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OLG München, Beschluss vom 20.03.2014 – 7 W 315/14

§ 5 ArbGG

1. Für die Beurteilung der Frage, ob der zur Dienstleistung Verpflichtete als selbständiger Handelsvertreter oder als unselbständiger Angestellter tätig geworden ist, und damit, ob eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte oder der ordentlichen Gerichte eröffnet ist, ist das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung entscheidend.

Haben die Parteien einen „Handelsvertretervertrag“ geschlossen, so kann sich gleichwohl ergeben, dass der hierdurch zur Dienstleistung Verpflichtete nicht als selbständiger Handelsvertreter, sondern als unselbständiger Angestellter tätig geworden ist und dass Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis folglich in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallen. Ob echte oder nur scheinbare Selbständigkeit vorliegt, ist in einer Gesamtwürdigung aller Umstände (getroffene Vereinbarung und tatsächliche Handhabung) zu ermitteln. Auch wenn die einzelnen Regelungen in dem Vertrag für sich genommen in einem Handelsvertretervertrag zulässig und mit der Rechtstellung des Handelsvertreters vereinbar sein mögen, kann das nicht mehr gelten, wenn die Vertragswirklichkeit von einer selbständigen Handelsvertretertätigkeit zu weit abweicht (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, NJW – RR 1998, 682). Entscheidend ist nämlich das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage, § 84 Rdnr. 36).

2. Auch wenn der Dienstverpflichtete Ort, Zeit und Art der Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen kann und nach dem Vertrag als Vergütung Provisionen für vermittelte Verträge zu leisten sind, kann die gelebte Vertragswirklichkeit (u.a. geschuldete Erreichbarkeit, Mitteilungspflicht über Abwesenheitszeiten, Wahrnehmung handelsvertreteruntypischer Aufgaben, fehlende Abrechnung über Provisionen und „Provisionsvorschüsse“ durch Unternehmer während der gesamten Vertragslaufzeit, Provisionsrechnung ohne Ausweis der Mehrwertsteuer) gegen eine selbständige Tätigkeit und für eine wirtschaftliche Unselbständigkeit sprechen, mit der Folge, dass für Rechtsstreitigkeiten hieraus die Arbeitsgerichte zuständig sind.

Im vorliegenden Fall sprechen die überwiegenden Gründe gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Beklagten. Der Senat verkennt nicht, dass die Vertragsgestaltung wesentlich eine selbständige Tätigkeit des Beklagten als Versicherungsvertreter für die Klägerin regelt. So sieht der Vertrag vor, dass der Beklagte Ort, Zeit und Art und Weise seiner Tätigkeit selbst weitgehend regen kann. Ebenso spricht die vertraglich vereinbarte Vergütung, d.h. Provision für vermittelte Verträge, und deren Höhe grundsätzlich für eine Versicherungsvertretertätigkeit. Auch wenn in der Vertragspraxis der Beklagte wesentlich, d.h. überwiegend den Ort und die Zeit seines Tätigwerdens frei bestimmten konnte, die Parteien aus Kostengründen eine „freiberufliche“ Tätigkeit des Beklagten anstrebten, sprechen die überwiegenden Gründe jedoch dafür, dass der Beklagte (weiterhin) als Arbeitnehmer für die Klägerin tätig geworden ist. So war der Beklagte auch weiterhin im Büro der Klägerin tätig, schuldete seine Erreichbarkeit und teilte seine Abwesenheitszeiten der Klägerin mit. Auch die an den Beklagten gerichtete Email vom 10.08.2011 (Anlage B 4), in der von Seiten der Klägerin unter dem Betreff „Besetzung der Abteilung Transport – Logistik“ die Nichtbesetzung „Eurer Abteilung“ und gleichzeitige Abwesenheit des Klägers und eines weiteren Mitarbeiters beanstandet wurde, spricht für eine Einbindung des Beklagten in die Arbeitsorganisation der Klägerin.

Schlagworte: Handelsvertreter