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OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.03.1997 – 20 W 1/97

Gesellschafter I Gesellschafterversammlung I Hinzuziehung fachkundiger Rechtsberater

§ 48 GmbH

Orientierungssatz

1. Zwar ist es einem GmbH-Gesellschafter rechtsgrundsätzlich nur gestattet, einen anwaltlichen Berater zur Gesellschafterversammlung hinzuzuziehen, wenn ihm diese Möglichkeit aufgrund einer entsprechenden Satzungsregelung oder eines Gesellschafterbeschlusses eröffnet worden ist.

2. Auch ohne eine solche Regelung können aber die Gesellschaftertreuepflichten es ausnahmsweise gebieten, die Teilnahme eines Rechtsberaters eines Gesellschafters an der Gesellschafterversammlung zu gestatten. Dies ist zB dann der Fall, wenn Tagesordnungspunkte zur Diskussion stehen, die nicht nur grundlegende Rechte und Pflichten des Gesellschafters in der Gesellschaft berühren, sondern darüber hinaus seine statusrechtliche Stellung.

Tatbestand

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Stuttgart in dem die Kosten des Rechtsstreits nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien gem. § 91 a ZPO dem Antragsgegner auferlegt wurden. Er beantragt, unter Abänderung des Beschlusses die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragstellerin ist – wie auch der Antragsgegner – Gesellschafterin der Fa. M.-GmbH mit Sitz in L.

Die Mitglieder der Familie H. haben sich am 23.8.1985 ein sog. Familienstatut gegeben, in dem Rechte und Pflichten als Gesellschafter der Fa. M.-GmbH geregelt sind. Mit dem Familienstatut haben sich die Gesellschafter in Ansehung ihrer Beteiligung an der GmbH zu einer BGB-Gesellschaft als Innengesellschaft zusammengeschlossen.

Die Gesellschafter der Familie H. haben am 2.11.1996 eine Gesellschafterversammlung – als Gesellschafter der Familien-GbR – in S. abgehalten. Mit Schreiben vom 14.10.1996 hatte die Klägerin zuvor mehrere Punkte zur Tagesordnung gestellt und desweiteren beantragt, ihr zu gestatten, zu der Versammlung am 2.11.1996 in S. in Begleitung ihres Rechtsanwalts zu erscheinen. Dieses Begehren wurde von den übrigen Gesellschaftern, so auch von dem Antragsgegner, abgelehnt.

Auf Antrag der Antragstellerin erließ die 16. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart mit Beschluß vom 31.10.1996 eine einstweilige Verfügung des Inhalts, daß es die Antragsgegner zu dulden haben, daß die Antragstellerin an der auf den 2.11.1996 einberufenen Gesellschafterversammlung in Begleitung ihres Rechtsanwalts A. teilnimmt.

Gegen diese einstweilige Verfügung hat der Antragsgegner Widerspruch eingelegt und beantragt, den Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 31.10.1996 wieder aufzuheben.

Im folgenden haben beide Parteien den Rechtsstreit mit widersprechenden Kostenanträgen in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat zu Recht nach übereinstimmender Erledigungserklärung auch die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt. Klarzustellen ist lediglich, daß nach übereinstimmender Erledigungserklärung über die gesamten Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist und nicht nur über die weiteren Kosten des Widerspruchverfahrens, da bereits ergangene Entscheidungen ex tunc wirkungslos werden (s. nur Zöller-Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 91 a Rz. 12 m.w.N.). …

Der Senat erachtet es danach im Rahmen der Billigkeitsentscheidung für angemessen, die Kosten des Rechtsstreits dem Antragsgegner aufzuerlegen, da zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ohne das erledigende Ereignis erfolglos geblieben wäre. …

2. Das Landgericht hat den Verfügungsanspruch zu Recht bejaht. Der Antragstellerin war es ausnahmsweise zu gestatten, an der streitgegenständlichen Versammlung mit einem rechtskundigen Berater ihres Vertrauens teilzunehmen.

Zwar ist es einem Gesellschafter rechtsgrundsätzlich nur gestattet, einen Berater hinzuzuziehen, wenn ihm diese Möglichkeit aufgrund einer entsprechenden Satzungsregelung oder eines Gesellschafterbeschlusses eröffnet worden ist (OLG Stuttgart ZIP 1993, 1474 = BB 1993, 2179 = NJW-RR 1994, 168 = GmbHR 1994, 257; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbHR 1992, 610 = NJW-RR 1992, 1452 = OLGR Düsseldorf 1993, 101; Zöller in Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 48 Rz. 5: einschränkend nur soweit dafür ein Sachgrund besteht; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 48 Rz. 5; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl., § 48 Rz. 10; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 48 Rz. 22; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 119 Rz. 21).

Im vorliegenden Fall gebieten es freilich die Gesellschaftertreuepflichten, der Antragstellerin zu gestatten, ausnahmsweise einen Berater hinzuzuziehen, da bei der Versammlung am 2.11.1996 Tagesordnungspunkte zur Diskussion standen, die nicht nur ihre grundlegenden Rechte und Pflichten in der Gesellschaft berührten, sondern darüberhinaus ihre statusrechtliche Stellung. Diese Tagesordnungspunkte beruhten auf eigenen Anträgen der Antragstellerin, die wiederum von dem Anwalt ihres Vertrauens ausgearbeitet worden sind. Eine Interessenabwägung zwischen Gesellschafter- und Gesellschaftsinteressen rechtfertigt deshalb ausnahmsweise, diesen Rechtsanwalt als Berater zu der streitgegenständlichen Versammlung zuzulassen.

a) Nach Auffassung des Senats kann die Gesellschaftertreuepflicht den Mitgesellschaftern nach einer Interessenabwägung gebieten, einen Berater zur Teilnahme an der Versammlung zuzulassen. Hierbei genügt nicht schon die Tatsache, daß der Beistand fachkundiger ist als der Gesellschafter. Auch unterschiedliche Fachkunde der Gesellschafter untereinander genügt nur ausnahmsweise. Erforderlich ist vielmehr für die Zulassung, daß ein Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse, der Struktur der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und der Bedeutung des Beschlußgegenstandes dringend beratungsbedürftig ist (Lutter/Hommelhoff a.a.O. § 48 Rz. 4; Scholz/Karsten Schmidt a.a.O. § 48 Rz. 22; weitergehender als hier OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O. mit abl. Anmerkung Lotz GmbHR 1992, 611; für generelle Zulässigkeit Sina GmbHR 1993, 136, 139).

b) Somit ist zunächst zu prüfen, welches Gewicht der Hinzuziehung eines Beistands für eine sachdienliche Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte im konkreten Fall zukommt (Kirberger/Kirberger, BB 1978, 1390, 1392), und sodann abzuwägen gegenüber dem schützenswerten Interesse der übrigen Gesellschafter, „unter sich zu bleiben”, dem gerade bei Familiengesellschaften besondere Bedeutung zukommen kann (s. auch BGHZ 121, 236 = MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329 für eine Wohnungseigentümerversammlung). Diese Abwägung ist für jede Versammlung gesondert zu treffen und bedarf jeweils einer konkreten Prüfung im Einzelfall (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NJW-RR 1995, 1294), und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Saenger, NJW 1992, 351).

c) Die Antragstellerin hat hinreichend Gründe glaubhaft machen können, die es – auch unter Berücksichtigung und Würdigung der gegenläufigen Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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– ausnahmsweise notwendig erscheinen ließen, sich in der Gesellschafterversammlung vom 2.11.1996 unmittelbar beraten zu lassen. Die Teilnahme eines vertrauenswürdigen und wirtschaftsrechtlich geschulten und erfahrenen Beistandes an der Gesellschafterversammlung war angesichts der Tragweite der Tagesordnungspunkte und der besonderen Situation der Antragstellerin den übrigen Gesellschaftern und somit auch dem Antragsgegner zuzumuten. Die unmittelbare gesellschaftsrechtliche Stellung der Antragstellerin sowohl als GmbH-Gesellschafterin wie auch als Bruchteilseigentümerin des im Jahr 1994 gegründeten Familien-Pools war durch die von ihr initiierten Tagesordnungspunkte rechtsgrundsätzlich berührt. Die Antragstellerin konnte in diesem Zusammenhang glaubhaft machen, daß sie – ohne Beistand – gerade auch gegenüber dem Antragsgegner als promoviertem Juristen und jahrelangem Geschäftsführer der Unternehmensgruppe nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Rechte und interessen angemessen geltend zu machen sowie die Auswirkung ihrer Interessenwahrnehmung auf die Gesellschaft überzeugend darzulegen. Ein gegenüber diesen besonderen interessen im Einzelfall nur auch gleichgewichtiges Interesse der Gesellschaft oder der übrigen Gesellschafter, die Teilnahme des Beraters zu verhindern, ist nicht zu erkennen.

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