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OLG Oldenburg, Urteil vom 10.02.2000 – 8 U 187/99

§ 631 BGB, §§ 631ff BGB, § 826 BGB

Der Alleingesellschafter einer GmbH haftet deren Gläubigern wegen sittenwidriger Schädigung aus BGB § 826Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 826
auf Schadensersatz, wenn er die von ihm abhängige und im Hinblick auf Art und Umfang der Geschäftstätigkeit erheblich unterkapitalisierte GmbH nur zu dem Zweck benutzt, vertragliche Beziehungen zwischen ihm und einem Generalübernehmer nicht entstehen zu lassen und zu verhindern, dass der Generalübernehmer auf die von ihm auf einem im Eigentum der Alleingesellschafters stehenden Grundstück geschaffenen Werte zugreifen kann.

Die Rechtsprechung (vgl. BGH WM 1979, 229, 230; NJW-RR 1988, 1181, 1182; WM 1996, 587, 528; vgl. weiter Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung 1998, § 826 Rdnr. 320; H.P. Westermann Jura 1980, 532 ff; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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WM 1978, 962, 965 ff) wendet § 826 BGB unter anderem auf die Fallgruppe an, daß Bauhandwerker oder Architekten ihre Werkleistungen auf Grundstücken erbringen, die den Gesellschaftern der auftraggebenden GmbH persönlich und nicht der Gesellschaft gehören. Diese Konstellation hat nämlich zur Folge, daß die Gesellschaftsgläubiger nicht auf die von ihnen geschaffenen Werte zugreifen können; sie ist zumeist dadurch gekennzeichnet, daß die Gesellschafter sich einseitig die Vorteile der Werkleistung zunutze machen, nicht aber die korrespondierende Verantwortung tragen. Regelmäßig ist die daran beteiligte GmbH hinsichtlich der Haftungsmasse so ausgestaltet, daß die einseitige Verfolgung der Interessen der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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unmittelbar zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger ausschlägt. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Die GmbH ist deshalb als Auftraggeber des Klägers oder weiterer Bauhandwerker aufgetreten, um direkte vertragliche Beziehungen zwischen dem Beklagten bzw. der aus ihm und seiner Ehefrau bestehenden Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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einerseits sowie Architekten und Bauhandwerkern andererseits nicht entstehen zu lassen. Dies folgt aus der Aussage des Betriebswirts R…-P… L…, der seit dem 1. Juli 1993 als „Bevollmächtigter für Unternehmensleitungsangelegenheiten“ für den Beklagten tätig war. Diese Maßnahme hatte, so der Zeuge L… – ihren Grund darin, daß die bisherige Vorgehensweise, nämlich die Bauaufträge im Namen der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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oder des Beklagten zu vergeben, zu risikoreich erschien. So sollte etwa durch die Zwischenschaltung der GmbH verhindert werden, daß Bauhandwerker – sofern ihr Werklohn nicht oder nur zum Teil bezahlt wurde – den Weiterverkauf der Grundstücke, aus dem der Beklagte als Grundstückseigentümer Gewinn zog, durch Eintragung von Sicherungshypotheken blockierten. Gleichzeitig konnten durch die Zwischenschaltung der GmbH, wie der Beklagte schriftsätzlich durchaus eingeräumt hat, seine Haftungsrisiken Gläubigern gegenüber gemindert werden.

Zu diesem Zweck hat der Beklagte eine Gesellschaft seiner Unternehmensgruppe, die ihre werbende Tätigkeit beendet hatte und sich offenbar noch im Liquidationsstadium befand, nämlich die Firma M… T…- und S… GmbH, wiederbelebt. Der Zeuge L… hat diesbezüglich von einem „Mantel“ einer Gesellschaft gesprochen. Diese 1992 entstandene GmbH hatte spätestens Anfang 1994 ihre werbende Tätigkeit eingestellt; die Eintragung in der Handwerksrolle war gelöscht (Handelsregisterakte HRB 9378 AG Magdeburg, Bl. 18). Die Gesellschaft wurde nunmehr unter Änderung des Firmennamens, des Unternehmensgegenstandes und der Vertretungsverhältnisse in die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Beklagten und den bei seinen Bauvorhaben tätigen Architekten- und Bauhandwerkern eingeschaltet. Bestätigt werden die Angaben des Zeugen L… nicht nur durch den Inhalt der Handelsregisterakten, sondern auch durch die Aussage des Straßenbaumeisters U…, der bekundet hat, er sei bei der Firma M… T…- und S… im Februar 1994 ausgeschieden, nachdem diese Firma ihre Tätigkeit eingestellt hatte.

Die jetzt als „S… B… GmbH“ firmierende Gesellschaft, deren Alleingesellschafter nach wie vor der Beklagte war, war mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM materiell erheblich unterkapitalisiert. Allein das Auftragsvolumen des Bauvorhabens M… betrug ausweislich des Generalübernehmervertrags mit dem Kläger 3.520.000,00 DM. Danach besteht ohne weiteres ein objektives Mißverhältnis zwischen erforderlichem und tatsächlichem Haftungskapital. Ein dem Gläubigerzugriff unterliegender Haftungsfonds war in nennenswertem Umfang nicht vorhanden. Den nach Art und Umfang der angestrebten und tatsächlichen Geschäftstätigkeit bestehenden mittel- oder langfristigen Finanzbedarf konnte sie selbst nicht decken; sie war davon abhängig, daß der Beklagte, ihr Alleingesellschafter, in dessen Interesse sie tätig war, ihr die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellte.

Die GmbH war organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in die geschäftliche Tätigkeit der aus mehreren anderen Gesellschaften bestehenden Unternehmensgruppe des Beklagten eingegliedert. Sie hatte keine eigenen Geschäftsräume und – bis auf gelegentlich einige Bauarbeiter – keine Mitarbeiter. Die Geschäftstätigkeit führten der Beklagten selbst und sein Bevollmächtigter L…. Dieser hat als Zeuge bekundet, die Geschäftsführerin der GmbH, die Ehefrau des Beklagten, habe mit der Geschäftstätigkeit der GmbH und insbesondere dem Generalübernehmervertrag mit dem Kläger nichts zu tun gehabt. Das stimmt überein mit der Aussage der Zeugin S…; sie hat bestätigt, mit den Aufgaben der Geschäftsführung der GmbH nicht befaßt gewesen zu sein.

Was die Tätigkeit der GmbH im Interesse des Beklagten anbetraf, so bestanden, wie der Zeuge L… bekundet hat, lediglich mündliche Vereinbarungen. Für das Bauvorhaben M… konnte er eine schriftliche Fixierung von Vereinbarungen sicher in Abrede stellen; hinsichtlich der anderen von der GmbH betreuten Bauvorhaben konnte er sich an schriftliche Verträge nicht erinnern. Es liegt auf der Hand, daß dies die Rechtsverfolgung und die Zwangsvollstreckung seitens der Gläubiger der GmbH wesentlich erschwert; die Pfändung etwa von Forderungen der GmbH gegen den Kläger wurde dadurch vereitelt. Auch eine Inanspruchnahme des Beklagten unter dem Gesichtspunkt eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen wurde durch diese Handhabung wesentlich erschwert. Schließlich hatte es der Beklagte mangels schriftlich fixierter Vereinbarungen und mangels einer aktiv tätigen und die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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wahrnehmenden Geschäftsführung in der Hand, den Umfang seiner Verpflichtungen gegenüber der GmbH und die von ihm an sie zu leistenden Zahlungen selbst zu bestimmen. Die Liquidität der GmbH war von seinen Zahlungen abhängig.

Auf eine nachhaltige eigene Gewinnerzielung war die Baubetreuungs GmbH ersichtlich nicht angelegt; bei ihr liefen letztlich die Gelder lediglich durch. Auch das ergibt sich aus der Aussage des Zeugen L…. Eigentümer der von der GmbH zu bebauenden Objekte waren der Beklagte bzw. die S… GbR. Der Beklagte persönlich besorgte die für die Finanzierung der Bauvorhaben notwendigen Mittel per Kreditaufnahme. Die Kreditmittel wurden ihm persönlich zur Verfügung gestellt. Hatte die GmbH eine Rechnung zu bezahlen, so wurden die dem Beklagten zur Verfügung stehenden Kreditmittel auf ein Konto der GmbH umgebucht, damit diese die Forderung ausgleichen konnte. Auf diesem Wege hatte es der Beklagte in der Hand, die GmbH in die Lage zu versetzen, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen oder auch nicht.

Der Beklagte oder die S… GbR waren, wie ausgeführt, Eigentümer der von dem Kläger und anderen Bauhandwerkern aufgrund der Vereinbarungen mit der GmbH zu bebauenden Grundstücke. Die Zwischenschaltung der GmbH gab ihm die Möglichkeit, die durch die Bauleistungen in ihrem Wert erheblich gesteigerten Grundstücke gewinnbringend zu veräußern, und zwar ohne Rücksicht auf offene Werklohnforderungen, was mit der Zwischenschaltung der GmbH auch ausdrücklich bezweckt war. Gleichzeitig verschaffte ihm die Ausstattung der GmbH mit einem absolut unzureichenden Haftungsfonds die Möglichkeit, diese bei Bedarf zu liquidieren oder in Konkurs bzw. Gesamtvollstreckung geraten zu lassen. Infolge der nur zur GmbH bestehenden vertraglichen Beziehungen der Architekten und Handwerker war er dadurch – jedenfalls zunächst – gegen Haftungsrisiken abgeschirmt. Der Gewinn aus der Veräußerung der bebauten Grundstücke verblieb bei ihm; die GmbH hatte daran keinen Anteil.

Daß der Beklagte mit der Zwischenschaltung der GmbH derartige Vorteile zu erlangen beabsichtigte, zeigt die Art und Weise der Veräußerung der Gesellschaft und deren anschließende Insolvenz. Die Gründe dafür hat der Zeuge L… in aller Deutlichkeit offengelegt. Es ging darum, sich der Forderungen insbesondere des Klägers, aber auch anderer Gläubiger der GmbH (insgesamt etwa 1,8 Mio. DM) zu entledigen. Der Zeuge und der Beklagte haben sich, um sich Klarheit über die Höhe der Verbindlichkeiten zu verschaffen, die offene Postenliste der GmbH ausdrucken lassen. Daß diese Angabe des Zeugen, wie das Landgericht nicht verkannt hat, kritisch zu würdigen sind, weil er selbst in diese Machenschaften verstrickt war und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn ebenso wie gegen den Beklagten laufen oder gelaufen sind, liegt auf der Hand; vor dem Hintergrund der sonstigen unbestrittenen oder bewiesenen Umstände erscheinen seine Angaben aber ohne weiteres als plausibel und richtig und fügen sich zu einem geschlossenen Bild.

In subjektiver Hinsicht erfordert die Haftung aus § 826 BGB nach ständiger Rechtsprechung die Kenntnis der tatsächlichen, das Sittenwidrigkeitsurteil prägenden Umstände und das Bewußtsein, daß das Handeln den schädlichen Erfolg haben wird. Nicht erforderlich ist das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit. Von besonderer Bedeutung ist, daß bedingter VorsatzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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genügt; gefordert wird also nur, daß der Täter die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes ernsthaft für möglich hält und sich mit ihr abfindet, die Schädigung also zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. Staudinger/Oechsler, a.a.O., § 826 Rdnr. 61 ff; Münch. Komm./Mertens, 3. Aufl., § 826 Rdnr. 59 ff; Palandt/Thomas, BGB, 59. Aufl., § 826 Rdnr. 9 ff; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anhang § 30 Rdnr. 41 f; Scholz/Emmerich, GmbHG, 8. Auflage, § 13 Rdnr. 91). Die Zwischenschaltung einer GmbH im wesentlichen zu Zwecken der Haftungsabschirmung läßt ohne weiteres auf entsprechende Absichten schließen; die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat dies für den hier zu entscheidenden Fall bestätigt. Der Beweis des bedingten Vorsatzes kann nach der Rechtsprechung zudem durch den Nachweis geführt werden, daß bei dem Täter ein solcher Grad an Leichtfertigkeit vorgelegen hat, daß dieser eine Schädigung der anderen Seite in Kauf genommen haben muß und daß er – nach einer gängigen Formel – vor den die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen geradezu die Augen verschlossen hat (Staudinger/Öchsler, a.a.O., § 826 Rdnr. 96 ff). Die bereits beschriebene Vorgehensweise des Beklagten hat mindestens indizierende Wirkung für den so definierten Schädigungsvorsatz, die festgestellten äußeren Umständen rechtfertigen ohne weiteres den Schluß auf den Schädigungsvorsatz.

Schlagworte: Bereicherung auf Kosten der Gläubiger, Haftung nach § 826 BGB, Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB, Vorsatz, vorsätzliche Insolvenzverschleppung