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OLG München, Teilurteil vom 02.05.2019 – 32 U 1436/18

§ 540 BGB, § 546 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 826 BGB, § 43 GmbHG

1. Ein Mieter ist dem Vermieter nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er den Erlass eines Räumungsurteils gegen ihn vorhersehen kann und vertragswidrig untervermietet, um die Vollstreckung zu verhindern oder zu erschweren.

2. Ist die Mieterin eine GmbH kommt eine persönliche haftung des Geschäftsführers wegen eines Missbrauchs der korporativen Haftungsbeschränkung in Betracht.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 09.04.2018, Az. 34 O 18062/16, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von € 133.496,54 nebst Zinsen in Höhe von 7 % – Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 4.12.2017 zu bezahlen.

2. Im übrigen bleibt die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen. Die Berufung wird im übrigen, soweit sich die Klägerin gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 richtet, zurückgewiesen.

3. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 2 21%. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin 76 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Zeuge R war Eigentümer von 18 Wohn- und Teileigentumseinheiten (6 Wohneinheiten, 11 Gewerbeeinheiten und 1 Stellplatz) der Wohnungseigentümergemeinschaft L.straße in M. Diese Einheiten nutzte der Zeuge überwiegend als Boardinghouse vornehmlich für sog. Medizintouristen. Der Beklagte zu 2 bewarb die Einheiten als Immobilienmakler zum Verkauf, u.a. mit dem als K 1 vorgelegten Exposé.

Mit dem als K 2 vorgelegten Vorvertrag vom 27.01.2014 vereinbarten die Klägerin und der Beklagte zu 2, dass die Klägerin beabsichtige, das Objekt zu erwerben und an den Beklagten oder an eine von ihm noch zu gründende Gesellschaft zu vermieten. Der Mieter solle das Gebäude weiterhin als Boardinghouse betreiben und sämtliche Instandhaltungskosten und Betriebskosten tragen.

Der Beklagte zu 2 gründete die Beklagte zu 1 und legte der Klägerin einen Entwurf für einen Gewerbemietvertrag mit der Beklagten zu 2 vor, Anlage K 79. Am 23.04.2014/28.04.2014 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 1 den als K 3 vorgelegten Mietvertrag.

Mit Schreiben vom 16.10.2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos. Der Beklagte zu 2 habe der Klägerin das Objekt vermittelt und sie dabei über zahlreiche erhebliche Umstände getäuscht. Die Beklagte zu 1 habe von Anfang an die Miete ständig verspätet und niemals vollständig bezahlt. Außerdem habe der Beklagte zu 2 der Klägerin mehrfach Betrug vorgeworfen. Mit Schreiben vom 27.11.2014 und mit Schreiben vom 19.12.2014 erfolgten weitere Kündigungen.

Auf die Klage der Klägerin vom 11.12.2014 hin verurteilte das Landgericht München I unter dem Aktenzeichen 5 O 23897/14 mit Urteil vom 29.09.2016, Anlage K 97, und Ergänzungsurteil vom 03.11.2016 die Beklagte zu 1 zur Räumung und Herausgabe. Der Senat erteilte Hinweise in der Ladungsverfügung vom 30.03.2017. Der Senat hat am 19.06.2017 über die Berufung der Beklagten verhandelt und in der Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Berufung keinen Erfolg haben werde. Mit Urteil vom 20.07.2017 hat der Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, Az. 32 U 4337/16, Anlage K 102. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15.08.2018, Az. XII ZR 80/17, zurückgewiesen.

Das Landgericht hatte mit Beschluss vom 27.09.2016 die Klage hinsichtlich der zunächst zusammen mit dem Räumungsanspruch geltend gemachten Zahlungsansprüche abgetrennt. Diese Ansprüche sind zusammen mit den im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüchen Gegenstand dieses Verfahrens.

Am 01.07.2017 vermietete die Beklagte zu 1, vertreten durch den Beklagten zu 2, die Einheiten an die G AG unter, bei der der Beklagte zu 2 Aufsichtsrat war. Mit Mietvertrag vom 11.09./14.09.2017 vermietete die Klägerin die Räumlichkeiten zum 15.09.2017 an die A GmbH, vgl. Anlage K 113, vertreten durch den Zeugen R als Geschäftsführer. Der Versuch der Vollstreckung, die die Klägerin aus dem Räumungsurteil des Landgerichts München I vom 29.09.2016 betrieb, blieb am 15.09.2017 erfolglos, da der Gerichtsvollzieher den Besitz der G AG feststellte, gegen die ein Titel nicht vorlag.Randnummer8

Der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die G AG auf Räumung und Herausgabe wurde vom Landgericht München I, Az. 15 O 14061/17, abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin verpflichtete der Senat mit Beschluss vom 12.12.2017 die G AG zur Räumung und Herausgabe, Az. 32 W 1939/17, K 103.Randnummer9

Der Gerichtsvollzieher verschaffte der Klägerin am 21.12.2017 den Besitz an den gegenständlichen Räumlichkeiten.

Zuletzt verlangte die Klägerin von beiden Beklagten unter Antrag Ziffer 1. die Zahlung von € 362.917,74 samt Zinsen an Miete/Nutzungsentschädigung für die Zeit von August 2014 bis Mai 2017 und unter Antrag Ziffer 6. die Zahlung in Höhe von € 199.027,11 nebst Zinsen als rückständige Nutzungsentschädigung für die Zeit von Juni 2017 bis Dezember 2017.

Mit dem angegriffenen Endurteil vom 09.04.2018 hat das Landgericht die Klage gegen den Beklagten zu 2 als unbegründet abgewiesen. Zwar könnte der Beklagte zu 2 dem Grunde nach gemäß § 826 BG haften, da er eine Untervermietung vorgenommen hat, als bereits das erstinstanzliche Räumungsurteil mit der Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergangen war und außerdem die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht abgeschlossen war. Der Anspruch richte sich aber nur auf Ersatz eines Schadens und nicht auf Erfüllung. Mit dem Verlangen der Nutzungsentschädigung mache die Klägerin keinen Schadensersatz geltend.Randnummer12

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz, des Verfahrensgangs und des Urteilsinhalts wird im übrigen Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung der Klage und begehrt die Verurteilung des Beklagten zu 2 samtverbindlich neben der Beklagten zu 1 zur Zahlung in Höhe von € 561.944,11 nebst Zinsen. Das Landgericht habe nicht darauf hingewiesen, dass ein Schaden nicht ausreichend dargelegt worden sei. Die Klägerin hätte bei erfolgreicher Vollstreckung am 15.09.2017 den Mietvertrag vom 11.09./14.09.2017 mit der A GmbH, vorgelegt als K 113, vollziehen können. Die A GmbH hätte monatlich € 43.000,00 netto als Nettokaltmiete zuzüglich € 6.000,00 als Vorauszahlungen auf die Betriebskosten gezahlt. Der Schaden übersteige damit noch die mit der Klage bezifferte Nutzungsentschädigung in Höhe von € 22.174,91 für September 2017, in Höhe von je € 41.577,96 für Oktober und November 2017 und in Höhe von € 28.165,71 für Dezember 2017 zuzüglich der Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von € 3.305,25, 2 x € 6.197,34 und € 4.198,20, insgesamt also € 153.394,67, die den Mindestschaden darstelle.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts München I vom 9.4.2018, 34 O 18062/16, wird der Beklagte zu 2 als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1 verurteilt, an die Klägerin auf rückständige Miete/Nutzungsentschädigung für die Zeit von August 2014 bis Dezember 2017 den Betrag von EUR 561.944,11 zzgl. Zinsen von 7%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 4.12.2017 zu bezahlen.Randnummer16

Der Beklagte zu 2 beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 2 trägt vor, die G AG sei nicht vermögenslos gewesen. Der Beklagte habe mit einem Erfolg der Berufung rechnen dürfen. Eine Schädigungsabsicht, für die die Klägerin beweispflichtig sei, habe nicht vorgelegen. Der Beklagte zu 2 sei durch den Nervenkrieg der Klägerin so ausgelaugt gewesen, dass er die Zeit bis zu einer Entscheidung durch den BGH mit einer Untervermietung überbrücken wollte. Der Beklagte sah eine berechtigte Chance für den Erfolg seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

Zudem sei für September die geminderte Nutzungsentschädigung in Höhe von € 18.744,59 entrichtet worden und die G AG habe schon am 27.09.2017 der Klägerin mitgeteilt, dass sie das Anwesen geräumt habe.

Bezüglich der Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von diesen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat in der Verfügung vom 18.01.2019 Hinweise erteilt und am 28.03.2018 über die Berufungen verhandelt.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 durch das Landgericht richtet, in der Sache teilweise als begründet.

Das Verfahren ist hinsichtlich der Berufung der Klägerin gegen die teilweise Abweisung ihrer Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 und hinsichtlich der Berufung der Beklagten zu 1 nach § 240 ZPO unterbrochen. Über das Vermögen der Beklagten zu 1 wurde mit Beschluss vom 10.04.2019, Az. 1508 IN 3219/18, das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2 einen Schadensersatzanspruch in Höhe von € 133.496,54. Der Beklagte zu 2 hat die Klägerin geschädigt, als er am 01.07.2017 als Vertreter der Beklagten zu 1 einen Untermietvertrag mit der G AG über die von der Klägerin angemieteten Einheiten abschloss. Der Schaden besteht jedenfalls in der Höhe der Miete, die die Klägerin von der A GmbH erzielt hätte, wenn der Versuch der Räumungsvollstreckung am 15.09.2017 erfolgreich gewesen wäre und der Mietvertrag mit der A GmbH hätte vollzogen werden können.

1. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass der Beklagte zu 2 der Klägerin nach § 826 BGB haftet. Danach ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Der Abschluss des Untermietvertrages mit der G AG stellte eine sittenwidrige Schadenszufügung zu Lasten der Klägerin dar. Die Schädigung erfolgte durch den Beklagten zu 2 mit Schädigungsvorsatz. Der Beklagte zu 2 haftet als Vertreter der Beklagten zu 1 persönlich wegen eines Missbrauchs der korporativen Haftungsbeschränkung.

a) In der konkreten Situation nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war der Abschluss eines Untermietvertrages nicht nur vertragswidrig, sondern auch Sittenwidrig.

aa) Ein Verhalten ist Sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH NJW 2014, 1098). Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH a.a.O.; NJW-RR 2013, 550).

So kann nach der Rechtsprechung des BGH bereits das Verhalten einer Partei im Rahmen eines Zivilprozesses als Sittenwidrig angesehen werden. Allerdings wird der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren selbst nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet. Der Gegner muss im kontradiktorischen Verfahren die Rechtsgutsbeeinträchtigung ohne deliktsrechtlichen Schutz hinnehmen, weil die Prüfung der Rechtslage durch das Gericht erfolgt und er sich gegen eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme in dem Rechtspflegeverfahren selbst hinreichend wehren kann. Dies betrifft aber nur Verhaltensweisen, die verfahrensrechtlich grundsätzlich legal sind. Im übrigen bleibt es beim uneingeschränkten Rechtsgüterschutz, den die §§ 823 Abs. 1, 826 BGB gewähren (BGH NJW 2004, 446).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen war der Abschluss des Untermietvertrages Sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB. Das Mietverhältnis war schon durch die Kündigung vom 16.10.2014 beendet worden. Damit war schon unabhängig von den Regelungen zur Untervermietung im Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 und von den Voraussetzungen des § 540 Abs. 1 BGB die Untervermietung vertragswidrig. Die über die bloße Vertragswidrigkeit hinausgehende besondere Verwerflichkeit beruht darauf, dass die Beklagte zu 2 bereits mit Urteil vom 29.09.2016 zur Räumung verurteilt worden war. Die Klägerin hatte die vom Landgericht in dem Urteil angeordnete Sicherheit bereits hinterlegt, um die Räumung zu vollstrecken. Erst der Senat hat mit Beschluss vom 22.12.2016 die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt. Aufgrund der Hinweise des Senates in der Ladungsverfügung vom 30.03.2017 und der mündlichen Hinweise in der Sitzung vom 19.06.2019 war mit einer Zurückweisung der Berufung durch den Senat zu rechnen. Weiter hatte die Klägerin angekündigt, von der Möglichkeit einer vorläufigen Vollstreckung Gebrauch zu machen.

Die vertragswidrige Untervermietung im laufenden Mietverhältnis ist regelmäßig noch nicht verwerflich. Sittenwidrig ist eine Untervermietung erst dann, wenn sie erfolgt, um die Vollstreckung aus einem Räumungsurteil zu verhindern oder zu verzögern. Es handelt sich dabei nicht mehr um ein im Prozessrecht angelegtes, formal legales Verhalten des Mieters als Schuldner. Vielmehr missbraucht der Mieter seine formale Stellung als Besitzer der Mietsache, um die rechtmäßige Ausübung der von dem Gegner im prozess erworbenen Rechtsposition zu verhindern. Nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral ist es zulässig, über das Vorliegen von Minderungsgründen und die Berechtigung von Kündigungen zu streiten. Es ist nach diesen Maßstäben aber nicht mehr zulässig, das in einem prozess erzielte Ergebnis durch den missbrauch einer noch vorhandenen formalen Stellung zu hintertreiben.

b) Der Beklagte zu 2 handelte dabei vorsätzlich.

aa) Der Vorsatz, den der Anspruchsteller vorzutragen und zu beweisen hat, enthält ein „Wissens-“ und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, im Fall des § 826 BGB also die Schädigung des Anspruchstellers, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme der Form des bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Dazu genügt es nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen (BGH NJW-RR 2013, 550).

bb) Aufgrund der vom Landgericht festgestellten und der unstreitigen Tatsachen geht der Senat davon aus, dass der Beklagte zu 2 die Schädigung der Klägerin vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Es drängt sich mehr als auf, dass der Beklagte zu 2 den Untermietvertrag mit der G AG nur zu dem Zweck geschlossen hat und den Besitz an diese nur deswegen überlassen hat, um die Vollstreckung der Klägerin aus dem landgerichtlichen Räumungsurteil nach der zu erwartenden Zurückweisung seiner Berufung zu verhindern oder zu erschweren. Der zuletzt vorgetragene Wille, die Zeit bis zu der erwartbar für ihn günstigen Entscheidung des BGH über seine Nichtzulassungsbeschwerde mit einer Untervermietung zu überbrücken, da er aufgrund des „Nervenkrieges“ der Klägerin so ausgelaugt gewesen sei, erscheint aufgrund der sonstigen Umstände als nicht glaubhaft. Die Parteien hatten sich wegen zahlreicher Punkte zerstritten und führten mehrere Prozesse gegeneinander. Die Auseinandersetzung hatte das übliche Maß an Intensität von Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten, das gerade bei außerordentlichen Kündigungen häufig ist, deutlich überschritten. Der Beklagte zu 2 wusste, dass die Klägerin schon aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts die Räumung betreiben wollte. Der Bevollmächtigte der Klägerin hatte in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2017 auch angekündigt, im Falle der Berufungszurückweisung die Räumung zu vollstrecken. Der Beklagte zu 2 hat entgegen dem Vortrag seines Bevollmächtigten auch damit gerechnet, dass die Berufung zurückgewiesen würde. Schon der Hinweis des Senates in der Ladungsverfügung vom 30.03.2017 wies deutlich darauf hin, dass der Senat eine der Kündigungen für wirksam erachten würde. In der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2017 wurde auch deutlich gemacht, dass jedenfalls eine der Kündigungen als ordentliche Kündigung wirksam sei, da man sich kurz nach Mietbeginn im E-Mail-Austausch darüber einig wurde, dass zwei der Einheiten aus dem Mietvertrag herausgenommen werden und die Miete erheblich herabgesetzt wird, und somit ein Formmangel vorliege.

c) Der Mietvertrag wurde von der Beklagten zu 1 als Vermieterin mit der G AG geschlossen. Auf Seiten der Beklagten zu 1 handelte der Beklagte zu 2 als deren Geschäftsführer. Wegen eines Missbrauchs der korporativen Haftungsbeschränkung haftet der Beklagte zu 2 als Vertreter der Beklagten zu 1 ausnahmsweise persönlich.

Die Rechtsprechung hat die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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persönliche Haftung
eines Geschäftsführers aus § 826 BGB in verschiedenen Fällen angenommen (MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43 Rn. 354). Eine persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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persönliche Haftung
von Geschäftsführern kommt in Betracht, wenn sich in dem Schaden nicht unternehmerische Risiken manifestiert haben, sondern die korporative Haftungsbeschränkung bewusst zur Schädigung Dritter missbraucht worden ist (vgl. (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 823 Rn. 124). So wurde die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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persönliche Haftung
eines Geschäftsführers angenommen, der die Verträge mit Erwerbern von Bauwerken einerseits und mit den Bauhandwerkern als Gläubigern der Gesellschaft andererseits so gestaltet hat, dass die Gläubiger mit einem Ausfall ihrer Forderungen rechnen mussten (BGH NJW-RR 1992, 1061).

Auch im vorliegenden Fall hat sich in dem Schaden der Klägerin nicht ein unternehmerisches Risiko durch die Vertragsbeziehungen mit der Beklagten zu 1 verwirklicht. Denn das unternehmerisches Risiko, das mit der Vermietung von Räumlichkeiten verbunden ist, liegt in der Möglichkeit, dass bspw. Streit über das Vorliegen von Mängeln oder die Wirksamkeit von Kündigungen entsteht und deshalb die Miete gemindert wird oder ein Rechtsstreit über den Räumungsanspruch geführt wird. Aber eine sittenwidrige Schädigung der Vermieterin wird nicht mehr von dem typischen, unternehmerischen Risiko umfasst. Die Schädigung erfolgte durch den Beklagten zu 2 als Geschäftsführer. Der Untermietvertrag wurde auf sein Betreiben durch ihn als Vertreter der Beklagten zu 1 abgeschlossen. Die Beklagte zu 1 war sowohl Vertragspartnerin der Klägerin als auch der Untermieterin. Damit war allein die Beklagte zu 1, über deren Vermögen nunmehr die Insolvenz eröffnet wurde, vertraglichen Ansprüchen der Klägerin ausgesetzt.

2. Der Vermögensschaden der Klägerin besteht darin, dass sie die gegenständlichen Einheiten nicht ab dem 15.09.2017 an die A GmbH überlassen konnte, mit der sie bereits einen Mietvertrag geschlossen hatte, und Mieteinnahmen erzielen konnte.

Vor dem Versuch der Räumungsvollstreckung vom 15.09.2017 hatte die Klägerin keine Kenntnis davon, dass die Einheiten an die G AG überlassen worden waren. Gegen die G AG konnte die Räumung nicht vollstreckt werden, da diese nicht in dem Titel genannt war (BGH NJW 2008, 3287).

Die Klägerin hat in dem Zeitraum vom 15.09.2017 bis zu der Räumung am 21.12.2017 weder Nutzungsentschädigung von der Beklagten zu 1 erhalten noch Miete von der A GmbH. Die Zahlung der Beklagten zu 1 für September hat die Klägerin mit dem Anspruch für die erste Hälfte des Septembers verrechnet. Die mit der A vereinbarte Miete überstieg die in diesem Verfahren auch als Nutzungsentschädigung verlangten Beträge, vgl. Anlage K 113.

Damit hat die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von € 153.394,67 gegen den Beklagten zu 2. Die Berechnung der Klägerin ist zutreffend. Allerdings hat sie die Zahlung der ihr durch die nicht mögliche Weitervermietung entgangenen Betriebskostenvorauszahlungen nur von der Beklagten zu 1 verlangt. Der Klageantrag bezüglich der Beklagten zu 2 umfasst nur die Nutzungsentschädigung bzw. den Schaden in Höhe der Nutzungsentschädigung. Nach § 308 ZPO ist der Beklagte zu 2 daher zur Zahlung in Höhe von € 133.496,54 zu verurteilen. Es kann daher offen bleiben, ob hinsichtlich der entgangenen Vorauszahlungen ein Schaden geltend gemacht werden kann, nachdem die Abrechnung für 2017 fällig ist und noch nicht erteilt wurde.

3. Daneben kommt noch eine persönliche deliktische haftung des Beklagten zu 2 aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Eigentums der Klägerin in Betracht. Die Klägerin hatte als Eigentümerin gegen die Beklagte zu 2 auch einen Anspruch auf Herausgabe aus § 985 BGB. Da das Mietverhältnis beendet war, war die Beklagte zu 1 nicht mehr zum Besitz der streitgegenständlichen Räumlichkeiten berechtigt, § 986 BGB. Die Untervermietung hat die Vollstreckung des Herausgabeanspruchs erschwert. Durch die Untervermietung wurden der Herausgabeanspruch und das Eigentum der Klägerin, auf dem der Herausgabeanspruch beruht, beeinträchtigt (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
NZM 2017, 813).

Ein Geschäftsführer, der in seiner Person die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB unmittelbar erfüllt, haftet dem betroffenen Dritten für den dadurch verursachten Schaden. Die persönliche Außenhaftung des Geschäftsführers greift in allen Fällen unabhängig davon ein, ob sein Verhalten der Gesellschaft gem. § 31 BGB zuzurechnen ist (MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43 Rn. 347). Es kann offen bleiben, ob der Beklagte zu 2 schon in seiner Person die Voraussetzungen einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB erfüllt. Denn den Beklagten zu 2 traf auch eine Garantenstellung für das Eigentum der Klägerin. Eine Eigenhaftung erfordert eine Garantenstellung, auf Grund der der gesetzliche Vertreter persönlich zum Schutz Außenstehender vor Gefährdung oder Verletzung ihrer durch § 823 I BGB geschützten Rechte gehalten ist. Eine Garantenpflicht kommt in Betracht, wenn der Betroffene ein Schutzgut der Einflusssphäre der Gesellschaft anvertraut hat und der Geschäftsführer des Unternehmens für die Steuerung derjenigen Unternehmenstätigkeit verantwortlich ist, aus der sich eine Gefahrenlage ergibt (BGHZ 208, 182-210).

Durch den Mietvertrag hat die Klägerin ihr Eigentum der Einflusssphäre der Beklagten zu 1 anvertraut. Der Beklagte zu 2 war als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 für die Beherrschung der Gefahren für das Eigentum der Klägerin zuständig. Durch die Untervermietung hat er das Eigentum der Klägerin beeinträchtigt.

Der dadurch verursachte Schaden besteht in dem Ausfall der Mieteinnahmen, die die Klägerin von der A GmbH erzielt hätte.

4. Im übrigen ist die Klage gegen den Beklagten zu 2 abzuweisen. Auf den Hinweis in der Ladungsverfügung vom 18.01.2019, den sich der Senat zu eigen macht, wird verwiesen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 100 ZPO. Bei dem Teilurteil war nur über die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beklagten zu 2 zu entscheiden (Zöller/Feskorn, 32. Aufl., § 301 ZPO Rn. 21).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Entscheidung in einem Einzelfall, die keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

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