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OLG München, Urteil vom 22.07.2015 – 7 U 2980/12

GmbHG § 46, 47; HGB § 166

1. Die nicht oder nicht zureichend gewährte Information der Gesellschafter kann einen Anfechtungsgrund darstellen (s. hierzu – zur GmbH – Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rn. 126).

2. Die bloße Nachteiligkeit der Beschlussfassung ist kein Anfechtungsgrund (vgl. – zur GmbH – Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rn. 119).

3. Ein Gesellschafter ist auch in der Personengesellschaft regelmäßig dann vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn er quasi als Richter in eigener Sache sein eigenes Verhalten beurteilen müsste (BGH v. 07.02.2012 – II ZR 230/09, WM 2012, 895 Rn. 16).

4. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führen formale Fehler (wie z. B. Fehler der Einladung; Fehler in der Stimmrechtsausübung) nur dann zur Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse, wenn die Fehler sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt haben. Ungeklärt ist, wer für die Kausalität die Beweislast trägt. Der Bundesgerichtshof führt aus, Verfahrensmängel führten nur dann zur Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst sei. Diese Formulierung legt ein Verständnis nahe (“…wenn nicht ausgeschlossen werden kann“), dass die beklagte Gesellschaft das Fehlen der Kausalität darstellen muss. Indessen verweist der Bundesgerichtshof zugleich auf seine Entscheidung vom 16. Oktober 2012 – II ZR 251/10 sowie auf das Urteil vom 11. März 2014 – II ZR 24/13. Nach den Entscheidungsgründen des zuletzt genannten Urteils führt zwar ein Verfahrensmangel (nur) zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist (Rn. 13), was erneut die Darlegung der beklagten Gesellschaft auferlegt. Nach dem amtlichen Leitsatz der Entscheidung führt dagegen der Einladungsmangel nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist, was womöglich vermuten lässt, dass der klagende Gesellschafter die bestehende Kausalität des Mangels für den Beschluss darlegen und beweisen muss.

5. Wegen des weiten Ermessensspielraums der Gesellschafter bei der Frage der Entlastung der Geschäftsleitung ist zwar ein Entlastungsbeschluss nur anfechtbar, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar ist und die Entlastung missbräuchlich ist (vgl. – zur GmbHBGH v. 04.05.2009 – II ZR 168/07, WM 2009, 2131, Rn. 20). Verstößt die Geschäftsleitung jedoch in erheblicher Weise sowohl gegen Satzung als auch gegen Gesetz (hier: verspätete Vorlage des Entwurfs des Jahresabschlusses), ohne diesen Verstoß spätestens in der Gesellschafterversammlung zu erklären oder zu rechtfertigen, darf ihr Entlastung nicht erteilt werden.

Tenor

I. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung gewährt.

II. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.06.2012, Az. 11 HK O 19409/11, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

III. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 30.1.2013.

Gründe

1. Der Beklagten war auf ihren Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zu gewähren, da sie hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat, ohne Verschulden gehindert gewesen zu sein, die Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten.

Danach hat die Kanzleiangestellte Frau F. den Berufungsbegründungsschriftsatz am 20. August um 22:44 Uhr per Telefax versandt. Sie hat hierbei beim Versenden des Telefaxes versehentlich anstatt der „7“ eine „8“ eingetippt und dann bei der Kontrolle des Sendeprotokolls übersehen, dass das Telefax zwar vollständig übermittelt wurde, jedoch an die falsche Telefonnummer. Aufgrund des fälschlicherweise als „Versand“ vermerkten Telefaxes wurde auch die entsprechende Frist unmittelbar nach dem Versand des Schriftsatzes als „erledigt“ vermerkt. Es wurde weiter dargetan und glaubhaft gemacht, dass nach den intern festgelegten Abläufen der erfolgreiche Versand eines Telefaxes durch ein Abhaken und dem Anbringen des Kürzels des jeweiligen Bearbeiters bestätigt und nur erfolgen dürfe, wenn außer dem „OK“ auf dem Faxprotokoll auch die Rufnummer und die Anzahl der übermittelten Seiten zutreffend sind. Dies ist Frau F. bekannt und wurde von ihr in der Vergangenheit auch immer befolgt. Sie ist Rechtsanwaltsfachangestellte und leitet die Büroorganisation der Kanzlei, sie ist seit 2005 für den Beklagtenvertreter tätig. Sie hat den Versand von Telefaxen und die Überprüfung des ordnungsgemäßen Versands bislang mit höchster Zuverlässigkeit durchgeführt, wovon sich der Beklagtenvertreter auch selbst in regelmäßigen Abständen überzeugt hat.

Damit war der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

2. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Würdigung durch das Landgericht ist frei von Rechtsfehlern (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).

Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Zu den Berufungsangriffen der Beklagten ist Folgendes anzumerken:

a) Das Erstgericht hat zutreffend die Aktivlegitimation der Klägerin festgestellt. Gemäß § 6 Nr.2 des Treuhandvertrages (Anlage K15) hat die ursprüngliche Treuhandgesellschafterin, die Firma C. für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ihren treuhänderisch gehaltenen Kapitalanteil an die Klägerin abgetreten. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma C. ist hier am 10.12.2010 eröffnet worden. Soweit Satz 2 von § 6 Nr. 2 des Treuhandvertrages regelt, dass die Abtretung im Außenverhältnis aufschiebend bedingt ist durch die Eintragung des Treugebers in das Handelsregister, betrifft dies, wie bereits klarstellend hier festgehalten ist, lediglich das Außenverhältnis der Gesellschaft, nicht aber das Innenverhältnis der Gesellschaft. Gemäß § 20 Nr. 1 d des Gesellschaftsvertrages (Anlage K3) scheidet die Treuhandgesellschafterin mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aus der Gesellschaft aus. Gemäß § 20 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages wird in diesem Fall die Gesellschaft mit einem neuen Treuhandkommanditisten oder mit dem Treugeber als Kommanditisten fortgesetzt. Der neue Treuhandkommanditist bzw. der Treugeber tritt im Wege der Sonderrechtsnachfolge in alle Rechte und Pflichten der ausscheidenden Treuhandkommanditistin ein. Dies ist hier im Falle der Klägerin erfolgt, da kein neues Treuhandverhältnis begründet worden ist.

b) Die Beschlüsse über die Feststellung der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2007 bis 2010 sind wegen groben Fehlers nichtig, weil mit der Ladung zur Gesellschafterversammlung lediglich der Entwurf der Jahresabschlüsse, nicht aber der Prüfbericht mit übersandt worden ist. Gemäß §§ 242 Abs. 3, 246 HGB bilden die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung den Jahresabschluss, sowie im vorliegenden Fall zusätzlich der Anhang und der Lagebericht (vgl. §§ 264 Abs. 1, 267 HGB). Jahresabschluss und Lagebericht unterliegen gemäß §§ 316 Abs. 1, 317 HGB der Prüfungspflicht durch einen Wirtschaftsprüfer. Von Gesetzes wegen ist die Prüfung Voraussetzung für die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
(vgl. § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB). Da in der anzuberaumenden Gesellschafterversammlung über die Feststellung der Jahresabschlüsse zu beschließen war (vgl. § 42 a GmbHG, muss mit der Einladung neben den Entwürfen über die Jahresabschlüsse auch der Prüfungsbericht übersandt werden. Ob es ausreichend gewesen wäre, zumindest das Ergebnis des Prüfungsberichtes mit zu übersenden (was hier wohl letztlich im Hinblick auf das vom Wirtschaftsprüfer infolge von Fehlbuchungen nur eingeschränkt erteilte Testat fraglich ist), kann hier letztlich dahingestellt bleiben, da auch das Ergebnis des Prüfungsberichts nicht mitgeteilt worden ist. Dieser Einladungsmangel weist einen schweren Mangel auf, so dass die gefassten Beschlüsse nichtig sind (vgl. Luther/Hommelhoff GmbHG 17. Aufl. Anhang zu § 47, Rz. 9-12, Baumbach/Hueck GmbH 19. Aufl. § 42 a Rz. 25).

c) Auch die Beschlüsse über die Entlastung der Geschäftsführung und des Beirats für die Jahre 2008 bis 2010 sind wegen der Nichtübersendung der Prüfberichte grob fehlerhaft und damit nichtig. Das Erstgericht stellt zutreffend fest, dass ein etwaiges Fehlverhalten der Geschäftsführung aus den Jahresabschlüssen erkennbar sein könne und es zu deren Prüfung des Prüfberichts bedürfe.

d) Ob die Entlastungsbeschlüsse auch deshalb grob fehlerhaft und nichtig sind, weil entlastete Personen bei der Beschlussfassung mitgewirkt haben sollen, kann hier letztlich dahingestellt bleiben, da eine Nichtigkeit bereits aus den oben zu Ziffer b) und c) genannten Gründen vorliegt.

Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen, im Fall der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanziellen Gerichtsgebühren um die Hälfte.

Schlagworte: Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Darlegungs- und Beweislast, Entlastung, Entlastung der Geschäftsführer, Entlastung des Geschäftsführers, Ermessen, Ermessen bei Entlastung, Ermessensentscheidung, Ermessensspielraum, Geschäftsführer Entlastung, Haftungsbeschränkung und Entlastung, Kein Richter in eigener Sache, Nichtigkeitsgründe, Stimmrechtsausschluss, Treuwidrigkeit der Entlastung bei schweren Pflichtverletzungen