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OLG München, Beschluss vom 14.10.2015 – 34 Wx 187/14

1. Für den Begriff der Zweigniederlassung gibt es weder im deutschen nationalen Recht noch in der Zweigniederlassungsrichtlinie (Richtlinie 89/117 EWG des Rates vom 13.2.1989) noch im europäischen Primärrecht eine Begriffsbestimmung (MüKo/Krafka HGB 3. Aufl. § 13 Rn. 4). Nach deutschem Handelsrecht, § 13 HGB, wird als Zweigniederlassung eines Unternehmens mit Sitz im Inland ein räumlich von der Hauptniederlassung getrennter Teil eines kaufmännischen Unternehmens angesehen, der als organisatorische Einheit selbständig am Rechtsverkehr teilnimmt (Baumbach/Hopt HGB 36. Aufl. § 13 Rn. 3). Für inländische Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Satzungssitz oder Hauptniederlassung im Ausland statuiert § 13d HGB die Geltung deutschen Registerrechts.

2. Obwohl die Zweigniederlassung keine eigenständige juristische Person (Baumbach/Hopt § 13 Rn 4) und daher nicht selbständiger Rechtsträger ist, kann sie, wenn sie eine von der Hauptniederlassung abweichende Firma führt, mit ihrem Namen ins Grundbuch eingetragen werden (MüKo/Krafka § 13 Rn 20).

3. Die Vertretungsbefugnis eines Organs einer ausländischen Gesellschaft ist im Interesse des Verkehrsschutzes selbständig anzuknüpfen. Nach deutschem internationalen Privatrecht befindet grundsätzlich das materielle Recht am Sitz der Hauptverwaltung der ausländischen Gesellschaft über die Befugnisse der Gesellschaftsorgane, also darüber, ob und in welchem Umfang die für die Gesellschaft Handelnden Vertretungsmacht haben (vgl. OLG Schleswig FGPrax 2008, 217, 218; KG DNotZ 2012, 604 ff.). Der verfahrensrechtliche Nachweis von Bestand und Umfang der Vertretungsmacht richtet sich hingegen nach deutschem Verfahrensrecht (siehe oben); deshalb gilt insoweit auch die Bestimmung des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO (vgl. Bausback, DNotZ 1996, 254, 255). Danach sind zur Eintragung erforderliche Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen. Auch mit ausländischen Urkunden kann der Nachweis geführt werden, soweit deren Echtheit erwiesen ist und die Beurkundung einer deutschen Beurkundung gleichwertig ist.

4. Die Führung des Nachweises der Vertretungsberechtigung gegenüber dem (deutschen) Grundbuchamt wird durch § 32 GBO, und nur durch diese Vorschrift, erleichtert. Danach können die im Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- oder Vereinsregister eingetragenen Vertretungsberechtigungen, Sitzverlegungen, Firmen- oder Namensänderungen sowie das Bestehen juristischer Personen und Gesellschaften unter anderem durch eine Bescheinigung nach § 21 Abs. 1 BNotO nachgewiesen werden, § 32 Abs. 1 Satz 1 GBO. Gemäß § 21 Abs. 1 BNotO können Notare unter anderem Bescheinigungen über eine Vertretungsberechtigung einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft mit der gleichen Beweiskraft wie ein Zeugnis des Registergerichts ausstellen, wenn sich diese Umstände aus einer Eintragung im Handelsregister oder in einem ähnlichen Register ergeben; allerdings muss sich der Notar zuvor über die Eintragung Gewissheit verschaffen, die auf Einsichtnahme in das Register oder in eine beglaubigte Abschrift hiervon beruhen muss, § 21 Abs. 2 Satz 1 BNotO.

5. Diese Nachweiserleichterungen sind jedoch nur den registerfähigen Personen und Gesellschaften eröffnet, die in einem inländischen öffentlichen Register eingetragen sind. Auf ausländische juristische Personen und Gesellschaften können sie in der Regel nicht angewendet werden. Vielmehr sind deren Bestehen und die Vertretungsbefugnis dem Grundbuchamt grundsätzlich in vollem Umfang, und zwar in der Form des § 29 GBO, nachzuweisen.

6. Andererseits greift die Erleichterung, wenn ein deutscher Notar aufgrund Einsicht in den Handelsregistereintrag über die Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit Satzungssitz im Ausland die Berechtigung zur Vertretung der Gesellschaft bescheinigt. Auch kann ausnahmsweise die von einem deutschen Notar aufgrund einer Einsicht in ein ausländisches Register ausgestellte Bescheinigung über eine Vertretungsberechtigung ausreichen, sofern zur Überzeugung des Grundbuchamts feststeht, dass das ausländische Register seiner rechtlichen Bedeutung nach dem deutschen Register entspricht (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
Rpfleger 2015, 137, 138; vgl. auch KG DNotZ 2012, S. 604 ff. m. w. Nachw.; Demharter a.a.O. § 32 Rdnr. 8 m.w. Nachw.; liberaler OLG Schleswig FGPrax 2008, 271, das die Darlegung der Vergleichbarkeit durch den Notar genügen lässt, mit Anmerkung hierzu von Apfelbaum DNotZ 2008, 711; a. A. Meikel/Krause GBO 11. Aufl. § 32 Rdnr. 15, wonach immer ein Nachweis nach § 29 GBO zu führen ist).

7. Allerdings ist eine notarielle Vollmachtbescheinigung nur auf Basis solcher Vollmachten zulässig, die ihrerseits den Anforderungen des Registerverkehrs genügen. Der Notar muss sich deshalb die Legitimationskette, die zu der Vollmacht führt, in der Form nachweisen lassen, in der sie gegenüber der das Register führenden Stelle nachzuweisen wäre. Die geltenden Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht werden somit nicht verringert; mit § 32 GBO wird lediglich eine zusätzliche Möglichkeit des Nachweises gegenüber den die Register führenden Stellen geschaffen (vgl. BT-Drs. 17/1469, S. 14). Das bedeutet, dass die Vollmachtsurkunde, welche die Grundlage der Bescheinigung des Notars bildet, dem Notar im Hinblick auf § 29 GBO in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form vorliegen muss (OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Bremen
NJW-RR 2014, 1362; Demharter § 34 Rn. 3).

8. Das britische Recht kennt das Rechtsinstitut der Prokura nicht; eine nach deutschem Recht erteilte Prokura, §§ 48, 49 HGB, ist auf die inländische Niederlassung beschränkt (Wachter BB 2005, 1289, 1290). Ein Nachweis der Vertretungsmacht für die Hauptniederlassung ist daher nur durch Vorlage entsprechender Urkunden der britischen Gesellschaft zu führen (vgl. KEHE/Sieghörtner GBO 6. Aufl. Einl. U 99).

Schlagworte: ausländische Kapitalgesellschaft, Grundbuch, Notar, Prokura, Vertretungsbefugnis, Zweigniederlassung