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OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.09.2021 – 9 U 11/21

GmbHG § 64 Satz 1Geschäftsführerhaftung

Zur Frage der Geschäftsführerhaftung gem. § 64 Satz 1 gmbhg nach Insolvenz, wenn eine Überschuldung eines Unternehmens zunächst durch eine Verlustdeckungszusage des Mutterkonzerns ausgeschlossen war.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 22.12.2020, Az. 16 HKO 61/14, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund der Urteile zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Deutschland GmbH (im Weiteren: Schuldnerin) den Beklagten aus Geschäftsführerhaftung wegen Zahlungen nach InsolvenzreifeBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Insolvenzreife
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Zahlungen nach Insolvenzreife
in Anspruch. Erstinstanzlich hat der Kläger den Beklagten – teilweise gesamtschuldnerisch mit dem formal bis 24. Januar 2010 als Geschäftsführer tätigen B. – auf Zahlung von insgesamt 720.758,17 Euro in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger nur noch Ersatzansprüche in Höhe von 99.572,29 Euro wegen Zahlungen der Schuldnerin im Zeitraum vom 23. Oktober 2009 bis zum 12. Mai 2010 weiter. Wegen der einzelnen Zahlungen wird auf die Auflistung in der Berufungsbegründung (Bl. 727-729 d.A.) Bezug genommen.Randnummer2

Der Beklagte war faktischer und ab dem 25. Januar 2010 auch eingetragener Geschäftsführer der Schuldnerin, die auf ihrem im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden, von der Firma C. GmbH (im Weiteren: C.) angemieteten Geschäftsgrundstück in der … in X. einen Handel mit Paraffin betrieb. Für die Lagerung des flüssigen Paraffins in den Tanks war dessen vorherige Erhitzung erforderlich. Die Schuldnerin war Teil eines Konzerns, der neben ihr aus der Muttergesellschaft A. Holding AG und der Schwestergesellschaft A. Chemicals AG, beide mit Sitz in der Schweiz, bestand. Die A. Holding AG war alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin und der A. Chemicals AG. Der Beklagte war Präsident des Verwaltungsrates sowohl der A. Chemicals AG als auch der A. Holding AG und war zu 54 % am Kapital der A. Holding AG beteiligt.Randnummer3

In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 2009 zerstörte ein Großbrand den gesamten Betrieb der Schuldnerin, wobei auch die Kaianlagen der Bundesrepublik Deutschland beschädigt wurden. Die Ursache des Brandes blieb ungeklärt. Die Schuldnerin unterhielt bei der D. Versicherungs-AG (im Weiteren: D. Versicherung) unter anderem eine Betriebshaftversicherung mit einer Höchstdeckungssumme von 2,5 Mio. Euro. Die Versicherung lehnte mit Schreiben vom 3. November 2009 die Erteilung einer Deckungszusage ab, da seit dem 10. Juni 2006 als Risiko lediglich die „Abwicklung des Handels mit Paraffin zur Kerzenproduktion (Lagerung, Verladung, Logistik)“ versichert sei, sich bei dem Brand jedoch das Risiko eines Produktions- oder Veredelungsbetriebs und nicht eines Handelsbetriebs verwirklicht habe.Randnummer4

Nach den Jahresabschlüssen für 2008 und 2009 hatte die Schuldnerin im Jahr 2008 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 20.723,25 Euro zu verzeichnen und im Jahr 2009 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 7.827,87 Euro. stille Reserven oder andere aus der Jahresabrechnung nicht ersichtliche Vermögenswerte waren nicht vorhanden. Rückstellungen für Schadensersatzforderungen aus dem Brandereignis vom 11./12. Juni 2009 sahen die Jahresabrechnungen nicht vor.Randnummer5

Die Schuldnerin nahm nach dem Brand ihren Betrieb nicht wieder auf; auf den Antrag des Beklagten vom 29. August 2010 wurde am 8. November 2010 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 23. Juli 2010 war in der Schweiz das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. Chemicals AG eröffnet worden, am 1. September 2010 erfolgte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A. Holding AG.Randnummer6

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin meldeten die Bundesrepublik Deutschland und die Firma C. jeweils wegen des Brandschadens Forderungen in Höhe von ca. 5,1 Mio. Euro an, wobei die Bundesrepublik dieselbe Forderung auch gegenüber C. geltend machte und C. ihre Forderung als Regressforderung für den Fall ihrer Inanspruchnahme durch die Bundesrepublik anmeldete.Randnummer7

Durch Vereinbarung vom 21. Dezember 2017 (Anlage K25 – Bl. 622 ff d.A.) einigten sich der Kläger, die Bundesrepublik Deutschland, die D. Versicherung, die Firma C. und deren Haftpflichtversicherung dahin, dass die Haftpflichtversicherung der Firma C. und die D. Versicherung zur Abgeltung der brandbedingten Schäden jeweils 1 Mio. Euro an die Bundesrepublik Deutschland zahlen sollten. Ausgenommen von dieser Erledigung wurde ein etwaiger Anspruch der Bundesrepublik Deutschland auf die sich im Insolvenzverfahren ergebende Quote auf einen Teilbetrag in Höhe von 1.073.106,74 Euro.Randnummer8

Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei bereits im Jahr 2008, spätestens aber seit dem Brandereignis vom 11./12. Juni 2009 überschuldet gewesen.Randnummer9

Der Beklagte hat behauptet, die Bundesrepublik Deutschland und die Firma C. hätten bis zur Stellung des Insolvenzantrags keine konkreten Forderungen wegen der Brandschäden an die Schuldnerin herangetragen. Im Übrigen sei das Risiko durch die Versicherung der Firma C. abgedeckt gewesen. Etwaige Schadensersatzansprüche der Bundesrepublik Deutschland wären zudem durch die Haftpflichtversicherung der Schuldnerin bei der D. Versicherung gedeckt gewesen, die ihre Deckungspflicht mit unzutreffender Begründung verneint habe. Der durch den Brand bedingte Schaden der Bundesrepublik Deutschland sei zumindest nicht höher gewesen als die Deckungssumme der Haftpflichtversicherung der Schuldnerin. Unter diesen Umständen seien Rückstellungen nicht veranlasst gewesen. Es sei zunächst geplant gewesen, den Betrieb der Schuldnerin wiederaufzunehmen, allerdings nicht an dem Standort in X.. Er habe die Anmietung anderer Flächen, etwa im Raum Y., erwogen und entsprechende Gespräche geführt. Erst im August 2010 habe die A. Holding AG entschieden, die Produktion nicht wiederaufzunehmen, dies auch im Hinblick auf sein – des Beklagten – fortgeschrittenes Alter. Die streitgegenständlichen Zahlungen seien mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erfolgt.Randnummer10

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.Randnummer11

Das Landgericht hat die auf Zahlung von insgesamt 720.758,17 Euro gerichtete Klage abgewiesen, weil der Kläger weder die Überschuldung noch eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zur Überzeugung des Gerichts habe darlegen und beweisen können. Insbesondere sei das Indiz der rechnerischen Überschuldung aufgrund der Fehlbeträge in den Jahren 2008 und 2009 durch die konzerninterne Verlustdeckungszusage der A. Holding AG gegenüber der Schuldnerin widerlegt, von deren Vorliegen das Gericht überzeugt sei. Auch das Brandereignis habe nicht zu einer Überschuldung der Schuldnerin geführt, da nicht feststellbar sei, dass der Bundesrepublik Deutschland durch den Brand tatsächlich Schäden von über 2,5 Mio. Euro entstanden wären und Schäden bis zu dieser Höhe von der Versicherung der Schuldnerin gedeckt gewesen seien. Aus diesem Grund habe die Schuldnerin auch keine Rückstellungen wegen des Brandereignisses vornehmen müssen. Auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung im Übrigen wird Bezug genommen.Randnummer12

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Klageabweisung hinsichtlich eines Betrages von 99.572,29 Euro. Er meint, das Urteil beruhe auf Rechtsanwendungs- und Verfahrensfehlern. Das Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar, da darin das Vorliegen einer Überschuldung verneint werde, obwohl das Landgericht während der gesamten Prozessdauer vom Eintritt einer Überschuldung ausgegangen sei. Für die rechtliche Feststellung einer Einstandspflicht der D. Versicherung für den Brandschaden bestünden keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Vielmehr habe der Beklagte bereits im Juni 2009 gewusst, dass die Versicherung keine Deckungszusage erteilen werde. Aus diesen Gründen sei die Schuldnerin zur Bildung von Rückstellungen zumindest in Höhe von 50 % der geltend gemachten Schäden verpflichtet gewesen. Aufgrund des Unvermögens zur Bildung von Rückstellungen in dieser Höhe hätte spätestens nach dem Brandereignis eine Überschuldung vorgelegen. Zudem sei das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass es eine Verlustdeckungszusage gegeben habe, ohne eine entsprechende Passivierungspflicht anzunehmen. Die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts zur Erfüllung einer Verlustübernahmeerklärung der Muttergesellschaft (A. Holding AG) durch die Schwestergesellschaft (A. Chemicals AG) seien fehlerhaft und widersprüchlich. Im Übrigen ergibt sich das Vorbringen des Klägers in zweiter Instanz aus seiner Berufungsbegründungsschrift vom 23. Februar 2021 (Bl. 726 ff. d.A.).Randnummer13

Der Kläger beantragt,Randnummer14

1. das Urteil des Landgerichts Kiel vom 22.12.2020 (16 HKO 61/14) teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 99.572,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;Randnummer15

2. dem Beklagten vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages der Ziffer 1) an die Insolvenzmasse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.Randnummer16

Der Beklagte beantragt,Randnummer17

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer18

Der Beklagte ist den in der Berufungsbegründung geäußerten Auffassungen in seiner Berufungserwiderung vom 6. Juli 2021 unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil entgegengetreten. Auf die Berufungserwiderung (Bl. 756 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die geltend gemachten Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten aus Geschäftsführerhaftung zurückgewiesen. Die angefochtene Entscheidung beruht soweit sie mit der Berufung angegriffen wird, weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.Randnummer20

1. Dem Kläger stehen als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin keine Ersatzansprüche gegen den Beklagten aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (§ 64 GmbHG a.F.) in Höhe von 99.572,29 Euro zu. Eine Ersatzpflicht des Beklagten für von ihm veranlasste Zahlungen kommt nach § 64 Satz 1 GmbHG in Betracht, wenn diese nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden, ohne dass die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar wären.Randnummer21

a) Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen wurden vom Landgericht zu Recht verneint, worauf Bezug genommen wird. Die diesbezüglichen Feststellungen greift die Berufung auch nicht an.Randnummer22

b) Ein Anspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. ist auch nicht wegen einer Überschuldung der Schuldnerin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen zu bejahen. Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (§ 103d EGInsO) vor, wenn das Vermögen der GmbH nicht mehr die bestehenden Verbindlichkeiten deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Der maßgebliche modifizierte zweistufige Überschuldungsbegriff beinhaltet ein bilanzielles und ein prognostisches Element (vgl. MüKo-Müller, gmbhg, 3. Aufl. 2018 § 64 Rn. 23). Dabei sind nicht die fortgeschriebenen Wertansätze der Jahresbilanz als entscheidend zugrunde zu legen, sondern eine Überschuldungsbilanz hat nach eigenen, auf den Zweck der Insolvenzeröffnung zugeschnittenen Bewertungsgrundsätzen den „wahren Wert“ des Unternehmens zu ermitteln (Altmeppen, gmbhg, 10. Aufl. 2021, Vorbemerkung zu § 64, Rn. 27; stRspr, vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1994 – II ZR 60/93, BGHZ 125, 141 (146); Urteil vom 18. Dezember 2000 – II ZR 191/99, NJW 2001, 1136 mwN). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Überschuldung trägt der Insolvenzverwalter (Baumbach/Hueck-Haas, gmbhg, 22. Aufl. 2019, § 64 Rn. 113 mwN). Dieser genügt er zunächst, wenn er eine rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Gesellschaft substantiiert behauptet. Dabei kommt einer vom Insolvenzverwalter vorgelegten Handelsbilanz lediglich indizielle Bedeutung zu (Baumbach/Hueck-Haas, aaO, Vor § 64 Rn. 58; BGH, Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 229/11, NZI 2014, 232, 234 Rn. 17 mwN). Legt der Insolvenzverwalter für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind (BGH aaO, Rn. 17 mwN). Genügt der Insolvenzverwalter diesen Anforderungen, so hat der in Anspruch genommene Geschäftsführer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast substantiiert zu stillen Reserven oder sonstigen in der Handelsbilanz nicht abgebildeten Werten vorzutragen (BGH aaO, Rn. 18).Randnummer23

(1) Gemessen daran, ist eine Überschuldung der Schuldnerin nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen worden. Zwar hat der Kläger für die Jahresabschlüsse 2008 und 2009 eine negative Handelsbilanz dargelegt und substantiiert vorgetragen, es habe weder stille Reserven noch sonstige Vermögenswerte gegeben. Jedoch lag eine tatsächliche rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Jahr 2008 nur am Stichtag, dem 31. Dezember 2008, vor. Bereits zu Beginn des neuen Jahres war der Minusbetrag durch eine Zahlung der A. Chemicals AG wieder ausgeglichen. Auch der Fehlbetrag von 7.827,87 Euro Ende 2009 bestand nur kurzfristig.Randnummer24

(a) Angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin erscheint die Annahme einer Überschuldung fernliegend. Aus den vorgelegten Kontoauszügen der Schuldnerin (K15, Bl. 111 ff. d.A. und B27, Bl. 662 ff. d.A.) ergibt sich, dass diese keineswegs am Rande der Zahlungsunfähigkeit wirtschaftete. Die Schuldnerin war unstreitig bis zuletzt in der Lage, offene, für berechtigt erachtete Forderungen zu begleichen. Zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Zahlungen lag jeweils ein positiver Kontostand der stets kreditorisch geführten Geschäftskonten der Schuldnerin vor. Dem Überschuldungsbegriff liegt die Annahme zugrunde, dass ein Unternehmen, solange – wie vorliegend – von einer dauerhaften Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden kann, nicht deshalb in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden soll, weil zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bilanziellen Gegenüberstellung die Verbindlichkeiten durch das Vermögen nicht gedeckt sind (Scholz/Bitter, gmbhg, 12. Aufl. 2021, vor § 64 GmbHG, Insolvenz der GmbH und GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Rn. 44 mwN). Es ist nicht möglich, das Überschuldungsrisiko eines Unternehmens an einem Status, einer Art Instrumententafel jederzeit abzulesen (Scholz/Bitter, aaO, Rn. 46). Dies ist jedoch die Argumentation des Klägers, der nicht gefolgt werden kann. Vielmehr geht es bei der Frage nach einer Überschuldung im Kern um die Sicherstellung einer dauerhaften Zahlungsfähigkeit (Bitter, ZIP 2021, 321, 322 mwN), die vorliegend – wie ausgeführt – nicht in Frage stand.Randnummer25

(b) Angesichts des zufällig auf den Stichtag der Bilanzierung fallenden, nur für wenige Tage bestehenden Negativsaldos spricht auch die Regelung des § 15a InsO, wonach ein Geschäftsführer bei einer Überschuldung „unverzüglich“ einen Eröffnungsantrag zu stellen hat, gegen eine dauerhafte Überschuldung der Schuldnerin Ende 2008 bzw. 2009. Der für die Überschuldung geltende Zeitraum für die Antragstellung beträgt gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung. Danach muss es sich bei der Überschuldung um einen zumindest für sechs Wochen andauernden Zustand handeln, was hier nicht der Fall war. Es erscheint vielmehr fernliegend, einen derart kurzzeitig bestehenden Negativsaldo als Begründung für eine Überschuldung heranzuziehen. Die Jahresabschlüsse der Schuldnerin waren über Jahre konstant (Bl. 164 f. d.A.). Bis zum Zeitpunkt des Brandereignisses handelte es sich ersichtlich um einen funktionierenden, wirtschaftlich gesunden Konzern, in dem die Schuldnerin nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten lediglich die Funktion eines Dienstleistungsunternehmens für die Mutter- und Schwesterunternehmen innehatte. Sie war zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich unabhängig, was sich schon daraus ergibt, dass die für ihren Betrieb erforderlichen Produktionsanlagen im Eigentum der A. Chemicals AG standen, die auch die diesbezüglichen Unterhaltungskosten trug (Bl. 453 d.A.).Randnummer26

(c) Gegen die Annahme einer Überschuldung spricht auch die vom Beklagten substantiiert vorgetragene Verlustdeckungszusage des Mutterkonzerns A. Holding AG gegenüber der Schuldnerin. Zwar konnte der Beklagte eine derartige Erklärung in Schriftform nicht vorlegen. Hierbei ist jedoch zum einen die Beweisnot des Beklagten zu berücksichtigen, die daraus herrührt, dass bei dem Brand sämtliche Geschäftsunterlagen der Schuldnerin vernichtet wurden. Zum anderen war eine schriftliche Vereinbarung angesichts der personellen und wirtschaftlichen Verstrickung der Unternehmen des Konzerns vorliegend nicht erforderlich. Der Beklagte war maßgeblich an jedem der drei Unternehmen beteiligt; konkret hielt er die Mehrheit der Anteile des Mutterkonzerns A. Holding AG, die alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin wie auch des Schwesterunternehmens war. Er hätte daher ohne weiteres einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss der Unternehmen herbeiführen können. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte als Mehrheitsaktionär der Muttergesellschaft und Präsident von deren Verwaltungsrat die Geldflüsse zwischen dem Mutterkonzern und ihren Tochtergesellschaften – der Schuldnerin und der A. Chemicals AG – eigenverantwortlich kontrollierte und koordinierte. Dass es an einer schriftlichen Fixierung der Verlustdeckungszusage gegenüber der Schuldnerin fehlt bzw. eine solche nicht mehr vorgelegt werden konnte, ist vor diesem Hintergrund unschädlich.Randnummer27

Auf Grundlage der nachgewiesenen Geldflüsse zwischen den Unternehmen der Unternehmensgruppe und der Verstrickung der Unternehmen untereinander hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht auf das Vorliegen der Verlustdeckungszusage geschlossen. Auf die Ausführungen hierzu im erstinstanzlichen Urteil wird Bezug genommen. Zwar zieht das Landgericht die Anlage K15 (Bl. 111 ff. d.A.) fälschlich zum Beleg von Zahlungsflüssen seitens der A. Chemicals AG an die Schuldnerin heran – bei dieser Anlage handelt es sich, was das Landgericht verkennt, um Kontoauszüge der Geschäftskonten der Schuldnerin, aus denen sich umfangreiche Zahlungen der Schuldnerin aufgrund von Versicherungsleistungen nach dem Brandereignis an die A. Chemicals AG ergeben und nicht umgekehrt. Anders liegt es jedoch bei der vom Landgericht weiterhin herangezogenen Anlage B27 (Bl. 662 ff. d.A.). Mit diesem Kontoauszug der Schuldnerin, der den Zeitraum vom 2. Januar bis zum 29. Juni 2009 umfasst, hat der Beklagte unter dem Verwendungszweck „Kapitalbedarf“ erfolgte Überweisungen der A. Chemicals AG an die Schuldnerin in Höhe von insgesamt 251.798 Euro nachgewiesen.Randnummer28

Insgesamt ergeben sich aus den Kontoauszügen eine finanzielle Verstrickung der Unternehmen und die nicht nur finanzielle Abhängigkeit der Schuldnerin von dem Schwester- und Mutterunternehmen. Nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten war die Schuldnerin lediglich ein Dienstleistungsunternehmen, das für die Mutter- und Schwesterfirma tätig wurde und daher von diesen durch Stellung von Produktions- und Finanzmitteln „am Leben gehalten“ wurde. Liquiditätsengpässe der Schuldnerin wurden stets von dem Schwesterkonzern ausgeglichen, wie sich aus der Anlage B27 ergibt. Dabei ist nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagtenvertreters davon auszugehen, dass die Zahlungen durch die A. Chemicals AG auf Anweisung der A. Holding AG erfolgt sind. Die vom Beklagten damit substantiiert dargelegte Verlustdeckungszusage bzw. Patronatsvereinbarung zwischen Mutter- und Tochterunternehmen führt dazu, dass nicht von einer Überschuldung der Schuldnerin auszugehen ist (BGH, Urteil vom 20. September 2010 – II ZR 296/08, NJW 2010, 3442, 3443, Rn. 18; K. Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 19 Rn. 42; Baumbach/Hueck-Haas, GmbH-Gesetz, aaO, Vorbemerkung vor § 64 Rn. 47).Randnummer29

Aufgrund der faktischen Beherrschung der Schuldnerin durch den (schweizerischen) Mutterkonzern handelte es sich zudem um einen qualifizierten faktischen Konzern, auf den nach früher überwiegender Meinung und der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Juli 2006 – II ZR 238/04, NJW 2006, 3279, Rn. 6 mwN) § 302 AktG in Bezug auf die beherrschte GmbH analog anwendbar sein sollte (Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl. 2019, § 202 AktG Rn. 26). Vorliegend wurde faktisch, also ohne wirksamen Abschluss eines Beherrschungsvertrags, durch den Mutter- und Schwesterkonzern Leitungsmacht im Sinne des § 308 Abs. 1 AktG auf die beherrschte GmbH ausgeübt, woraus sich als Ausgleich die Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens analog § 302 AktG ergibt (vgl. Ziemons/Jaeger/Pöschke-Servatius, BeckOK gmbhg, 49. Edition, 1. Mai 2021, Konzernrecht, Rn. 500). Danach ist die Verlustdeckungszusage des Mutterkonzerns als aktives Gesellschaftsvermögen zu berücksichtigen (Gottwald/Haas-Gundlach, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 6 Rn. 54). Auch wenn diese Rechtsprechung in Bezug auf die Kapitalerhaltung nach §§ 30, 31 ff. GmbHG zwischenzeitlich aufgegeben wurde (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 – II ZR 3/04, NJW 2007, 2689), spricht doch vieles für eine Beibehaltung im vorliegenden Fall, um Schutzlücken bei dem vom Bundesgerichtshof ersatzweise entwickelten Modell der auf § 826 BGB gestützten Existenzvernichtungshaftung zu schließen (dazu Baumbach/Hueck-Beursgens, GmbH-Gesetz, Anhang: Die GmbH im Unternehmensverbund (GmbH-Konzernrecht), Rn. 74 mwN; ausführlich: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017, Systematische Darstellung 4, Rn. 416 ff. 420 ff.).Randnummer30

(d) Es ist aus den dargelegten Gründen auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nicht problematisiert hat, ob die Verlustdeckungszusage zu passivieren war. Denn die Schuldnerin war als reines Dienstleistungsunternehmen von dem Mutter- und Schwesterkonzern abhängig und daher faktisch kein wirtschaftlich selbständiges Unternehmen. Es ist nach alldem davon auszugehen, dass die Verlustdeckungszusage regressfrei gewährt wurde (dazu K. Schmidt, InsO, aaO).Randnummer31

(e) Auch wenn der Senat von einer rechnerischen Überschuldung der Schuldnerin zum Jahreswechsel 2008 und 2009 ausginge, sprechen jedenfalls alle Indizien für eine positive FortführungsprognoseBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des Unternehmens. Vor dem Großbrand gab es aufgrund der geübten Praxis der Verlustdeckung durch das beherrschende Mutter- und Schwesterunternehmen keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin. Aus Sicht des – fortlaufend von einem Steuerberater beratenen – Beklagten gab es schon keine Veranlassung, aufgrund des in dem am 15. Juni 2009 erstellten Jahresabschluss für 2008 (B4, Bl. 175 ff. d.A.) ersichtlichen Negativsaldos zum 31. Dezember 2008 eine Fortführungsprognose anzustellen, da die Fortführung des Unternehmens nach dem oben Ausgeführten gar nicht in Zweifel stand und auch nicht stehen musste.Randnummer32

(2) Eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht durch das Brandereignis am 11./12. Juni 2009 eingetreten. Dies wäre der Fall, wenn die Schuldnerin Schadensersatzforderungen in konkreter Höhe sicher erwarten musste und sicher zu erwarten war, dass sie diese nicht würde begleichen können, bzw. wenn sie aufgrund einer konkreten Forderung hätte Rücklagen bilden müssen (vgl. Baumbach/Hueck-Haas, GmbH-Gesetz, aaO, Vorbemerkung vor § 64, Rn. 6 ff.). Auch insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts an. Insbesondere wurde die Forderung in Höhe von 5,1 Mio. Euro bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gegenüber der Schuldnerin geltend gemacht, so dass ihre Inanspruchnahme nicht hinreichend konkret war. Darüber hinaus ist schon eine Haftung der Schuldnerin fraglich, da ihr Verschulden am Brandereignis nicht festgestellt wurde und sie das Gelände von C. angemietet und gegenüber dieser ausweislich des Mietvertrags nur die Versicherung der Lagerbestände übernommen hatte. Schließlich durfte die Schuldnerin davon ausgehen, dass im Falle ihrer Haftung die Versicherung zahlen werde. Auch insoweit ist die Argumentation des Landgerichts bezüglich des Umfangs der Betriebshaftpflichtversicherung überzeugend und wird hiermit in Bezug genommen. Der Beklagte musste trotz der unstreitigen Verweigerung der Deckungszusage seitens der D. Versicherung keine Rücklagen bilden, da es genügend Anhaltspunkte dafür gab, dass sie ihre Haftung zu Unrecht verweigerte. Dies wird vom Kläger auch mit der Berufung nicht substantiiert angegriffen.Randnummer33

Der Beklagte durfte zudem davon ausgehen, dass im Falle ihrer erfolgreichen Inanspruchnahme die maximale Deckungssumme der Versicherung von 2,5 Mio. Euro zur Begleichung etwaiger Schadensersatzforderungen ausreichen würde. Auch insoweit überzeugt das landgerichtliche Urteil. Der Kläger selbst ging in seinem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstellten Gutachten vom 4. November 2010 nur von Schadensersatzforderungen der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von 2 Mio. Euro aus und hat die D. Versicherung in einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Y. auch lediglich auf Zahlung in dieser Höhe in Anspruch genommen. Indem der Insolvenzverwalter diese Klage erhob, hat er zudem gezeigt, dass auch er von einer Einstandspflicht der Versicherung in Bezug auf das Schadensereignis ausging.Randnummer34

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte für die Schuldnerin in einer am 17. November 2009 mit einem Gläubiger der Schuldnerin getroffenen „Abgeltungsvereinbarung“ (K17, Bl. 228 f. d.A.) folgendes angegeben hat: „Die Auftraggeberin [Schuldnerin] versichert, dass durch den Brand am 12.06.2009 ein Schaden von etwa 6 Mio. Euro entstanden sei. Die Deckungssumme der eintrittspflichtigen Versicherung(en) betrage maximal 2,5 Mio. Euro. Weitere Vermögenswerte von größerer Bedeutung seien bei der Auftraggeberin nicht mehr vorhanden.“ Diese Erklärung der Schuldnerin führte im Ergebnis zu einem Verzicht des Gläubigers, eines mit der Beseitigung der Brandschäden beauftragten Metallbauers, auf einen erheblichen Teil seiner Forderungen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beklagte bei Abschluss der Vereinbarung in Bezug auf die Solvenz der Schuldnerin bewusst irreführend agiert hat. Denn eine konkrete Forderung war bis dahin unstreitig gegenüber der Schuldnerin nicht geltend gemacht worden. Dass durch den Brand tatsächlich Schäden in dieser Höhe entstanden sind, ist hingegen plausibel. Die Vereinbarung enthält dementsprechend auch nicht die Angabe, dass gerade die Schuldnerin für den gesamten Schaden aufkommen müsse – auch wenn dieser Schluss sich aufgrund der konkreten Formulierung aufdrängt.Randnummer35

(3) Auch die Staatsanwaltschaft ist im Übrigen nicht davon ausgegangen, dass die Schuldnerin hinreichend konkretisierten Schadensersatzforderungen ausgesetzt war und damit bereits seit dem Brandereignis Insolvenzreife vorgelegen hätte. Vielmehr hat sie das Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag nur deshalb nicht nach § 170 Abs. 2 StPO, sondern nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt, weil der Schuldner nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den Insolvenzantrag 2,5 Monate früher hätte stellen müssen, und zwar drei Wochen nach Aufstellung der Bilanz für 2009. Dieser Zeitpunkt (19. Mai 2010) liegt jedoch nach den vorliegend noch streitgegenständlichen Zahlungen, die einen Zeitraum bis zum 12. Mai 2010 betreffen. Auch wenn die strafrechtlichen Wertungen nicht unmittelbar auf das hiesige Verfahren übertragen werden können, ist die Einstellung des Verfahren ein weiteres Indiz für die mangelnde Haftung des Beklagten nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F.Randnummer36

Aus den genannten Gründen war der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht verpflichtet, wegen der seitens der Bundesrepublik Deutschland lediglich pauschal angekündigten Schadensersatzforderungen Rückstellungen nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB zu bilden. Eine Rückstellungspflicht gemäß § 249 HGB besteht bei dem Grunde nach ungewissen Verbindlichkeiten, wenn ernsthaft mit ihrem Bestand gerechnet werden muss (BGH, Urteil vom 22. September 2003 – II ZR 229/02, NZG 2003, 1116 mwN). Maßgeblich ist insoweit, ob der Bilanzierungspflichtige bei sorgfältiger Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände eine Rückstellungspflicht nicht verneinen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 05. Juni 1989 – II ZR 172/88, NJW-RR 1989, 1198).Randnummer37

Danach bestand vorliegend keine Rückstellungspflicht der Schuldnerin. Zum einen waren etwaige Forderungen aus dem Brandereignis bis zur Anmeldung der Insolvenz nicht beziffert worden. Zum anderen durfte der Beklagte nach dem oben Gesagten davon ausgehen, dass im Fall einer Haftung der Schuldnerin die D. Versicherung einstandspflichtig wäre und dass die Haftungshöchstsumme von 2,5 Mio. Euro zur Begleichung etwaiger Schadensersatzforderungen ausreichen würde.Randnummer38

(4) Der Beklagte musste nach dem Brandereignis auch keine Überschuldungsbilanz oder Fortführungsprognose erstellen. Diese substantiierte Darlegung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des Unternehmens muss der Beklagte auch im Gerichtsverfahren nur erbringen, wenn die rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Überschuldung
der Schuldnerin feststeht (vgl. Baumbach/Hueck-Haas, GmbH-Gesetz, aaO, § 64 Rn. 116 mwN). Eine Überschuldung der Schuldnerin stand jedoch, wie ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt fest, vielmehr durfte der Beklagte davon ausgehen, dass die der Schuldnerin entstandenen Schäden weitgehend von den abgeschlossenen Versicherungen gedeckt sein würden. Die Erwartung und Planung einer Fortführung des Unternehmens an einem anderen Standort war damit nicht unrealistisch.Randnummer39

(5) Auch dem Einwand des Klägers, bei der erstinstanzlichen Entscheidung handele sich um ein Überraschungsurteil, kann nicht gefolgt werden. Denn die Frage der Überschuldung war von Anfang an zwischen den Parteien streitig; entsprechend streitig wurde darüber verhandelt – wie die gerichtlichen Hinweise vom 21. Juli 2017 (Bl. 445 ff. d.A.) und vom 27. Mai 2019 (Bl. 529 d.A.) zeigen. Der Kläger durfte mangels entsprechender Zusicherungen seitens des Gerichts nicht darauf vertrauen, dass dieses in dem angegriffenen Urteil die von ihm vertretene Auffassung zum Vorliegen einer Überschuldung teilen werde.Randnummer40

2. Da die Berufung in der Hauptsache keinen Erfolg hat, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

III.Randnummer41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.Randnummer42

Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen nicht. Die Entscheidung beruht auf einer Anwendung in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannter Rechtssätze auf den Einzelfall.

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