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OLG München, Beschluss vom 11.03.2011 – 31 Wx 162/10

BGB § 161; GmbHG §§ 16, 40

1. Bei Erwerb eines GmbH-Geschäftsanteils ist nur der gute Glaube an die Anteilsinhaberschaft des Veräußerers, nicht aber an dessen uneingeschränkte Verfügungsbefugnis geschützt. Im Falle einer aufschiebend bedingten Veräußerung findet deshalb ein gutgläubiger Zwischenerwerb durch einen Dritten nicht statt.

2. In diesen Fällen ist die Zuordnung eines Widerspruchs zur beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste weder erforderlich noch zulässig.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen besteht auch keine Erforderlichkeit für die Eintragung eines WiderspruchsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung eines Widerspruchs
, um einen etwaigen gemäß § 161 Abs. 3 BGB, § 16 Abs. 3 GmbHG möglichen zwischenzeitigen Gutglaubenserwerb durch einen Dritten zu verhindern. Eine solche Notwendigkeit erkennt der Senat nicht. Denn nach seiner Auffassung kann ein Gutglaubenserwerb durch einen Dritten bei (erneuter) Veräußerung durch den (bisherigen) Anteilsinhaber nicht erfolgen, da sich der nach § 16 Abs. 3 GmbHG mögliche Gutglaubensschutz nicht darauf erstreckt, dass der Veräußerer, der wirklich Inhaber eines Geschäftsanteils ist, in dem von ihm behaupteten Umfang tatsächlich verfügungsbefugt ist.

Ob ein gutgläubiger Erwerb eines Geschäftsanteils bei aufschiebend oder auflösend bedingter Übertragung über §161 Abs. 3 BGB i.V.m. § 16 Abs. 3 GmbHG überhaupt möglich ist, ist umstritten. Der überwiegende Teil des Schrifttums hält einen solchen Gutglaubenserwerb mit unterschiedlicher Begründung grundsätzlich für möglich (Staudinger/Bork BGB <2010> § 161 Rn. 15; Roth/Altmeppen/Altmeppen GmbHG <2009> §16 Rn. 69; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG <2009> § 16 Rn. 63; Scholz/Seibt, GmbHG <2010> § 16 Nachtrag MoMiG Rn. 79; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis <2009> Rn. 576; Heckschen/Heidinger/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis <2009> § 13 Rn. 141; Oppermann DB 2009, 2306; ders. ZIP 2009, 651/652; Schneider NZG 2009, 1167/1168; Schreinert/Berresheim DStR 2009, 1265/1267; Kamlah GmbHR 2009, 841/843; Wachter ZNotP 2008, 378/396 f; ders. GmbHR 2009, 1216/1217; Wicke GmbHG § 16 Rn. 20; Wicke NotBZ 2009, 1/15; Reymann WM 2008, 2095/2097; ders. GmbHR 2009, 343 f.; Klöckner NZG 2008, 841/842; Vossius DB 2007, 2299, 2301; Hellfeld NJW 2010, 411/412; Frenzel NotBZ 2010,129) und leitet daraus die Notwendigkeit der Zuordnung eines Widerspruchs an dem betreffenden Geschäftsanteil ab (vgl. Wälzholz MittBayNot 2008, 425/436; Oppermann ZIP 2009, 651 f.; ders. DB 2009, 2306 f.; Schneider NZG 2009, 1167 f.), bzw. die Eintragung eines Vermerks über die aufschiebend bedingte Anteilsveräußerung in der Veränderungsspalte der Gesellschafterliste (sog. Zwei-Listen-Modell; vgl. dazu Reymann GmbHR 2009, 343/347; Wicke NotBZ 2009, 1/16; Herrler BB 2009, 2272/2275 ff). Teile der Literatur hingegen verneinen die Anwendbarkeit des § 161 Abs. 3 BGB unter Hinweis darauf, dass die aufschiebend bedingte AbtretungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abtretung
aufschiebend bedingte Abtretung
eine Verfügungsbeschränkung darstelle und eine solche keine in die Gesellschafterliste eintragbare Tatsache sei und daher der Ersterwerber nicht die Möglichkeit habe, gegen die in der Gesellschafterliste ausgewiesene unbeschränkte Verfügungsberechtigung zu intervenieren (vgl. dazu Preuß ZGR 2008, 676, 691 f.; Weigl MittBayNot 2009, 116, 117 f; Weigl NZG 2009, 1173/1175; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1049 ff; Zessel GmbHR 2009, 303/305; Bunnemann/Zirngibl/Berger, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs <2008>, § 7 Rn. 84; Jocher BWNotZ 2009, 190 f.; Begemann/Galla GmbHR 2009, 1065/1068).

In der Rechtsprechung ist die Frage noch nicht abschließend geklärt. Das Landgericht Köln (GmbHR 2009, 1215) erkennt eine „mangelnde Berechtigung“ des Veräußerers im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 3 GmbHG darin, dass der Veräußerer mit der bedingten Verfügung zwar weiterhin die Rechtsmacht hat, über den Geschäftsanteil wirksam zu verfügen, diese Rechtsmacht aber vom Ausfall der Bedingung abhängig und damit eingeschränkt ist. Insofern bestehe die Gefahr eine Gutglaubenserwerbs im Sinne des § 161 Abs. 3 BGB. Der Schutz des Erwerbers erfordere die Zuordnung eines Widerspruchs, um den guten Glauben eines nachfolgenden Erwerbers in die Verfügungsmacht des (eingeschränkt berechtigten) Veräußerers zu zerstören. Dem gegenüber verneint das Oberlandesgericht Hamburg (GmbHR 2011, 32) die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs des Zweitkäufers, da die bloße Belastung eines Geschäftsanteils den mitwirkenden Notar zur Einreichung einer Gesellschafterliste nicht verpflichte und mangels gesetzlicher Verpflichtung zur Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste der Rechtsverkehr auch nicht darauf vertrauen könne, dass der von ihm erworbene Anteil lastenfrei sei. Da im Gegensatz zum Grundbuch ein solcher Eintragungszwang nicht bestehe, sei daher der Gesellschafterliste im Vergleich zum Grundbuch ein deutlich geringerer Rechtsschein der Gesellschafterliste beizumessen.

Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg. Gemäß § 161 Abs. 3 BGB sind zum Schutz des Zwischenerwerbers die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb entsprechend anwendbar. Denn ein Erwerb von einem (noch) Berechtigten ist erst recht schutzwürdig, wenn der Erwerber das Recht kraft guten Glaubens auch von einem Nichtberechtigten hätte erwerben können, sofern er nur hinsichtlich der Beschränkungen der Verfügungsmacht gutgläubig war (Palandt/Ellenberger BGB <70. Auflage> § 161 Rn. 3). Ob ein Gutglaubenserwerb eines Zweiterwerbers bei aufschiebend oder auflösend bedingter Übertragung grundsätzlich möglich ist, bestimmt sich jedoch nicht allein nach § 161 Abs. 3 BGB, sondern vorrangig nach denjenigen Vorschriften, die einen Gutglaubensschutz für den jeweiligen Verfügungsgegenstand überhaupt vorsehen. So gelten bei Verfügungen über Grundstücke die §§ 892, 893 entsprechend, bei Verfügungen über bewegliche Sachen z.B. die §§ 932, 936, 1032, 1207, während es bei Forderungen und Rechten des § 413 BGB grundsätzlich keinen Schutz des guten Glaubens gibt. Dies deshalb, da Forderungen und Rechte des § 413 BGB grundsätzlich keinen Rechtsscheinsträger aufweisen. Nur dann, wenn gesetzliche Regelungen einen solchen vorsehen (zB §§ 892, 893 BGB im Hinblick auf das Grundbuch bzw. § 15 HGB auf das Handelsregister), wird ein guter Glauben in dem von den gesetzlichen Vorschriften gezogenen Rahmen geschützt. Maßgebend für die Frage, ob § 161 Abs. 3 BGB sich auch auf den Gutglaubenserwerb bei aufschiebend bzw. auflösend bedingter Übertragung erstreckt, sind daher Inhalt und Umfang der im Rahmen des MoMiG neueingeführten Regelung des § 16 Abs. 3 GmbHG. Regelungszweck der Neuregelung des § 16 Abs. 3 GmbHG war nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/6140 S. 38) die grundsätzliche Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen. In der Vergangenheit bestand nämlich das Risiko, dass ein Erwerber keine sichere Kenntnis davon haben konnte, dass der Veräußerer tatsächlich Gesellschafter ist. Um dieses Risiko zu minimieren, hatte der Erwerber in der Vergangenheit u.a. die Möglichkeit, vom Veräußerer eine möglichst lückenlose Vorlage aller relevanten Abtretungsurkunden bis zurück zur Gründungsurkunde zu verlangen. Dabei ist aber fraglich, ob eine solche lückenlose Vorlage überhaupt gelingt, zudem ist sie nur mit hohem Aufwand möglich (vgl. dazu BT-Drs. 16/6140 S. 38 ff.). Durch die Regelung des § 16 Abs. 3 GmbHG sollte deshalb mit der Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister nicht nur der in der Liste eingetragene Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft legitimiert werden (vgl. § 16 Abs. 1 i.V.m § 40 GmbHG), sondern auch gegenüber Dritten Vertrauensschutz entstehen. In Anlehnung an § 892 BGB sollte durch die Neuregelung derjenige, der einen Geschäftsanteil erwirbt, darauf vertrauen können, dass die in der Gesellschafterliste bezeichnete Person tatsächlich Gesellschafter ist. Hingegen war kein vollständiger Gleichlauf zum guten Glauben an den Inhalt des Grundbuchs wegen des Fehlens einer strengen, objektiven und vorgelagerten Richtigkeitsprüfung der Liste angedacht, da die Gesellschafterliste privat geführt wird und das Handelsregister lediglich die Funktion einer nur verwahrenden und eine die allgemeine Kenntnisnahme ermöglichenden, nicht aber prüfenden Stelle zukommt. Eine solcher Gleichlauf war nach dem Willen des Gesetzgebers auch nicht erforderlich, da sich das gesetzgeberische Ziel (lediglich) darauf beschränkt, die Mühen, Kosten und Unsicherheiten der mitunter sehr langen Abtretungskette seit der Gründung der Gesellschaft zu ersparen (vgl. dazu BT-Drs. 16/6140 S. 38). Kern der Neuregelung in § 16 Abs. 3 GmbHG war also lediglich – durch Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister – die Schaffung eines Gutglaubenstatbestandes dahingehend, dass der Erwerber darauf vertrauen kann, dass der Veräußerer tatsächlich Gesellschafter ist. Hierauf bezieht sich auch nur der zur Verhinderung von Missbräuchen in Anlehnung zu § 899 Abs. 2 BGB vorgesehene Widerspruch. Nach Auffassung des Senats ist daher auch nur entsprechend diesem Regelungsumfang eine Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes, dass ein gläubiger Erwerb von Forderungen und Rechten im Sinne des § 413 BGB nicht möglich ist, durch die Neuregelung in § 16 Abs. 3 GmbHG erfolgt. Der Gesellschafterliste kommt daher eine weitergehende Bedeutung als Rechtsscheinträger für sonstige Gutglaubenserwerbe nicht zu. Für die Annahme, dass mit der Neuregelung des § 16 Abs. 3 GmbHG nach dem Willen des Gesetzgebers ein umfassender Gutglaubenserwerb von Geschäftsanteilen eingeführt werden sollte und daher die Vorschrift auch weitere Rechtsscheinstatbestände, insbesondere der eines gutgläubigen Zweiterwerbs, erfassen soll, ergeben sich keine Hinweise aus den Gesetzesmaterialen. Im Gegenteil: nicht geschützt ist weiterhin nämlich der gute Glaube an die Existenz des Geschäftsanteils (so ausdrücklich BT-Drs. 16/6140S. 39), an die Lastenfreiheit des Geschäftsanteils (herrschende Auffassung im Schrifttum: Gehrlein Der Konzern 2007, 771/791; Vossius DB 2007, 2299/2300; Böttcher/Blasche NZG 2007, 565 f. Mayer DNotZ 2008, 403/418; Götze/Bressler ZIP 2207, 894, 897; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG <19, Auflage> § 16 Rn. 26 und 28; a.A. soweit erkennbar nur Reymann WM 2008, 2095/2101) wie auch nicht – mangels Eintragungsfähigkeit – der gute Glaube an das Bestehen oder Nichtbestehen von beschränkt dinglichen Rechten (Baumbach/Hueck/Hueck/ Fastrich a.a.O. § 16 Rn. 26 und 39). Im Hinblick darauf, dass ein gutgläubiger Erwerb von Forderungen und Rechten im Sinne des § 413 BGB grundsätzlich nicht möglich ist und daher ein gutgläubiger Zweiterwerb eines Geschäftsanteils eine Durchbrechung dieses allgemeinen Grundsatzes darstellt, wäre es nach Auffassung des Senats naheliegend gewesen, dass der Gesetzgeber eine solche umfassend angedachte Erweiterung des Gutglaubenserwerbs bei Forderungen und Rechten des § 413 BGB bezüglich eines gutgläubigen Zweiterwerbs von Geschäftsanteilen auf der Grundlage der Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger in besonderem Maße herausgestellt hätte. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Im Gegenteil: die Ausführungen im Rahmen der Gesetzesbegründung zeigen gerade auf, dass eine vollständige Übernahme der Vorschriften zum guten Glauben an den Inhalt des Grundbuchs wegen des Fehlens einer strengen, objektiven und vorgelagerten Richtigkeitskontrolle der Liste gerade nicht gewollt ist; § 16 Abs. 3 GmbHG lehnt sich demgemäß auch nur teilweise an § 892 BGB an (so ausdrücklich BT-Drs. 16/6140 S. 38). Zudem findet sich im Rahmen des § 16 Abs. 3 GmbHG eine den gutgläubigen Zweiterwerb verhindernde Regelung, vergleichbar der Vormerkung im Sinne des § 885 BGB für das Grundbuch, gerade nicht. Die Aufnahme einer dieser Vorschrift entsprechenden Regelung wäre aber, sofern die Eintragung in die GesellschafterlisteBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in die Gesellschafterliste
Gesellschafterliste
auch einen gutgläubigen Zweiterwerb erfassen sollte, naheliegend gewesen, zumal auch zum Zwecke der Zerstörung der Gutglaubenswirkung hinsichtlich der Richtigkeit der Gesellschafterliste in Bezug auf die Inhaberschaft des Geschäftsanteils die für das Grundbuch entsprechende Regelung (Widerspruch im Sinne des § 894 i.V.m. § 899 Abs. 1 und 2 BGB) in modifizierter Form in § 16 Abs. 3 GmbH ihren Niederschlag gefunden hat. Da demnach der Regelungsumfang des § 16 Abs. 3 GmbHG gerade nicht den Schutz guten Glaubens Dritter an eine uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit des Gesellschafters über seinen Geschäftsanteil mitumfasst, sondern sich dieser lediglich auf den Schutz des guten Glaubens an die Inhaberschaft des Veräußerers hinsichtlich des Geschäftsanteils beschränkt, ist folglich ein gutgläubiger Zweiterwerb bei aufschiebend bedingter Veräußerung gemäß § 161 Abs. 3 BGB nicht möglich. Es verbleibt daher bei den Rechtswirkungen des § 161 Abs. 1 und 2 BGB: die weitere Verfügung des Veräußerers zugunsten eines Zweiterwerbers ist im Falle des Eintritts der Bedingung insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würde; der Ersterwerber wird bei Bedingungseintritt Inhaber der Beteiligung, und zwar selbst dann, wenn der Zweiterwerber mittlerweile als Inhaber des betreffenden Anteils in die beim Handelsregister aufgenommene Liste eingetragen wurde (Weigl MittBayNot 2009, 116/117).

Schlagworte: Aufschiebend bedingte Übertragung, Geschäftsanteil, gutgläubiger Erwerb, Handelsregister, Mängel des Abtretungsvertrags, Mängel des Kausalgeschäfts, Risiken bei Übertragung von Geschäftsanteilen, Zuordnung eines Widerspruchs