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OLG München, Beschluss vom 20.07.1998 – 23 W 1455/98

Geschäftsführerwechsel

§ 6 Abs 3 GmbHG, § 30 GmbHG, § 38 Abs 1 GmbHG, § 46 Nr 5 GmbHG, § 47 GmbHG, § 935 ZPO, § 940 ZPO

In den Bereich der Willensbildung einer Gesellschaft, insbesondere in das Abstimmungsverhalten von Gesellschaftern, darf auch mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes eingegriffen werden. Deshalb kann einem Mehrheitsgesellschafter zur Sicherung eines angefochtenen Beschlusses über die Einziehung seines Gesellschaftsanteils im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden, den Austausch der Geschäftsführung durch Mehrheitsbeschluß in der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.

In den letzten Jahren hat in Abkehr der früher vorherrschenden Ansicht die Auffassung stark an Boden gewonnen, daß mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes durchaus in den Bereich der Willensbildung in einer Gesellschaft, insbesondere in das Abstimmungsverhalten von Gesellschaftern, eingegriffen werden darf (so z.B. OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, DB 1991, 1567; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
, GmbHR 1991, 21, 22; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, GmbHR 1993, 161, 162; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, GmbHR 1993, 163; OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 312, 313; OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Zweibrücken
, GmbHR 1998, 373). Daß gerade bei Auseinandersetzungen in Gesellschaften das Bedürfnis schon nach vorläufigem Rechtsschutz besteht, zeigt nicht nur die gerichtliche Praxis, sondern drängt sich auch aus wirtschaftlicher Sicht auf. Einstweiligen Rechtsschutz in solchen Fällen deshalb zu verweigern, weil die Gefahr der Vorwegnahme einer Entscheidung in der Hauptsache bestehe, läßt sich mit einem von einem Rechtsstaat zu gewährenden effektiven Rechtsschutz nicht vereinbaren. Zudem bestünde sonst die Gefahr, daß fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse vielfach zu vollendeten Tatsachen führten. Der Grundsatz der Autonomie der innergesellschaftlichen Willensbildung an sich rechtfertigt keine auch nur vorübergehend rechtsfreien Räume (von Gerkan, ZGR 1985, 167 ff.). Ob dann im Einzelfall vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, ist daher allein Frage von dessen Begründetheit.

Zu Recht werden auch von denen, die einen einstweiligen Rechtsschutz im Bereich der Willensbildung von Gesellschaften zulassen, insoweit sehr hohe Anforderungen an den Erlaß einer einstweiligen Verfügung gestellt. So wird eine eindeutige Rechtslage oder eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des jeweiligen Verfügungsklägers gefordert (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, a.a.O., OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, a.a.O.), darüber hinaus aber auch die Einhaltung des Gebots des geringstmöglichen Eingriffs verlangt (OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 312, 313).

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungskläger wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 06. April 1998 dahingehend abgeändert, daß die Verfügungsbeklagte die Kosten des Rechtsstreits ganz zu tragen hat.

II. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

III. Der Wert der Beschwerde wird auf DM 11.500,– festgesetzt.

Gründe

I.

Die Verfügungskläger und die Verfügungsbeklagte waren die Gesellschafter der C GmbH, im folgenden kurz C genannt, mit Sitz in München. Mit Beschluß vom 19.02.1996 haben die Verfügungskläger den Gesellschaftsanteil der Verfügungsbeklagten in Höhe von 75 % des Stammkapitals eingezogen. Die Klage der Verfügungsbeklagten, den Beschluß für nichtig zu erklären, hat der 7. Senat dieses Gerichts am 25.06.1997 abgewiesen. Er ging davon aus, daß die Verfügungsbeklagte zumindest eine betrügerische Schädigung des Gesellschaftsvermögens versucht sowie treuwidrig die Rückzahlung eines Betrages von DM 80.919,20 an die C verzögert habe. Über die Annahme der Revision der Verfügungsbeklagten hat der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden.

Am 29.08.1997 erwirkten die Verfügungskläger beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung, mit der der Verfügungsbeklagten untersagt wurde, in der Gesellschafterversammlung der C vom 01.09.1997 dafür zu stimmen, den bisherigen Geschäftsführer … S abzuberufen und zu suspendieren, den Anstellungsvertrag mit ihm zum nächstmöglichen Termin zu kündigen, die Prokura von … D zu widerrufen und die Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten, … B und Dr. … H als neue Geschäftsführer der C zu bestellen. Die Verfügungsbeklagte folgte diesem gerichtlichen Verbot. Sie hat sodann mit Schriftsatz vom 12.02.1998 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 06.04.1998 die Hauptsache für erledigt erklärt hatten, hat das Landgericht München I die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Es hat als in Rechtsprechung und Literatur außerordentlich umstritten angesehen, ob die Untersagung einer Beschlußfassung überhaupt möglich sei. Deshalb könne die von § 91 a ZPO geforderte billige Ermessensentscheidung nur eine Kostenaufhebung sein. Hiergegen wenden sich die Verfügungskläger mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21.04.1998.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der Verfügungskläger (§ 91 a Abs. 2, § 567 Abs. 1, § 577 ZPO) hat in der Sache Erfolg. Die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens waren gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes und nach billigem Ermessen in vollem Umfang der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen. Der angefochtene Beschluß war daher entsprechend abzuändern.

1) Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung war zulässig gewesen.

In den letzten Jahren hat in Abkehr der früher vorherrschenden Ansicht die Auffassung stark an Boden gewonnen, daß mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes durchaus in den Bereich der Willensbildung in einer Gesellschaft, insbesondere in das Abstimmungsverhalten von Gesellschaftern, eingegriffen werden darf (so z.B. OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, DB 1991, 1567; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
, GmbHR 1991, 21, 22; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, GmbHR 1993, 161, 162; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, GmbHR 1993, 163; OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 312, 313; OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Zweibrücken
, GmbHR 1998, 373). Daß gerade bei Auseinandersetzungen in Gesellschaften das Bedürfnis schon nach vorläufigem Rechtsschutz besteht, zeigt nicht nur die gerichtliche Praxis, sondern drängt sich auch aus wirtschaftlicher Sicht auf. Einstweiligen Rechtsschutz in solchen Fällen deshalb zu verweigern, weil die Gefahr der Vorwegnahme einer Entscheidung in der Hauptsache bestehe, läßt sich mit einem von einem Rechtsstaat zu gewährenden effektiven Rechtsschutz nicht vereinbaren. Zudem bestünde sonst die Gefahr, daß fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse vielfach zu vollendeten Tatsachen führten. Der Grundsatz der Autonomie der innergesellschaftlichen Willensbildung an sich rechtfertigt keine auch nur vorübergehend rechtsfreien Räume (von Gerkan, ZGR 1985, 167 ff.). Ob dann im Einzelfall vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, ist daher allein Frage von dessen Begründetheit.

2) Der Antrag auf einstweilige Verfügung war ferner begründet gewesen (§§ 935, 940 ZPO).

Zu Recht werden auch von denen, die einen einstweiligen Rechtsschutz im Bereich der Willensbildung von Gesellschaften zulassen, insoweit sehr hohe Anforderungen an den Erlaß einer einstweiligen Verfügung gestellt. So wird eine eindeutige Rechtslage oder eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des jeweiligen Verfügungsklägers gefordert (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, a.a.O., OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, a.a.O.), darüber hinaus aber auch die Einhaltung des Gebots des geringstmöglichen Eingriffs verlangt (OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 312, 313). All diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Den Verfügungsklägern stand ein Verfügungsanspruch zu.

Durch Vorlage des Urteils des 7. Senats dieses Gerichts vom 25.06.1997 hatten die Verfügungskläger glaubhaft gemacht, daß ihnen ein wichtiger Grund zur Einziehung der Geschäftsanteile der Verfügungsbeklagten zur Seite stand. Auch wenn die Einziehung schon aufgrund der fortdauernden gerichtlichen Auseinandersetzung über den Einziehungsbeschluß als solchen noch nicht wirksam ist, Streit dürfte nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten jedoch im wesentlichen noch über die Höhe deren Abfindungsguthabens bestehen, ist die Verfügungsbeklagte aus ihrer deshalb fortbestehenden gesellschaftlichen Treuepflicht heraus gleichwohl in besonderem Maße zur Zurückhaltung verpflichtet (BGHZ 88, 320, 328).

Diese gesellschaftliche Treuepflicht gebot hier der Verfügungsbeklagten, von dem weitgehenden Austausch der Führung der C Abstand zu nehmen. Zum einen liegt auf der Hand, daß einerseits die Bestellung von neuen Geschäftsführern, die von der Verfügungsbeklagten abhängig sind, und andererseits die Abberufung eines bisherigen Geschäftsführers jedenfalls bis zu einer Entscheidung über den Rechtsstreit durch den Bundesgerichtshof den Einziehungsbeschluß faktisch außer Kraft gesetzt hätten. Zum anderen war das Ziel des Vorgehens der Verfügungsbeklagten mit den Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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unvereinbar. Die Verfügungsbeklagte hatte hierbei ausschließlich eigene gesellschaftswidrige Absichten verfolgt. Zu dieser Annahme zwingen ihr eigener Vortrag und die übrigen Umstände im Zusammenhang mit der Gesellschafterversammlung vom 01.09.1997. Der von ihr behauptete Grund für ihr Vorgehen, im Juli 1997 sei eine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei der C eingetreten, läßt sich aus der von ihr vorgelegten Anlage K 11 gerade nicht ersehen. Danach kam es in diesem Monat zu einem Verlust von DM … insgesamt aber immer noch zu einem Gewinn nach Steuern von DM … für die gesamten ersten sieben Monate des Jahres 1997. Sodann war erst am 25.06.1997 die im Gegensatz zum Ersturteil für die Verfügungsbeklagte negative Entscheidung des 7. Senats dieses Gerichts ergangen. Die weitgehende Auswechselung der Führung der C wurde als Tagesordnungspunkt für die Gesellschafterversammlung vom 01.09.1997 erst durch Schreiben vom 28.08.1997 nachgeschoben. Es drängt sich daher auf, daß die Verfügungsbeklagte mit ihrem Vorgehen versuchen wollte, entgegen dem Einziehungsbeschluß ihre bisherige Stellung als Mehrheitsgesellschafterin in der C nicht nur abzusichern, sondern zu verfestigen und ihre schon bisher zu Tage getretenen eigennützigen wirtschaftlichen Interessen in der C durchzusetzen.

b) Der erforderliche Verfügungsgrund lag ebenfalls vor.

Dies folgt bereits im wesentlichen aus den Darlegungen zum Verfügungsanspruch. Danach hatten die Verfügungskläger ein dringendes und schutzwürdiges Interesse daran, die durch den Einziehungsbeschluß und die ihn bestätigende Entscheidung des 7. Senats geschaffene Lage zu wahren und vor erneuten Übergriffen der Mehrheitsgesellschafterin sicher zu sein. Demgegenüber sind erhebliche, durch den Gesellschaftsvertrag gerechtfertigte Interessen der Verfügungsbeklagten nicht zu Tage getreten. Die Verfügungskläger waren auch nicht darauf zu verweisen, den Vollzug der von der Verfügungsbeklagten beabsichtigten Beschlüsse abzuwarten. Allein die Einräumung von Geschäftsführerpositionen an Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten hätte vor dem vom 7. Senat dieses Gerichts festgestellten Sachverhalt eine sehr schwerwiegende Bedrohung der Interessen der Verfügungskläger bedeutet. Nach Ernennung der Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten zu Geschäftsführern und der Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
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S wäre den Verfügungsklägern die Geltendmachung ihrer Interessen erheblich erschwert gewesen.

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