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OLG Köln, Urteil vom 28.07.2011 – I-18 U 213-10, 18 U 213-10

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AktG § 131
, 243

1. Eine Verletzung des Fragerechts der Aktionäre (§ 131 Abs. 1 AktG) führt zur Anfechtbarkeit des darauf beruhenden Hauptversammlungsbeschlusses (vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 131 Rn 44).

2. Vom Standpunkt eines objektiv denkenden Aktionärs ist es eine erhebliche Information, ob der Aufsichtsratsvorsitzende in der Berichtsperiode seine Kompetenzen überschritten und sich in das operativ Geschäft des Vorstands eingemischt hat. Dies würde eine Überschreitung der durch das Aktiengesetz vorgegebenen Zuständigkeiten bedeuten, wonach der Vorstand die Geschäfte in eigener Verantwortung leitet (§ 76 AktG) und der Aufsichtsrat die Geschäftsführung überwacht (§ 111 Abs. 1 AktG). Eine zumindest mögliche Konsequenz einer solchen Kompetenzüberschreitung wäre es, dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern, denn diese bedeutet ja die Billigung der Verwaltung (§ 120 Abs. 2 AktG). Ein rechtswidriges Verhalten muss von der Hauptversammlung nicht gebilligt werden; Verhaltensweisen, die eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellen, stehen einer wirksamen Entlastung sogar entgegen, jedenfalls wenn dieses für die Hauptversammlung erkennbar war (BGH NJW 2003, 1032, 1033; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, AG 2010, 219f.).

3. Der Senat folgt nicht der Ansicht, wonach ein Aktionär rechtsmissbräuchlich handele, wenn er die Verletzung des Auskunftsrechts rügt, obwohl er die Frage des Aufsichtsratsvorsitzenden, ob noch Fragen offen sind, unbeantwortet gelassen hat (so aber LG München, AG 2007, 255, 257; LG Krefeld, AG 2008, 754, 757; Kubis, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl., 2004, § 131 Rn 71; Decher, in: Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2001, § 131 Rn 395; Kersting, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2010, § 131 Rn 394). Andernfalls erhielte der Vorstand die Möglichkeit, durch eine formale Befragung der Hauptversammlung die ihm grundsätzlich obliegende Verantwortung für die Beantwortung der gestellten Fragen auf die Aktionäre zu überwälzen. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht erkennbar. Er ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der fragende Aktionär eher als der Vorstand beurteilen kann, ob eine gestellte Frage beantwortet ist. Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob der Fragesteller subjektiv meint, dass seine Frage beantwortet sei, sondern ob sie es objektiv ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es nicht nur auf den Fragesteller ankommt, denn die Folge des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens soll auch alle anderen Aktionäre treffen. Für diese ist es aber noch schwieriger, den Überblick über Fragen und Antworten zu erhalten. Es spricht deshalb vieles dafür, eine Verwirkung des Rügerechts nur dann anzunehmen, wenn eine Nachfrage in der Hauptversammlung bewusst unterlassen wurde (in diesem Sinne auch LG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2010 – 31 O 56/09 -, Rn 232; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., 2010, § 131 Rn 94).

4. Das Recht, die Verletzung des Fragerechts gemäß § 131 Abs. 1 AktG zu rügen, steht nicht nur dem jeweiligen Fragesteller, sondern allen anwesenden Aktionären zu, weil das Auskunftsrecht zu den Mitgliedschaftsrechten gehört, die jedem Aktionär gleichermaßen zustehen (BGH NJW 1992, 2760, 2764). Die Protokollierung gemäß § 131 Abs. 5 AktG ist keine Voraussetzung dafür, dass eine Anfechtungsklage auf die Nichtbeantwortung dieser Frage gestützt werden kann (Kubis, in: MünchKomm-AktG, a. a. O., § 131 Rn 146).

5. Die Entlastung des Vorstands durch die Hauptversammlung ist nur anfechtbar, wenn dieser in dem Zeitraum, auf den sich der Entlastungsbeschluss bezieht, eine eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat, die der Hauptversammlung bekannt war oder hätte bekannt sein können (BGH NJW 2003, 1032, 1033; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, AG 2010, 219f.; OLG Stuttgart, AG 2011, 93, 94). Aufgrund der Periodenbezogenheit der Entlastungsbeschlüsse kann die Anfechtung nicht auf ein Fehlverhalten in der Vergangenheit gestützt werden, insbesondere nicht, wenn hierfür bereits Entlastung erteilt worden ist (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.).

Schlagworte: Aktienrecht, Anfechtungsgründe, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Entlastung der Geschäftsführer, Frage- und Rederecht, Kompetenzen, Rechtsmissbrauch