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OLG Oldenburg, Urteil vom 19.04.2012 – 1 U 98/07

UWG § 61 Nr. 10

1. Unlauter handelt, wer einen Mitbewerber gezielt behindertBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Mitbewerber
Mitbewerber gezielt behindert
. Dabei ist unter Behinderung jede Beeinträchtigung zu verstehen, die darauf gerichtet ist, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Dies ist bei einem Abwerben von Mitarbeitern, das im Grundsatz zulässig ist, der Fall, wenn neben der Abwerbehandlung ausnahmsweise besondere Umstände hinzutreten wie z. B. unzulässige Methoden oder unlautere Ziele der Abwerbung.

Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist beim Abwerben von Mitarbeitern überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist („objektive Finalität“) oder wenn die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann.

Ob die Voraussetzungen einer gezielten Behinderung in dem vorgenannten Sinne vorliegen, ist nach vorgenannten Grundsätzen aufgrund aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Dabei kommt es u. a.

  • auf die Größe des Unternehmens,
  • die Lage auf dem Arbeitsmarkt,
  • den Grad des Wettbewerbs,
  • einem evtl. Verzicht auf andere Möglichkeiten des Arbeitsmarkts zur Beschaffung von Mitarbeitern und
  • evtl. Entbehrlichkeit des Mitarbeiters für den Abwerbenden an (Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 4 Rdnr) an.

Das Vorgehen muss sich insgesamt als eine wettbewerbliche Kampfmaßnahme darstellen, die erkennen lässt, dass der Mitbewerber durch ein planmäßiges Ausspannen eingearbeiteter Arbeitskräfte geschädigt werden soll (Köhler a. a. O.).

Denn es darf grundsätzlich nicht außer Betracht bleiben, dass eine Abwerbung in der Regel (auch) dem zulässigen Zweck dient, die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern, selbst wenn damit zugleich auch eine Schwächung des Konkurrenten verbunden sein mag. Allein darin kann daher noch keine unlautere gezielte Behinderung eines Konkurrenten gesehen werden.

Zwar hält die Klägerin die Abwerbeaktivitäten der Beklagten vorliegend sowohl aufgrund des qualitativen als auch quantitativen Ausmaßes, das sich aus einer Gesamtschau und -bewertung der Einzelaktivitäten in ihrer Summen- und Kombinationswirkung ergebe, für wettbewerbswidrig. Allerdings kann entgegen ihrer Auffassung eine gezielte Behinderung bzw. Schwächung der Klägerin bei Abwägung aller vorgetragenen Umstände bereits nach ihrem eigenen Vortrag nicht angenommen werden, weshalb sich im vorliegenden Einzelfall das Gesamtverhalten der Beklagten (noch) nicht als wettbewerbswidrig darstellt.

Dass die Beklagten mehr veranlasst hätten, als zu ihrem eigenen Vorteil Arbeitskräfte zu gewinnen, insbesondere eine zielgerichtete und planmäßige Behinderung der Klägerin initiiert hätten, um diese vom Markt zu verdrängen, ist nach allen von der Klägerin dargelegten Argumenten nicht zu erkennen. Es liegt schon kein außergewöhnlicher Umfang an Abwerbeaktivität vor, weil bei genauerer Betrachtung der Einzelfälle bei weitem nicht ein solche Ausmaß dargelegt ist, wie es die Klägerin durch ihren großenteils pauschalen, nicht mit Sachverhalt belegten Behauptungen und der Vorlage von Listen zu suggerieren versucht. Überdies ist nicht dargetan, dass die behaupteten Abwerbungen tatsächlich in dem Willen erfolgt sind, die Klägerin zu behindern oder zu schädigen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht im vorliegenden Einzelfall gegen die Annahme einer gezielten Schwächung bzw. Ausbeutung der Klägerin bereits gerade die (tatsächlich verhältnismäßig geringe) Anzahl der behaupteten Abwerbungen im Verhältnis zu den tatsächlichen Austritten, die die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum anderweitig zu verzeichnen hatte.

Bereits die vorgenannte Anzahl der zur Beklagten zu 1.) gewechselten Handelsvertreter lässt eine gezielte Schwächung bzw. Ausbeutung der Klägerin durch die Beklagten zweifelhaft erscheinen. Das kann jedoch letztlich dahinstehen.

Denn entgegen der Betrachtungsweise der Klägerin darf bei der Beurteilung dieser Frage nicht allein die von der Klägerin angeführte Anzahl an Austritten bzw. Wechseln zur Beklagten zu 1.) berücksichtigt werden. Dabei bliebe nämlich unberücksichtigt, dass sich auch Handelsvertreter ohne jegliche Abwerbebemühungen der Beklagten, also ohne ein ihr zuzurechnendes Verhalten, dazu haben entschließen können, zur Beklagten zu 1.) zu wechseln.

Denn alle sechs Zeugen haben ausgesagt, sie hätten die Klägerin verlassen, weil sie mit den dortigen Arbeitsbedingungen unzufrieden gewesen bzw. dass sie aus freien Stücken zur Beklagten zu 1.) gewechselt seien, da es dort für sie bessere Konditionen gegeben habe.

Auch deutet nicht etwa ein Beweis des ersten Anscheins zwischen dem Austritt von Handelsvertretern bei der Klägerin und dem Eintritt im Konkurrenzunternehmen der Beklagten zu 1.) für sich allein darauf hin, dass die Beklagten unlautere Mittel angewandt haben, um Handelsvertreter für sich zu gewinnen (vgl. BGH, GRUR 1966, GRUR Jahr 1966 Seite 263 – „Bau-Chemie“).

Es können daher allenfalls die Handelsvertreter bei der Prüfung des Umfangs der Abwerbeaktivität herangezogen werden, bei denen die Klägerin konkret behauptet, diese seien von den Beklagten wettbewerbswidrig abgeworben worden. Die Klägerin hat allerdings bereits nicht für alle 306 in den Schriftsätzen bzw. den dazugehörenden Anlagen (insbesondere K 11, K 126 und BK 7) genannten Handelsvertreter einen Sachverhalt geschildert, aus dem sich entnehmen ließe, welche konkrete Abwerbehandlung sie der Beklagten vorwirft.

Schlagworte: Abwerbung, Gezielte Behinderung, unlautere produktionsbezogene Behinderung, UWG § 4 Nr. 4