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OLG Köln, Urteil vom 28.02.2008 – 18 U 3/08

§ 84 Abs 3 S 4 AktG, § 130 Abs 1 S 2 AktG

1. Die Wirksamkeit des Widerrufs einer Bestellung zum Vorstandsmitglied bis zur rechtskräftigen Feststellung seiner Unwirksamkeit gem. § 84 Abs. 3 S. 4 AktG gilt nicht, soweit es bereits an einem wirksamen Beschluss des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
Beschluss des Aufsichtsrats
fehlt.

Der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung steht nicht im Widerspruch zu § 84 Abs. 3 S. 4 AktG. Entgegen dem Wortlaut dieser Norm, der keine Differenzierung vornimmt, ist der Widerruf einer Bestellung zum Vorstand jedenfalls dann unwirksam, wenn es an einer unwirksamen Beschlussfassung des Aufsichtsrats fehlt, weil diese Voraussetzung auf im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne weiteres festgestellt werden kann fehlt (OLG Stuttgart, AG 1985, 193; Hüffer, AktG, 7. Aufl., 2006, § 84 Rdnr. 31; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 84 Rdnr. 52; Oltmanns, in: Heidel, AktG, 2. Aufl., 2007, § 84 Rdnr. 28; Happ, in: Happ, Aktienrecht, 3. Aufl., 2007, Kap. 8.11, Rdnr. 3; Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl., 2003, § 84 Rdnr. 109; Kort, in: Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., 2006, § 84 Rdnr. 188; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 84 Rdnr. 128; Mertens, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., 1996, § 84 Rdnr. 97). So liegt der Fall hier, denn der Beschluss vom 29.11.2007 stellt schon deswegen keinen wirksamen Aufsichtsratsbeschluss dar, weil die Herren M, N1 und Dr. U, die an diesem Tag als Aufsichtsrat der Antragsgegnerin zusammentraten, gar nicht deren Aufsichtsrat waren. Die Abwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden T und die wahl der neuen Aufsichtsratsmitglieder M und N1 durch die Hauptversammlung vom 26.11.2007 ist gemäß § 241 Nr. 2 AktG nichtig. Dasselbe gilt für die Entscheidung der Hauptversammlung, dem Antragsteller das Vertrauen zu entziehen. Die Beschlüsse dieser Hauptversammlung genügen nicht den Formerfordernissen des § 130 Abs. 1 AktG, denn sie wurden weder notariell beurkundet noch vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnet. Die Unterzeichnung durch die beiden Vertreter der Alleinaktionärin, die Herren Dr. U und S, reicht jedenfalls im konkreten Fall nicht aus.

2. Die schriftliche Niederlegung seiner Beschlussfassung durch den Alleinaktionär genügt jedenfalls dann nicht den Anforderungen des § 130 Abs. 1 S. 2 AktG, wenn die Satzung der Gesellschaft vorsieht, dass die Hauptversammlung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats geleitet wird.

Nach der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Hüffer, a. a. O., § 130 Rdnr. 14e; Kubis, in: MünchKomm-AktG, a. a. O., § 130 Rdnr. 30; Wicke, in: Spindler/Stilz, a. a. O., § 130 Rdnr. 41; Semler, in: Münchner Hdb. zum Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2007, § 40 Rdnr. 35) beruht die gesetzliche Regelung in § 130 Abs. 1 S. 3 AktG, wonach bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften die Niederschrift der Hauptversammlung auch durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats erfolgen kann, auf der Vorstellung des Gesetzgebers, dass im Regelfall dieser die Hauptversammlung leitet. Sei das nicht der Fall, müsse die Unterzeichnung der Niederschrift durch den tatsächlichen Leiter der Hauptversammlung erfolgen. Nach anderer Ansicht kommt es dagegen nicht darauf an, wer die Hauptversammlung geleitet habe. Da der Gesetzgeber gewusst habe, dass die Hauptversammlung durch Dritte geleitet werden könne, er aber gleichwohl die Ersetzung der notariellen Beurkundung nur durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates bzw. dessen Stellvertreter vorgesehen habe, bestehe für eine andere Auslegung der Norm kein Raum (Ziemons, in: Schmidt/Lutter, a. a. O., § 130 Rdnr. 24).

Beide Ansichten führten vorliegend jedoch gemäß § 241 Nr. 2 AktG zur Nichtigkeit der Beschlussfassung, denn der Aufsichtsratsvorsitzende hat die Niederschrift nicht unterzeichnet, Herr S, der unterzeichnet hat, war hierzu als sein Stellvertreter nicht berufen, da der Aufsichtsratsvorsitzende nicht geladen und deshalb auch nicht verhindert war. Einen Versammlungsleiter, der nach der überwiegenden Auffassung an die Stelle des Aufsichtsratsvorsitzenden treten kann, war nicht bestimmt worden.

Der Senat sieht keine Möglichkeit für eine teleologische Reduktion dieser Bestimmung dahin, dass sie nicht gilt, wenn es nur einen Aktionär gibt. Diese Situation ist bei der Antragsgegnerin nicht nachträglich entstanden, sondern bestand in dieser Form bereits bei ihrer Gründung. Wenn dennoch in die Satzung ausdrücklich eine Regelung über den Vorsitz in der Hauptversammlung aufgenommen wurde, was rechtlich nicht erforderlich war, spricht dies dafür, dass gerade dies gewollt war. Eine solche Regelung kann auch bei einer Ein-Personen-AG Sinn machen, weil hierdurch das Teilnahmerecht des Aufsichtsratsvorsitzenden an der Hauptversammlung, das sich aus § 118 Abs. 2 AktG ergibt (Hüffer, a. a. O., § 118 Rdnr. 9), sichergestellt werden kann. Gerade im Fall der Beklagten erscheint dies auch nicht fernliegend. Der Aufsichtsratsvorsitzende T, der zugleich Mehrheitsaktionär der Alleinaktionärin G Holding AG ist, wurde in dem von den Aktionären dieser Gesellschaft abgeschlossenen Aktionärsbindungsvertrag mit einer Reihe von Sonderrechten ausgestattet. Darin ist u. a. festgelegt, dass er zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Antragsgegnerin bestellt wird. Die darin für Verwaltungsratsmitglieder der G Holding AG vorgesehene Regelung, „dass ein Verwaltungsratsmitglied von demjenigen Aktionär bzw. der Aktionärsgruppe zur Abberufung vorgeschlagen werden kann, auf dessen bzw. deren Vorschlag es in den Verwaltungsrat gewählt wurde“, gilt entsprechend auch für Aufsichtsratsmitglieder der Antragsgegnerin. Das ergibt sich daraus, dass auch bei den für sie vorgesehenen Aufsichtsratsmitgliedern jeweils der benennende Aktionär angegeben ist. Dieser Aktionärsbindungsvertrag hat zwar nur schuldrechtliche Wirkung unter den Aktionären der G Holding AG, so dass etwaige Verstöße hiergegen die Wirksamkeit der Beschlüsse vom 26.11.2007 nicht berühren. Hieraus ergibt sich aber, dass das in der Satzung der Antragsgegnerin vorgesehene Recht des Aufsichtsratsvorsitzenden die Hauptversammlung zu leiten, objektiv geeignet ist, dessen Position innerhalb der Gesellschaft im Sinne der getroffenen Aktionärsbindungsvereinbarung abzusichern. Angesichts dieses Befundes wäre es in der gegenwärtigen Situation eines – soweit für den Senat erkennbar – noch nicht endgültig entschiedenen Machtkampfs in der G Holding AG verfehlt, sich über die ausdrückliche Regelung in der Satzung der Antragsgegnerin hinwegzusetzen und so einer der beiden Seiten einen Vorteil zu verschaffen.

Schlagworte: Beurkundungsmängel nach § 241 Nr. 2 AktG analog, Folgen einer fehlerhaften Bestellung, Nichtigkeit von Aufsichtsratswahlen nach § 250 AktG analog, Unwirksamkeit der Stimmenabgabe und Unwirksamkeit des Beschlusses bei Ursächlichkeit