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OLG München, Urteil vom 14. Juni 2016 – 5 U 1682/16

§ 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 3 BGB, § 282 BGB, § 307 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 BGB, § 675 BGB, § 256 ZPO

1. Eine Treuhänderin, die sich beim Vertragschluss mit den Zeichnern einer Publikumsgesellschaft  durch deren Komplementärin vertreten lässt, muss sich deren Kenntnisse zurechnen lassen.

2. Wird in dem Beteiligungsprospekt darauf hingewiesen, dass der Zeichner für den finanzierten Teil der Beteiligung keine Barmittel aufbringen müsse, so muss dies den Tatsachen entsprechen. Ist dies – erkennbar – nicht der Fall und weist sie den Zeichner nicht darauf hin, haftet die Treuhänderin auf den Zeichnungsschaden.

Die Beklagte haftet als Vertragspartnerin des Treuhandvertrages für fehlerhafte Angaben im Prospekt, soweit sie die Klägerin auf diese nicht hingewiesen hat. Denn ungeachtet einer etwaigen Stellung als Kommanditistin zum Zeitpunkt des klägerischen Beitritts traf die Beklagte schon als Vertragspartnerin des Treuhandvertrages die Pflicht, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für deren zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung waren (vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2015, III ZR 78/15, BeckRS 2015, 20464, Rz. 16 aE mwN). Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkte sich ihre Aufklärungspflicht als Vertragspartnerin des Treuhandvertrages nicht auf regelwidrige Auffälligkeiten. Eine solche Einschränkung lässt sich den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Aufklärungspflicht des Treuhandkommanditisten nicht entnehmen. Vielmehr trifft einen Treuhandkommanditisten, der die interessen der Anleger als seiner Treugeber wahrzunehmen hat, die Pflicht, die Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung hätten bekannt sein müssen und die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind. Diese Pflicht erstreckt sich insbesondere auch auf regelwidrige Auffälligkeiten (vgl. BGH NJW 2002, 1711; NJW-RR 2008, 1129/1130 Tz. 8; NJW-RR 2009, 613 m.w.N). Wenn dazu die beklagte Treuhänderin gem. § 5 Nr.3 S.4 des Gesellschaftsvertrags die „jeweilige Komplementärin … unwiderruflich bevollmächtigt“ hat, Beteiligungsangebote von Treuhandkommanditisten anzunehmen, so hat sie für deren Tun und Unterlassen einzustehen, soweit es in einem engen und unmittelbaren Zusammenhang mit der ihr zugewiesenen Aufgabe steht. Waren dieser bzw. mussten dieser unrichtige, unvollständige und irreführende Prospektangaben bekannt sein, hat die Treuhänderin für die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Angaben, soweit sie für den Entschluss, eine mittelbare Beteiligung zu erwerben, von Bedeutung sind, selbst dann einzustehen, wenn der in ihrem Verantwortungsbereich tätig werdende Verhandlungs- und Abschlussgehilfe auch im eigenen Interesse tätig wird und den Anlegern eventuell selbst haftet (vgl. dazu BGH NJW 1982, 2493 zur Prospektherausgeberin als Verhandlungsgehilfin der Treuhänderin). Das Zustandekommen der einzelnen Treuhandverträge ggf. über die E. P. Medienfonds GmbH hat auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt.

3. Von dieser grundsätzlich gegebenen Haftung kann sich die Treuhänderin nicht durch AGB freizeichnen.

Die Haftung der Beklagten für diesen Prospektfehler wird nicht durch § 13 des Treuhandvertrages ausgeschlossen, denn der darin enthaltene Haftungsausschluss ist nichtig. Die Klauseln des formularmäßigen Treuhandvertrages unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einer objektiven Auslegung. (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2015, II ZR 341/14 Rn.24 mwN). § 13 Nr.2 Sätze 3 und 4 des Treuhandvertrages, nach denen die Treuhänderin das Beteiligungsangebot und insbesondere den Prospekt nicht überprüft und sich bei der Entwicklung der Fondstruktur nicht beteiligt hat und außerdem die Anlageberatung oder Information über die Vor- und Nachteile einer Beteiligung an der Gesellschaft nicht vertragliche Pflicht der Treuhänderin ist, sind – ausgehend von den interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden – dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte von einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss infolge Verletzung der AufklärungspflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aufklärungspflicht
Verletzung der Aufklärungspflicht
über falsche oder irreführende Angaben im Prospekt freigezeichnet werden soll. Derartige formularmäßige Freizeichnungsklauseln sind wegen der grundlegenden Bedeutung der Aufklärungspflicht für den Schutz der Investoren nach § 307 Abs. 1 BGB nichtig. Sie benachteiligen die Anleger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Dies gilt hinsichtlich der Haftung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten (§ 309 Nr.7 b BGB) ebenso wie hinsichtlich der Haftung für leichte Fahrlässigkeit (BGH, Urteil vom 09.07.2013, II ZR 193/11 Rn.35 mwN). Jedenfalls soweit – wie hier – der Prospektfehler darin besteht, dass der Prospekt in sich widersprüchlich ist, und die Treuhänderin nicht ausschließlich Anlageinteressen verfolgt, sondern für ihre Tätigkeit nach § 14 des Treuhandvertrages eine Vergütung erhält, trifft die Treuhänderin eine Aufklärungspflicht. § 13 des Treuhandvertrages stellt keine gesellschaftsvertragliche Regelung dar, so dass die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB nicht einschlägig ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2013, II ZR 193/11 Rn.34).

Unzutreffend ist die Auffassung der Beklagten, die Klausel sei AGB-rechtlich unbedenklich, weil bloße Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlegten, einer Inhaltskontrolle entzogen seien. § 13 Nr.2 S.3 und 4 des Treuhandvertrages stellen eine Abweichung von der gesetzlichen Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss dar (§ 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB) und keine „bloße Leistungsbeschreibung“ im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen bleibt, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, Urteil vom 12.03.2014, IV ZR 295/13, Rn.27).

Ebensowenig kann sich die Beklagte auf § 13 Nr.3 des Treuhandvertrages berufen. Die dort bestimmte Ausschlussfrist läuft entgegen § 309 Nr.7b BGB auf eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist auch für Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzungen hinaus (BGH, Urteil vom 18.03.2010 – III ZR 74/09 Rn.19 mwN). Die Klausel beschäftigt sich zwar nicht direkt mit dem Haftungsmaßstab. Jedoch führt die generell geregelte Verkürzung der Verjährungsfrist dazu, dass nach Ablauf der dreijährigen Frist für jede Art von Verschulden, also unabhängig vom Haftungsmaßstab, nicht mehr zu haften ist. Auch wenn dies dem Wortlaut der Klausel nicht unmittelbar zu entnehmen ist, zeigt der Zusammenhang aller unter dem Titel „Haftung der Treuhänderin“ in § 13 Nr.3 des Treuhandvertrages aufgenommenen Bestimmungen, die eine nur kurze Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen und deren kenntnisunabhängige Verjährung vorsehen, dass es sich insgesamt um Regelungen handelt, die die mögliche Haftung der Beklagten ausschließen oder beschränken sollen. Dies rechtfertigt ihre Einordnung und Beurteilung nach § 309 Nr.7 BGB (BGH, Urteil v. 29.05.2008, III ZR 59/07 Rn.35).

4. Wird die Feststellung der Verpflichtung der Treuhänderin begehrt, den Zeichner von weiter drohenden Schäden freizustellen, so muss zu den drohenden Schäden konkret vorgetragen werden.(

Der Feststellungsantrag hinsichtlich „sämtlichen Verpflichtungen“ bleibt ohne Erfolg. Die Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt die Möglichkeit des Schadeneintritts voraus. Bei reinen Vermögensschäden, die vorliegend in Rede stehen, hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus jedoch von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückgehenden Schadeneintritts ab (BGH, Urteil v. 15.3.2016, XI ZR 122/14 Rn.43). Hierzu ist abgesehen von drohenden weiteren Steuerschäden durch das Verlangen von Säumniszinsen nichts dargelegt. Allein die Behauptung in der Klageschrift S.43, es werde als Streitwert für den Feststellungsantrag die noch ausstehende Einlage angesetzt, belegt diese nicht. Denn ausweislich des Prospekts hat die Klägerin den nicht bar bezahlten Teil ihrer Einlage durch den Verkauf der Schuldübernahme und die Zahlung von deren Kaufpreis an die Fondsgesellschaft erbracht. Dies gilt unabhängig davon, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt die Inhaberschuldverschreibung zurückgekauft hat. Deshalb fehlt es an tragfähigen Anhaltspunkten, dafür, dass sie von Gläubigern der Fondsgesellschaft unter dem Gesichtspunkt der nicht erbrachten Kommanditeinlage in Anspruch genommen werden könnte. Dies gilt auch dafür, dass es – theoretisch – zu eigenkapitalaushöhlenden Ausschüttungen gekommen sein mag. Mithin fehlt es insoweit an der Möglichkeit eines zukünftigen Schadens. Jedenfalls ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens nicht substantiiert dargelegt (vgl. dazu BGH, Urteil v. 28.05.2012, XI ZR 420/10 Rn.4, 42/43).

Schlagworte: Prospekthaftung im engeren Sinn, Prospekthaftung im weiteren Sinn