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OLG Köln, Urteil vom 29.07.2010 – 18 U 196/09, I-18 U 196/09

AGG §§ 1, 2, 6, 7, 10, 15, 22

1. Die Anwendung des AGG auf einen GmbH-Geschäftsführer ist nach § 6 Abs. 3 AGG jedenfalls dann eröffnet, wenn  der Geschäftsführer nach Beendigung seines auf fünf Jahre abgeschlossenen Anstellungsvertrages von der im Vertrag vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeit Gebrauch machen will und eine erneute Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
begehrt.

2. Der Vorwurf des Geschäftsführers, er sei wegen seines Alters von 65 Jahren nicht für eine Fortsetzung des Dienstvertrages bzw. eine Neubestellung vorgesehen worden, betrifft die Bedingungen für den Zugang zu unselbstständiger bzw. selbstständiger Tätigkeit i.S.d. § 2 Nr. 1 AGG. Dabei ist unter Zugang zu einer Erwerbstätigkeit auch die erneute Einstellung nach Ablauf eines Dienstvertrages zu verstehen.

3. Bei Vorliegen unstreitiger Indizien, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit oder Plausibilität eine Benachteiligung des Geschäftsführers wegen seines Alters nahelegen, spricht eine Vermutung für eine Benachteiligung wegen eines Grundes nach § 1 AGG. Danach muss die Gesellschaft diese Vermutung mit Blick auf § 7 Abs. 1 AGG in der Weise entkräften, dass das Alter des Geschäftsführers für die Entscheidung über die Nichtbeschäftigung keine Rolle gespielt hat, d.h. sie muss anhand der konkreten Darlegung des der Entscheidung über die Nichtanstellung vorausgehenden kommunikativen Entscheidungsprozesses ihrer Bestellungsorgane vortragen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Nichtanstellung nachvollziehbar und sicher auszuschließen ist.

4.  Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bezüglich der Verfolgung eines legitimen Ziels bei Ablehnung der Weiterbeschäftigung.

5. Legitime Ziele i.S.d. § 10 AGG beziehen nicht lediglich öffentliche, im Allgemeinwohl liegende Interessen ein, sondern auch anerkennenswerte betriebs- und unternehmensbezogene Interessen des Arbeitgebers. Diese müssen „objektiv“ sein, d.h. auf tatsächlichen, bzw. empirischen und nachvollziehbaren Erwägungen beruhen und nicht nur auf bloßen Vermutungen und subjektiven Einschätzungen.

6. Eine Verringerung des Schutzniveaus für Organe juristischer Personen wegen der in § 6 Abs. 3 AGG angeordneten „entsprechenden Anwendung“ von Diskriminierungsvorschriften mit der Folge, das Bestellungs- und Anstellungsorganen ein weiter und großzügiger Ermessensspielraum einzuräumen wäre, ist bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift jedenfalls bei weisungsabhängigen Fremdgeschäftsführern ohne erkennbare Besonderheiten nicht gerechtfertigt.

7. Weist die Benachteiligung  des Geschäftsführers durch die Altersdiskriminierung bei seiner Nichtweiterbeschäftigung einen durchschnittlichen Diskriminierungsgehalt auf, und ist das Verschulden der Bestellungsorgane nicht sonderlich gravierend, so ist die neben dem materiellen Schadensersatz in Form des entgangenen Gehalts geltend gemachte Entschädigung für den Nichtvermögensschaden nach § 15 Abs. 2  Satz 1 AGG auf den Betrag in Höhe von zwei Monatsgehältern festzusetzen.

Schlagworte: Diskriminierungsschutz nach dem AGG, Geschäftsführer