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OLG München, Urteil vom 05.12.2018 – 7 U 1424/18

ZPO § 110 Abs. 1 u. 2 Nr. 1, § 113, § 708 Nr. 10, § 711

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 19.03.2018 (Az.: 14 HK O 18725/17) aufgehoben.

2. Der Klägerin wird aufgegeben, bis zum 31.01.2019 wegen der Prozesskosten Sicherheit in Höhe von 75.000,- € zu leisten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft malayischen Rechts mit Sitz in Kuala Lumpur (Malaysia). Die Beklagte ist eine GmbH deutschen Rechts. Die Klägerin war mit dem Vertrieb der Produkte der Beklagten in Südostasien befasst. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien endete im Sommer 2016. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Abrechnung von Provisionen, Erteilung eines Buchauszugs, bezifferte und unbezifferte Provisionen sowie Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs.

Die Beklagte hat die Einrede der Prozesskostensicherheit erhoben. Durch das angegriffene Zwischenurteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht den entsprechenden Antrag der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte die Gestellung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin weiter.

II.

Die Berufung ist begründet. Die Beklagte kann von der Klägerin die Gestellung einer Sicherheit für die Prozesskosten verlangen.

1. Die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO liegen vor. Die Klägerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt (bzw. Sitz, weil es sich bei der Klägerin nicht um eine natürliche Person handelt – vgl. Zöller / Herget, ZPO, 32. Aufl., § 110 Rz. 2) nicht in der Europäischen Union.

2. Eine Ausnahme nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO greift nicht. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klägerin insbesondere nicht nach Art. 14 des Deutsch-Britischen Abkommens über den Rechtsverkehr vom 03.12.1928 von der Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit.

Keinen Zweifel begegnet die (von den Parteien geteilte) Ansicht des Landgerichts, dass das genannte Abkommen im Verhältnis zwischen Deutschland und Malaysia Anwendung findet. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.

Die Klägerin ist hiernach jedoch nicht von der Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit, weil sie keinen Sitz im Inland hat (so auch BGH, Urteil vom 30.6.2004 – VIII ZR 273/03, Rz. 10). „Genanntes Gebiet“ im Sinne von Art. 14 des Abkommens kann nur das am Anfang der Vorschrift genannte Gebiet des anderen Vertragsstaats sein, d.h. die Befreiung tritt für einen Angehörigen des einen Vertragsstaats (Malaysia) im anderen Vertragsstaat (Deutschland) nur ein, wenn ersterer im Gebiet dieses anderen Vertragsstaats (Deutschland) seinen Wohnsitz bzw. Sitz hat. Insofern lässt der Wortlaut des Abkommens keine andere Auslegung zu. Nur diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des Abkommens, nämlich Gleichstellung des Angehörigen des einen Vertragsstaats mit denjenigen des anderen in dem Gebiet des letzteren. Eine Besserstellung der Angehörigen des einen Vertragsstaates gegenüber denjenigen des anderen ist damit nicht beabsichtigt. Auch ein Auslandsdeutscher, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Malaysia hat, müsste bei Klagen in Deutschland Prozesskostensicherheit leisten.

Zu Unrecht meint die Klägerin, dass durch die genannte Auslegung des Art. 14 des Abkommens die Regelungen von dessen Art. 2 – 7 über Zustellungen überflüssig wären. Denn selbstredend gelten diese Vorschriften auch und gerade dann, wenn die Parteien in unterschiedlichen Vertragsstaaten sitzen. Dies hat aber mit der Frage einer Prozesskostensicherheit nichts zu, für deren Nichterforderlichkeit Art. 14 des Abkommens eine zusätzliche Voraussetzung aufstellt.

Dass das genannte Urteil des Bundesgerichtshofs keine nähere Auseinandersetzung mit Art. 14 des Abkommens enthält, sondern nur das Ergebnis postuliert, trifft zwar zu. Nach den vorstehenden Ausführungen liegt aber die Annahme nahe, dass dieses Ergebnis wegen seiner Eindeutigkeit nicht begründungsbedürftig erschien.

3. Die Höhe der Sicherheitsleistung war nach billigem Ermessen festzusetzen (§ 112 ZPO). Angemessen erscheint dem Senat der Ansatz der der Beklagten drohenden Kosten für zwei Instanzen. Das sind Anwaltskosten der ersten und der Berufungsinstanz sowie die eventuell der Beklagten in Rechnung zu stellenden Gerichtskosten eines Berufungsverfahrens (ähnlich Zöller / Herget, a.a.O. Rz. 2). Nicht erforderlich erscheint im derzeitigen Verfahren die Berücksichtigung der Kosten einer eventuellen Revisionsinstanz, da die Beklagte im Rechtsmittelzug die Einrede erneut erheben kann, sobald die Sicherheitsleistung aufgezehrt ist (§ 112 Abs. 3 ZPO, vgl. auch BGH vom 30.6.2004, a.a.O. Rz. 5 ff.).

Ausgehend von der Berechnung der Beklagten in der Klageerwiderung (Bl. 40 ff. der Akten, dort S. 3 f.) und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch im vorliegenden Zwischenverfahren Anwaltskosten entstanden sind, ergibt sich für zwei Instanzen eine angemessene Sicherheitsleistung von 75.000,- €. Der von der Beklagten ihrer Berechnung zugrunde gelegte Streitwert des vorangegangenen Mahnverfahrens konnte dabei für Zwecke der Bestimmung der Sicherheitsleistung einstweilen zugrunde gelegt werden. Zwar stellt die Klägerin im Streitverfahren niedrigere bezifferte Anträge als im Mahnverfahren; hinzu kommen jedoch unbezifferte Anträge, deren Wert im derzeitigen Verfahrensstadium nur schwer abzuschätzen ist. Daher stellt der Senat für die Beurteilung des maßgeblichen wirtschaftlichen Interesses der Klägerin auf den ursprünglich im Mahnverfahren geforderten Betrag ab (§ 3 ZPO).

4. Nach § 113 ZPO war der Klägerin eine Frist zu setzen, binnen derer sie die Sicherheit zu leisten hat. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin im ferneren Ausland sitzt, sowie der bevorstehenden Weihnachtszeit erscheint dem Senat eine Frist bis Ende Januar 2019 angemessen und ausreichend.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Zöller / Greger, a.a.O. § 280 Rz. 8 am Ende). Die Kosten des Zwischenverfahrens sind Kosten des Rechtsstreits.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO ist unabhängig davon, ob das Urteil überhaupt angreifbar wäre, nicht erforderlich, weil das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Die Revision war nicht zuzulassen. Unabhängig davon, ob ein Rechtsmittel überhaupt statthaft wäre (was die überwiegende Meinung verneint, vgl. Zöller / Herget, a.a.O. § 110 Rz. 5 m.w.Nachw.), liegen jedenfalls die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor.

Schlagworte: Prozesskostensicherheit