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OLG München, Urteil vom 08. November 2016 – 5 U 1353/16

§ 251 BGB, § 252 BGB, § 311 Abs 2 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 263 StGB, § 264a StGB, § 141 Abs 3 ZPO, § 296 Abs 1 ZPO, § 296 Abs 2 ZPO, § 445 ZPO, § 446 ZPO

1. Der Prospekt eines geschlossenen Immobilienfonds ist widersprüchlich, wenn er einerseits darauf hinweist, dass sämtliche Genehmigungen für das geplante Projekt vorlägen, und andererseits darauf, dass die Gefahr bestehe, dass wegen nicht erteilter Genehmigungen Sonderflächen nicht übernommen werden könnten.

2. Sind nach dem Inhalt des entsprechenden Prospekts mehr Stellplätze vermietet, als laut dessen Inhalt konkret geplant, ist dies von der Treuhänderin oder der die Beteiligung veräußernden Bank zu hinterfragen.

Auf S. 37 des Prospekts heißt es, dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung, „sämtliche zur Erreichung der Anlageziele und Anlagepolitik erforderlichen behördlichen Genehmigungen“ vorlägen. Dies war tatsächlich für die prospektierten Stellplätze (S. 55, rd. 600 Stellplätze, rd. 50 Außenstellplätze) nicht der Fall, weil nur 566 Innenstellplätze und überhaupt keine Außenstellplätze genehmigt waren. Außerdem waren nach den Angaben S. 120 ff bereits 760 Innen- und 58 Außenstellplätze vermietet. Insoweit hätte klargestellt werden müssen, dass für die vermieteten Plätze nur teilweise Genehmigungen vorlagen, auch wenn auf S. 20 darauf hingewiesen wird, dass die Gefahr bestehe, dass wegen nicht erteilter Genehmigungen Sonderflächen nicht übernommen werden könnten. Damit ist der Prospekt widersprüchlich, weil er einerseits aussagt, dass sämtliche zur Erreichung der Anlageziele und Anlagepolitik erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorlägen, andererseits aber auch zum Ausdruck bringt, dass die Gefahr bestehe, dass wegen nicht erteilter Genehmigungen Sonderflächen nicht übernommen werden könnten. Letztere Gefahr konnte aber nur bestehen, wenn nicht „sämtliche … Genehmigungen“ vorlagen. Dies ist entgegen der Auffassung der Beklagten ein Prospektfehler, selbst wenn das Investitionsvolumen über 400 Mio € gelegen hat und die Anleger auf S. 20 ff des Prospekts auf verschiedene Risiken hingewiesen wurden, weil der Prospekt den den Tatsachen nicht entsprechenden Eindruck vermittelt, als lägen sämtliche erforderlichen Genehmigungen vor, was aber tatsächlich nicht der Fall war. Deshalb kommt es auch nicht drauf an, ob zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe davon ausgegangen werden konnte, dass die fehlenden Genehmigungen noch erteilt werden würden. Wäre die Beklagte den aufgezeigten Widersprüchen ihren Pflichten als Treuhänderin entsprechend nachgegangen, hätte sie obenstehende Umstände ermittelt und unabhängig davon, ob der Prospekt bei der Beratung Verwendung gefunden hat oder nicht, die Klägerin auf den gravierenden Umstand hinweisen.

3. Prospekthaftung im weiteren Sinne setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Initiator selbst das persönliche und nicht nur das anonymisierte (Prospekt-)Vertrauen des Anlegers in Anspruch nimmt.

Anknüpfungspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne ist nicht die Verantwortlichkeit für einen fehlerhaften Prospekt, sondern eine selbständige Aufklärungspflicht als Vertragspartner oder Sachwalter aufgrund persönlich in Anspruch genommenen – nicht nur typisierten – besonderen Vertrauens (BGH, Urt. v. 22.10.2015, III ZR 264/14 Rn. 15). Eine Haftung wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens würde daher voraussetzen, dass die Beklagte zu 2) entweder an den Vertragsverhandlungen selbst beteiligt gewesen oder im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem Anspruch auf Vertrauen hervorgetreten wäre. Hierfür genügen die positiven Ausführungen zugunsten der Beklagten zu 2) allein im Prospekt gerade nicht (BGH, Urteil vom 4.5.2004 – XI ZR 41/03 (dort unter 2b) m.w.N.). Hinzukommt, dass die Klägerin nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen den Prospekt vor der Zeichnung nicht einmal erhalten haben will. Soweit der Zeuge G. in seiner Aussage vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung Gegenteiliges bekundet hat (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.11.2016, S. 5), folgt daraus – selbst unter der Annahme, dass die Klägerin sich die Aussage des Zeugen hilfsweise zu eigen macht – noch nicht, dass sie diesen auch gelesen hat; der Zeuge G. konnte hierüber keine Angaben machen. Dass die Beklagte zu 2) über die Ausführungen auf S. 18/19 des Prospekts im Rahmen der Verhandlungen mit der Klägerin hinaus auf irgendeine Art hervorgetreten wäre, wird weder von der Klägerin behauptet noch ist es sonst ersichtlich. Insbesondere genügt auch nicht, dass der Zeuge G. nach eigenen Angaben gegenüber der Klägerin die Beklagte zu 2) als „erfahrene Fondsgesellschaft“ (Protokoll vom 8.11.2016, S. 6) bezeichnet hat. Eine solche allgemeine Werbeaussage eines Dritten ist nicht geeignet, persönliches Vertrauen zu begründen. Denn dadurch hat die Beklagte zu 2) nicht in persona besonderes Vertrauen der anlegenden Klägerin in Anspruch genommen.

4. Prospekthaftung im deliktischen Sinne setzt Darlegung und ggf. Nachweis der subjektiven Tatseite durch den Anleger voraus.

Es mag sein, dass für die von der Klägerin hinsichtlich der deliktischen Haftung der Beklagten zu 2) angeführten Sachverhalte (fehlende Genehmigungen bezüglich der Garage und der Außenstellplätze, Abweichung zwischen genehmigter und beabsichtigter tatsächlicher Nutzung des Kongresszentrums, Vorliegen aller erforderlichen Genehmigungen (Berufungsbegründung S. 53 i.V.m. S. 21 u. 23 der Klageschrift) objektiv der Tatbestand einer Täuschung vorliegt, der eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.Vm. §§ 263, 264a StGB bzw. § 826 BGB begründen könnte. Allerdings obliegt insoweit der Klägerin auch der Nachweis, dass die Beklagte zu 2) vorsätzlich gehandelt hat. Insoweit ist der Prospekt wie überhaupt in der Stellplatzfrage widersprüchlich (s. dazu schon oben II.1.a). Insofern kann nicht allein wegen des Umstands, dass die Beklagte zu 2) die Situation gekannt haben mag, auf einen Täuschungsvorsatz geschlossen werden oder darauf, dass die Beklagte zu 2) die Angaben für erheblich i.S.v. § 264a StGB gehalten, die Schädigung der Anleger vorausgesehen und in ihren Willen aufgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2011, VI ZR 309/10, Rn. 7 ff). Entsprechendes gilt für die Behauptung, im Zeitpunkt des Erwerbs der Klägerin sei der Beklagten zu 2) bekannt gewesen, dass der Konferenzsaal nur für die interne Nutzung genehmigt gewesen sei. Insoweit hat die Beklagte zu 1) bereits im Schriftsatz vom 27.3.2015, S. 7, darauf verweisen lassen, die Nutzung und Einhaltung etwaiger behördlicher Auflagen sei Angelegenheit der Generalmieterin, insoweit enthalte der Prospekt kein abweichenden Angaben, Hinweise insoweit seien nicht veranlasst gewesen. Selbst wenn der Generalmietvertrag diesbezüglich keine eindeutige Regelung enthalten sollte, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 9.7.2015, S. 14, behauptet, würde dies nicht belegen, dass die Beklagte zu 2) in dieser Beziehung vorsätzlich zum Nachteil der Anleger gehandelt hätte. Auf entsprechenden Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 8.11.2016 (Protokoll vom 8.11.2016, S. 3) hat die Klägerin lediglich ausführen lassen, dass sich aus ihrem bisherigen Vortrag der Vorsatz durchaus ergebe. Dem vermag der Senat aufgrund oben angestellter Erwägungen nicht zu

5. Ein Fondsanleger kann nicht allein aufgrund der Behauptung, sein Geld wäre sicher nicht ungenutzt geblieben, entgangene Zinsen auf den Anlagebetrag beanspruchen.

Zu berücksichtigen ist nicht zusätzlich, dass der Klägerin aufgrund ihrer Geldanlage Gewinn entgangen wäre. Dafür, dass und in welcher Höhe ihr durch den fehlerhaften Prospekt bzw. die unterlassene Aufklärung durch die Beklagte Gewinn entgangen ist, ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. § 252 S. 2 BGB enthält lediglich eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Die Klägerin kann sich deshalb zwar auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die in § 252 S. 2 BGB geregelte Vermutung eingreift. Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung der Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand ihres Tatsachenvortrages dazu beurteilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage sie sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte. Hier verweist die Klägerin zwar darauf, dass „Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibe“ (Klageschrift S. 25). Allerdings lässt sich angesichts der hier konkret getroffenen Entscheidung, in einen geschlossenen Immobilienfonds zu investieren, schon nicht sicher sagen, wie (genau) die Klägerin investiert hätte, noch ob sie mit einer solchen Anlage Gewinn erzielt hätte. Dies ist, wenn auch die Mehrzahl der geschlossenen Beteiligungen Gewinn erzielen mag, offen. Die alternative Anlage in einem Festgeldkonto hat die Klägerin nicht einmal behauptet. Daher ist auch keine Schadensschätzung mit der Klägerin günstigen Unterstellungen veranlasst, die jedenfalls nach Angaben des Zeugen G. auch anderweitig in Fonds angelegt hat (Sitzungsniederschrift 8.11.2016, S. 5; vgl. dazu Urt. des BGH v. 24.4.2012, XI ZR 360/11 Rn. 11-18).

6. In Massenverfahren, in denen die Beklagten bekanntermaßen ihre Ersatzpflichten bestreiten, muss dargelegt werden, warum im jeweiligen Einzelfall die vorgerichtliche Beauftragung der massenhaft tätigen Klägervertreter erfolgversprechend war.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat zwar vortragen lassen, dass sie als Nebenforderung die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend mache. Es habe ihr freigestanden, zunächst den Versuch zu unternehmen, sich mit der Beklagten gütlich zu einigen. Allerdings hat ein Schädiger nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur jene durch das Schadensereignis verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Ist der Schädiger – wie hier – bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig und auch nicht zu ersetzen (vgl. z.B. Urteil v. 28.5.2013, XI ZR 148/11 Rn. 35). Warum gerade im Falle der Klägerin der Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung erfolgversprechend gewesen wäre, legen auch die gerichtsbekanntermaßen in einer Vielzahl von Parallelfällen tätigen Klägervertreter nicht dar. In diesem Nebenpunkt war ein Hinweis nicht veranlasst (Thomas/Putzo-Reichold, 37. Aufl. 2016, Rn. 24 zu § 139 ZPO).

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