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OLG Köln, Urteil vom 06.05.2021 – 18 U 133/20

§ 241 Nr 3 AktG, § 241 Nr 4 AktG, § 261 Abs 1 Nr 2 AktG

1. Zur Verpflichtung des einzelnen Aktionärs, der Auflösung einer Gesellschaft zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist.

2. Stellt sich die Lage einer Gesellschaft in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bei Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte bei einer Verzögerung der Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden, kann sich wegen der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte die Stimmrechtsausübung durch einen ablehnenden Aktionär als rechtsmissbräuchlich erweisen.

Tenor

I.  Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II.  Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

III.  Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.  Die Revision wird nicht zugelassen.

V.  Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1.  Die Parteien streiten über die Frage, ob ein in der Hauptversammlung vom 3. September 2019 gefasster Beschluss über die Auflösung der Beklagten wirksam und rechtmäßig ist.

Die Klägerin ist eine von insgesamt drei Aktionären der Beklagten, deren Grundkapital (75.000 EUR) in 75.000 Stückaktien zu einem Nennwert von jeweils 1 EUR eingeteilt ist und deren satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand die Beratung von „Banken und Grundpfandrechtsgläubigern bei der Umsetzung und Sanierung von Krediten“ ist. Die Aktionäre halten jeweils 25.000 Aktien.

In der am 3. September 2019 abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten, bei der alle Aktionäre vertreten waren, wurde mit den Stimmen der beiden Aktionäre A und der B GmbH zum Tagesordnungspunkt 4 ein Liquidationsbeschluss mit folgendem Wortlaut gefasst:

„TOP 4  Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft

1.  Die Aktiengesellschaft ist mit Ablauf des 30.9.2019 aufgelöst.

2.  Das Geschäftsjahr während der Abwicklung ist das Kalenderjahr. Das erste (Abwicklungs-)Geschäftsjahr ist ein Rumpfgeschäftsjahr und endet am 31.12.2019.

3.  Der Beschluss über die Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft vom 30.8.2016 und die Durchführung dieser Kapitalerhöhung bleiben unberührt. Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist jedoch einzustellen, wenn diese nicht spätestens am 30.11.2020 im Handelsregister eingetragen ist.“

Im Anschluss an die Abstimmung stellte der Versammlungsleiter trotz der Ablehnung der Klägerin den Beschluss als angenommen fest und führte zur Begründung aus, er habe die Gegenstimmen der Klägerin als treuwidrig bewertet und daher bei der Stimmauszählung nicht berücksichtigt.

Die Klägerin, die ihren Widerspruch gegen den vorgenannten Beschluss zur Versammlungsniederschrift erklärt hat und wegen des Verfehlens der erforderlichen qualifizierten Mehrheit einen Verstoß gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG annimmt, hat in erster Instanz beantragt,

1.  den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, für nichtig zu erklären;

2.  hilfsweise, festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, nichtig ist.

Die Erhebung der Klage erfolgte am 27. September 2019 beim Landgericht Düsseldorf, das den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14. Januar 2020 an das Landgericht Köln verwiesen hat.

2.  Mit dem von der Berufung angegriffenen Urteil vom 24. Juli 2020 (GA 138 ff.), auf dessen Feststellungen wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es – soweit für die Berufung von Interesse – im Wesentlichen wie folgt begründet.

a)  Die Klage sei zwar zulässig. Die Anfechtungsfrist des § 246 AktG sei gewahrt, obwohl die Klage zunächst beim unzuständigen Landgericht Düsseldorf eingereicht worden sei. Etwas anderes gelte dann, wenn der Kläger bei Einreichung der Klage um die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts wisse und dieses nur als Postweiterleitungsstelle missbrauche. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre Klage bewusst und missbräuchlich beim Landgericht Düsseldorf eingereicht habe. Die Klägerin sei aufgrund der unter dem 7. November 2018 erfolgten Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes fälschlicherweise von einer Sitzverlegung ausgegangen, ohne dass ihr Vorsatz oder missbrauch unterstellt werden könne.

b)  Indes sei die Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage unbegründet. Der angegriffene Hauptversammlungsbeschluss sei weder anfechtbar noch nichtig.

aa)  Der Beschluss verstoße nicht gegen die guten Sitten im Sinne von § 241 Nr. 4 AktG. Der Umstand, dass bei Beschlussfassung der Bericht des Sonderprüfers noch nicht vorgelegen habe, begründe keine Sittenwidrigkeit des Auflösungsbeschlusses. Etwaige sich aus dem Bericht ergebende Ansprüche gegen Gesellschaftsorgane könnten im Rahmen der Liquidation der Beklagten ohne Weiteres berücksichtigt werden; der Beschluss stehe der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen nicht entgegen.

bb)  Des Weiteren verletze der Beschluss auch nicht im öffentlichen Interesse liegende Vorschriften gemäß § 241 Nr. 3 AktG. Der von der Klägerin erhobene Vorwurf, der Beschluss habe darauf abgezielt, den Bericht des Sonderprüfers obsolet werden zu lassen und die Klägerin in ihren Kontrollrechten zu beschneiden, sei unbegründet. Tatsächlich sei der Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019, den die Beklagte auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits vollständig vorgelegt habe, ordnungsgemäß nach § 145 Abs. 6 Satz 3 AktG beim Handelsregister eingereicht worden.

cc)  Schließlich sei der in Rede stehende Beschluss auch nicht wegen Verstoßes gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG anfechtbar. Der Beschluss sei mit der nach dem Gesetz erforderlichen Stimmmehrheit gefasst worden, weil die Stimmabgabe der Klägerin treuwidrig und daher nicht zu berücksichtigen gewesen sei.

(1)  Zwar könnten sich für Gesellschafter positive Stimmpflichten aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht nur ausnahmsweise ergeben, wenn das Abstimmungsermessen der Aktionäre aus Rechtsgründen auf Null reduziert und eine Beschlussablehnung pflichtwidrig sei. Die Treuepflicht begründe für den einzelnen Aktionär eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
und der Mitaktionäre, ohne dass damit eine gerichtliche Inhaltskontrolle einhergehe. Vielmehr sei der Aktionär bei der Abstimmung grundsätzlich frei und könne er sein Stimmverhalten an unternehmerischen Interessen orientieren, die regelmäßig nicht nur eine bestimmte Entscheidung als richtig erscheinen ließen. Zu einer Einschränkung bei der Stimmrechtsausübung könne die Treupflicht nur führen, wenn einzig und allein eine bestimmte Entscheidung dem Wohl der gesamten Gesellschaft diene und jede andere Entscheidung ihr schweren Schaden zufüge. Dabei habe auch eine Aktionärsminderheit unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks auf die gesellschaftsbezogenen Belange der Mehrheit der Gesellschafter angemessen Rücksicht zu nehmen, wobei dies unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit stehe. Für den Fall, dass eine Gesellschaft sanierungsbedürftig sei, werde daraus der Schluss gezogen, dass die Treuepflicht dem einzelnen Gesellschafter verbiete, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung aus eigennützigen Gründen zu verhindern. Seien jedoch eine Änderung des satzungsmäßigen Gegenstandes und eine Sanierung aussichtslos, könne die Treuepflicht des Gesellschafters auch gebieten, einer alternativlosen Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
zuzustimmen.

(2)  Vor diesem Hintergrund sei hier der gefasste Auflösungsbeschluss zur Erhaltung wesentlicher Werte der Beklagten bzw. zur Vermeidung erheblicher Verluste der Gesellschafter oder der Gesellschaft objektiv unabweisbar erforderlich. Für die Klägerin habe es keinen vertretbaren Grund für die Verweigerung ihrer Zustimmung gegeben. Die Beklagte habe keine wirtschaftliche Perspektive und erwirtschafte dauerhaft nur Verluste. Bisherige Sanierungsversuche seien gescheitert und weitere Sanierungskonzepte seien nicht in Sicht.

Dass die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der Beklagten dauerhaft negativ sei, bestreite auch die Klägerin nicht. Die Fortführungsprognose der Beklagten sei negativ; sie werde zudem wegen der zwischen den Parteien regelmäßig geführten Rechtsstreite mit Kosten belastet. Versuche der Beklagten, den satzungsmäßigen Geschäftsgegenstand zu ändern bzw. zu erweitern, seien ebenso gescheitert wie Bemühungen, neue Kunden zu gewinnen und Aufträge zu generieren.

Die von der Beklagten dargelegten Gründe seien nachvollziehbar. Auch die Klägerin habe auf vorgerichtliche und gerichtliche Aufforderung nicht darlegen können, wie die Beklagte in der Lage sein solle, künftig Erträge zu erwirtschaften und weitere Verluste zu vermeiden.

Die als Alternative in Betracht kommende Durchführung eines geordneten Insolvenzverfahrens bringe gegenüber der beschlossenen Auflösung keine Vorteile. Die Klägerin verkenne hierbei, dass auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. die Verweigerung der Eröffnung eines solchen mangels Masse gesetzlich Auflösungsgründe darstellten.

Die hier gegebene Stimmpflicht der Klägerin werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe. Der Bericht sei für die Frage der Auflösung ohne Belang, da er ausschließlich die Prüfung etwaiger Pflichtverletzungen einzelner Vorstandsmitglieder und etwaiger damit verbundener Schadensersatzansprüche der Gesellschaft zum Gegenstand gehabt habe. Solche Ansprüche seien auch nach Auflösung der Beklagten durch den Abwickler zu verfolgen.

Unabhängig davon habe außer Frage gestanden, dass die Vermögenslage der Beklagten seit fünf Jahren dauerhaft negativ sei und seit 2018 keine Erträge erzielt würden. Auch sich aus dem Sonderprüfungsbericht ergebene mögliche Forderungen der Beklagten gegen ihre Vorstände seien nicht geeignet, die negative Fortführungsprognose zu beseitigen. Durch Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder hätte sich allenfalls das Aktivvermögen der Beklagten erhöht, das bei deren Fortführung jedoch wegen dauerhaft fehlender Umsätze kurzfristig abschmelzen werde. Langfristig sei der Eintritt weiterer Verluste bis hin zur Vermögenslosigkeit der Beklagten selbst dann nicht zu vermeiden, wenn erhebliche Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder unterstellt würden; es habe sich allenfalls die Insolvenzantragspflicht der Beklagten hinauszögern lassen. Das nutzlose Aufzehren liquider Mittel begründe indes kein beachtenswertes Interesse der Klägerin. Der Hinweis auf ein Bankkonto, das Barvermögen in Höhe von knapp 630.000 EUR aufweise, verfange nicht. Denn unabhängig von der temporären Erhöhung des Barvermögens bleibe die Auflösung der Beklagten wegen der negativen Fortführungsprognose zur Vermeidung weiterer Verluste alternativlos.

Auch die zwischen dem Mitaktionär A und der Beklagten getroffene Liquidationsvereinbarung stehe der Auflösung bzw. der Annahme einer entsprechenden Stimmpflicht der Klägerin nicht entgegen. Dieser Vereinbarung komme im Verhältnis der Aktionäre zueinander keine Verbindlichkeit zu, so dass die Klägerin hieraus keine Rechte herleiten könne.

Schließlich gehe auch der Einwand der Klägerin, dass die Aufsichtsratsmitglieder nach dem für sie ungünstigen Ergebnis des Sonderprüfungsberichts als Abwickler nicht in Betracht kämen, ins Leere. Denn die Bestellung von Liquidatoren sei nicht Gegenstand des angegriffenen Hauptversammlungsbeschlusses.

3.  Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin (Bl. 41 ff. eA), mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie wendet sich gegen die landgerichtliche Annahme eines treuwidrigen Stimmverhaltens.

Sie rügt, dass allein der Umstand, dass die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage seit Jahren negativ gewesen sei und keine Umsätze erwirtschaftet worden seien, die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null nicht rechtfertige. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genüge es für den Vorwurf der Treuwidrigkeit nicht, dass der Gesellschafter eine Maßnahme ablehne, die im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Interesse der Gesellschaft
liege, ihre Zwecke fördere oder die Zustimmung zumutbar sei. Vielmehr sei erforderlich, dass die zu beschließende Maßnahme zur Vermeidung erheblicher Verluste notwendig sei und es keinen vertretbaren Grund gebe, die Entscheidung abzulehnen.

Konkrete Verluste von erheblichem Gewicht, die den Beklagten oder Gesellschaftern aus dem ablehnenden Stimmverhalten der Klägerin drohten, habe das Landgericht nicht festgestellt, sondern sich auf Vermutung und Spekulation gestützt. Unstreitig seien der Beklagten aufgrund des Sonderprüfungsberichts weitere Barmittel zugeflossen.

Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass sich das Ermessen trotz erheblicher Verluste im Fall der Ablehnung einer Maßnahme auch dann nicht auf Null reduziere, wenn dem Gesellschafter für sein Stimmverhalten ein vertretbarer Grund zur Seite stehe. So liege der Fall hier. Denn zum Zeitpunkt der Hauptversammlung habe der Bericht des Sonderprüfers noch nicht vorgelegen. Es sei vertretbar, die Entscheidung der Liquidation vom Vorliegen des Sonderprüfungsberichts abhängig zu machen; insoweit habe das Landgericht übersehen, dass ausweislich der zwischen ihr und dem Mitaktionär A getroffenen Liquidationsvereinbarung auch die Beklagte die Entscheidung über die Liquidation erst nach dem Vorliegen des Sonderprüfungsberichts habe treffen wollen.

Schließlich habe das Landgericht keine Feststellung getroffen, dass eine Beschlussfassung über die Liquidation in der Hauptversammlung am 3. September 2019 unabweisbar erforderlich gewesen sei, sondern habe es sich darauf beschränkt, die von der Beklagten für die Liquidation angeführten Gründe als nachvollziehbar zu werten, was für eine Ermessensreduzierung auf Null nicht ausreiche.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2020 den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, für nichtig zu erklären;

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2020 festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil (Bl. 62 ff. eA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig zu der Verfahrensakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den übrigen Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.

II.

1.  Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, weshalb sie zurückzuweisen ist. Das Landgericht hat die Klage mit Recht als unbegründet abgewiesen.

a)  Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG gewahrt ist. Der Umstand, dass die Klägerin die Klage innerhalb der Monatsfrist beim unzuständigen Landgericht Düsseldorf eingereicht hat, steht dem nicht entgegen und stellt sich insbesondere nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Der Senat tritt den zugrunde liegenden Erwägungen des angegriffenen Urteils inhaltlich bei. Die der Klageerhebung vor dem Landgericht Düsseldorf zugrunde liegende Annahme der Klägerin, mit der unter dem 7. November 2018 erfolgten Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der Beklagten nach Düsseldorf sei eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit einher gegangen, trifft zwar nicht zu, doch begründet die unzutreffende Rechtsauffassung der Klägerin noch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Klägerin mit der Anrufung des Landgerichts Düsseldorf erstrebt haben soll.

b)  Die Klage ist jedoch unbegründet. Der in der Hauptversammlung der Beklagten zu TOP 4 gefasste Auflösungsbeschluss ist weder nichtig (dazu aa) noch anfechtbar (dazu bb).

aa)  Der Beschluss ist nicht nichtig. Gegen diese zutreffende rechtliche Bewertung des Landgerichts bringt die Berufung, die insoweit lediglich auf das erstinstanzliche Klagevorbringen verweist, auch nichts vor.

(1)  Der Beschluss verstößt nicht durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten gemäß § 241 Nr. 4 AktG. Die Erwägung der Klägerin, es verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn der als Hauptversammlungsleiter agierende Aufsichtsrat einen Treuverstoß der Klägerin bei der Ausübung ihres Stimmrechts zu einem Zeitpunkt feststelle, zu dem der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe, weshalb nicht festgestanden habe, ob der Aufsichtsrat seine Aufsichtspflichten verletzt habe und der Beklagten daraus Schadensersatzansprüche gegen ihre Organe erwachsen seien, trägt den von der Klägerin erhobenen Vorwurf nicht. Der Vorwurf stützt sich schon nicht auf den Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses als solches, sondern vielmehr auf das zur Feststellung des Beschlusses führende Verhalten des gemäß § 17 Nr. 1 der Satzung zum Hauptversammlungsleiter berufenen Aufsichtsratsvorsitzenden. Der in § 241 Nr. 4 AktG festgeschriebene Nichtigkeitsgrund setzt jedoch voraus, dass der Beschluss für sich allein genommen, d. h. wegen seines Inhalts, Sittenwidrig sein muss (vgl. nur Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., AktG § 241 Rn. 38; Ehemann, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 241 Rn. 19; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 241 Rn. 21; jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

(2)  Der Beschluss ist auch nicht nach § 241 Nr. 3 Var. 3 AktG nichtig. Denn er verstößt durch seinen Inhalt nicht gegen Vorschriften, die sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Der durch die Klägerin erhobene Vorwurf, der Beschluss habe gerade darauf abgezielt, den Bericht des Sonderprüfers obsolet werden zu lassen und damit die Klägerin in ihren Kontrollrechten zu beschneiden, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen und entbehrt auch sonst jeder Grundlage. Vielmehr ergibt sich aus dem als Anlage B 9 vorgelegten Anschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 18. Juni 2019 (AnlH 201 ff.), dass im Zusammenhang mit dem seinerzeit für Juli 2019 angekündigten Sonderprüfungsbericht der – zutreffende – Hinweis darauf erfolgte, dass die Geltendmachung etwaiger darin angelegter Ansprüche von einer Liquidation der Beklagten unberührt bliebe, was gegen die Annahme der Klägerin spricht.

Abgesehen davon lässt der Vorwurf unberücksichtigt, dass die Veröffentlichung des Prüfberichts und dessen Einreichung zum Handelsregister dem bestellten Sonderprüfer obliegt (vgl. § 145 Abs. 6 Satz 3 AktG) und nicht der Entscheidung der Hauptversammlung überantwortet ist. Es fügt sich in das Gesamtbild, dass auch vorliegend der Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019 (Anlage B 16, AnlH 256 ff.) durch den Sonderprüfer zeitnah beim Handelsregister eingereicht worden ist und die Beklagte den ihr in der 2. KW 2020 zur Verfügung gestellten Bericht mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 (GA 63 ff.) umgehend zur Verfahrensakte gereicht und damit auch der Klägerin zugänglich gemacht hat.

bb)  Der zu TOP 4 festgestellte Auflösungsbeschluss ist auch nicht wegen eines angeblichen Verstoßes gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG anfechtbar. Der Auflösungsbeschluss ist mit der erforderlichen Stimmenmehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals gefasst worden. Der zugrunde liegende Standpunkt des Landgerichts, die Klägerin habe bei ihrer Stimmabgabe treuwidrig gehandelt, so dass das von ihr vertretene Grundkapital und ihre Stimmen bei der Feststellung des zu TOP 4 gefassten Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen gewesen seien, ist zutreffend.

(1)  (a)  Im Ausgangspunkt ist der Klägerin dahin beizupflichten, dass Aktionäre in ihrem Abstimmungsverhalten grundsätzlich frei sind und sie sich an unternehmerischen Interessen orientieren können, die in der Regel nicht nur eine bestimmte Entscheidung als richtig erscheinen lassen. Eine Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt. Sie kann sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ergeben, wenn das Abstimmungsermessen der Aktionäre aus Rechtsgründen auf Null reduziert und eine Beschlussablehnung pflichtwidrig ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94 -, BGHZ 129, 136 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2003 – 20 U 5/03 -, NZG 2003, 1025, 1027; vgl. auch Götze, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., vor § 53a Rn. 45). Die an eine solche Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit zu stellenden Anforderungen hat der Bundesgerichtshof in einer zum GmbH-Recht ergangenen Entscheidung konkretisiert, deren Grundsätze auch auf Aktiengesellschaften übertragbar sind (vgl. Götze, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., vor § 53a Rn. 51; Paefgen, ZIP 2016, 2293, 2300). Danach muss aufgrund der Treuepflicht nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert (BGH, Urteil vom 12. April 2016 – II ZR 275/14 -, WM 2016, 1124 Rn. 13 m.w.N.). Es kommt mithin eine Beschränkung nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn der Gesellschaftszweck objektiv eine bestimmte Maßnahme zwingend gebietet, also die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung des Geschaffenen oder zur Vermeidung von Verlusten dringend geboten ist, und dem Gesellschafter die Zustimmung zumutbar ist (BGH a.a.O. Rn. 16).

(b)  (aa)  Dabei ist allerdings zu beachten, dass die vorstehend skizzierten Vorgaben des Bundesgerichtshofs vornehmlich auf Geschäftsführungsmaßnahmen und Satzungsänderungen in Gesellschaften zugeschnitten sind, deren Fortsetzung sinnvoll und beabsichtigt ist. Anders liegt der Fall, wenn – wie hier – die Auflösung und Liquidation einer Gesellschaft in Rede steht. Mit einer solchen Maßnahme sind, was auch die Klägerin auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 23. März 2020 (GA 99) zutreffend anmerkt, die durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen denklogisch schwerlich in Einklang zu bringen sind, führt doch eine Liquidation im Ergebnis dazu, dass die Gesellschaft – gegebenenfalls nach Verteilung aller Vermögenswerte – aufhört zu existieren. Damit werden streng genommen weder von den Gesellschaftern geschaffene Werte erhalten noch Verluste für die Gesellschaft oder die Gesellschafter vermieden.

Allerdings scheidet eine (von der Berufung der Sache nach vertretene) unbesehene Übertragung der durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Leitlinien auf den – hier gegebenen – Fall der Auflösung einer Gesellschaft aus, andernfalls eine aus der gesellschafterlichen Treuepflicht hergeleitete Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsauflösung durch Hauptversammlungsbeschluss praktisch nicht in Betracht käme. Es erscheint nicht sachgerecht, die Treuepflicht der Gesellschafter gerade in einer Krise der Gesellschaft, aus der die Notwendigkeit einer Auflösung erwächst, nur eingeschränkt zur Anwendung zu bringen.

(bb)  Dem entspricht es, dass der Bundesgerichtshof gerade für den Fall einer unhaltbar gewordenen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und die sich bei objektiver Beurteilung daraus ergebende Notwendigkeit einer Aufgabe des Geschäftsbetriebs eine aus seiner gesellschafterlichen Treupflicht herrührende Rechtspflicht des einzelnen Gesellschafters zur Ergreifung der insoweit notwendigen Maßnahmen angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1959 – II ZR 81/59 -, NJW 1960, 434 f. [zur KG]).

Dieser zur Kommanditgesellschaft eingenommene Standpunkt wird auch im Schrifttum und in der obergerichtlichen Rechtsprechung für das Recht der Kapitalgesellschaften geteilt (vgl. Bachmann, in: BeckOGK-AktG, Stand 1. Februar 2021, § 262 Rn. 33 f.; Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., AktG § 262 Rn. 4; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 5. Aufl., § 262 Rn. 2, 25; Riesenhuber, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 262 Rn. 11; Servatius, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 262 Rn. 11; ebenso für die GmbH: OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 23 U 2469/14 -, BeckRS 2016, 5420 Rn. 8 f.; Berner, in: MünchKommGmbHG, 3. Aufl., § 60 Rn. 98 f.; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 44; Lorscheider, in: BeckOK-GmbHG, 47. Ed. [Stand: 1. Februar 2021], § 60 Rn. 7a.1; Scheller, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 24; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 14 Rn. 109; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., GmbHG § 14 Rn. 106). Danach soll sich ausnahmsweise aus der Treuepflicht eines jeden Gesellschafters die Verpflichtung ergeben, der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern. Das sei anzunehmen, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks offensichtlich unmöglich geworden sei (vgl. Casper, Verse; Scheller; jeweils a.a.O.), insbesondere wenn der dauerhafte Misserfolg der Geschäftsidee evident sei (vgl. Bachmann a.a.O. Rn. 33; K. Schmidt a.a.O. Rn. 2; Servatius a.a.O. [keine dauerhafte Erwirtschaftung einer positiven Eigenkapitalrendite möglich]; Berner a.a.O. Rn. 99) und dementsprechend Substanzverzehr drohe (Seibt a.a.O.), und wenn die Ablehnung der Auflösung rechts missbräuchlich erscheine, etwa weil der Gesellschafter nur versuche, den Mitgesellschaftern zu Schaden (vgl. Bachmann a.a.O. Rn. 33), was zu anzunehmen sei, wenn sich durch ein Zuwarten mit der Liquidation die Zerschlagungswerte zu verschlechtern drohten (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O. Rn. 9; Casper a.a.O.). Vereinzelt wird bei der Würdigung unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität auch darauf abgestellt, dass das Desinvestitionsinteresse der Gesellschafter nicht über den Kapitalmarkt verwirklicht werden könne, weil es etwa keine fungiblen Märkte mehr für die Aktien gebe (vgl. Servatius a.a.O.).

Der Senat teilt diese Auffassung. Danach ist die Annahme einer Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters, der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, dann möglich, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist und die Ablehnung der Auflösung durch den Gesellschafter rechtsmissbräuchlich erscheint. Dies lässt sich durchaus mit den strengen Kriterien, die der Bundesgerichtshof in seiner vorzitierten Entscheidung vom 12. April 2016 (WM 2016, 1124) aufgestellt hat, in Einklang bringen. So kann man eine Erhaltung geschaffener Vermögenswerte darin sehen, dass mit der Entscheidung zugunsten der Auflösung etwaige verbliebene Barmittel der Gesellschaft zum Zwecke der Liquidation genutzt werden sollen, während sie ohne Liquidation bei einer Gesellschaft ohne positive Fortführungs- oder Ertragsprognose nach und nach abschmelzen und sinnlos vernichtet werden würden. Mit der angestrebten Erhaltung von Vermögenswerten einher geht zugleich eine Vermeidung von Verlusten jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) eine Auskehrung im Sinne des § 271 Abs. 1 AktG in Betracht kommt und ein Zuwarten den Auskehrungserlös verringern oder einen Anspruch gänzlich vereiteln würde (vgl. Berner a.a.O. Rn. 99).

Der von der Klägerin unter Verweis auf eine Publikation (Reichert, NZG 2018, 134, 142) mit Schriftsatz vom 26. April 2021 eingenommene Standpunkt, die Erreichung des Quorums durch Verwerfung ihrer Gegenstimmen als treuwidrig verkenne die Intention des § 262 AktG, verfängt nicht. Die in Bezug genommenen Ausführungen Reicherts befassen sich mit einer Konstellation, die von dem Sachverhalt, der dem Senat zur Entscheidung unterbreitet ist, abweicht. Es geht dort gerade um den umgekehrten Fall eines zwar mit qualifizierter Mehrheit, aber ohne beachtenswerten Grund gefassten Liquidationsbeschlusses.

(2)  Nach dieser Maßgabe stellt sich die Ablehnung der zur Abstimmung gestellten Auflösung der Beklagten durch die Klägerin als treuwidrig dar, weshalb sie bei der Feststellung des Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen war. Die dieser Annahme zugrunde liegenden Tatsachen hat das Landgericht als unstreitig festgestellt, weshalb der Senat an diese gebunden ist und sie bei seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 529 Nr. 1 ZPO).

(a)  Danach ist davon auszugehen, dass die Fortführung des Unternehmensgegenstandes und damit die Erreichung des Gesellschaftszwecks schon bei Beschlussfassung offensichtlich unmöglich war (und immer noch ist).

Die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage ist aus den durch das Landgericht zutreffend festgestellten Gründen seit mehr als fünf Jahren dauerhaft negativ; dies stellt auch die Berufung nicht Abrede, weshalb insoweit auf die diesbezüglichen Feststellungen des angegriffenen Urteils verwiesen wird.

Hinzu kommt, dass nach den weiter gehenden – jedoch von der Berufung unkommentiert gebliebenen – Feststellungen des Landgerichts die Fortführungs- und Ertragsprognose der Beklagten negativ ist und noch vorhandene Vermögenswerte unweigerlich abschmelzen werden. Die Beklagte, deren Auftragslage seit dem Jahr 2012 stark rückläufig ist und die trotz entsprechender Bemühungen in ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld seit mehreren Jahren keine Neugeschäfte mehr hat generieren können, hat ihren Betrieb faktisch eingestellt. Dies hat zur Folge, dass der Wert der Aktien nachhaltig negativ ist und ein Markt, auf dem die Aktionäre ihr Desinvestitionsinteresse realisieren könnten, nicht existiert. Die Ausführungen der Klägerin unter Ziffer 2 des Schriftsatzes vom 24. März 2021 (Bl. 155 ff. eA) stehen dem nicht entgegen, denn sie ändern nichts an dem tatsächlich zu verzeichnenden Umsatzrückgang. Auch der damit verbundene Hinweis darauf, die Beklagte habe auf dem einträglichen Geschäftsfeld des „Asset-Management“ Leistungen für Privatpersonen erbringen können und müssen, verfängt nicht. Diese Leistungen werden nicht vom satzungsmäßigen Gegenstand erfasst, weshalb sie einer Satzungsänderung bedürfen, die von der Aktionärsmehrheit nicht gewollt ist und auf die die Klägerin keinen Anspruch hat.

Die negative Ertragsprognose fällt auch unter Berücksichtigung etwaiger Sanierungsmöglichkeiten nicht besser aus. Ein im Jahr 2016 unternommener Versuch einer Kapitalerhöhung ist an der mit der fehlenden Geschäftstätigkeit der Beklagten begründeten Ablehnung der Beklagten gescheitert. Entsprechend verhält es sich für den Versuch der Beklagten, den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand durch Satzungsänderung auf das Geschäftsfeld „Mezzanine-Kapital“ zu erweitern. Andere Sanierungsmöglichkeiten kommen aus Sicht der Beklagten nicht in Betracht.

Die Klägerin hat weder vorgerichtlich noch im Verfahren erster Instanz konkrete Sanierungsvorschläge bzw. Vorschläge zur Unternehmensfortführung gemacht. Daran hat sich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nichts geändert. Denn die Klägerin ist auch dort eine Darstellung oder zumindest Skizzierung eines konkreten und in absehbarer Zeit umsetzbaren Konzeptes für die Fortführung der Gesellschaft schuldig geblieben; die von der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26. April 2021 behauptete ausführliche und detaillierte Darstellung der aus ihrer Sicht für die Fortführung der Gesellschaft sprechenden Gründe deckt sich nicht mit der Wahrnehmung des Senats. Vielmehr hat sich die Vertreterin der Klägerin auf ganz allgemeine Ausführungen zu möglichen künftigen Geschäftsfeldern beschränkt. Auf die Nachfrage nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten ergab sich, dass diese auch von der Klägerin nicht gesehen werden, weil diese jeweils die Mitwirkung der beiden weiteren Aktionäre erfordert, mit denen allerdings bislang keinerlei konkrete Gespräche geführt wurden. Angesichts des gegenläufigen Interesses dieser Aktionäre, das dahin geht, die Beklagte nicht weiterzuentwickeln, sondern zu liquidieren, ist dies auch in Zukunft nicht ansatzweise zu erwarten.

Auch der Umstand, dass die Klägerin in diesem Schriftsatz unter Hinweis auf den ihr seit Januar 2020 vorliegenden und in einer ordentlichen Hauptversammlung vom 11. November 2020 bestätigten Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019 und die darin festgestellten Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern angekündigt hat, nunmehr die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung zu beantragen, um den Vorstandsmitgliedern das Vertrauen zu entziehen, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass der seit Erhalt des Sonderprüfungsberichts verstrichene Zeitraum von mehr als fünfzehn Monaten das Fehlen eines Fortführungskonzeptes indiziert, gibt auch der von der Klägerin angestrebte bloße Austausch der Vorstandsmitglieder keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte könnte – anders als in den zurückliegenden Jahren – auf ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld Fuß fassen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Vielzahl der in der Vergangenheit zwischen der Klägerin auf der einen Seite und der Beklagten oder ihren Organen auf der anderen Seite geführten Rechtsstreitigkeiten dazu geführt hat, dass das Verhältnis zwischen der Klägerin zu den beiden Mitaktionären als zerrüttet angesehen werden muss und die Beklagte neben den laufenden Verwaltungskosten mit erheblichen Rechtsverfolgungskosten belastet ist, was insgesamt eine einvernehmliche Unternehmensführung nicht erwarten lässt.

An der fehlenden unternehmerischen Perspektive der Beklagten ändert auch der von der Berufung auf Seite 5 ihrer Begründung angesprochene Zufluss von 500.000 EUR, von denen bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht rund 320.000 EUR an die Beklagte gezahlt waren, nichts. Dieser Zufluss, der aus einer gegenüber den Vorstandsmitgliedern geltend gemachten und von diesen anerkannten Schadensersatzforderung der Beklagten herrührt, führt allenfalls zu einer vorübergehenden Verbesserung der Liquidität der Beklagten, deren insolvenzrechtliche Überschuldung nur durch qualifizierte Rangrücktrittserklärungen in Höhe von insgesamt 795.000 EUR vermieden wird. Als einmalige Einnahme eröffnet dieser Betrag für die Beklagte jedoch kein neues Geschäftsfeld, worauf das Landgericht in seinem Urteil (bei Rn. 43 f.) zutreffend hingewiesen hat.

Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte aufgrund dieses einmaligen Betrages auf dem satzungsmäßigen Geschäftsfeld konkurrenzfähig werden kann. Ihre Vermögens- und Finanzlage hat sich seit dem (gescheiterten) Versuch einer Kapitalerhöhung aus dem Jahr 2016 deutlich verschlechtert. Neben einem Jahresfehlbetrag, der sich nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen auf den Seiten 5 f. der Klageerwiderung seit 2016 vervielfacht hat, ist die Beklagte zur Rückzahlung der auf die (gescheiterte) Kapitalerhöhung geleisteten Einlagen in Höhe von insgesamt 800.000 EUR verpflichtet, die jedoch durch die mit der Klägerin geführten Rechtsstreitigkeiten bereits zu einem großen Teil aufgezehrt sind.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Lage der Beklagten in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte der Beklagten bei einer Verzögerung einer Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden. Aufgrund der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte stellt sich die Stimmrechtsausübung der Klägerin auch als rechtsmissbräuchlich dar (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 23 U 2469/14 -, BeckRS 2016, 5420 Rn. 9; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 44).

(b)  Ein Grund, der das Stimmrechtsverhalten der Klägerin unter den gegebenen Umständen als vertretbar und damit nicht treuwidrig erscheinen lassen könnte, ist nicht gegeben.

(aa)  Soweit die Klägerin einwendet, sie habe die zur Abstimmung gestellte Auflösung der Beklagten ablehnen dürfen, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe, vermag sie daraus keinen vertretbaren Grund für die Verhinderung der Auflösung und Liquidation der Beklagten herzuleiten.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass ein vertretbarer Grund der zu beschließenden Maßnahme nicht zwingend entgegenstehen muss. Allerdings genügt es für die Annahme eines vertretbaren Grundes nicht, wenn der Gesellschafter, der eine zur Abstimmung gestellte Maßnahme ablehnt und hierfür einen Grund anführt, der den Beschlussgegenstand nicht oder nur unwesentlich betrifft.

So liegt der Fall auch hier, denn es fehlt – wie das Landgericht zutreffend ausführt – an einem hinreichenden Bezug zum Beschlussgegenstand. Der dem Sonderprüfer erteilte Auftrag umfasste ausweislich der als Anlage K 4 vorgelegten Niederschrift der außerordentlichen Hauptversammlung vom 2. Februar 2015 (AnlH I Bl. 13 ff.) lediglich die Prüfung etwaiger Pflichtverstöße von Vorstandsmitgliedern. Eine Rettung oder Änderung des Geschäftsmodells oder Pläne für eine Sanierung waren demgegenüber weder unmittelbar noch mittelbar vom Prüfungsgegenstand erfasst, so dass die Klägerin nicht in vertretbarer Weise davon ausgehen konnte, der Bericht könne als Grundlage für die Fortführungsprognose der Beklagten dienen. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn man im Sinne der Klägerin unterstellt, dass sie sich ein Bild über die Höhe etwaiger Ersatzansprüche machen wollte und auf Ansprüche in erheblicher Höhe gehofft hat. Denn ihr musste im Hinblick auf die seinerzeit gegebene Finanz-, Vermögens- und Ertragslage (vgl. oben unter [a]) wie den übrigen Aktionären klar sein, dass eine einmalige „Finanzspritze“ keine nennenswerten Auswirkungen auf die schlechte Fortführungsprognose der Beklagten haben werde. Dass eine Realisierung hoher Ersatzansprüche aus der ex ante-Sicht Sanierungs- oder Umstrukturierungsmöglichkeiten eröffnet hätte, hat auch die Klägerin bis heute nicht dargetan. Es fügt sich in das Gesamtbild, dass die Klägerin weder im Vorfeld der Hauptversammlung vom 3. September 2019 noch in dieser selbst noch im vorliegenden Verfahren Alternativen zu einer Liquidation vorgebracht oder erläutert hat, was sie sich von einem Abwarten des Prüfungsberichts erhofft hatte. Dazu gab es jedoch hinreichend Anlass, war ihr doch schon mit Vorstandsschreiben vom 18. Juni 2019 (Anlage  B 9, AnlH II Bl. 201 ff.) kommuniziert worden, dass und aus welchen Gründen auch mögliche Ersatzansprüche gegen ihre Vorstandsmitglieder die Beklagte wirtschaftlich nicht retten könnten, sondern lediglich eine positive Auswirkung auf eine Liquidation hätten.

(bb)  Auch der – zuletzt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26. April 2021 wiederholte – Einwand der Beklagten, das Abwarten des Sonderprüfungsberichts sei vertretbar, weil der Mitaktionär A und die Beklagte unter Ziffer 1.1 der zwischen ihnen getroffenen Liquidationsvereinbarung vom 18. Juni 2019 (Anlage B 5, AnlH I Bl. 167 ff.) festgelegt hätten, dass die Liquidation der Beklagten erst nach Vorlage des Sonderprüfungsberichts beschlossen werden solle, greift nicht durch.

Indem die Klägerin eine Vereinbarung des vorstehenden Inhalts suggeriert, gibt sie den Inhalt der Vereinbarung verkürzt und unzutreffend wieder. Zwar trifft es zu, dass nach Ziffer 1.1 die „unverzüglich nach der Vorlage des Berichts des Sonderprüfers eine Hauptversammlung …, die spätestens im Oktober 2019 stattfindet“ einberufen werden sollte. Doch lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, die Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Hauptversammlung
Hauptversammlung
(auch) zum Zwecke der Beschlussfassung über die Auflösung habe ausnahmslos nach Vorlage des Prüfberichts erfolgen sollen. Im Gegenteil ist unter Buchstabe (C) der Vertragspräambel dokumentiert, dass es den Parteien der Liquidationsvereinbarung in erster Linie darum ging, zum Schutz vorhandener liquider Mittel vor einer nutzlosen Aufzehrung „schnellstmöglich eine Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
zu beschließen und sie abzuwickeln.“ Dieses Anliegen hat sich auch in den unter Ziffer 3 der Liquidationsvereinbarung festgelegten auflösenden Bedingungen niedergeschlagen, die auf die Gewährleistung einer einfachen, zügigen und kostengünstigen Abwicklung der Beklagten abzielen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem an die Klägerin gerichteten Vorstandsschreiben vom 18. Juni 2019 (Anlage B 9, AnlH II 201 ff.), dem die Liquidationsvereinbarung als Anlage beigefügt war, dass der Liquidationsvereinbarung die Annahme der Vertragsparteien zugrunde lag, der Sonderprüfer werde seinen Bericht zeitnah (im Juli 2019) vorlegen, weshalb ein Abwarten für noch vertretbar erachtet wurde. Das Primat einer zügigen Abwicklung kommt letztlich darin zum Ausdruck, dass wegen der nachfolgend erfolgten Verschiebung des Termins für die Fertigstellung des Berichts und des nicht absehbaren Vorlagezeitpunkts die Anberaumung der Hauptversammlung mit dem Auflösungsbeschluss unter TOP 4 ohne weiteres Zuwarten erfolgt ist, um das vorrangige Ziel einer zügigen Abwicklung nicht zu gefährden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die von der Klägerin auf Seite 5 des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 26. April 2021 formulierte Rechtsfrage nicht, weshalb sie durch den Senat auch nicht zu entscheiden ist.

(cc)  Sonstige Gründe, die das Abstimmungsverhalten der Klägerin als vertretbar erscheinen lassen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Vielmehr ist der Klägerin die Förderung der Auflösung und der Liquidation auch zumutbar gewesen, weil eine Liquidation für sie nicht nachteiliger wäre als die Fortführung der Beklagten, die nach den getroffenen Feststellungen in deren Insolvenz münden würde, die – nicht zuletzt mit Blick auf die Kosten für den Insolvenzverwalter – teurer wäre als eine Liquidation.

2.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3.  Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4.  Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.

III.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 247 Abs. 1 AktG. Den Streitwert für aktienrechtliche Anfechtungsklagen bemisst das Prozessgericht nach billigem Ermessen. Maßgeblich ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien sowie für die anderen Aktionäre, die von einer Urteilswirkung nach § 248 Abs. 1 AktG mitbetroffen sind (Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 247 Rn. 6). Die Bedeutung der Anfechtung des Auflösungsbeschlusses orientiert sich einerseits am Interesse der Klägerin, die mit einem Drittel am Grundkapital der Beklagten von insgesamt 75.000 EUR beteiligt ist, andererseits an dem Interesse der Beklagten und der übrigen Aktionäre an der Aufrechterhaltung des Beschlusses. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsbetrieb praktisch eingestellt ist. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien nicht über zu bewerten und erweist sich deren Bewertung mit je 25.000 EUR als sachgerecht.

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Schlagworte: Auflösung der Gesellschaft, Rechtsmissbrauch, Stimmrechtsmissbrauch