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OLG Naumburg, Urteil vom 09. April 2008 – 6 U 148/07

§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB; § 826 BGB

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.10.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg – 5 O 873/07 (213) – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.333,54 Euro nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.04.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte i.H.v. 24.333,54 Euro aus abgetretenem Recht auf Ausgleich einer Kaufpreisforderung bzw. aus unerlaubter Handlung auf Ersatz des Forderungsausfalls in Anspruch.

Die Beklagte ist Inhaberin des Hotels „E. “ in B. . Am 03.12.1998 gründete sie die H. GmbH (im Folgenden: GmbH), bei der sie als alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführerin fungierte. Auf Wunsch der Beklagten lieferte der Zedent, R. W. , im Zeitraum Dezember 1998 bis Juni 1999 Baumaterial zu einem Gesamtpreis i.H.v. 48.120,27 DM an die GmbH, welches dann im Hotel „E. “ als einzigem Auftraggeber der GmbH verbaut wurde. Am 28.02.2000 wurde die GmbH in das Handelsregister eingetragen. Am 23.06.2000 stellte die Beklagte als Geschäftsführerin der GmbH Insolvenzantrag. Mit Beschluss vom 12.07.2001 – 341/ IN 152/00 – eröffnete das AG Magdeburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Am 07.07.2000 erwirkte der Zedent ein Versäumnisurteil (901660/00 LG Magdeburg) gegen die GmbH, aus dem er jedoch nichts vollstrecken konnte, weshalb er am 26.10.2000 Strafanzeige wegen Betruges gegen die Beklagte erstattete.Randnummer3

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe die GmbH „als Scheingebilde“ von vornherein nur zu dem Zweck gegründet, um sich unter Berufung auf § 13 Abs. 2 GmbHG den berechtigten Kaufpreisforderungen des Zedenten zu entziehen. Die Beklagte hat dies bestritten und sich auf Verjährung berufen.Randnummer4

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.Randnummer5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin sei jedenfalls verjährt, weil sie nicht innerhalb von drei Jahren seit Erstattung der Strafanzeige, als ihr bereits sämtliche Anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt gewesen seien, verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet habe.Randnummer6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Klägerin trägt vor, sie habe definitive Kenntnis vom Forderungsausfall sowie vom Verschulden der Beklagten erst durch die am 19.04.2006 erfolgte Einsicht in die Strafakten und durch eine Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 06.11.2006 erlangt.Randnummer7

Die Streithelferin schließt sich dem Antrag der Klägerin an, wohingegen die Beklagte die angefochtene Entscheidung verteidigt.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache weitgehend Erfolg, denn die Beklagte ist der Klägerin entweder im Wege der Durchgriffshaftung aus Vertrag (§ 433 Abs. 2 BGB) oder aber aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB) zur Zahlung von 24.333,54 Euro verpflichtet.Randnummer9

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Durchgriffshaftung haftet die Beklagte hier bereits vertraglich für die Kaufpreisverpflichtungen der GmbH (§ 433 Abs. 2 BGB), wobei dieser Anspruch auf Grund der durch Versäumnisurteil des LG Magdeburg vom 07.07.2000 – 9 O 1066/00 – ausgesprochenen Verurteilung der GmbH (§ 433 Abs. 2 BGB) in der dort tenorierten und vorliegend geltend gemachten Höhe von 47.592,27 DM (24.333,54 Euro) plus 10 % Zinsen seit dem 30.04.2000 (vgl. Anlage K 27) nach § 218 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bzw. § 197 Nr. 3 BGB n.F. erst in dreißig Jahren verjährt. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:Randnummer10

a) Nach dem in Literatur und Rechtsprechung anerkannten Rechtsinstitut der Durchgriffshaftung muss der GmbH-Gesellschafter in besonderen Ausnahmefällen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen, d.h. dafür mit seinem Privatvermögen haften. In diesen Fällen versagt die Berufung auf das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG; die haftungsausschließenden Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist aufgehoben, die Schuldverpflichtung der Gesellschaft greift auf den Gesellschafter durch. Entscheidender Maßstab hierfür ist die Beurteilung des konkreten Sachverhalts nach den Grundsätzen von Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB. Ergibt sich danach, dass die Berufung auf das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, weil die Rechtsform der juristischen Person offenkundig dazu benutzt worden ist, einen von der Rechtsordnung nicht mehr zu billigenden Erfolg herbeizuführen, entfällt die Haftungsbeschränkung. Es ist nämlich nicht Zweck des § 13 Abs. 2 GmbHG, durch die von ihm angeordnete Trennung zwischen der Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter mit der Rechtsordnung in Widerspruch stehende Verhaltensweisen und Folgen abzusichern und auf diese Weise die zweckgerichtete Funktion anderer rechtsordnungsgemäßer Normen zu verhindern. Der Missbrauch kann sowohl in der missbräuchlichen Gründung und dem Einsatz der juristischen Person bestehen als auch in der missbräuchlichen Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit einer zunächst ohne Missbrauch gegründeten juristischen Person. Entscheidend ist, ob das Festhalten am gesetzlichen Trennungsprinzip zu Ergebnissen führt, die mit der geltenden Rechtsordnung – und sei es im weitesten Sinne – noch vereinbar sind. Dieser Ausgangspunkt belegt, dass von dem Rechtsinstitut der Durchgriffshaftung nur mit aller Vorsicht Gebrauch gemacht werden darf, denn es darf nicht dazu führen, die Regel des § 13 Abs. 2 GmbHG aufzuheben. Über die Rechtsform der juristischen Person darf nicht leichtfertig oder schrankenlos hinweggegangen werden (vgl. BSG, NJW 1984, 2117, 2118; OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.1999 – 9 U 804/97 – 145 -, S. 11 f).Randnummer11

b) Wird allerdings wie im vorliegenden Fall eine GmbH dazu eingesetzt, Lieferanten zumindest objektiv rechtswidrig zu schädigen, liegt ein Missbrauch der Rechtsform der GmbH vor (vgl. BSG, NJW 1984, 2117, 2118 f; OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.1999 – 9 U 804/97 – 145 -, S. 12; siehe auch OLG Karlsruhe, WM 1978, 962, 967 sowie OLG Celle, BauR 2006, 543 ff). Insgesamt weist der vorliegend festgestellte Sachverhalt folgende objektive Umstände auf, die jedenfalls im Zusammenwirken die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten im Wege des Durchgriffs ergeben: Die GmbH wurde von der Beklagten erst unmittelbar vor Durchführung der Baumaßnahmen am Hotel gegründet. Die GmbH beschäftigte keinen Meister, sodass sie von vornherein keine handwerklichen Tätigkeiten entfalten konnte, sondern sich auf die Entgegennahme des Baumaterials zum Einbau in das Hotel der Beklagten beschränkte. Ferner standen im Jahr 1999 den Umsatzerlösen i.H.v. 74.084,70 DM Wareneingänge i.H.v. 86.156,55 DM gegenüber (S. 7 des Gutachtens des Wirtschaftsprüfdienstes des StA Magdeburg vom 05.08.2003 = Anlage K 23), d.h. der Geschäftsbetrieb war von vornherein auf einen Verlust ausgerichtet. Dementsprechend gibt es eine ganze Reihe von (weiteren) Indizien dafür, dass bereits im Jahre 1999 wirtschaftliche Probleme bestanden und liquide Mittel nicht ausreichend vorhanden waren (vgl. S. 21 des Gutachtens). Außerdem wurde die GmbH erst am 28.02.2000, d.h. ca. 15 Monate nach ihrer Gründung, ins Handelsregister eingetragen; erst hierdurch entfiel die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Beklagten aus § 11 Abs. 2 GmbHG (vgl. hierzu Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 11, Rn. 118-120). Diese Umstände rechtfertigen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den Schluss, dass die GmbH von vornherein allein zu dem Zweck gegründet worden ist, den Zedenten mit seiner Kaufpreisforderung ausfallen zu lassen. Die damit zu bejahende Durchgriffshaftung leitet sich bereits aus der Feststellung einer objektiv zweckwidrigen Verwendung der juristischen Person her; das Hinzutreten subjektiver Elemente im Sinne vorwerfbaren Verschuldens ist – anders als für die deliktische Haftung – für die Durchgriffshaftung nicht erforderlich (vgl. OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O., S. 12; BSG, a.a.O., S. 2119 m.w.N.).Randnummer12

c) Der im Wege der Durchgriffshaftung bestehende Kaufpreisanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist nicht verjährt. Zwar endete die Verjährungfrist hier gem. Art 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB i.V.m. §§ 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 198, 201 BGB a.F. bereits am 31.12.2003. Dies hilft der Beklagten aber deshalb nicht weiter, weil der Anspruch gegen die Gesellschaft, für den sie persönlich haftet, durch das Versäumnisurteil des LG Magdeburg vom 07.07.2000 tituliert ist, sodass sowohl nach altem wie auch nach neuem Recht eine dreißigjährige Verjährungsfrist gilt (§ 218 Abs. 1 S. 1 BGB a.F., § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F.). Diese Frist muss auch die Beklagte gegen sich gelten lassen. Bejaht man nämlich wie hier in Durchbrechung des § 13 Abs. 2 GmbHG ausnahmsweise die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des GmbH-Gesellschafters für die Gesellschaftsverbindlichkeit, stellt sich die Sachlage nicht anders da als bei dem persönlich haftenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, für den der BGH gerade unter Hinweis auf die insoweit in § 128 HGB normierte persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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entschieden hat, dass dann, wenn der Gesellschaft keine Verjährungseinrede zusteht, der persönlich haftende Gesellschafter diese ebenfalls nicht erheben kann (BGHZ 73, 217, 223 f).Randnummer13

2. Selbst wenn die Durchgriffshaftung nicht greifen würde, hätte die Klägerin gegen die Beklagte jedenfalls einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB sowie aus § 826 BGB auf Schadensersatz in Höhe des Forderungsausfalls (24.333,54 Euro) bei der GmbH.Randnummer14

a) Wer als Gesellschafter oder Geschäftsführer das mit einem Bauvorhaben verbundene Risiko der Gesellschaft auferlegt, sich selbst aber die – nicht geringen – Gewinnchancen vorbehält, haftet nach höchstrichterlicher Rechtsprechung den Bauhandwerkern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. BGH, NJW 1979, 2104, 2105; ZIP 1992, 694 f). Auch das Oberlandesgericht Naumburg hat sich bereits mehrfach mit derartigen Fällen befasst. Mit Urteil vom 21.12.1999 – 9 U 804/97 – 145 – hat der 9. Zivilsenat einen GmbH Gesellschafter-Geschäftsführer, der von seiner anschließend in Insolvenz gegangenen Gesellschaft Bauwerke auf seinem eigenen Grundstück hat errichten lassen, aus § 826 BGB zur Erstattung des Forderungsausfalls an die Handwerker verurteilt. Mit Urteil vom 21.08.2003 – 7 U 23/03 – hat der 7. Zivilsenat des OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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einen GmbH-Geschäftsführer aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zum Schadensersatz verurteilt, weil er für die GmbH Aufträge erteilt hatte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass diese die hieraus entstehenden Werklohnforderungen nicht würde erfüllen können.Randnummer15

b) Im Ergebnis nichts anderes gilt auch für die hier vorliegende, strukturell gleichgelagerte Vereitelung von Kaufpreisansprüchen; entscheidend ist allein, ob Baumaterial über eine geplantermaßen insolvent werdende GmbH auf einem Grundstück eingebaut werden, welches nicht der GmbH, sondern einer hinter ihr stehenden Privatperson gehört, die hierdurch die Lieferanten unter Berufung auf § 13 Abs. 2 GmbHG gezielt zu schädigen beabsichtigt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Beklagte die GmbH allein dazu gegründet hat, den Zedenten zu benachteiligen, indem sie diesen den Kaufvertrag mit der GmbH schließen ließ und ihn auf diese Weise den Zugriff auf die mit seinen Lieferungen geschaffenen Vermögenswerte unmöglich machte. Insoweit kann auf die oben zur Bejahung einer Durchgriffshaftung angeführten Gründe verwiesen werden. Die Beklagte haftet damit bereits wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB, wofür die Verwirklichung des Betrugstatbestandes i.S.d. § 263 Abs. 1 BGB nicht erforderlich ist (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2003, 1044, 1046 m.w.N.). Darüber hinaus hat der Senat aber auch keine Zweifel an einer Haftung der Beklagten wegen Eingehungsbetruges aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, denn letztere hat den Zedenten bei Vertragsabschluss über die Zahlungsfähigkeit der GmbH getäuscht, worauf außer die oben bereits genannten Indizien auch ihre eigenen Einlassungen im Strafverfahren hindeuten (564 Js 33439/01 StA Magdeburg).Randnummer16

c) Auch der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht verjährt.Randnummer17

aa) Auf ihn findet gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Vorschrift des § 852 BGB a.F. Anwendung, welche auch nicht durch § 43 Abs. 4 GmbHG verdrängt wird (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 29.06.2000, 13 U 185/99, Rn. 5, 6; OLG Naumburg, Urt. v. 21.08.2003, 7 U 23/03, Rn. 22-25; jeweils zitiert nach juris). Da der Anspruch nach § 852 BGB a.F. am 01.01.2002 noch nicht verjährt war, richtet sich die Verjährung nach §§ 195, 199 BGB, wobei sich gem. § 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB der Beginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem 01.01.2002 nach § 852 BGB a.F. richtet (vgl. OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O., Rn. 26), d.h. der Anspruch verjährte 3 Jahre von dem Zeitpunkt an, in dem der Zedent oder die Klägerin vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat.Randnummer18

bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zedent, dessen Kenntnis sich die Klägerin zurechnen lassen muss (vgl. Palandt / Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 404, Rn. 5 m.w.N.), bereits bei Erhebung der Strafanzeige am 26.10.2000 die erforderliche Kenntnis i.S.d. § 852 BGB a.F. hatte.Randnummer19

(1) Insoweit ist entscheidend, ob dem Zedenten bei seinem Kenntnisstand bereits zuvor die Erhebung einer Schadensersatzklage – sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage – zumutbar war. Dabei ist keine Gewissheit erforderlich; der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel an der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es muss ihm lediglich zumutbar sein, auf Grund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko insbesondere hinsichtlich Nachweisbarkeit einer schadensursächlichen Pflichtverletzung (OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).Randnummer20

(2) Soweit die Klägerin diesbezüglich vortragen lässt, der Zedent habe damals noch keine Kenntnis vom Schadensumfang gehabt, ist dies zwar unzutreffend, denn in der Strafanzeige heißt es unter Hinweis auf die Insolvenz der GmbH wörtlich “ Eine Beitreibung der Forderung unseres Mandanten ist somit völlig aussichtlos“; auf Seite 3 der Klageschrift wird hierzu ergänzend ausgeführt, dass (gerade) aus diesem Grunde damals Strafanzeige erstattet worden sei (Bl. 33 d.A.). Hierauf kommt es letztlich aber nicht an. In der Strafanzeige wird im vorletzten Absatz nämlich lediglich um Prüfung des unterbreiteten Sachverhaltes gebeten; die Ausführungen in der Strafanzeige wären aber noch keineswegs geeignet gewesen, einer Schadensersatzklage – und sei es nur einer Feststellungsklage – zum Erfolg zu verhelfen. Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 BGB bzw. i.V.m. § 64 GmbHG oder des 826 BGB wurden darin nämlich nicht ansatzweise vorgetragen (vgl. OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O., Rn. 30, 31). Dies beruht darauf, dass eine deliktische Haftung der Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn feststeht, dass sie bereits bei Auftragserteilung zumindest billigend in Kauf nahm (vgl. BGH, NJW 1979, 2104, 2105), dass die GmbH die Forderungen des Zedenten nicht würde erfüllen können. Letzteres konnte die Klägerin jedoch erst durch die am 19.04.2005 gewährte Einsichtnahme in die Strafakte (Bl. 189 d.A. 564 Js 33439/01) hinreichend zuverlässig beurteilen; zuvor wäre eine Schadensersatzklage mehr oder weniger auf einen der Klägerin nicht zumutbaren Vortrag ins Blaue hinausgelaufen (vgl. OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O., Rn. 35, 39). Der Klägerin kann insoweit auch nicht vorgeworfen werden, sie habe sich nicht rechtzeitig um Akteneinsicht bemüht. Zum einen datiert ihr erstes (erfolgloses) Akteneinsichtsgesuch bereits vom 05.05.2003 (Bl. 141 d.A. 564 Js 33439/01); zum anderen hingen ihre Erkenntnismöglichkeiten naturgemäß vom Stand der Ermittlungen ab.Randnummer21

3. Die Beklagte schuldet der Klägerin daher entweder im Wege der Durchgriffshaftung vertraglich aus § 433 Abs. 2 BGB (in diesem Fall hat sie deliktsrechtlich keinen Schaden) oder aber jedenfalls deliktisch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie § 826 BGB als Forderungsausfall (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 1181, 1182) die durch das Versäumnisurteil des LG Magdeburg vom 07.07.2000 – 9 O 1066/00 – i.H.v. 47.592,27 DM (24.333,54 Euro) plus 10 % Zinsen seit dem 30.04.2000 tenorierte (vgl. Bl. 32 d.A. 564 Js 33439/01) Kaufpreisforderung. Das gegen die GmbH ergangene Versäumnisurteil muss auch die Beklagte gegen sich gelten lassen (vgl. hierzu OLG Celle, BauR 2006, 543, 546 f); im Übrigen ist die Forderung der Höhe nach auch nicht substanziiert bestritten, zumal die Beklagte in ihrer Beschuldigtenvernehmung vom 06.06.2001 eingeräumt hat, dass die Materialien im Kurhotel verbaut worden sind (Bl. 58 d.A. 564 Js 33439/01).

III.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB, wobei sich die Klägerin auf Grund ihrer vertraglichen Durchgriffshaftung den Verzug der GmbH zurechnen lassen muss. Da die Verzugszinsen wie beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO) als Nebenforderung mit ausgeurteilt werden, ist der geltend gemachte weitere Verzugsschaden i.H.v. 554, 42 Euro nicht nachvollziehbar; insoweit unterliegt die Klage der Abweisung.Randnummer23

Die Kostentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 101 Abs. 1 ZPO.Randnummer24

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO (vgl. Zöller / Herget, ZPO, 26. Aufl., § 712, Rn. 2 am Ende m.w.N.).Randnummer25

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

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