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OLG Köln, Urteil vom 11.01.2000 – 22 U 139/99

§ 161 HGB, §§ 161ff HGB, § 518 ZPO

1. Eine fehlerhafte Bezeichnung des mit der Berufung angefochtenen Urteils in der Berufungsschrift ist unschädlich, wenn aufgrund der sonstigen Umstände für Gericht und Prozeßgegner nicht zweifelhaft ist, welches Urteil angefochten wird, und die Prozeßakten ohne weitere Nachforschungen angefordert werden können.

2. Ob es sich bei dem Guthaben eines Kommanditisten auf einem sogenannten variablen Kapitalkonto um eine Beteiligung oder um ein schuldrechtliches Forderungsrecht des Gesellschafters handelt, ist im Wege der Auslegung des Gesellschaftsvertrags zu ermitteln. Gegen die Annahme einer Beteiligung spricht insbesondere, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag das Guthaben auf dem Konto nicht mit Verlusten der Gesellschaft verrechnet werden darf.

Enthält der Gesellschaftsvertrag Regelungen über die Führung von Gesellschafterkonten, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob es sich bei der Verbuchung auf den Konten um eine Beteiligung oder um Forderungsrechte des Gesellschafters handelt (vgl. v. Falkenhausen in Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts § 19 Rn 55). Dabei ist die Bezeichnung des Kontos, insbesondere als Kapitalkonto II bzw., wie vorliegend, als variables KapitalkontoBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Kapitalkonto
variables Kapitalkonto
, für sich gesehen nicht für die rechtliche Qualifikation der Guthaben ausreichend. Maßgeblich ist vielmehr der sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Wille der Gesellschafter und der von ihnen mit der Einrichtung des variablen Kapitalkontos verfolgte Zweck. Hieraus folgt im vorliegenden Fall, daß die variablen Kapitalkonten kein Beteiligungsrecht der Kläger ausweisen sollten, sondern Forderungsrechte, die aufgrund des „Stehenlassens“ von Guthaben Darlehenscharakter hatten.

Entscheidend für die Einordnung der Guthaben als Ausweis von schuldrechtlichen Forderungen der Kläger ist die Tatsache, daß die auf den variablen Kapitalkonten verbuchten Beträge nicht mit Verlusten der Gesellschafter verrechnet werden durften. Typisches Kennzeichen für eine Einlage ist nämlich, daß der Gesellschafter mit dieser Einlage am Verlust der Gesellschaft beteiligt ist. In diesem Fall erhält er mit der Gutschrift von Gewinnanteilen auf dem Konto keine unentziehbare Forderung in Höhe der Beteiligung. Demgegenüber ist mit einem Darlehensanspruch, der dem Gesellschafter eine unentziehbare Forderung zuweist, eine Verlustbeteiligung unvereinbar (vgl. BGH BB 1978, 630, 631; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 248, 249, 258, 259; v. Falkenhausen a.a.O. § 19 Rn 56).

Der mit dem Ausschluß der Verlustbeteiligung der Guthaben auf den variablen Kapitalkonten verbundenen unentziehbaren Zuweisung der Forderungen entspricht die im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Ausscheidens des Gesellschafters vereinbarte unbedingte Rückzahlungspflicht ohne Rücksicht auf zwischenzeitlich erlittene Verluste der Gesellschaft (vgl. Huber a.a.O. S. 249; v. Falkenhausen a.a.O. § 19 Rn 77). Auch die Bestimmung des § 25 Abs. 3 Satz 6 und 7  des Gesellschaftsvertrages spricht daher entscheidend für die Qualifikation der Guthaben auf den variablen Kapitalkonten als schuldrechtliche Forderungen.

Demgegenüber ist für die Einordnung des variablen Kapitalkontos als Forderungskonto oder als Beteiligung nicht entscheidend, ob und in welchem Umfang Entnahmebeschränkungen bestehen. Derartige Entnahmebeschränkungen sind in Gesellschaftsverträgen nichts Ungewöhnliches, sondern werden im Gegenteil zur Erhaltung der Liquidität häufig vereinbart und setzen meist gerade voraus, daß die Gesellschafter sonst, d.h. ohne Beschränkung, Anspruch auf sofortige Auszahlung hätten (BGH BB 1978, 630, 631; vgl. auch Huber a.a.O. S. 251; Schlegelberger/Martens § 169 Rn 21).

Als zusätzliches Indiz gegen die Annahme einer auf den variablen Kapitalkonten ausgewiesenen Beteiligung der Kläger spricht auch, daß die Guthaben auf den Konten keine entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte der Gesellschafter begründeten, nämlich weder ihr Stimmrecht noch ihren Anteil am Gewinn beeinflußten. Eine funktionelle Gleichbehandlung von Gesellschafterguthaben mit echten Einlagen zeigt sich insbesondere daran, daß für die Kreditgewährung Gesellschafterrechte eingeräumt werden (v. Falkenhausen a.a.O. § 19 Rn 51).

Schließlich spricht auch die feste Verzinsung der Guthaben auf den variablen Kapitalkonten zusammen mit den übrigen genannten Umständen als Indiz für die Einordnung der auf den Konten ausgewiesenen Guthaben als schuldrechtliche Forderungen und nicht als Beteiligungen (vgl. v. Falkenhausen a.a.O. § 19 Rn   m.w.N.).

Demgegenüber kann der Ausweis der variablen Kapitalkonten in den Bilanzen der Gesellschaft nach Änderung des Gesellschaftsvertrags vom 27.6.1991 unter „Eigenkapital“ an der sich eindeutig aus diesem Vertrag ergebenden Qualifizierung der Guthaben auf den variablen Kapitalkonten als schuldrechtliche Forderungen der Gesellschafter nichts ändern.

Unabhängig von dem von den Parteien behaupteten Hintergrund der Ausweisung der variablen Kapitalkonten der Kommanditisten in den Bilanzen unter „Eigenkapital“ führt diese nicht zur Änderung der Rechtsnatur der Forderungen auf den Konten, die auch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages darstellen würde. Die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
kann zwar ein Schuldanerkenntnis darstellen, das einen Rückgriff auf die einzelnen Posten der Bilanz ausschließt; ebenso kann die Wahl der Art der Verbuchung durch Feststellung der Bilanz die rechtliche Einordnung eines Postens bestimmen (v. Falkenhausen a.a.O. § 19 Rn 42). Ein Wille zur Änderung der rechtlichen Qualifikation von Guthaben auf Konten, die dem Gesellschaftsvertrag eindeutig zu entnehmen ist, kann aber weder dem Ausweis der Konten in der Bilanz unter „Eigenkapital“ noch der Feststellung der entsprechenden Bilanz durch die Gesellschafter entnommen werden.

Das gleiche gilt im Zusammenhang mit dem Ausweis der auf den früheren Darlehenskonten der Gesellschafter gebuchten Beträge unter „Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern“ in der Bilanz. Aus der Fortführung dieses Ausweises in den Bilanzen nach Abschluß des Gesellschaftsvertrages vom 27.6.1991 kann nicht gefolgert werden, daß die Gesellschafter hinsichtlich der variablen Kapitalkonten aufgrund der Verbuchung unter „Eigenkapital“  von einer anderen rechtlichen Qualifikation, nämlich als Beteiligung ausgingen. Auch insoweit sind maßgeblich vielmehr die Regelungen im Gesellschaftsvertrag, aus denen sich die rechtliche Qualifikation der Guthaben ergibt.

3. Ob schuldrechtliche Forderungen des Kommanditisten gegen die Gesellschaft mit Übertragung seines Kommanditanteils auf den Erwerber übertragen werden, ist eine Frage der Vereinbarung zwischen den Parteien.

Die danach auf den variablen Kapitalkonten ausgewiesenen Darlehensforderungen sind nicht mit der Übertragung der Kommanditanteile auf die Beklagte zu 3) übergegangen. Derartige schuldrechtliche Ansprüche des Gesellschafters sind selbständig übertragbare Rechte, hinsichtlich derer es den Parteien freisteht zu regeln, ob und inwieweit diese nicht im Sinne des § 717 S. 1 BGB mit der Einlage fest verbundenen Ansprüche auf den Erwerber übergehen. Dies gilt nicht nur für die künftigen Ansprüche des Gesellschafters, sondern auch für die aus der Vergangenheit herrührenden Ansprüche, wie insbesondere Guthaben auf Sonderkonten des Veräußerers, die auf stehengelassenen Gewinnen beruhen (Piehler in Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 33 Rn 17). Mangels abweichender Vereinbarung ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, daß die zukünftigen Ansprüche uneingeschränkt auf den Erwerber übergehen; für die aus der Vergangenheit herrührenden Ansprüche ist dies dagegen im Zweifel nur gewollt, soweit diese Rechte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits im Rechenwerk der Gesellschaft, insbes. der Bilanz ihren Niederschlag gefunden haben und auf Konten des Veräußerers verbucht sind. Anderenfalls können die Parteien sich kein klares Bild von den Folgen der Abtretung machen, was für den Erwerber unabsehbare Risiken mit sich brächte. Behauptet dementsprechend eine Vertragspartei, daß auch aus dem Rechenwerk nicht ersichtliche Ansprüche übertragen sind oder daß aus dem Rechenwerk ersichtliche Ansprüche nicht übertragen sind, ist sie hierfür beweispflichtig (BGH WM 1988, 265; 1973, 169; 1986, 1314).

Darlegungs- und beweispflichtig für Umstände, aus denen sich gleichwohl die Mitübertragung der Forderungen ergibt, sind daher die Beklagten. Derartige Umstände sind nicht ersichtlich, vielmehr steht im Gegenteil bei Würdigung sämtlicher Umstände, insbesondere der Interessenlage der Parteien,  fest, daß eine Übertragung auch der Forderungen auf den variablen Kapitalkonten von den Parteien nicht gewollt war.

 

Schlagworte: Ausschluss der Verlustbeteiligung, Darlegungs- und Beweislast, Darlehenskonto, Inhalt und Auslegung des Gesellschaftsvertrags, Kapitalkonto, Übertragung Darlehenskonto, variables Kapitalkonto