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OLG München, Beschluss vom 29.02.2012 – 34 SchH 6/11

ZPO §§ 1040, 1062; BGB § 314

1. Bei der Frist des § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist und nicht um eine Notfrist. Für solche Ausschlussfristen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Erhebung der Klage (bzw. die Einreichung des Antrags) bei einem örtlich unzuständigen Gericht diese selbst dann wahrt, wenn die Zuständigkeit eine ausschließliche ist (BGHZ 97, 155, 161; 139, 305; BGH, vom 3. 1. 2008, 34 SchH 003/07 = SchiedsVZ 2008, 102).

2. Eine Schiedsvereinbarung kann nach Beginn des Schiedsverfahrens gemäß oder entsprechend § BGB § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden (allgem. Meinung; Musielak/Voit ZPO 8. Aufl. § 1029 Rn. 12, 26). Die Schiedsabrede begründet ein besonderes Pflichtenverhältnis zwischen den Parteien. Ein Verstoß gegen diese Pflichten, etwa die Pflicht zur Verfahrensförderung (vgl. Musielak/Voit § 1029 Rn. 12) oder zur Loyalität (Musielak/Voit § 1029 Rn. 27), können bei sehr groben Verletzungen zur Kündigung berechtigen. Denkbar sind auch wichtige Gründe, die nicht im Verhalten einer Partei liegen. Ein wichtiger Grund ist jeder Umstand, der es der kündigenden Partei unzumutbar macht, das Verfahren fortzusetzen, wobei darauf zu achten ist, dass es keiner Partei möglich sein darf, durch Geltendmachung von angeblichem Fehlverhalten der anderen Partei das Verfahren zu sabotieren. Daher genügen selbst heftige Auseinandersetzungen der Parteien mit dem Vorwurf, die andere Partei habe gegen die Wahrheitspflicht verstoßen, nicht als Kündigungsgrund (vgl. z.B. BGH NJW 1957, 589, 590; NJW 1986, 2765). Wollte man der anderen Partei im Fall – von ihr so empfundener – besonders grober Verstöße gegen die Wahrheitspflicht ein Kündigungsrecht zugestehen, würde dies dazu führen, dass dieselben Fragen parallel zum Schiedsverfahren durch die staatlichen Gerichte geklärt werden müssten, die Tätigkeit des Schiedsgerichts auf lange Zeit hinaus lahmgelegt würde (vgl. BGH NJW 1957, 589/590) bzw. Gefahr liefe, trotz Verfahrensfortsetzung dann hinfällig zu werden (§ 1040 Abs. 3 Satz 3 ZPO). Da jedes Schiedsverfahren – grundsätzlich dem staatlichen Gerichtsverfahren gleichberechtigt – darauf gerichtet ist, unter den Parteien mit einem abschließenden, dem Urteil staatlicher Gerichte gleichgestellten Schiedsspruch (vgl. § 1055 ZPO) Rechtsfrieden zu schaffen, muss eine Lösung vom Schiedsvertrag durch Kündigung zwar dann, aber auch nur dann, statthaft sein, wenn Umstände eingetreten sind, auf Grund derer nicht mehr mit einem effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren gerechnet werden kann, der Schiedsvertrag also undurchführbar geworden ist (vgl. BGH NJW 1986, 2765). Solange dies aber nicht der Fall ist, muss sich die Partei an der Schiedsvereinbarung festhalten lassen und sind auch schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten im Schiedsverfahren zu klären.

3. Das Schiedsgericht hat, ebenso wie das staatliche Gericht, Möglichkeiten, Verstöße gegen die Wahrheitspflicht, aber auch etwa eine Beweisvereitelung, zu erkennen und darauf prozessual zu reagieren. Das aktuelle Schiedsverfahrensrecht geht demnach vom Grundsatz aus, dass die Schiedsgerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeiten bietet wie die staatliche Gerichtsbarkeit (Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. Vor § 1025 Rn. 1). Schon deshalb ist die Eingriffsschwelle für das staatliche Gericht in ein laufendes Schiedsverfahren hoch anzusetzen, wenn es um die Aufkündigung der Schiedsabrede wegen nicht mehr gewährleisteten effektiven Rechtschutzes geht.

Schlagworte: Kündigung, Schiedsgericht, Schiedsgerichtsverfahren, Schiedsvereinbarung, Wichtiger Grund