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OLG Köln, Urteil vom 02.12.1998 – 27 U 18/98

§ 3 GmbHG, § 53 GmbHG, §§ 53ff GmbHG

1. Die Voreinzahlung auf die künftige Einlagepflicht eines GmbH-Gesellschafters im Rahmen einer Kapitalerhöhung ist auch ohne Krisensituation und engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Leistung auf die Einlageschuld und der nachfolgenden Kapitalerhöhung wirksam, sofern der Einlagebetrag im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister noch zur freien Verfügung des Geschäftsführers steht. Dafür genügt es, wenn der Gesellschaft ein dem Einlagebetrag entsprechender Wert zugeflossen ist. Dieser Grundsatz ist nicht nur auf Bareinlagen, sondern auch auf Sacheinlagen anzuwenden.

2. Ob der Beklagten die Berufung auf Sachmängel der übernommenen Vorräte im Werte von 18.389,86 DM mit der Begründung verwehrt werden kann, ihre Gesellschafter hätten bei der Vereinbarung der Kapitalerhöhung die Fehlerhaftigkeit der Bestände gekannt, erscheint zweifelhaft. Diese Argumentation zielt auf die Anwendung des § 460 Satz 1 BGB oder zumindest von dessen Rechtsgedanken ab. Die Frage, welche Rechtsfolgen die Fehlerhaftigkeit von Sacheinlagen nach sich zieht, wird im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Die wohl überwiegende Meinung zieht für die Mängelgewährleistung Vorschriften des Kaufrechts, wegen der Besonderheiten der mitgliedschaftlichen Einlagepflicht jedoch nur mit Einschränkungen, entsprechend heran (vgl. Luther/Hommelhoff § 5 Rn. 25; Roth/Altmeppen § 5 Rn. 60; wohl auch Baumbach/Hueck § 5 Rn. 39, § 9 Rn. 3, 9), während nach anderer Ansicht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht nicht entsprechend auf das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Sacheinleger angewendet werden kann (Hachenburg/Ulmer § 5 Rn. 81). Der Bundesgerichtshof hält eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften des Kaufrechts über Rechts- und Sachmängel für nicht möglich und einzelne Regeln der Kaufgewähr nur insoweit für auf den Einbringungsvertrag übertragbar, als sie mit dem Wesen der Einbringung einer Sacheinlage vereinbar sind (BGHZ 45, 345). Mit Rücksicht darauf, daß die Differenzhaftung sich nach dem objektiven Wert der Sacheinlage richtet und dem Zweck dient, das Stammkapital der Gesellschaft im Interesse des Gläubigerschutzes zur Verfügung zu stellen, bestehen gegen eine Übertragung des Rechtsgedankens des § 460 Satz 1 BGB Bedenken, zumal es anderenfalls den Gesellschaftern erleichtert würde, durch eine willkürliche Überbewertung mangelhafter Sacheinlagen den Gläubigerschutz zu schwächen.

Einer abschließenden Entscheidung bedarf die Frage der Konsequenzen einer Kenntnis von vorhandenen Mängeln jedoch nicht, weil ein Differenzhaftungsanspruch schon an anderen Gründen scheitert. Dafür ist – wie ausgeführt – allein entscheidend der objektive Wert der Sacheinlage, und zwar grundsätzlich ohne jeden Bewertungs- oder Beurteilungsspielraum (Luther/Hommelhoff § 9 Rn. 3; Baumbach/Hueck § 9 Rn. 3; Roth/Altmeppen § 9 Rn. 3; Hachenburg/Ulmer § 5 Rn. 68). Maßgebend ist daher, welchen objektiven Wert die von der Klägerin eingebrachten Sacheinlagen im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister hatten. Die von der Beklagten übernommenen Warenvorräte der Klägerin waren aber weitaus mehr wert als im Gesellschafterbeschluß auf der Grundlage der Herstellungskosten für die Beklagte mit 937.916,80 DM festgelegt. Bei den Warenbeständen handelt es sich um sogenanntes Umlaufvermögen, das dem Unternehmen nicht auf Dauer dienen soll. Die Bewertung von Umlaufvermögen richtet sich in aller Regel nach dem Veräußerungswert (Baumbach/Hueck § 5 Rn. 34; Hachenburg/Ulmer § 5 Rn. 68). Naturgemäß übersteigt der Veräußerungswert der Waren, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, die Kosten ihrer Herstellung beträchtlich; das gilt auch für deren von der Beklagten übernommenen Vorräte. Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Klägerin liegt der Verkehrswert für die Fertigwaren um 40 % höher als deren eigene Herstellungskosten (Bl. 226 d.A.). Im übrigen waren sich die beiderseitigen Geschäftsführer nach dem Ergebnisprotokoll eines am 9. September 1992 zwischen ihnen geführten Gesprächs (Bl. 16 ff. AH) dahin einig, daß die „steuerlichen Herstellungskosten“ bei Fertigfabrikaten der Klägerin ca. 60 % des Brutto-Erlöses ausmachen. Schon die Differenz zwischen dem Veräußerungswert der Fertigwaren und der im Kapitalerhöhungsbeschluß festgesetzten Summe von 937.916,80 DM für die übernommenen Vorräte liegt weit über dem Differenzbetrag von 51.637,70 DM. Allein die fertig verpackten Artikel gemäß der Liste der Inventurbestände der Klägerin zum 31. Dezember 1992 (Anl. 3 zum Sacherhöhungsbericht) haben auf der Grundlage der Herstellkosten der Klägerin von insgesamt 483.574,25 DM unter Hinzurechnung von 40 % einen Veräußerungswert von 677.003,95 DM, auf der Basis der Herstellkosten der Beklagten von 353.541,14 DM einen Verkaufswert von 494.957,59 DM. Bemißt man den Verkaufswert nach den Herstellkosten der Klägerin zuzüglich 40 %, so erhält man allein für die Fertigwaren gegenüber dem im Kapitalerhöhungsbeschluß festgelegten Wert einen Mehrbetrag von 193.429,70 DM. Selbst auf der Grundlage der Herstellkosten für die Beklagte wäre der Veräußerungswert für die Fertigfabrikate auf eine um 141.416,45 DM höhere Summe zu veranschlagen. Ein möglicher Zuschlag für die Halbfertigwaren ist dabei noch nicht berücksichtigt. Die Berechnung zeigt, daß bei der gebotenen objektiven Bewertung die Klägerin Sacheinlagen im Wert von weit über der erhöhten Stammeinlage von 1.036.000,00 DM selbst dann eingebracht hat, wenn der Wert der Vorräte wegen Sachmängeln sich um 18.389,68 DM verringern und ein Firmenwert gänzlich außer Ansatz gelassen würde.

Wegen eines weiteren Betrags von 29.024,65 DM beruft sich die Beklagte auf einen entsprechenden „Minderwert“ der Vorräte, womit offenbar eine Minderung gemäß §§ 459, 462 BGB gemeint ist. Diejenigen Vorräte, die – nach ihrer Darstellung – völlig unbrauchbar sind und daher nur Schrottwert haben, sind in der von der Beklagten vorgelegten Aufstellung (Bl. 52 – 55 AH) im einzelnen aufgelistet. Freilich wird man darüber streiten können, ob es der Beklagten nicht obliegt, konkret vorzutragen, in welchem Zustand sich die einzelnen Waren im Zeitpunkt der Übernahme befunden haben, oder ob die Behauptung in der Klageerwiderung, diese „Positionen“ seien „verrostet“ (Bl. 24 d.A.), dafür genügt. Hinsichtlich der geltend gemachten Nachbearbeitungskosten ist das Gewährleistungsbegehren der Beklagten jedenfalls nicht schlüssig. Diese hat wegen etwaiger Sachmängel lediglich einen Anspruch auf Wandlung oder Minderung (§ 462 BGB); für eine Minderung fehlt es aber an den erforderlichen Angaben über den Wert der gelieferten Waren im mangelhaften Zustand im Vergleich zu deren Wert im Zustand der Mängelfreiheit.

Etwaige Gewährleistungsrechte kann die Beklagte aber jedenfalls gemäß § 377 HGB nicht mehr geltend machen. Sachmängel im Zusammenhang mit den von der Klägerin in Rechnung gestellten Lieferungen hat die Beklagte erstmals in der Klageerwiderung vom 3. Juni 1996 gerügt. Die Warenlieferung, deretwegen die Beklagte sich auf Gewährleistungsansprüche beruft, hat jedoch bereits – wie sich auch aus der eigenen Aufstellung der Beklagten (Bl. 36 d.A.) ergibt – im Jahre 1994 stattgefunden. Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB ist hier nicht etwa deshalb verzichtbar, weil die Übernahme des Warenlagers der Klägerin im Zusammenhang mit der Übertragung von deren Produktionsbereich auf die Beklagte steht. Die Lieferung der Waren beruht auf Kaufverträgen und untersteht daher auch den Regeln des Kaufrechts. Zudem mußte die Klägerin unabhängig davon, ob es ihr technisch noch möglich war, eventuelle Fehler selbst zu beseitigen, in die Lage versetzt werden, sich von der Richtigkeit der Beanstandungen alsbald zu überzeugen. Das muß umso mehr gelten, als die Beklagte Rostschäden behauptet, die auch in der Zeit nach der Lieferung Ende 1994 aufgetreten sein können.

Schlagworte: Klage der GmbH gegen Gesellschafter wegen Sachmängel bei Sacheinlage, Sacheinlagen, Sachmängel