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OLG München, Urteil vom 10.11.2021 – 7 U 2163/20

Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Patronatserklärung

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 12.3.2020 (Az.: 31 O 14128/18) wird verworfen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2,1 Mio. € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Patronatserklärung.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der G. G. GmbH, die durch Umwandlung aus der G. G. AG hervorgegangen ist [im folgenden: Schuldnerin]. Der Beklagte zu 2 war alleinvertretungsberechtigter Vorstand der Schuldnerin. Auch über das Vermögen des Beklagten zu 2 ist ein Insolvenzverfahren eröffnet; Insolvenzverwalter ist der Beklagte zu 1.Randnummer3

Die Schuldnerin gab im Frühjahr 2011 eine Unternehmensanleihe über 30 Mio. € aus. Diesbezüglich gab der Beklagte zu 2 am 28.3.2011 eine Patronatserklärung ab, hinsichtlich deren Wortlaut auf S. 2/3 des angegriffenen Urteils verwiesen wird. Bei Fälligkeit der Unternehmensanleihe am 11.10.2013 erfolgten keine Zahlungen durch die Schuldnerin. Der Beklagte zu 2 erbrachte keine Leistungen aus der Patronatserklärung.Randnummer4

Am 29.5.2015 meldete der Kläger als Insolvenzverwalter der Schuldnerin Ausstattungsansprüche aus der Patronatserklärung über 30 Mio. € (Anleihesumme) und rund 2,68 Mio. € (Anleihezinsen) im Insolvenzverfahren des Zweitbeklagten an. Hinsichtlich des Wortlauts der Anmeldung wird auf S. 3/4 des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Beide Beklagten widersprachen der Anmeldung und bestritten die angemeldete Forderung im Prüfungstermin. Daraus resultiert die gegenständliche Klage auf Feststellung zur Tabelle und Erklärung des Widerspruchs für unbegründet. Der Kläger stützt sich dabei in erster Linie auf die Patronatserklärung. Sollten sich hieraus keine Ansprüche (mehr) ergeben, könne der angemeldete Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Patronatserklärung gestützt werden.Randnummer5

Der Kläger hat beantragt:Randnummer6

I. Die Forderung des Klägers gegen den Beklagten zu 1 in Höhe von EUR 32.681.917,81 aus Patronatserklärung wird in voller Höhe in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 2 (Amtsgericht – Insolvenzgericht – München, Az. 1501 IN 3704/14) zur Insolvenztabelle zur laufenden Nummer 1 festgestellt.Randnummer7

II. Der Widerspruch des Beklagten zu 2 gegen die Forderung des Klägers gegen den Beklagten zu 1 in Höhe von EUR 32.681.917,81 aus Patronatserklärung zur laufenden Nummer 1 der Insolvenztabelle in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 2 (Amtsgericht – Insolvenzgericht – München, Az. 1501 IN 3701/14) wird in voller Höhe für unbegründet erklärt.Randnummer8

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.Randnummer9

Durch das angegriffene Zwischenurteil hat das Landgericht die Klage für zulässig erklärt, „soweit der Kläger die Anträge auf den Primäranspruch aus der Patronatserklärung des Beklagten zu 2) vom 28.3./29.3.2011 stützt“. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.Randnummer10

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich nach der zweigliedrigen Streitgegenstandslehre bei dem Anspruch aus der Patronatserklärung und demjenigen auf Schadensersatz wegen Verletzung derselben um zwei Streitgegenstände in alternativer Klagehäufung handle, die zulässigerweise im Haupt- und Hilfsverhältnis geltend gemacht würden. Jedenfalls im Hauptantrag sei die Klage zulässig; insbesondere sei die Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet und bestritten worden.Randnummer11

Gegen dieses Zwischenurteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, mit welcher sie die vollumfängliche Zulässigerklärung der Klage, hilfsweise die Zurückverweisung an das Landgericht erstrebt.Randnummer12

Mit einer Verfügung des Kammervorsitzenden vom 12.3.2020 hat das Landgericht ausgeführt, dass es die Klage hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs aus Nichterfüllung der Patronatserklärung mangels ordnungsgemäßer Anmeldung zur Insolvenztabelle für unzulässig hält. Der Gläubiger habe bei der Anmeldung den Lebenssachverhalt, aus dem sich der Anspruch ergebe, schlüssig vorzutragen. Das Forderungsanmeldungsschreiben vom 29.5.2015 enthalte keine Tatsachen zur Pflichtverletzung und zum Verschulden des Beklagten.Randnummer13

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts München I vom 12.03.2020, Az 31 O 14128/18 aufzuheben, soweit es nur über die Zulässigkeit der Klage auf der Grundlage des Primäranspruchs aus der Patronatserklärung des Beklagten zu 2) vom 28./29.03.2011, nicht aber auch über die Zulässigkeit der Klage auf der Grundlage des Sekundäranspruchs aus der Patronatserklärung des Beklagten zu 2) vom 28./29.03.2011 entschieden hat, und die Klage ebenfalls durch Zwischenurteil vollumfänglich für zulässig zu erklären, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.Randnummer14

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

B.

Die Berufung ist unzulässig. Der Kläger ist durch das angegriffene Zwischenurteil nicht beschwert.Randnummer16

I. Der Kläger möchte seine Beschwer aus folgender Überlegung herleiten. Sollte das Zwischenurteil rechtskräftig werden, sei der Kläger an der Durchsetzung des von ihm behaupteten Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung gehindert. Dies ergebe sich aus der Bindungsurteil des Zwischenurteils (§ 318 ZPO). Diese erstrecke sich nicht nur auf den Tenor, sondern auch auf Tatbestand und Entscheidungsgründe, soweit sie den festgestellten Anspruch kennzeichnen. Das Landgericht und auch ein künftiges Rechtsmittelgericht müssten daher die Differenzierung nach zwei Streitgegenständen aufrecht erhalten. Das hätte zur Folge, dass der Schadensersatzanspruch unzulässig, da (als solcher eigener Streitgegenstand) nicht zur Insolvenztabelle angemeldet sei. Dem Kläger werde also durch das Zwischenurteil eine Sachprüfung des Schadensersatzanspruches abgeschnitten.Randnummer17

Dem vermag der Senat nicht zu folgen, ohne dass es darauf ankäme, ob der Erfüllungs- und der Nichterfüllungsanspruch einen einheitlichen oder zwei getrennte Streitgegenstände darstellen; auch einer Entscheidung durch den Senat, ob die gegenständliche Forderungsanmeldung einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung umfasst, bedarf es im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht.Randnummer18

Der Tenor der angegriffenen Entscheidung spricht nur aus, dass ein Teil der Klage zulässig ist; über den Rest trifft er keine Aussage; insbesondere spricht er nicht aus, dass dieser Rest unzulässig wäre. Stellt dieser Rest einen eigenständigen Streitgegenstand dar, ergibt sich die fehlende Beschwer des Klägers von selbst; er muss mit einer Berufung zuwarten, bis über diesen Streitgegenstand eine für ihn negative Entscheidung ergeht. Sollten allerdings der für zulässig erklärte Teil der Klage und der Rest der Klage einen einheitlichen Streitgegenstand bilden (wofür einiges sprechen mag, vgl. unten II.), hat das Landgericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen (vgl. BGH, Urteil vom 27.4.1954 – I ZR 239/52, Rz. 20). Ein nicht in zulässiger Weise ergangenes Zwischenurteil entfaltet allerdings keine Bindungswirkung (vgl. Thomas / Putzo / Seiler, ZPO, 42. Aufl., § 318 Rz. 1). In diesem Fall ist es dem Landgericht also verwehrt, allein aufgrund des von ihm erlassenen Zwischenurteils von einer Unzulässigkeit der Klage auszugehen, soweit sie materiell auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gestützt wird.Randnummer19

II. Für das weitere Verfahren wird das Landgericht folgende Überlegungen zu beachten haben.Randnummer20

Nachdem der geltend gemachte Erfüllungsanspruch („Primäranspruch“) denklogisch einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der selben Schuld („Sekundäranspruch“) vorgelagert ist, wird sich das Landgericht zunächst mit der Begründetheit des Primäranspruchs (dessen Zulässigkeit es der Sache nach zu Recht bejaht hat) befassen müssen. Sollte das Landgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Primäranspruch nicht besteht, hat es den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu prüfen. Insoweit setzt dessen Zulässigkeit, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht schon wegen des Zwischenurteils verneint werden darf, naturgemäß voraus, ob dieser Anspruch von der Forderungsanmeldung vom 29.5.2015 umfasst ist.Randnummer21

Dabei wird zu bedenken sein, dass schon nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der Übergang von einem Erfüllungsanspruch auf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung kein Austausch des Klagegrundes ist (vgl. Thomas / Putzo / Seiler, a.a.O., Einl. II Rz. 31). Auch hat der BGH in einem Forderungsfeststellungsprozess den Übergang von dem (angemeldeten) Anspruch auf Darlehensrückzahlung auf einen Bereicherungsanspruch wegen Nichtigkeit des Darlehensvertrages zugelassen (Beschluss vom 12.11.2015 – IX ZR 313/14). Nicht mehr zulässig war hingegen der Übergang von einem Unterhaltsanspruch auf einen Schadensersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 170 StGB (BGH, Beschluss vom 3.3.2016 – IX ZB 33/14). Vorliegender Sachverhalt dürfte näher an der erstgenannten Entscheidung liegen.Randnummer22

Ferner wird zu beachten sein, dass es für eine wirksame Anmeldung auf die „schlüssige“ Darlegung der Forderung in der Anmeldung nicht ankommt (BGH, Urteil vom 25.6.2020 – IX ZR 47/19); vielmehr ist ausreichend die bestimmte Angabe des Lebenssachverhalts. Dabei wird zu erwägen sein, dass in der Anmeldung eines Anspruchs denknotwendig die Behauptung enthalten ist, dieser sei nicht erfüllt. Darlegungen zum Vertretenmüssen könnten in der Anmeldung selbst dann nicht gefordert werden, wenn es auf die „Schlüssigkeit“ der Anmeldung ankäme, da dieser Punkt nach dem Rechtsgedanken des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zur Darlegungslast der Beklagten steht.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Zwar sind die Kosten eines Zwischenverfahrens grundsätzlich Kosten des Rechtsstreits und damit dem Endurteil vorzubehalten. Über die Kosten eines erfolglosen (insbesondere: unzulässigen) Rechtsmittels ist jedoch im Urteil, welches die Rechtsmittelinstanz abschließt, zu erkennen.Randnummer24

Der Streitwert für die Berufungsinstanz bestimmt sich nach dem Interesse des Berufungsführers, hier also des Klägers. Dieses Interesse bestimmt sich vorliegend nach dem Wert der Hauptsache (vgl. Thomas / Putzo / Hüßtege, a.a.O., § 3 Rz. 121). Dieser wiederum bemisst sich nach dem Interesse des Klägers an der Feststellung zur Tabelle, der von der zu erwartenden Insolvenzquote abhängt. Insoweit hat sich der Senat an den Vorstellungen des Klägers in der Klageschrift orientiert. Klagantrag 2 ist letztlich auf das selbe Interesse gerichtet wie Klagantrag 1; der Wert der Anträge ist daher nicht zusammenzurechnen. Wirtschaftlich ist der Beklagte zu 2 am Gesamtstreitwert mit 20.000,- € (Klagantrag 2) beteiligt.Randnummer25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bezieht sich auf die Kostenentscheidung und folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer26

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.

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Schlagworte: Patronatserklärung, Schadensersatzanspruch