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OLG Nürnberg, Urteil vom 26. Juni 1997 – 8 U 3503/93

nachfolgend BGH, Urteil vom 03. Mai 1999 – II ZR 368/97

§ 13 Abs. 2 GmbHG

Ein umgekehrter Haftungsdurchgriff dahin, daß eine GmbH für Verbindlichkeiten ihres (Allein-)Gesellschafters eintrittspflichtig ist, die diesen aus seiner Beteiligung an einer anderen (Schwester-)Gesellschaft treffen, kommt nur ganz ausnahmsweise in Betracht. Die Gesellschaft muß sich ausnahmsweise das (Fehl-)Verhalten ihres Gesellschafters im Rahmen einer Schwestergesellschaft nur dann zurechnen lassen, wenn sie ebenfalls gegenüber deren Gläubigern eine eigenständige Verpflichtung eingegangen ist.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 04.10.1993 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Widerklage wird abgewiesen.

IV. Die AnschlußBerufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

V. Die Kosten des 1. Rechtszugs trägt die Klägerin.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 18 % und die Beklagte 82 %.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 5.500,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 8.500,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VII. Die Beschwer wird festgesetzt:

1. der Klägerin auf 21.152,64

2. der Beklagten auf 95.012,82.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf DM 116.165,46 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Schadensersatzforderung der Beklagten, mit welcher sie gegen eine unstreitige Forderung der Klägerin die Aufrechnung erklärt hat.

Die Klägerin ist ein altölverarbeitendes Unternehmen. Die Beklagte sammelt Altöl bzw. Emulsionen bei anderen Unternehmen ein und liefert diese Abfallstoffe zur Weiterverarbeitung an die Klägerin. In dieser Weise unterhielten die Parteien, auf Seiten der Klägerin zunächst deren Rechtsvorgängerin, die Firma Dr. Dr. A. M. AG, seit vielen Jahren Geschäftsbeziehungen. Für die Abnahme von Altöl und Emulsionen durch die Klägerin in der Zeit von Oktober bis Dezember 1989 schuldet die Beklagte noch den mit der Klage verlangten Betrag.

Unter dem 27.06. bzw. 05.07.1984 schlossen die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte über die Zusammenarbeit bei der Entsorgung von Altöl ein Partnerabkommen, in welchem unter anderem die Beklagte sich verpflichtete, ausschließlich für ihren Vertragspartner Altöl auf eigene Rechnung einzusammeln.

§ 4 lautet:

Gebiet:

1. Die Käuferin (hier Beklagte) sammelt ihr Altöl in dem bundesamtlich vereinbarten Gebiet.

2. Die Käuferin (hier Klägerin) verpflichtet sich, in dem vereinbarten Sammelgebiet der Käuferin durch eigene Aktivitäten, die die Käuferin beeinflussen kann, der Sammlung der Verkäuferin keinen Schaden zuzufügen.

In § 9 vereinbarten die Parteien ferner ein Kündigungsrecht, erstmals zum Ablauf des Jahres 1989, und in § 10 ein Konkurrenzverbot für die Beklagte. Auf den Wortlaut des vorliegenden Abkommens wird Bezug genommen.

Der Vertrag wurde für die Dr. Dr. A. M. AG unter anderem von deren damaligen Vorstand, F. G., unterzeichnet.

Nach dem Altölgesetz vom 23.12.1968 und 11.12.1979 war der Beklagten durch Vereinbarung mit dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft ein Sammlungsgebiet mit Gebietsschutz zugewiesen. Dazu gehörte auch B. Dort sammelte die Beklagte (neben einem anderen Unternehmen: Firma S.) zur Zeit des Abschlusses des Partnerabkommens wie in den Folgejahren Altöl. Dafür zahlte sie an die Firma B. einen Kaufpreis und veräußerte das so erworbene Altöl an die Rechtsvorgängerin der Klägerin weiter. Mit Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes am 01.11.1986 entfiel der Gebietsschutz. Anstelle der Kaufpreiszahlung durch den Abnehmer trat die Entrichtung einer Art Abnahmegebühr durch das Unternehmen, bei welchem das Altöl anfiel. Deren Höhe unterliegt der Vereinbarung mit dem Abnehmer. So zahlte die Firma B. an die Beklagte zunächst für die Abnahme einer Tonne Altöl 290,00 DM und für die Abnahme einer Tonne Emulsion 350,00 DM.

Am 14.10.1986 wurde die Firma C. U. GmbH (C. im Handelsregister eingetragen. Sie befaßte sich gleichfalls mit der Einsammlung von Altöl und Emulsion. Ihr alleiniger Gesellschafter, wie auch alleiniger Gesellschafter der Klägerin war und ist die Firma Dr. Dr. A. M. Beteiligungs-GmbH (Beteiligungsgesellschaft), inzwischen umbenannt in Firma E. Mineralöl GmbH. Ab 1989 sammelte die Firma C. auch bei der Firma B. in B Altöl und Emulsion und berechnete für die Abnahme von Emulsion 220,00 DM je Tonne und bei Altöl einen Tonnenpreis von 100,00 DM. 1990 war Geschäftsführer sowohl der Beteiligungsgesellschaft wie auch der Firma C. F. G. (Ab) 1990 gingen die Umsätze, welche die Beklagte bei der Firma B. in B. erzielte, auf 98.690,10 DM zurück, nachdem sie vorher betragen hatten:

1987270.710,00 DM
1988286.335,00 DM
1989350.419,50 DM

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß aus der Tätigkeit der Firma C. ein Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen sie schon deswegen nicht abgeleitet werden könne, weil erstere rechtlich selbständig und ihrem Einfluß entzogen sei. Ferner könne auf § 4 des Partnerabkommens ohnehin kein Schadensersatzanspruch gestützt werden, und die Tätigkeit der Firma C. sei nicht ursächlich für den Umsatzrückgang bei der Beklagten. Die Aufrechnung sei deshalb wirkungslos.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 21.152,64 DM nebst 9,75 % Zinsen hieraus seit 01.02.1990 an sie zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat geltend gemacht, daß ihr durch die Tätigkeit der Firma C. ein Schaden in Höhe von wenigstens der Klageforderung entstanden sei. Der ihm zugrundeliegende Umsatzrückgang sei durch die unter Verstoß gegen § 4 des Partnerabkommens entfaltete Geschäftstätigkeit der Firma C. bei der Firma B. verursacht worden. Die Klägerin und die Firma C. seien identisch, weil sie denselben Gesellschafter hätten.

Wegen der Einzelheiten des strittigen Parteivortrags im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Einvernahme der Zeugen R., Z., K. und D. gemäß Niederschrift vom 12.07.1993 durch Endurteil vom 04.10.1993, wie folgt entschieden:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.963,90 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit 07.12.1990 zu bezahlen.

II. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.

In den Entscheidungsgründen, auf welche im übrigen Bezug genommen wird, ist im wesentlichen ausgeführt, daß die Aufrechnung der Beklagten teilweise erfolgreich sei. Ihr Umsatz bei der Firma B. sei für das Jahr 1990 nach dem Durchschnitt der vorangegangenen Jahre mit 302.489,16 DM zu erwarten gewesen. Gegenüber dem tatsächlich erreichten Umsatz sei also ein Rückgang um 203.799,06 DM eingetreten. Bei einem geschätzten Gewinn von 5 % des Umsatzes sei der Beklagten somit ein Schaden von 10.189,45 DM entstanden. Diese Einbuße sei nach der Beweisaufnahme durch die Tätigkeit der Firma C. verursacht worden. Dafür habe die Klägerin einzustehen, weil die Firma C. zur Unternehmensgruppe der Klägerin gehörte und diese auf jene einen beherrschenden Einfluß ausübe. Die Geschäfte der Firma C. mit der Firma B. verstießen gegen § 4 des Partnerabkommens.

Gegen das den Bevollmächtigten beider Parteien jeweils am 15.01.1993 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.11.1993 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ist am 15.12.1993 eingegangen. Die Klägerin hat sich mit einem am 07.02.1994 eingegangenen Schriftsatz der Berufung der Beklagten angeschlossen.

Die Beklagte behauptet, daß die Firma C. ihr einen Schaden von 116.165,46 DM zugefügt habe. Sie hat Widerklage erhoben, mit der sie von der Klägerin die Zahlung des Betrages verlangt, der ihr – nach ihrer Auffassung – unter Berücksichtigung der erfolgten Aufrechnung gegen die Klageforderung noch zusteht. Diesen Betrag hat sie zunächst mit 80.746,89 DM beziffert und dann auf 95.012,82 DM erhöht. Im übrigen wiederholt sie ihren Vortrag im ersten Rechtszug und macht sich die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen. Sie beantragt, wie folgt zu erkennen:

I. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 04.10.1993, Az. 13 O 3030/91, wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 95.012,82 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit aus 80.746,89 DM und 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit auf 15.265,93 DM zu bezahlen.

IV. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung von 21.152,64 DM nebst 9,75 % Zinsen seit dem 01.02.1990 zu verurteilen sowie

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der AnschlußBerufung.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Widerklage unzulässig sei. Sie meint, daß sie für das Verhalten der Firma C. nicht einzustehen habe. Auf diese habe sie keinen Einfluß, auch hätten die Unternehmen verschiedene Geschäftsführer. Jedenfalls sei aber ein Durchgriff in der Weise, daß die Klägerin für ein Schwesterunternehmen haften sollte, rechtlich nicht möglich und mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unvereinbar. Aber auch von seiten der Firma C. liege ein Verstoß gegen § 4 des Partnerabkommens nicht vor. Diese Vorschrift sei keine Anspruchsgrundlage, sondern nur eine Wohlverhaltensklausel. Mit der Gesetzesänderung durch das Abfallbeseitigungsgesetz, wonach nicht mehr die Abnehmer, sondern die Abgeber zahlen müßten, sei die Geschäftsgrundlage für das Partnerabkommen entfallen. Die von der Beklagten behaupteten Gewinnspannen seien Illusion. Das ergebe sich aus den Gewinn- und Verlustrechnungen der Beklagten für 1988 und 1989, wonach bei Umsatzerlösen von 515.551,14 DM bzw. 457.596,18 DM nur ein Ergebnis von 39.152,29 DM bzw. 31.931,28 DM erreicht worden sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Erholung eines Gutachtens über die Höhe des der Beklagten entgangenen Gewinns. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen K vom 31.07.1996, das Nachtragsgutachten vom 12.12.1996 und wegen der Anhörung des Sachverständigen auf die Niederschrift vom 27.02.1997 Bezug genommen.

Die Klägerin wendet sich gegen die Berechnungsmethode, welche der Sachverständige zur Ermittlung des entgangenen Gewinns angewendet hat. Sie ist der Auffassung, daß dabei auch die fixen Kosten berücksichtigt werden müßten. Das Gutachten könne schon deswegen nicht richtig sein, weil ein Gewinn, wie ihn der Sachverständige ermittelt habe, im Unternehmen der Beklagten vorher bei vergleichbaren Umsätzen nie erzielt worden sei. Wegen der Einzelheiten ihrer Einwendungen gegen die Aufrechnungsforderung der Beklagten wird auf den Berufungsvortrag der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung der Beklagten wie auch die unselbständige AnschlußBerufung der Klägerin sind zulässig (§§ 511 ff, 521 ZPO). Zulässig ist gemäß § 530 ZPO auch die erst im zweiten Rechtszug erhobene Widerklage. Daß die Klägerin ihre Zustimmung dazu versagt hat, steht nicht entgegen, weil die Widerklage sachdienlich ist. Sie betrifft lediglich die Höhe der Forderung, mit welcher die Beklagte die Aufrechnung erklärt hat. Diese war, ungeachtet der insoweit fraglichen Passivlegitimation der Klägerin, auf jeden Fall zu klären, so daß eine Ausweitung des Prozeßstoffs und das Hinauszögern der Erledigung des Rechtsstreits dadurch nicht zu erwarten war.

2. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Forderung, welche der Klägerin aus der Geschäftsbeziehung mit der Beklagten in unstreitiger Höhe von 21.152,64 DM zustand, ist durch Aufrechnung erloschen (§§ 398, 388, 389 BGB). Die Widerklage ist jedoch unbegründet, weil die Klägerin insoweit nicht passivlegitimiert ist.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, daß die Klägerin für den Vertragsverstoß durch ihr Schwesterunternehmen – die Firma C. – insoweit einzustehen und für den dadurch verursachten Schaden insoweit zu haften hat, als sie der Aufrechnung nicht mit dem Einwand der fehlenden Gegenseitigkeit von Klageforderung und Aufrechnungsforderung begegnen kann. Der Schaden der Beklagten besteht in dem ihr 1990 entgangenen Gewinn (§ 252 BGB). Er beläuft sich nach der überzeugenden Darstellung des Sachverständigen auf 116.165,00 DM.

3. § 4 des Partnerabkommens zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin war 1990 auch durch die Firma C. zu beachten.

3.1.1 Der Vertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht nichtig (§§ 134 BGB, 1 GWB). Voraussetzung dafür wäre, daß er geeignet war, die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen. Das war jedoch nicht der Fall, weil unstreitig schon bei Vertragsschluß wenigstens ein weiterer Anbieter (Firma S) bei der Firma B. in B in Konkurrenz zur Beklagten stand und außerdem bundesweit tätige Anbieter das Altöl dort einsammeln konnten.

3.1.2 Aus dem gleichen Grund liegt auch kein Verstoß gegen Art. 85 EG-Vertrag vor.

3.2 Die Vereinbarung stellt nicht nur, wie die Klägerin meint, eine Wohlverhaltensklausel ohne rechtliche Bindungswirkung dar, sondern legt dem Vertragspartner der Beklagten eine rechtliche Verpflichtung auf.

3.3 Die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung ist nicht durch das Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes am 01.11.1986 entfallen. Dadurch ist zwar eine grundlegende Änderung auf dem Markt für die Beseitigung bzw. Verwertung von Altöl eingetreten. Der vorher nur begrenzt bestehende Wettbewerb unter den Unternehmen, welche sich mit dem Einsammeln von Altöl befaßten, wurde freigegeben. Das Vergütungssystem für das Einsammeln kehrte sich um: An die Stelle des Kaufpreises für die Abnahme von Altöl trat die Entrichtung einer Art Gebühr durch das Unternehmen, welche das bei ihm angefallene Altöl an einen Entsorger abgab. Damit änderte sich aber das in § 4 des Partnerabkommens geregelte Konkurrenzverhältnis der Partner zueinander nicht grundlegend. Schon nach der früheren Rechtslage konnte ja die Klägerin (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) als Konkurrentin der Beklagten auftreten, indem sie sich durch das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft ein Gebiet für das Einsammeln von Altöl zuteilen ließ, das sich mit dem der Beklagten überschnitt. Davon sind jedenfalls die Vertragsparteien bei Vertragsschluß ausgegangen, wie gerade die Regelung in § 4 des Abkommens zeigt, ebenso wie die in § 10, worin die Beklagte die Verpflichtung übernahm, zusätzliche Altölsammlungen weder aufzubauen, noch sich an solchen zu beteiligen. Es ist nicht zu sehen, daß für den Abschluß dieser Vereinbarung die damalige Rechtslage mit ihrer Besonderheit Voraussetzung gewesen sein soll, daß das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft bei der Einrichtung von Sammelgebieten und der Betrauung von Unternehmen mit dem Einsammeln mitwirkte. Diese Überlegung gilt auch für die übrigen in der Vereinbarung getroffenen Regelungen. Es läßt sich kein ausreichender Anhalt für die Annahme finden, die Parteien hätten bei Kenntnis der späteren Veränderung der Rechtslage das Abkommen wesentlich anders oder überhaupt nicht geschlossen. Gegenüber Veränderungen auf dem Markt für das Einsammeln von Altöl, wie sie durch die Gesetzesänderung eingetreten sind, konnten die Parteien durch Kündigung des Vertrags angemessen reagieren. Dementsprechend haben sie auch das Recht zur ordentlichen Kündigung in § 9 des Abkommens geregelt. Allerdings hat keine der Parteien von der Möglichkeit einer Kündigung zum 31.12.1989 Gebrauch gemacht. Das hätte aber die Klägerin nach Überzeugung des Senats getan, wenn sie wegen der veränderten Rechtslage ihre Bindung an den Vertrag für nicht mehr tragbar oder inopportun gehalten hätte.

3.4 Das Partnerschaftsabkommen gilt grundsätzlich nur zwischen den Vertragsschließenden. Unter den besonderen hier vorliegenden Bedingungen wirkt es jedoch über den beiden Unternehmen gemeinsamen alleinigen Gesellschafter, die Beteiligungsgesellschaft, auch gegenüber der Firma C. Diese besonderen Bedingungen bestehen hier darin, daß die Klausel, welcher sich die Klägerin in der Gestalt ihrer Rechtsvorgängerin unterworfen hat, von ihrem alleinigen Gesellschafter dadurch verletzt wird, daß er durch ein zweites, rechtlich selbständiges Unternehmen, das er jedoch allein beherrscht, der Klausel zuwider handelt. Zu dem in § 4 genannten „vereinbarten Sammelgebiet“ gehört unstreitig Bamberg, wo die Firma C. 1990 in Beziehung auf die Abnahme von Altöl bei der Firma B. als Mitbewerber der Beklagten aufgetreten ist. Diese Aktivität war geeignet, der Beklagten Schaden zuzufügen und hat ihr Schaden zugefügt, indem die Firma C. einen erheblichen Anteil der Entsorgung auf sich zog und damit der Beklagten entzog.

Die beherrschende Stellung der Beteiligungsgesellschaft ergibt sich hier daraus, daß sie jeweils alleiniger Gesellschafter jeder der beiden in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften ist. Gemäß § 46 Nr. 5, 6 GmbHG bestellt sie den Geschäftsführer und beruft in ab. Sie trifft Maßregeln zur Überprüfung und Überwachung der Geschäftsführung.

In Fällen des Mißbrauchs der Rechtsform darf nach der Mißbrauchslehre (vgl. Karsten Schmidt: Gesellschaftsrecht 1986, Seite 174) die Rechtsform der juristischen Gesellschaft mißachtet werden, wenn sie zu unlauteren Zwecken mißbraucht wird. So hat das Reichsgericht (RGZ 136, 266) angenommen, daß abweichend von dem Grundsatz, daß der Gesellschafter für die Verpflichtungen der GmbH nicht einzustehen hat, die Anwendung von § 242 BGB zu seiner Einstandspflicht führen kann; das hat das Reichsgericht für den Fall bejaht, daß der Gesellschafter einer Wettbewerbsklausel zuwider handelt, welche die GmbH mit einem Dritten vereinbart hat. In ähnlicher Weise hat der Bundesgerichtshof (BGH 59,64) in Beziehung auf die KG und ihren Gesellschafter entschieden. Er hat ausgeführt (BGH 10, 205, 207): „Es sind Umstände denkbar, die es ausnahmsweise einer als Gläubigerin auftretenden GmbH unter der übergeordneten Verpflichtung zur redlichen Vertragsabwicklung verbieten können, sich ihrem aufrechnenden Schuldner gegenüber auf ihre formale Rechtsstellung als selbständiger Vermögensträger zu berufen, die ihrem Verhältnis zum Schuldner der Gegenforderung nicht entspricht.“ und ferner (BGH 20, 4, 14): „Die Rechtsfigur der juristischen Person kann nur in dem Umfang Beachtung finden, in dem ihre Anwendung dem Zweck der Rechtsordnung entspricht. Es genügt nicht, daß die Rechtsfigur ihren eigenen Zwecken gemäß benutzt wird.“

Dementsprechend lassen sich folgende Grundsätze aufstellen:

a) Die Durchbrechung der rechtlichen Trennung zwischen Gesellschafter und juristischer Person ist im Einzelfall möglich (BGH 20, 4; 10, 205).

b) Der Gesellschafter muß für Verpflichtungen, welche die Gesellschaft übernommen hat, z.B. bei Verstoß gegen ein Konkurrenzverbot einstehen (RGZ 136, 266; BGH 59, 64).

c) Die Gesellschaft muß sich ausnahmsweise das Fehlverhalten ihres Gesellschafters zurechnen lassen (Schmidt, Seite 180).

d) Der Schuldner der Gesellschaft kann mit Forderungen, die ihm gegen den Gesellschafter zustehen, der Gesellschaft gegenüber aufrechnen (BGH 10, 205; 15, 27; 20, 4).

Die Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend gerechtfertigt, weil der alleinige Gesellschafter der Klägerin die Verpflichtung gegenüber der Beklagten, welche die Klägerin durch § 4 des Partnerabkommens trifft, auch selbst zu beachten hatte, sich dieser Verpflichtung jedoch dadurch entzogen hat, daß er durch die ebenfalls seinem Willen unterworfene Firma C. als Konkurrent der Beklagten aufgetreten ist und ihr Marktanteile – bei der Firma B. – streitig gemacht und abgenommen hat. Auch bei dieser Sachlage muß es als Mißbrauch der Rechtsform angesehen werden, wenn sich der Gesellschafter der Klägerin durch diese auf ihre rechtliche Selbständigkeit beruft gegenüber der Verteidigung der Beklagten. Diese braucht es nicht hinzunehmen, wenn die Klägerin sich der Aufrechnung durch Berufung auf ihre Rechtsform widersetzt und ihr zumutet, die Klageforderung zu erfüllen und Ersatz erst durch eine weitere Klage gegen die Beteiligungsgesellschaft zu erlangen.

Diese Überlegung gilt jedoch nur für die Verteidigung der Beklagten in der Form der Aufrechnung. Soweit sie dagegen mit der Widerklage die Pflichtverletzung des Alleingesellschafters der Klägerin dieser gegenüber mit der Leistungsklage geltend macht, liegen keine Umstände für die Durchbrechung des Grundsatzes vor, daß die GmbH für Handlungen ihres Gesellschafters nicht einstehen muß. Allein die Überlegung, daß über die Höhe der entstandenen Forderung ohnehin Beweis erhoben werden muß, reicht dafür nicht. Die Widerklage ist deshalb abzuweisen.

4. Der Beklagten ist aus dem aufgezeigten Verhalten der Firma C. 1990 ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Klageforderung entstanden.

Der Verstoß der Beteiligungsgesellschaft gegen § 4 des Abkommens durch die Hand der Firma C. stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende positive Forderungsverletzung dar. Die Beteiligungsgesellschaft hätte nicht zulassen dürfen, daß die Firma C. in B. als Konkurrentin der Beklagten auftrat und ihr Marktanteile bei der Firma B. abnahm. Dabei handelte die Beteiligungsgesellschaft durch ihren Geschäftsführer G. vorsätzlich. Denn dieser kannte das Abkommen mit der Beklagten. Es trägt seine Unterschrift. Sie hat die Beklagte so zu stellen, wie wenn die Schädigung unterblieben wäre (§ 249 BGB). Dazu gehört gemäß § 252 BGB der Ersatz des Gewinns, welcher der Beklagten durch die Aktivität der Firma C. entgangen ist.

Bei dessen Ermittlung ist zunächst von der Umsatzentwicklung auszugehen, welche sich bei der Geschäftsverbindung der Beklagten mit der Firma B. in Beziehung auf die Altölabnahme ergeben hat. Diese Umsätze betragen:

1987270.710,00 DM
1988286.335,00 DM
1989350.419,50 DM
199098.690,10 DM

Der Umsatzrückgang 1990 ist auf das Einsetzen der vertragswidrigen Aktivität der Firma C. zurückzuführen. Das ergibt sich aus den Aussagen der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen Z. und K. Auf die entsprechende Darstellung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Seite 16, 17) wird Bezug genommen. In Übereinstimmung mit dem Landgericht hält der Senat die Aussagen dieser Zeugen für glaubhaft. Dagegen ist nicht anzunehmen, daß der Umsatzrückgang ganz oder teilweise seine Ursache darin gehabt hat, daß die Beklagte von vorher überhöhten Abnahmepreisen dann 1990 zu marktgerechten Sätzen übergegangen wäre. Ob die von der Firma C. durch entsprechende Angebote an die Firma B. vorgegebenen geringeren Preise eher dem allgemeinen Preisniveau im Altölbereich entsprachen, ist ungewiß. Tatsächlich hat jedenfalls, wie von dem Zeugen K. bestätigt, die Beklagte bei der Firma B. einen Tonnenpreis von 350,00 DM (für Emulsion) bzw. 290,00 DM (für Altöl) erzielt und mußte sich erst angesichts der von der Firma C. verlangten niedrigeren Preise mit Preisabschlägen zufrieden geben. Somit ist davon auszugehen, daß ohne den Einfluß der Firma C. die Beklagte 1990 weiterhin die bisher von der Firma B. bezahlten Preise erreicht hätte. Desgleichen ist die Umsatzeinbuße nicht isoliert darauf zurückzuführen, daß die Beklagte 1990 nur in 9 Monaten Altölabfälle bei der Firma B. abgeholt hat, in den vorausgegangenen Jahren dagegen in jeweils 12 Monaten. Denn auch für den etwa dadurch bedingten Rückgang der Abnahmemenge gibt es nach Sachlage nur die Erklärung, daß während der übrigen Monate die Firma C. das angefallene Altöl abgeholt hat und deswegen die Beklagte nicht zum Zug kam.

Demnach ist anzunehmen, daß ohne die Tätigkeit der Firma C. der Umsatz der Beklagten bei der Firma B. 1990 wenigstens den Durchschnitt des Umsatzes der Vorjahre erreicht hätte, somit

1/3 x (270.710,00 + 286.335,00 +
350.419,50 + 98.690,10 DM) = 302.488,16 DM
demnach beträgt bei einem tatsächlichen Umsatz von 98.690,10 DM
————-
die Umsatzeinbuße 302.798,06 DM.

Der Sachverständige K. hat unter Auswertung der Geschäftsergebnisse der Beklagten hieraus einen entgangenen Gewinn von 116.165,46 DM ermittelt. Dieses Ergebnis hält der Senat für zutreffend. Der Sachverständige hat dabei den Gewinn als Deckungsbeitrag nach der Formel:

Deckungsbeitrag = Erlöse – variable Kosten

ermittelt. Dabei hat er zutreffend aus den Geschäftsverhältnissen des Jahres 1989 die variablen Kosten mit 43 % der Erlöse ermittelt, woraus sich der Deckungsbeitrag mit 57 % der Umsatzerlöse ergibt. Dieser hätte also im Jahr 1990, wäre der zu erwartende Umsatz von zusätzlich 203.798,06 DM erreicht worden, rund 116.165,00 DM betragen.

Zu Unrecht greift die Klägerin dieses Ergebnis mit der Begründung an, daß der entgangene Gewinn unter Anrechnung auch eines Anteils der fixen Kosten zu bestimmen sei. Dazu hat der Sachverständige für den Senat überzeugend darauf hingewiesen, daß es ja gerade das Wesen der fixen Kosten sei, daß sie unabhängig von den erzielten Erlösen anfielen, das der variablen hingegen, daß sie durch das Hervorbringen von Erlösen bedingt seien. Das bedeutet, daß zusätzliche Erlöse – in Beziehung auf die Kosten – allein durch zusätzliche variable Kosten erkauft werden. Daraus folgt, daß der Gewinn den Unterschiedsbetrag zwischen den Erlösen und diesen Kosten darstellt, während die anderweitig bereits gedeckten fixen Kosten, wie das hier der Fall ist, den Gewinn aus den zusätzlichen Erlösen nicht schmälern. Gegen den Einwand der Klägerin, daß der auf diese Weise ermittelte Gewinn bei den Geschäftsergebnissen der Beklagten völlig aus dem Rahmen falle, die ja, wie zutreffend, in den vorausgegangenen Jahren niemals einen ähnlichen Gewinn erzielt habe, hat der Sachverständige für den Senat überzeugend darauf hingewiesen, daß es sich bei diesen Gewinnermittlungen jeweils um die Feststellung des steuerlichen Gewinns handle, der über den tatsächlich erzielten Gewinn nichts Zuverlässiges aussage.

Die Aufrechnung durch die Beklagte hat somit die Klageforderung zum Erlöschen gebracht.

5. Kosten: § 92 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Festsetzung der Beschwer: § 546 Abs. 2 ZPO.

Schlagworte: GmbHG § 13 Abs. 2, Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter, umgekehrter Haftungsdurchgriff