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OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.11.2015 – 14 AR 2/15

§ 64 S 1 GmbHG, § 29 Abs 1 ZPO, § 36 Abs 1 Nr 3 ZPO

Zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten kann eine Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bereits dann erfolgen, wenn ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zweifelsfrei festzustellen ist.

Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hat bei einer Klage gegen Streitgenossen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, eine Bestimmung des zuständigen Gerichts zu erfolgen, wenn für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Nach dem Vorbringen des Antragstellers würden die Antragsgegner für etwaige Rückzahlungsansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG als damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gemeinschaftlich haften und sind daher Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO (vgl. Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 64 Rn. 60). Die Antragsgegner haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Y bzw. des Landgerichts X. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand lässt sich zudem nicht zweifelsfrei feststellen. Zwar wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Rückzahlungspflicht des § 64 S. 1 GmbHG um ein Fortwirken der Geschäftsführerpflichten handele, die grundsätzlich am Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu erfüllen seien, so dass ein besonderer Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO eröffnet wäre (vgl. Haas/Kolmann/Pauw in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 92 Rn. 192). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes handelt es sich bei dem geltend gemachten, zugunsten der Insolvenzgläubiger bestehenden Anspruch nach § 64 S.1 GmbHG jedoch um eine Ersatzforderung eigener Art, die nicht unmittelbar an die Geschäftsführerpflichten gegenüber der Gesellschaft anknüpft (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.2008 – II ZR 291/06 = NJW-RR 2008, 1066). Es bestehen daher zumindest erhebliche Zweifel, ob Ersatzansprüche nach dieser Vorschrift dem Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 ZPO unterfallen (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 64 Rn. 14a). Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand wird auch nicht durch § 19a ZPO begründet, weil diese Vorschrift allein auf Passivprozesse des Insolvenzverwalters Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2003 – IX ZR 203/02 = NJW 2003, 2916). Die Zweifel am Bestehen eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands sind für die Eröffnung einer Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das nächsthöhere Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausreichend. Da diese Norm eine Bestimmung des zuständigen Gerichts auch bereits vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zulässt, kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob eines der zuerst befassten Gerichte bereits Zweifel an seiner Zuständigkeit hat erkennen lassen (vgl. zu letzterem: BayObLG, Beschluss vom 10.11.2003 – 1Z AR 114/03 = NJW-RR 2004, 944; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 11.10.2005 – 15 AR 44/05 = OLGR 2006, 357). Entscheidend ist vielmehr, dass derartige Zweifel bereits jetzt gegeben sind und durch eine Bestimmung des zuständigen Gerichts zum jetzigen Zeitpunkt Zuständigkeitsstreitigkeiten für das weitere Verfahren vermieden werden können (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.02.2014 – 1 AR 28/13, zitiert nach Juris; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 08.01.2013 – 34 AR 336/12 = ZIP 2013, 435). Denn die Vorschrift des § 36 ZPO dient in erster Linie der prozessökonomie durch Vermeidung von Verfahrensverzögerungen durch Streitigkeiten über das zuständige Gericht. Einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stehen auch keine schützenswerten Belange der Antragsgegner entgegen. Insbesondere ist ein entsprechender Antrag auch im Mahnverfahren nach Abgabe der Verfahren an die Prozessgerichte des jeweiligen allgemeinen Gerichtsstands noch möglich, soweit der Antragsteller noch keine Antragsbegründung eingereicht bzw. in einer solchen einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts angekündigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17.09.2013 – X ARZ 423/13 = NJW-RR 2013, 1531). Zwar ist der Antragsteller vorliegend in sämtlichen Verfahren bereits zur Begründung seines Antrags aufgefordert worden. Er hat hierauf jedoch unverzüglich den am 14.09.2015 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gestellt.

Als örtlich zuständiges Gericht ist das Landgericht X zu bestimmen, weil eine Verhandlung vor diesem Gericht zweckmäßig erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2008 – X ARZ 98/08 = NJW-RR 2008, 1514). Insbesondere befindet sich im dortigen Bezirk der Sitz der Insolvenzschuldnerin, so dass sich dort auch die für die vorliegenden Streitigkeiten relevanten Zahlungsvorgänge zugetragen haben. Zudem haben der Antragsteller und der Antragsgegner Ziffer 2 sich für die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts X ausgesprochen. Schließlich wäre das Landgericht X auch bei Annahme des Vorliegens eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands nach § 29 Abs. 1 ZPO das örtlich zuständige Gericht. Demgegenüber sind Gründe, die eine Verhandlung vor dem Landgericht Y zweckdienlich erscheinen ließen, nicht erkennbar.

Schlagworte: allgemeiner Gerichtsstand am Sitz der GmbH, Gerichtsstand, GmbHG § 64 Satz 1, Haftung Geschäftsführer, Haftung wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, Insolvenzverschleppung