jährlichen Reingewinns der Gesellschaft. § 14 (2) GV schreibt vor, dass grundsätzlich nur männliche Nachkommen des Gründungsgesellschafters zu geschäftsführenden Gesellschaftern bestellt werden sollen, diese jedoch die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Leitung des Unternehmens haben müssen. Der Gesellschaftsvertrag enthält in § 16 Zustimmungsvorbehalte. Unter anderem bedarf die Geschäftsführung zur Vornahme von über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäften der Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
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(§ 16 Abs. 1 GV). Als ungewöhnlich eingestuft sind insbesondere die Aufnahme von Krediten und die Übernahme von Bürgschaften (§ 16 Abs. 2 d GV) sowie die Vornahme von Investitionen, die im Einzelfall den Betrag von 20.000,00 DM übersteigen (§ 16 Abs. 2 f GV), wobei dieser Schwellenwert durch Beschluss der Gesellschaftersammlung vom 15. Januar 1973 auf 100.000,00 DM erhöht worden ist. Nach § 19 (2) GV werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht Gesetz oder Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorschreiben. § 20 (1) GV fordert für Beschlüsse, die eine Änderung des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstand haben, eine Mehrheit von 75% aller berechtigten Stimmen.

2. Der Kläger hat dem Beklagten zu 1) vorgeworfen, er habe seine Pflichten als Geschäftsführer der A verletzt und sei gegenüber der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, weil er zum einen ohne Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen 2015 unter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften ein Erfrischungsgetränk habe entwickeln und 2016 produzieren sowie vertreiben lassen und – was unstreitig ist – er zum anderen in der Zeit vom 2. Februar bis zum 21. November 2016 zur Stützung der Liquidität der A G GmbH (im Folgenden: A G), eines verbundenen Unternehmens (wie aus der Übersicht in der Klageschrift vom 19. Dezember 2017 (GA I 7 f.) ersichtlich)  ohne Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen in Teilbeträgen zwischen 20.000,00 EUR und 200.000,00 EUR vierzehn als Darlehen gebuchte Zahlungen der A in Höhe von insgesamt 1.075.000,00 EUR veranlasst habe. Beides sei dem Beklagten zu 1) als Geschäftsführer der A anzulasten. Ihm sei in treuwidriger Weise Entlastung erteilt worden. Den Vorwürfen liegen folgende Vorgänge zugrunde:

a) Der Beklagte zu 1) erwog ab Anfang 2015, unter dem Namen „H“ ein durch Aufguss aus den Schalen der Kaffeekirsche gewonnenes teeartiges Erfrischungsgetränk herzustellen. Im Frühjahr 2015 ließ die A prüfen, ob es sich hierbei um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten vom 27. Januar 1997 (ABl. Nr. L 43 vom 14. Februar 1997, S. 1) (im Folgenden: Novel-Food-Verordnung) handelt. Mit Schreiben vom 2. März 2015 (Anlage K8, AH I 58 ff.) teilte die zwecks Beratung hinzugezogene SGS Institut Fresenius GmbH (im Folgenden: Fresenius) der A zu Händen ihres innerhalb der Geschäftsleitung u.a. für das Brauereiwesen zuständigen Prokuristen I mit, dass das Produkt ihrer Auffassung nach keiner Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung bedürfe, empfahl jedoch, eine gegebenenfalls durch eine Einschätzung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: BVL) zu ergänzende Bestätigung der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörde  einzuholen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LANUV) teilte auf Anfrage der A durch gleichfalls an deren Braumeister und Prokuristen I adressiertes Schreiben vom 3. Juni 2015 (Anlage K9, AH I 63 f.) mit, ihm lägen derzeit keine Belege darüber vor, dass der beschriebene Extrakt als „nicht neuartig“ im Sinne der Novel-Food-Verordnung anzusehen sei. Auch die Stellungnahme von Fresenius könne dies nach dortiger Ansicht nicht belegen, weil darin in erster Linie darauf verwiesen werde, dass in der Vergangenheit die KaffeeVO unterschiedliche Gehalte an Fremdbestandteilen (u.a. Schalenanteilen) toleriere. Die von Fresenius gezogene Schlussfolgerung, dass daraus unmittelbar die unbeschränkte Verkehrsfähigkeit von Schalen der Kaffeekirsche wie auch von Extrakten folge, werde nicht geteilt. Letztlich sei eine Verkehrshistorie in der EU vor dem 15. Mai 1997 nachzuweisen. Den Ausführungen von Fresenius, wonach ein aus den Schalen der Kaffeekirsche gewonnenes Erzeugnis im Jemen und Arabien den Status eines Nationalgetränks besäße, komme insoweit keine Bedeutung zu. Das Schreiben des LANUV schließt mit der Mitteilung, eine Kopie des Schreibens werde an die für die A zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde der Stadt E weitergeleitet. Auf eine Bitte um Stellungnahme teilte Fresenius dem Mitarbeiter der A I mit E-Mail vom 25. Januar 2016 (Anlage K10, AH I 66) u.a. Folgendes mit:

Die vom LANUV (…) geforderte Verzehrhistorie in der EU vor dem 15. Mai 1997 wird eindrucksvoll durch die lebensmittelrechtliche und analytische Begleitentwicklung in Deutschland über einen Zeitraum von mehr als 130 Jahren belegt. In direkter Folge ist auch unmittelbar abzuleiten, dass die Verzehrmenge entsprechender Extrakte durch den menschlichen Verbraucher zumindest seit Mitte des 19. Jahrhunderts und bis heute im gesamten deutschen Rechtsraum in signifikanten Umfängen und Mengen erfolgt. Details hierzu bitten wir unserem Abschlussbericht vom 12. März 2015 zu entnehmen.

Angesichts der weitverbreiteten und zeitlich sehr langen Verwendung sind Extrakte aus getrockneten Schalen der Kaffeekirsche nicht als „neuartig“ im Sinne der Novel Food VO (EG) Nr. 258/97 einzustufen. Dies wird nach unserer Bewertung auch durch den Novel Food Katalog der Europäischen Kommission bestätigt.

Diese E-Mail wurde von der A an die mit Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes befasste Rechtsanwältin Dr. J mit der Bemerkung „Wir belassen es dabei“ weitergeleitet, welche kurz mit „Gute Entscheidung“ antwortete und ein „Daumenhoch“-Zeichen hinzusetzte.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19. November 2015 (Anlage K21, AH II 230 f.) hatte der Kläger gegenüber den früheren anwaltlichen Beratern des Beklagten zu 1) beanstandet, dass die Herstellung und der Vertrieb von H nicht vom Unternehmensgegenstand der A gedeckt sei, und forderte den Beklagten zu 1) auf, dadurch verursachte Kosten zu ersetzen. Der 2016 vorgenommenen Markteinführung unter dem Namen „H K“ mit durch Beimischung von 5% alkoholfreiem Bier geringfügig veränderter Rezeptur folgte die Entscheidung des Beklagten zu 1) zur Produkteinstellung im Juni 2017, nachdem in einem sogenannten Memo seiner Prozessbevollmächtigten vom 14. jenes Monats (Anlage K12, AH I 70 ff.) auf Bedenken gegen die lebensmittelrechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch Fresenius hingewiesen worden war.

Der Kläger, der die Produktentwicklung und Markteinführung für pflichtwidrig hält, hatte bereits 2016 für die A in dem durch Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Oktober 2018 bis zur Erledigung der vorliegenden Sache gemäß § 148 ZPO ausgesetzten Rechtsstreit 87 O 26/16 LG Köln = 18 U 89/17 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Wege der actio pro socio Ersatzforderungen in Höhe von 38.726,95 EUR geltend gemacht und um die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden nachgesucht. In dem Anhang zur Bilanz der A zum 31. Dezember 2016 wird darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht auf die vorübergehende Einstellung des Vertriebs von „H K“ bilanzierte Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe außerplanmäßig in Höhe eines Betrages von 330.000,00 EUR abgeschrieben worden seien (Anlage K13, AH I 76 ff.). Mit einer beim Landgericht Wiesbaden (Az. 12 O 33/18) eingereichten Klage vom 27. Dezember 2017 hat die oHG von Fresenius Ersatz des ihr aus einer angeblichen Fehlberatung entstandenen Schadens verlangt. Diesen hat sie zunächst auf 319.852,52 EUR beziffert (GA II 493) und nach einer Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 27. Dezember 2018 (Anlage K36, Anlagenband 1) zuletzt mit 537.946,87 EUR geltend gemacht.

b) Die oHG steht an der Spitze der A-Gruppe. Sie hält 100% der Anteile der A L GmbH (im Folgenden: A L). Diese betreibt im M in E ein Brauhaus. Zur Firmengruppe gehörte ferner die A G GmbH (im Folgenden: A G). Diese hat mit eigenem Inventar ein Brauhaus in N betrieben und war über die A L, die 100 % der Anteile hielt, mit der A verbunden. Zwischen der A L und der A G bestand ein „Organschaftsvertrag“ (Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag). Der Geschäftsbetrieb der A G, deren Gründung durch die A L in der Gesellschafterversammlung der A vom 25. Juni 2015 (Anlage B15, AH I 208 f.) bei Stimmenthaltung durch den Kläger einstimmig beschlossen wurde, führte zu Verlusten von 843.000 EUR (2016) und 224.000 EUR (2017), die aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags die A L trug. Im Mai 2017 verkaufte die A G ihr Inventar an die A. Den Gesamtpreis haben die Beklagten in erster Instanz auf 1.160.285,71 EUR beziffert (GA I 141, II 237) und im Berufungsrechtszug lediglich noch mit 1.097.980,99 EUR angegeben, was dem Buchwert abzüglich eines „Sicherheitsabschlags“ von 20% entsprochen haben soll (GA II 384). Ferner haben sie die Verrechnung der Kaufpreisschuld mit der Darlehensforderung der A vorgetragen (GA I 141, II 237), wobei der Kläger im ersten Rechtszug mit nachgelassenem Schriftsatz vom 7. März 2019 (GA II 282) geltend gemacht hat, dass diese der Beschlussfassung vom 16. Oktober 2017 nachgefolgt sei. Nach Aufgabe ihres Geschäftsbetriebs im April 2017 ist die A G im Januar 2018 auf die A L verschmolzen worden (GA II 284). Die A hat die Geschäftsräume in N zwischenzeitlich neu verpachtet. Darüber hinaus war die A an zwei Getränkefachgroßhändlern, der O P GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(im Folgenden: P) und der Q & R Getränke GmbH (im Folgenden: Q&R) beteiligt. Letzterer hatte die Geschäftsführung der A zum Zwecke des Ausgleichs von Verlusten Darlehen gewährt, ohne um die Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nachzusuchen (GA I 140 f.), wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es sich um jährlich wiederkehrende, sich auf einen Gesamtdarlehensbetrag von rund 3,89 Mio. EUR summierende Liquiditätszuschüsse (GA I 140 f.) oder um einen einmaligen Vorgang mit einer Darlehenssumme von 125.000,00 EUR (GA I 212) gehandelt hat. Einigkeit besteht darüber, dass von der A sogenannte Brauereidarlehen an einzelne Gastwirte, die im Gegenzug eine Bierbezugsverpflichtung eingingen, nur nach im Umlaufverfahren gefassten Gesellschafterbeschlüssen ausgereicht wurden, sobald die Darlehenssumme 50.000,00 EUR überstieg.

3. Nach dem zu TOP4 gefassten Gewinnverwendungsbeschluss für 2016 sind von dem Jahresergebnis von 4.800.864,70 EUR dem Kläger mit Rücksicht auf § 9 (1) a) GV 81.014,41 EUR und mit Rücksicht auf § 9 (1) c) GV weitere 350.954,31 EUR zugewiesen worden (Anlage K3, AH I 15).

Der Kläger ist der Ansicht, dies verstoße gegen § 9 (1) c GV, weil mehr thesauriert worden sei, als es der ihn treffenden Steuerbelastung entsprochen habe. Tatsächlich stünde ihm eine höhere Steuerentnahme zu. Nachdem er seine auf Einkünfte aus der A entfallende anteilige Steuerbelastung in erster Instanz zunächst auf 454.714,42 EUR (Anlage K5, AH I), alsdann auf 474.877,13 EUR (Anlage K19, AH II) und mit nachgelassenem Schriftsatz vom 7. März 2019 (GA II 273) schließlich auf 496.632,95 EUR beziffert hat, hat der Kläger seine anteilige Steuerbelastung, welche in allen Fällen ohne Berücksichtigung steuermindernder Sonderbetriebsausgaben ermittelt ist, im Berufungsrechtszug mit lediglich 447.313,40 EUR angegeben (Anlage K32, GA II 399 f.).

Diesem Vorbringen sind die Beklagten bereits in erster Instanz unter anderem dahingehend entgegengetreten, dass die Steuerbelastung des Klägers unter Berücksichtigung seiner sich auf rund 750.000 EUR belaufenden und im Wesentlichen auf Anwaltskosten für die Rechtsberatung und Vertretung seiner Interessen im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Auseinandersetzungen mit dem Beklagten zu 1) und dem früheren Mitgesellschafter D B beruhenden Sonderbetriebsausgaben die beschlossene Steuerentnahme nicht übersteige.

4. Das Landgericht hat die Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beschluss über die Entlastung sei nichtig. Allerdings könne von einer eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzung nicht ausgegangen werde, soweit der Beklagte zu 1) die Entwicklung des teeartigen Erfrischungsgetränks aus dem Extrakt der Kaffeekirsche vorangetrieben haben. Dieses Projekt sei jedenfalls mit später veränderter Rezeptur vom Unternehmensgegenstand gedeckt und nach der eingeholten Expertise von Fresenius jedenfalls nicht eindeutig gesetzeswidrig gewesen. Da derzeit frustrierte Aufwendungen lediglich in Höhe von 37.582,25 EUR belegt seien, könne insoweit auch nicht von einem Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 16 GV ausgegangen werden (LU, Seite 12 f.). Demgegenüber habe der Beklagte zu 1) gegen die innergesellschaftliche Kompetenzordnung verstoßen, indem er die Liquiditätshilfen für die A G bewilligt habe, ohne eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Die Satzung der A sei dahin auszulegen, dass zu Vermögensabflüssen von mehr als rund 50.000 EUR  führende Geschäfte zustimmungspflichtig seien. Bereits aufgrund dieses eindeutigen Satzungsverstoßes durch den Beklagten zu 1) sei dessen Entlastung treuwidrig gewesen. Darauf, ob der A ein Schaden entstanden sei, komme es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Beklagte zu 1) die ihm von dem Beklagten zu 2) und 3) erteilten Vollmachten missbräuchlich genutzt habe, um einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen (LU, Seite 13 f.). Der Gewinnverwendungsbeschluss sei nicht zu beanstanden. Die auf die Gesellschaftsbeteiligung entfallende anteilige Steuerbelastung des Klägers sei nach den konkreten steuerlichen Verhältnissen unter Einschluss etwaiger Sonderbetriebsausgaben zu ermitteln. Daran gemessen habe der Kläger, auf dessen Steuerbelastung es als dem Gesellschafter mit dem höchsten Anteil ankomme, nicht hinreichend dargelegt, dass die konkrete Steuerbelastung die beschlossene Steuerentnahme übersteige (LU, Seite 14 ff.).

5. Der Kläger hat seine form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung, mit welcher er sein auf Feststellung der Unwirksamkeit des Gewinnverwendungs-beschlusses gerichtetes Begehren weiterverfolgt hat, auf die gemäß Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 erteilten Hinweise (GA III 555 ff.) mit dem am 6. August 2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 4. August 2020 (GA III 612) zurückgenommen.

6. Mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag, soweit diesem durch das Landgericht nicht entsprochen worden ist, unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie halten die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des § 16 (2) GV für inhaltlich falsch. Die Frage, ob eine Geschäftsführungsmaßnahme ungewöhnlich sei, beurteile sich nur für Investitionen, denen in der A üblicherweise ohne Einschaltung der Gesellschafterversammlung gewährte Liquiditätshilfen für verbundene Unternehmen allerdings nicht zuzurechnen seien, nicht aber allgemein nach dem in lit. f) in der Fassung des Beschlusses der Gesellschaftersammlung vom 15. Januar 1973 bestimmten Schwellenwert von 100.000,00 DM. Die beanstandete Verletzung der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung durch den Beklagten zu 1) könne im Übrigen auch deshalb nicht zur Nichtigkeit des von den Beklagten zu 2) und 3) gefassten Entlastungsbeschlusses führen, weil darin kein eindeutiger und schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß liege und es überdies an einem daraus erwachsenen Schaden fehle.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. März 2019 – 83 O 64/17 – teilweise abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit diese den von der Gesellschafterversammlung der A gefassten Beschluss über die Entlastung des Beklagten zu 1) für das Geschäftsjahr 2016 zum Gegenstand hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig nebst Anlagen zu der Verfahrensakte gereichten Schriftsätze und auf den übrigen Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.

II.

1. Die Berufungen der Beklagten sind gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig der Überzeugung ist, dass deren Rechtsmittel offensichtlich unbegründet ist und eine Entscheidung darüber durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung nicht geboten ist. Zur Begründung wird zunächst auf den Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 (GA III 555 ff.) Bezug genommen. Die Ausführungen der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 3. August 2020 (GA III 594 ff.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie geben lediglich zu folgenden Ergänzungen Anlass:

a) Der Senat hat mit Beschluss vom 9 Juli 2020 (dort Seite 8 ff., GA III 562 ff.) ausgeführt, weshalb der Beklagte zu 1) für die Schäden ersatzpflichtig ist, die dadurch entstanden sind, dass er den Vertrieb des Erfrischungsgetränks wegen eines befürchteten Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Mai 2008, BGBl. I S. 919 (im Folgenden: NLV) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 und 4 Novel-Food-Verordnung im Juni 2020 eingestellt hat. Mit der von den Beklagten angestellten Erwägung, dem Beklagten zu 1) könne wegen der Entwicklung und Produktion sowie dem Vertrieb von „H K“ schon deswegen nicht der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung gemacht werden, weil er die Angelegenheit an den Braumeister und Prokuristen I delegiert habe, welcher ihm nach sachverständiger Beratung die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des Produkts bestätigt habe, lässt sich eine Schadenersatzpflicht des geschäftsführenden Gesellschafters der A auch mit Blick auf die Vorschrift des § 708 BGB nicht verneinen.

aa) Es stellt einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen seine Geschäftsführerpflichten dar, dass er es versäumt hat, die Entwicklung und die Produktion des unter den Namen „H K“ auf den Markt gebrachten teeartigen Erfrischungsgetränks, bevor damit erhebliche Kosten für das Unternehmen verursacht wurden, wenigstens die dem Prokuristen I von Fresenius und dem LANUV zugeleiteten Unterlagen betreffend die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des Produkts, selbst auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Dann wäre ihm, wie der Senat mit Beschluss vom vom 9 Juli 2020 (dort Seite 11 f., GA III 565 f.)  sogleich, und ohne dass er sich um alle Einzelheiten zu kümmern brauchte, aufgefallen, dass die von dem LANUV geäußerten Bedenken gegen die tatsächliche und rechtliche Einschätzung des von dem Prokuristen I hinzugezogenen Lebensmittelinstituts durch dessen ergänzende Stellungnahme nicht ausgeräumt waren. Wie die zwischenzeitlich gegen Fresenius angestrengte Schadensersatzklage über 537.946,87 EUR zeigt, war die Änderung in der Produktpalette, zumal für ein Unternehmen, das, wie die A, zum Zwecke der Verlagerung seines Produktionsstandorts erhebliche Fremdmittel aufgenommen hatte, ein Vorgang von nicht unerheblichem wirtschaftlichen Gewicht. Als einziges Geschäftsleitungsmitglied der A durfte sich der Beklagte zu 1) nicht auf die im Betrieb der A möglicherweise sonst geübte Arbeitsteilung berufen oder allein auf den ihm rechtlich unterstellten Braumeister und Prokuristen I verlassen. Vielmehr trug er die volle, auch kaufmännische, Verantwortung für eine Veränderung der Produktpalette von solcher wirtschaftlicher Bedeutung. Entgegen der Ansicht der Beklagten (GA III 600) durfte er daher nicht einfach, wie er es getan haben will, die ihm von dem Prokuristen I mündlich bestätigte lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des geplanten neuen Erfrischungsgetränks ungeprüft übernehmen. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die mit Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes befasste Rechtsanwältin Dr. J den Entschluss von Mitarbeitern der Geschäftsleitung der A, die Prüfung der lebensmittelrechtlichen Zulässigkeit des teeartigen Erfrischungsgetränks nicht weiter vertiefen zu wollen, guthieß. Denn auch diese Zustimmungsbekundung war (für den Beklagten zu 1) ersichtlich einer Plausibilitätsprüfung nicht zugänglich.

bb) Der Beklagte zu 1) hat auch schuldhaft gehandelt.

(1) Es kann dahinstehen, ob als Sorgfaltsmaßstab entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Vorschrift des § 708 BGB, der die Haftung der Gesellschafter für vertragswidriges Verhalten einschränkt, indem sie an die Stelle der nach § 276 Abs. 2 BGB maßgebenden verkehrserforderlichen Sorgfalt den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten setzt, sondern gemäß § 14 (2) GV die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns maßgeblich ist, der über die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Leitung des Unternehmens der A verfügt. Selbst wenn den Beklagten darin zuzustimmen wäre, dass § 708 BGB nicht (stillschweigend) durch den Gesellschaftsvertrag abbedungen worden wäre, träfe die Beklagten, die sich auf den milderen Haftungsmaßstab berufen, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der zu 1) beklagte geschäftsführende Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch die schadensbegründende Handlung zugleich selbst geschädigt hat, reicht zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus (BGH, Urteil vom 24. September 2013 – II ZR 391/12 -, juris Rn. 14 mit weiteren Nachweisen). Die Darstellung der Beklagten, der Beklagte zu 1) gehe in eigenen Angelegenheiten nicht so vor, dass er zu jeder denkbaren Rechtsfrage einen Anwalt hinzuziehe, zumal, wenn die Angelegenheit durch einen Experten begutachtet worden sei, ist nicht geeignet Beweis dafür, dass er in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. Dass die Beklagten Vortrag dahin gehalten hätten, der Beklagte zu 1) komme ihm obliegenden Überwachungs- und Prüfungspflichten, wie sie nach Maßgabe der Ausführungen des Senats gemäß Beschluss vom 9. Juli 2020 (dort Seite 9 bis 12, GA III 578-581) im konkreten Fall erforderlich waren, immer leicht fahrlässig nicht nach und dies sei für die übrigen Gesellschafter erkennbar gewesen, ist nicht ersichtlich. Derartigen Vortrag zeigt auch die Erwiderung auf den Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 nicht auf. Ohne einen derartigen Vortrag ist davon auszugehen, dass der in Anspruch genommene Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten die verkehrsübliche Sorgfalt anwendet (BGH, Urteil vom 26. Juni 1989 – II ZR 128/88, WM 1989, 1850, 1852 mwN).

(2) Auch kann der Beklagte zu 1) sich – anders, als die Erwiderung auf den Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 meint (GA III 602 ff.) – nicht auf einen das Verschulden ausschließenden entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Das bloße Vertrauen auf die eigene fehlerhafte Rechtsansicht, pflichtgemäß zu handeln, begründet noch keinen beachtlichen Rechtsirrtum (BGH, Urteil vom 11. Januar 1988 – II ZR 192/87 -, juris Rn. 19). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Beklagten angeführten Umstand, dass die Rechtslage in Bezug auf die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit bzgl. der Produktentwicklung und Markteinführung von „H K“ nicht eindeutig (gewesen) sei. Der Senat muss nicht entscheiden, ob im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung des Beklagten zu 1) eine unklare Rechtslage bestand oder ob es sich bei der Einschätzung von Fresenius um einen unzutreffenden und unplausiblen Rat bei eindeutiger Rechtslage gehandelt hat. Denn einem Geschäftsleiter könnte allenfalls dann zugebilligt werden, bei unklarer Rechtslage in bestimmten Grenzen auch das Risiko eines Rechtsverstoßes eingehen zu können, wenn er seiner Rechtsermittlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre und dabei einen vertrauenswürdigen Rat erhalten hätte, der die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme als ungewiss identifizierte, da die Rechtslage nicht abschließend geklärt sei (ausführlich dazu Verse, ZGR 2017, 174, 176 ff.). Gerade das war hier aber nicht der Fall. Nach dem Inhalt der Stellungnahme des LANUV zu der Einschätzung von FRESENIUS bestanden erkennbare Zweifel an der lebensmittelrechtlichen Zulässigkeit der geplanten Produkteinführung, welche, wie der Senat mit Beschluss vom 9. Juli 2020 (dort Seite 11 f., GA III 565 f.) erläutert hat, durch die ergänzenden Ausführungen des Lebensmittelinstituts ersichtlich nicht ausgeräumt waren. Dementsprechend wäre der Beklagte zu 1) als Geschäftsleiter zunächst einmal verpflichtet gewesen, die Rechtslage abschließend zu prüfen und bei fehlender eigener Sachkunde gezielt weiteren Rechtsrat einzuholen. Bereits dagegen hat er verstoßen.

b) Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 9. Juli 2020 (dort Seite 14 f., GA III 568 f.) im Einzelnen ausgeführt, dass bei Fassung des Entlastungsbeschlusses zugunsten des Beklagten zu 1) für 2016 völlig ungewiss war, ob und in welchem Umfang die A Fresenius wegen eines unzutreffenden und unplausiblen Rats in Bezug auf die unter dem Produktnamen „H K“ geplante Markteinführung eines teeartigen Erfrischungsgetränks  würde mit Erfolg auf Schadenersatz in Anspruch nehmen können. Die Beklagten haben in ihrer Erwiderung keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Die genaue Schadenshöhe war, wie die Beklagten selbst einräumen (GA III 608), überdies unklar. Bei dieser Sachlage war es zwingend geboten und den Beklagten zu 2) und 3) auch zumutbar, in der Gesellschafterversammlung vom 16. Oktober 2017 die Entlastung des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer für das Geschäftsjahre 2016 abzulehnen und der A damit Schadensersatzansprüche zumindest offen zu halten. Indem sie ohne zuverlässige Kenntnis über den Ausgang einer möglichen Schadenersatzklage gegen Fresenius darauf verzichteten, eine abschließende Schadensermittlung abzuwarten, haben die Beklagten zu 2) und 3) die Interessen der oHG in einem Maße hintangestellt, das den Schluss nahelegt, dass sie um ihrer persönlichen Beziehungen zu dem Beklagten zu 1) willen, allein in der Absicht, die Ausschlusswirkung der Entlastung für erkennbare Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1) herbeizuführen, für die Entlastung gestimmt haben. Damit haben sie ihre gesellschaftliche Treuepflicht verletzt.

c) Ungeachtet der von den Beklagten erhobenen Einwände (GA III 594 ff.) sieht sich der Senat nicht gehindert, nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zu entscheiden.

aa) Die Beurteilung, die Berufung sei offensichtlich unbegründet, setzt nicht voraus, dass ihre Unbegründetheit auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis einer vorangegangenen gründlichen Prüfung sein (BT-Drucksache 17/6406, Seite 9). Das Erfordernis der Einstimmigkeit ist insoweit hinlänglicher Schutz der Interessen eines Berufungsklägers (vgl. zu den vergleichbaren Anforderungen des § 24 BVerfGG BVerfG, Beschluss vom 18. September 1990 – 2 BVE 2/90 -, juris Rn. 8 zu BVerfGE 60, 175; 61, 82).

bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten (GA III 595) ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten. Dass sich das erstinstanzliche Urteil mit anderer Begründung als richtig erweist, steht nicht entgegen (wie hier OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Beschluss vom 25. November 2013 – 18 U 1/13 -, juris Rn. 24; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
, Beschluss vom 27. Februar 2012 – 10 U 556/11 -, juris Rn. 41; OLG RostockBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Rostock
, Beschluss vom 11. März 2003 – 3 U 28/03 -, juris Rn. 14; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, Beschluss vom 10. Mai 2005 – 14 U 154/04, juris; Heßler in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 522 Rn. 36; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 522 Rn. 25; Wöstmann in: Saenger, ZPO, 8. Auflage 2019, § 522 Rn. 11). Nach den Gesetzesmaterialien soll zwar über eine eingelegte Berufung, auch wenn diese letztlich ohne Aussicht auf Erfolg ist, mündlich verhandelt werden, wenn dies aus anderen Gründen angebracht erscheint, insbesondere wenn das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist (Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 522 Rn. 23a; Görtz in: B/L/H/A/G, ZPO, 78. Auflage 2020, § 522 Rn. 15). Für diesen Fall ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung indes nicht zwingend geboten. Anders mag es sich verhalten, wenn das schriftlichen Verfahren bei Veränderung der entscheidungstragenden Erwägungen das Fairnessgebot verletzen würde, weil es eine angemessene Erörterung gewährleisten würde (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Beschluss vom 25. November 2013 – 18 U 1/13 -, juris Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten (GA III 595) kommt der Sache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch besteht die Notwendigkeit der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO).

(1) Im Zusammenhang mit der schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) wollen die Beklagten der Frage rechtsgrundsätzliche Bedeutung beilegen, ob sich ein rechtlich beratener Geschäftsführer bei unklarer Rechtslage auf einen das Verschulden ausschließenden Rechtsirrtum berufen kann. Sie übersehen indes, dass diese Frage nicht klärungsbedürftig ist, weil der Beklagte zu 1) bereits seiner Rechtsermittlungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist (dazu oben 1. a) bb) (2)).

(2) Ebenso wenig kommt der vorliegenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage zu, inwieweit ein nach § 93 AktG unbeachtlicher Rechtsirrtum bei Anwendung des Haftungsmaßstabs des § 708 BGB als beachtlich einzustufen wäre. Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage scheitert – wie ausgeführt (oben 1. a) bb) (1)) – an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit.

(3) Dass der Streitfall Veranlassung gäbe, zum Zwecke der Fortbildung des Rechts Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen, ist weder erkennbar  noch dargetan. Mit seiner Entscheidung weicht der Senat nicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs ab.

2. Mit Rücksicht auf die Berufungsrücknahme des Klägers war gemäß § 516 Abs. 2 Satz 2 ZPO auszusprechen, dass hiermit der Verlust des eingelegten Rechtsmittels verbunden ist (§ 516 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

3. Da nur der Kläger die Berufung zurückgenommen hat, war auch über die Kosten dieser Berufung in dem Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, und zwar einheitlich unter Anwendung des § 92 ZPO, zu entscheiden (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 516 Rn. 22; Lemke in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Auflage 2020, § 516 Rn. 12). Dementsprechend beruht die Kostentscheidung auf §§ 516 Abs. 3, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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