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OLG Stuttgart Urteil vom 14.1.2021 – 2 U 34/20

§ 287 ZPO; § 14 Abs. 6 MarkenG

Zur Schätzung eines nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu ersetzenden Schadens, wenn eine bekannte Marke (für ein Gerüstsystem) verwendet wird, um den Leser zum Öffnen einer Werbesendung für ein eigenes Produkt (kompatibles Gerüstsystem) zu veranlassen, indem durch die Gestaltung der Werbesendung der Eindruck erweckt wird, diese stamme vom Hersteller des bekannten Produkts.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14.01.2020, Az. 17 O 607/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 33.550,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2017 zu zahlen.

1.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 32,5% und die Beklagte 67,5%. Von den Kosten in erster Instanz tragen die Klägerin 37,5% und die Beklagte 62,5%.

4. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14.01.2020, Az. 17 O 607/19, sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 49.678,41 EUR

Gründe

I.

1.

Die Klägerin ist die führende Herstellerin von Gerüsten und Gerüstsystemen in Deutschland und Europa. Sie ist Inhaberin zahlreicher Marken, u.a. der deutschen Wortmarke „X“, eingetragen für Gerüste jeder Bauart (Anlage K4, Bl. 25).

Die Beklagte produziert und vertreibt ein Gerüstsystem, bei dem es sich um einen Nachbau des Gerüstsystems „A“ der Klägerin handelt.

Am 08.02.2017 versandte die Beklagte gleich gestaltete Briefe an insgesamt 34.962 Empfänger. An mehreren Stellen war das Wort „X“ gegenüber den weiteren Angaben grafisch deutlich hervorgehoben. So enthielten die Briefumschläge neben dem jeweiligen Adressaten die folgende Angabe:

In den Briefumschlag eingelegt war ein Werbeblatt mit folgenden Angaben auf der Vor- und Rückseite:

Außerdem enthielten die Briefumschläge eine Preisliste/Bestellliste mit folgender Angabe:

Die Werbematerialien waren darüber hinaus im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 16.03.2017 auf der Internetseite der Beklagten abrufbar.

Mit Schreiben vom 15.03.2017 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen dieser Werbeaktion ab (Anlage K9, Bl. 30). Auf die Abmahnung der Klägerin gab die Beklagte am 07.04.2017 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der sich die Beklagte u.a. verpflichtete, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die bezeichneten Verletzungshandlungen entstanden war und künftig noch entstehen würde (Anlage K10, Bl. 31). Die Klägerin nahm die Unterlassungserklärung an (Anlage K11, Bl. 32).

Nach einigem Streit über die Richtigkeit der von der Beklagten bis dahin erteilten Auskünfte erteilte die Beklagte gegenüber der Klägerin schließlich die Auskunft, dass sie im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 30.04.2017 in Deutschland mit den markenverletzend beworbenen Gerüstbauteilen einen Umsatz von netto 669.523,67 EUR erzielt habe (Anlage K14, Bl. 35). Ihren Gewinn bezifferte die Beklagte auf 104.762 EUR. Die Klägerin geht unter Berücksichtigung einer weiteren Rechnung von einem Gesamtumsatz von 670.980,17 EUR aus.

Auf der Basis dieses Umsatzes verlangte die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr, die sie mit 8% des erzielten Nettoumsatzes und damit i.H.v. 53.678,41 EUR bezifferte (Anspruchsschreiben vom 15.02.2019, Anlage K15, Bl. 36). Die Beklagte hielt demgegenüber lediglich eine Lizenzgebühr in einer Höhe zwischen 2.500 EUR bis 5.000 EUR für angemessen, was etwa 5 bis 10% des tatsächlich erzielten Gewinns entspräche (Schreiben vom 01.03.2019, Anlage K16, Bl. 37).

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 53.678,41 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

2.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin könne gem. § 14 Abs. 6 MarkenG von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie 8% des der Höhe nach unstreitigen Umsatzes von 670.980,17 EUR verlangen.

In Ermangelung anderer geeigneter Anknüpfungspunkte sei an die in den Zeitraum der Werbung fallenden Umsätze anzuknüpfen. Eine Lizenzgebühr i.H.v. 8% dieses Umsatzes erscheine sachgerecht, weil in dem Werbeschreiben die in den Fachkreisen überragend bekannte Bezeichnung „X“ mehrfach blickfangmäßig hervorgehoben werde, so dass auf den ersten Blick der Eindruck vermittelt werde, es handele sich um ein Angebot der Klägerin. Anders als bei der üblichen Einräumung von Markenlizenzen gingen etwaige auf die Verwendung der Marke zurückzuführende Umsätze der Beklagten zu Lasten der Klägerin, die entsprechende Umsatzeinbußen erleide. Dies und die Gefahr des dauerhaften Verlusts von Kunden mache die wirtschaftliche Bedeutung der Werbung deutlich.

Keine größere Bedeutung habe die Frage, wie hoch der prozentuale Gewinn der Beklagten am erzielten Umsatz sei, weil die Werbeaktion auch dazu diene, zukünftige Kunden und Umsätze zu generieren. Der erzielte Gewinn stelle deshalb keine Obergrenze für die angemessene Lizenzgebühr dar.

Im Ergebnis bedeute dies, dass die Beklagte pro Werbeschreiben ca. 1,50 EUR als Schadensersatz zu entrichten habe. Dies erscheine nicht unrealistisch.

3.

Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil, soweit sie zu einer höheren Zahlung als 4.000 EUR verurteilt wurde. Zur Begründung führt sie Folgendes aus:

Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft fast alle Tatsachen, die von der Beklagten vorgetragen worden seien, nicht berücksichtigt und unkritisch und ohne nähere Begründung die von der Klägerin angesetzte Höhe des Lizenzsatzes übernommen.

a)

Die Beklagte habe vorgetragen, dass die üblichen Lizenzsätze bei Markenverletzungen zwischen 1 und 5% lägen. Das Landgericht hätte demnach zunächst einen üblichen Lizenzsatz ermitteln müssen, um anhand von diesem den konkreten Lizenzsatz ermitteln zu können.

Der Ansatz von 8% sei vollkommen willkürlich. Soweit das Landgericht dies damit begründe, dass die streitgegenständliche Verletzung wegen der blickfangartigen Werbung nicht weniger schwer wiege wie eine klassische Markenverletzung, setze es zu Unrecht die markenrechtswidrige Hervorhebung mit Verstößen einer rechtswidrigen Kennzeichnung gleich.

Da das Landgericht auch versäumt habe festzustellen, welcher Prozentsatz des Umsatzes für eine einfache oder normale Markenverletzung angemessen wäre, sei auch völlig offen, warum hierfür nicht auch 1 oder 3% angemessen sein sollten.

Tatsächlich habe die Klägerin zu einem üblichen Lizenzsatz in der Branche der Parteien nichts substantiiert vorgetragen, sondern sich lediglich auf eine Entscheidung des OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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bezogen, die für eine andere Branche und unter anderen Umständen 8% aus einem fiktiven Pauschalbetrag zugesprochen habe.

b)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts gebe es außer dem Umsatz auch anderweitige geeignete Anknüpfungspunkte. Dies stelle das Landgericht selbst fest, wenn es pro Werbeschreiben ca. 1,50 EUR als Schadensersatz für realistisch halte.

Desweiteren wäre neben der vom Landgericht als möglich erachteten Stücklizenz auch eine Pauschallizenz denkbar. Diese läge auch näher, da Umsätze Werbeaktionen regelmäßig nicht zugeordnet werden könnten und sich die Lizenz daher eher an Art und Umfang der Werbung als an den damit erzielten Umsätzen orientieren werde.

Nach der Rechtsprechung des BGH sei es für die Bemessung des Schadens im Wege der Lizenzanalogie erforderlich, die branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen (BGH, GRUR 2019, 292, Rn. 19). Das Landgericht habe jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, dass eine Berechnung der Lizenzgebühr anhand des Umsatzes branchenüblich sei.

Eine Lizenzgebühr von 1,50 EUR pro Werbeflyer sei unrealistisch. In dem von der Klägerin herangezogenen Fall des OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Urteil vom 09.02.2017 – 5 U 222/12) habe die dortige Klägerin für einen markenrechtsverletzenden Prospekt selbst eine angemessene Lizenzgebühr von einem Cent pro verteiltem Prospekt angegeben. Dabei sei es in diesem Fall um die berühmte Marke von Volkswagen in einem Prospekt von A.T.U. gegangen. Bei einem Cent pro Werbeflyer läge der angemessene Lizenzschaden bei 349,62 EUR, was eine realistischere Größe wäre, weil Postwurfsendungen/Mailings wie die streitgegenständlichen ohnehin von der Mehrzahl der Empfänger umgehend und ungelesen vernichtet würden und die Reaktionsquote im Regelfall bei nicht mehr als 1%, eher noch deutlich darunter liege.

c)

Das Landgericht übergehe desweiteren, dass die Beklagte grundsätzlich berechtigt gewesen sei, auf die bestehende Vermischungszulassung mit den Gerüsten der Klägerin hinzuweisen und in diesem Zusammenhang die Marke der Klägerin auch zu nennen. Die Intensität der Markenverletzung sei daher gering.

Das Landgericht berücksichtige ferner nicht, dass sich die von den Parteien angebotenen Gerüstbauteile ausschließlich an Fachkreise richteten, die vor einer Kaufentscheidung Informationen zu allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen einholen würden. Aus der Zulassung ergebe sich, dass sich diese nur auf Gerüste der Beklagten und nicht der Klägerin beziehe. Vor diesem Hintergrund unterliege der Fachverkehr auch keinen Fehlvorstellungen und gebe es auch keine Marktverwirrung.

Außerdem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass mit der Werbung weniger als 1/6 der insgesamt am deutschen Markt bestehenden über 200.000 Betriebe, die als potentielle Kunden in Betracht kämen, angesprochen worden seien. Ggf. hätte das Landgericht auf ein Beweisangebot zu diesem streitigen Vortrag hinwirken müssen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Umsatzrendite der Beklagten relevant (BGH, GRUR 2010, 239, Ströbele/Hacker/Tiering, § 14 Rn. 702). Die Umsatzrendite der Beklagten habe deutlich unter 7% gelegen, im Jahr 2017 bei lediglich 5,21% (Anlagen KPW1 und 2; Zeugnis des Steuerberaters der Beklagten). Die vom Landgericht angesetzte Lizenzgebühr übersteige die Umsatzrendite der Beklagten deutlich.

Das Landgericht habe mit dem Gewinn, den die Beklagte ausweislich ihrer Auskunft erzielt habe, die falsche Bezugsgröße gewählt, denn relevant für die Berechnung im Wege der Lizenzanalogie sei nicht der tatsächliche Gewinn, sondern der Gewinn, den die Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags prognostiziert hätten. Hierzu fehle jeglicher Vortrag der Klägerin. Die Wirkung der streitgegenständlichen Werbung auf den Gewinn sei gering gewesen, denn die klägerische Marke hätte die Beklagte wegen des zulässigen Hinweises auf die Vermischungszulassung ohnehin nennen dürfen. Tatsächlich beziehe sich der Umsatz größtenteils auf Bestandskunden, die ungeachtet der Werbung bei der Beklagten bestellt hätten. Auch habe sich der Umsatz vor und während der streitgegenständlichen Werbung in der gleichen Größenordnung bewegt.

Die Klägerin habe versucht, beide Schadensberechnungsmethoden (Verletzergewinn und Lizenzanalogie) zu vermischen und das Landgericht sei dem rechtsirrig gefolgt. Dass der vom Landgericht im Wege der Lizenzanalogie zugesprochene Betrag nicht mehr angemessen sei, ergebe sich aus einer Kontrollüberlegung zum Verletzergewinn. Der zugesprochene Betrag entspräche mehr als 50% des gesamten Gewinns der Beklagten, obwohl die Klägerin nur den anteiligen Gewinn verlangen könnte, der auf der Markenrechtsverletzung beruhe. Da die Rechtsverletzung nur in der Werbung erfolgt sei und nicht am Produkt und die Auskunft auch Umsätze beinhaltet habe, die nicht unbedingt auf der Werbung beruht hätten (Bestandskunden und Kunden, die die Werbung nicht gesehen oder ignoriert haben), wären bei einem Verletzergewinn maximal 5% angemessen, was 5.238,10 EUR entsprechen würde.

Die Beklagte/Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des LG Stuttgart (17 O 617/19) wie folgt abzuändern:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2017 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin/Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig.

Dass das Landgericht als Berechnungsgrundlage den Nettoumsatz herangezogen habe, den die Beklagte mit den markenverletzend beworbenen Produkten erzielt habe, entspreche den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, BeckRS 2015, 13605, Rn. 292 mwN). Andere Berechnungsweisen wären mit großen Unsicherheiten verbunden gewesen.

Die Behauptung der Beklagten, dass die meisten Umsätze mit Bestandskunden erzielt worden seien, die ungeachtet der Werbung bei der Beklagten bestellt hätten, werde bestritten. Die Behauptung sei auch irrelevant, weil sich ein vernünftiger Lizenzgeber nicht auf ein Lizenzmodell eingelassen hätte, bei dem er nachweisen müsste, dass der Lizenznehmer mit der Werbung Neukunden gewonnen habe. Der BGH habe eine solche Aufteilung zwischen Alt- und Neukunden ausdrücklich verworfen (BGH GRUR 2010, 239, Rn. 37 f.).

Das Landgericht habe keinen wie auch immer gearteten üblichen Lizenzsatz ermitteln müssen. Denn es gebe für die streitgegenständliche Verletzungsform keine marktübliche Lizenz.

Auch wenn man wie von der Beklagten gefordert eine „übliche“ Lizenzhöhe von bis zu 5% zugrunde legen würde, ergäbe sich aufgrund der verschiedenen lizenzerhöhenden Faktoren im vorliegenden Fall, insbesondere der überragenden Bekanntheit der verletzten Marke, des großen Adressatenkreises und der mehrfachen hervorgehobenen Benutzung der Marke eine Lizenzhöhe von mindestens 8%.

Eine prozentuale Umsatzlizenz entspreche der Interessenlage bei einer fiktiven Lizenz, bei der der Markeninhaber am wirtschaftlichen Erfolg partizipieren möchte, der durch den Eingriff in sein Markenrecht erwirtschaftet worden sei. Ob es daneben weitere konkrete Möglichkeiten der Schadensberechnung gebe, sei irrelevant.

Eine Schadensersatzhöhe von ca. 1,50 EUR pro Werbeschreiben wäre ohne weiteres angemessen. Die Beklagte lasse bei dem Vergleich mit dem Schadensersatzbetrag im Fall des OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(BeckRS 2017, 149297, Rn. 5) außer Betracht, dass es im vorliegenden Fall um Werbung für Gerüstbauteile mit einem Bestellwert von mehreren tausend Euro gehe und nicht um Kfz-Inspektionen zum Preis von 49 EUR wie im Fall des OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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. Angesichts dieses potentiellen Bestellwerts sei eine Lizenzgebühr von 1,50 EUR pro Flyer eine überschaubare Investition, selbst wenn die Reaktionsquote lediglich 1% betragen sollte, was im Übrigen zu bestreiten sei.

Dabei seien auch die möglichen Folgeumsätze einer erfolgreichen Kundenakquise zu berücksichtigen, denn aufgrund des bauaufsichtlichen Zulassungssystems zögen Investitionen in ein bestimmtes Gerüstsystem regelmäßig größere Folgeinvestitionen in dieses Gerüstsystem nach sich.

Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des BGH in GRUR 2019, 292 – Foto eines Sportwagens – gehe an der Sache vorbei, weil es in dem zitierten Fall um Schadensersatz für die Verletzung von Lichtbildwerken gegangen sei und es für die Nutzung von Lichtbildern – anders als hier – eine branchenübliche Lizenzierungspraxis gebe.

Die Umsatzrendite sei zwar grundsätzlich einer der Faktoren, die bei der Bestimmung der Lizenzhöhe zu berücksichtigen sein könnten. Die Besonderheit der Werbeaktion der Beklagten liege aber darin, dass sie unter hervorgehobener Verwendung der überragend bekannten Marke „X“ den gesamten deutschen Markt für Gerüstbauteile beworben habe und damit versucht habe, Kunden abzuwerben, was im Gerüstbau – wie oben dargelegt – mit erheblichen Folgeumsätzen verbunden sei. Deshalb sei die Feststellung des Landgerichts richtig, dass der Rendite im vorliegenden Fall keine maßgebliche Bedeutung zukomme.

Hinzu komme, dass auch ein Marktverwirrungsschaden eingetreten sei, der zusätzlich lizenzerhöhend zu berücksichtigen sei, denn mehrere Kunden der Klägerin hätten sich im Anschluss an die Werbesendung bei der Klägerin erkundigt, ob diese nunmehr eine Zweitmarke „Y“ gestartet habe (Zeugnis Dipl-Ing. I).

Im Übrigen werde die von der Beklagten behauptete Umsatzrendite von 5,21% bestritten, denn diese stehe im Widerspruch zum eigenen Vortrag (7% laut Klagerwiderung), zu der ursprünglich vorgelegten Gewinnberechnung (Anlage K20, Bl. 68: Gewinn 105.930,57 EUR : Verkaufserlöse 711.671,32 EUR = Umsatzrendite 14,9%) und zu der sich aus der zuletzt erteilten Auskunft ergebenden Rendite (Anlage K14, Bl. 35: Gewinn 104.742,06 EUR : Umsatz 669.523,67 EUR = Umsatzrendite 15,6%).

Die Kontrollüberlegung der Beklagten zum Verletzergewinn sei nicht richtig. Der Verletzergewinn begrenze den nach der Lizenzanalogie berechneten Schaden nicht. Zudem sei die Werbekampagne auf eine langfristige Umsatzsteigerung angelegt gewesen.

Es liege kein Fall einer geringen Markenverletzung vor. Die Beklagte habe vielmehr die überragend bekannte Marke „X“ in überaus dreister Weise vorsätzlich verletzt. Auf die Schutzschranke des § 23 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG könne sich die Beklagte bei der konkret gewählten Form ihrer Werbung nicht berufen. Das Landgericht habe dies zu Recht berücksichtigt.

Dass sich die streitgegenständliche Werbung nur an Fachkreise richte, sei nicht lizenzmindernd zu berücksichtigen. Zunächst sei die Werbung nicht lediglich an Unternehmer versandt worden, sondern sei zusätzlich für jedermann im Internet abrufbar gewesen. Ein wichtiger Erfolg der Werbekampagne sei bereits dadurch eingetreten, dass sich die angeschriebenen Unternehmer wegen der überragend bekannten Marke „X“ überhaupt erst mit der Werbung der Beklagten beschäftigt hätten, noch bevor sie sich über die technischen Eigenschaften der beworbenen Produkte hätten informieren können.

Entgegen der Ansicht der Beklagten habe das Landgericht keinen Beweis darüber erheben müssen, ob mit den 34.962 Empfängern der Briefwerbung der Markt vollständig abgedeckt gewesen sei. Das Landgericht habe es für maßgeblich erachten dürfen, dass die Beklagte in großem Umfang mit der überragend bekannten Marke „X“ der Klägerin geworben habe.

Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

1.

Dass der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 14 Abs. 6 Satz 1 MarkenG zusteht, hat das Landgericht zutreffend bejaht und wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Der Schadensersatzanspruch kann nach § 14 Abs. 6 Satz 3 MarkenG auf der Grundlage des Betrags berechnet werden, den die Beklagte als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn sie die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte.

Daneben steht der Klägerin auch ein Schadensersatzanspruch aus Ziff. 4 der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten vom 07.04.2017 zu. In dieser Erklärung hat sich die Beklagte verpflichtet, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch Verletzungshandlungen aus dem Werbeschreiben entstanden ist und künftig noch entstehen wird. Davon auszugehen ist, dass nach dem Willen der Vertragsparteien auch dieser Schadensersatzanspruch entsprechend den allgemeinen, im Markenrecht geltenden Grundsätzen zu berechnen ist, d.h. auch im Wege der Lizenzanalogie berechnet werden kann, da für die Parteien kein Anlass bestand, vertraglich eine andere Rechtsfolge zu wählen.

2.

Der Senat schätzt den entstandenen Schaden gem. § 287 ZPO auf 33.550,00 EUR.

a)

Grundgedanke der Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie ist, dass der Verletzer als Schadensersatz jedenfalls das schulden soll, was für eine rechtmäßige Nutzung der Marke hätte bezahlt werden müssen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Markeninhaber bereit gewesen wäre, eine Lizenz zu erteilen, und ob der Verletzer bereit gewesen wäre, eine Vergütung in der geschuldeten Höhe zu zahlen. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob das konkret verletzte Schutzrecht tatsächlich lizenziert wird, ob überhaupt ein realer (konkreter) Schaden entstanden ist und ob der Verletzer einen Gewinn erzielt hat (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl. 2018, § 14, Rn. 695).

Geschuldet ist, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer bezahlt hätte, wenn beide Parteien die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten. Der Verletzer soll nicht schlechter, aber auch nicht besser als ein vertraglicher Lizenznehmer gestellt werden. Maßgeblich ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung (Thiering, aaO., § 14, Rn. 698).

Die im Einzelfall angemessene Lizenzgebühr kann, weil sie auf hypothetischen Berechnungen basiert, in der Regel nur aufgrund einer wertenden Betrachtung und bei gleichzeitiger Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freier richterlicher Überzeugung bestimmt werden. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die vernünftig denkende Parteien im Rahmen ihrer (fiktiven) Lizenzverhandlungen berücksichtigt hätten (Goldmann in BeckOK Markenrecht, 23. Ed. Stand 01.10.2020, § 14 Rn. 766).

Allgemeine Bemessungsfaktoren für die Höhe der Lizenzgebühr sind der Bekanntheitsgrad und der Ruf der verletzten Marke, das Alter der Marke, das Ausmaß der Verwechslungsgefahr, insbesondere der Grad der Zeichenähnlichkeit und der Grad der Warenähnlichkeit sowie die Bandbreite marktüblicher Lizenzsätze. Darüber hinaus ist auch die Dauer der Verletzungshandlungen zu berücksichtigen (Thiering, aaO., § 14, Rn. 699).

Zu den berücksichtigungsfähigen Faktoren gehört auch die in der jeweiligen Branche üblicherweise zu erzielende Umsatzrendite, denn die in der jeweiligen Branche üblichen Umsatzerlöse hätten bei freien Lizenzverhandlungen Einfluss auf die Höhe der Vergütung. Davon auszugehen ist, dass ein vernünftiger Lizenznehmer regelmäßig keine Lizenzgebühr vereinbaren wird, die doppelt so hoch ist wie der zu erwartende Gewinn, weshalb eine geringe Umsatzrendite einen den Lizenzsatz reduzierenden Faktor darstellt. Umgekehrt kann sich eine hohe Umsatzrendite aber auch erhöhend auf den Lizenzsatz auswirken (Thiering, aaO., Rn. 702).

b)

Die Berechnung der fiktiven Lizenzgebühr auf der Basis einer Umsatzlizenz, wie von der Klägerin in ihrer Schadensberechnung vorgenommen, ist nicht zu beanstanden.

Was für eine Lizenzgebühr geschuldet ist, richtet sich nach dem Lizenztyp. Im Grundsatz kommen zwei Arten der Lizenz in Betracht, einmal die Pauschallizenz, bei der die Lizenz gegen Zahlung eines einmaligen Pauschalbetrags gewährt wird, oder die Stücklizenz, bei der der Lizenzbetrag von der Stückzahl des lizenzierten Produkts abhängig gemacht wird (Goldmann in BeckOK Markenrecht, aaO., § 4, Rn. 767). Die Umsatzlizenz, bei der der Lizenznehmer einen festgelegten Prozentsatz seines Erlöses entrichtet, ist ein Sonderfall der Stücklizenz (Goldmann, ebenda).

Eine Umsatzlizenz kommt auch dann in Betracht, wenn – wie hier – das verletzte Kennzeichen ausschließlich in der Werbung verwendet wird (Goldmann in BeckOK Markenrecht, aaO., § 14 Rn. 768.1; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, BeckRS 2017, 149297 – Große Inspektion für Alle [Betragsverfahren]). Der Berechnung einer fiktiven Lizenzgebühr auf der Basis einer Umsatzlizenz steht dabei nicht entgegen, dass es bei der Werbung keinen Umsatz gibt, der sich allein auf das markenrechtsverletzende Verhalten des Schädigers bezieht, wenn dieser – wie hier – eigene Produkte vertreibt und diese abgesehen von der markenverletzenden Werbung auch ordnungsgemäß feilbietet. Der Unterschied zwischen der Benutzung der Marke für eine Produktionsnachbildung und der Benutzung im Zusammenhang mit einer Werbung für eine eigene – erlaubte – Tätigkeit ist vielmehr bei der Höhe des zu bildenden fiktiven Lizenzsatzes zu berücksichtigen, so wie es auch das OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in der zitierten Entscheidung getan hat (OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, Urteil vom 09.02.2017, 5 U 222/12, juris, Rn. 78 „maßvoll milder“).

Gegen die vom Landgericht gewählte Berechnungsmethode kann ferner nicht eingewandt werden, dass sich die Lizenzgebühr auch an der Art und dem Umfang der beanstandeten Werbemaßnahme, insbesondere an der Anzahl der versandten Werbeschreiben, orientieren könnte. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Höhe der zu zahlenden Lizenz nach der vom Verletzer betriebenen Werbung zu bemessen (vgl. BGH, GRUR 2006, 143, 146 – Catwalk). Die Anknüpfung der Lizenzgebühr an Art und Umfang des Werbeaufwands ist aber nicht per se besser geeignet als die Anknüpfung an den Umsatz, um die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr zu ermitteln. Denn auch bei der Anknüpfung an die Art und den Umfang der Werbemaßnahme müsste die für das einzelne Werbeschreiben angemessene Gebühr anhand allgemeiner Kriterien ermittelt werden. Gleiches gilt für die Ermittlung der Gebühr, die für den Werbeauftritt im Internet zu zahlen wäre. Dass auf diesem Weg genauer bzw. besser eingeschätzt werden könnte, welche Höhe die fiktive Lizenzgebühr hat, ist nicht ersichtlich, wie schon der Streit der Parteien darüber zeigt, ob ein Betrag von 1,50 EUR pro Werbeflyer realistisch wäre.

c)

Im vorliegenden Fall erscheint ein fiktiver Lizenzsatz von 5% angemessen.

aa)

Eine eigene Lizenzierungspraxis der Klägerin, die Maßstab für den anzuwendenden Lizenzsatz sein könnte (vgl. hierzu Goldmann in BeckOK MarkenR, aaO., § 14, Rn. 770), gibt es nicht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Lizenzen für die streitgegenständliche Wortmarke vergibt.

bb)

Entgegen den Angriffen der Berufung kann auch nicht auf branchenübliche Vergütungssätze abgestellt werden, denn branchenübliche Vergütungssätze gibt es laut Klägerin nicht und die Beklagte bestreitet diese Behauptung der Klägerin nicht substantiiert. Die Beklagte verlangt lediglich, dass die Klägerin zu den branchenüblichen Vergütungssätzen vorträgt, hält aber keinen Vortrag dazu, dass es diese Vergütungssätze überhaupt gibt bzw. welche Höhe diese Vergütungssätze haben.

cc)

Die marktübliche Lizenz muss daher nach allgemeinen Kriterien geschätzt werden. Dabei kommt den „üblichen Lizenzsätzen“ als Ausgangspunkt der Beurteilung eine besondere Bedeutung zu (BGH, GRUR 2010, 239, Rn. 25 – BTK; Goldmann in BeckOK MarkenR, aaO., § 14, Rn. 769).

Der BGH hat einen Rahmen zwischen 1% und 5% vom Netto-Umsatz nicht beanstandet (BGH GRUR 2010, 239, Rn. 25 – BTK). Rechtsprechung und Literatur geben diese Spanne bei Marken- und Kennzeichenverletzungen nahezu übereinstimmend an (vgl. Goldmann in BeckOK Markenrecht, aaO., § 14, Rn. 769 mwN; Thiering, aaO., § 14 Rn. 707). Die gerichtliche Praxis bewegt sich selbst bei äußerst wertvollen, berühmten Marken und Unternehmenskennzeichen wie „Mercedes“ fast durchgängig in dieser Bandbreite (LG Düsseldorf, BeckRS 2004, 11251). Nur ganz selten finden sich höhere Werte (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, NJOZ 2001, 1442: 15% – BOSS HUGO BOSS) oder niedrigere Werte (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
BeckRS 2009, 23081: 0,25% – Haushaltsschneidewaren II). Die angegebene Spanne bleibt aber auch in solchen Fällen der anerkannte Rahmen und die Abweichung wird jeweils gesondert gerechtfertigt (Goldmann in BeckOK MarkenR, aaO., § 14 Rn. 769; zur Kritik hieran, weil der Korridor mit 0% bis 20% breiter sei, vgl. Goldmann, aaO., Rn. 769.1 und Binder, GRUR 2012, 1168; letzterer auch instruktiv zur Historie der „1% – 5%“ in Literatur und Rechtsprechung).

dd)

Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls ist ein Lizenzsatz von 5%, d.h. ein Lizenzsatz am oberen Rand der „üblichen Lizenzsätze“ angemessen. Im Einzelnen:

(i)

Eine wichtige Rolle für die Bemessung des Lizenzsatzes ist der Bekanntheitsgrad und der Ruf des verletzten Kennzeichens (BGH, GRUR 2010, 239, Rn. 25 – BTK; GRUR 1966, 375, 378 – Meßmer Tee II; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
BeckRS 2014, 174 sub 3.a) – Fair Play II; Goldmann in BeckOK MarkenR, aaO., § 14, Rn. 772).

Der Bekanntheitsgrad der klägerischen Marke bei Gerüstbauunternehmen ist nach dem unbestrittenen und zudem durch Gutachten belegten (Anlage K5, Bl. 26) Vortrag der Klägerin überragend. Er liegt bei 88,5%.

Da es nach dem Klägervortrag in Deutschland nur etwa 2.500 Gerüstbau-Betriebe gibt, ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Großteil der streitgegenständlichen Werbebriefe nicht an Gerüstbaubetriebe versandt wurden, sondern an sonstige Betriebe, die Gerüste nur in kleineren Mengen benötigen, wie z.B. Maler, Stuckateure oder Maurer. Dass die Klägerin auch in diesen Verkehrskreisen einen Bekanntheitsgrad von annähernd 90% hätte, ist nicht dargelegt. Es wäre aber verfehlt, eine überragende Bekanntheit nur in Bezug auf den kleinen Teil der Werbeadressaten anzunehmen, bei dem es sich um Gerüstbauunternehmen handelt. Dies ließe zum einen unberücksichtigt, dass Gerüstbau-Unternehmen die Hauptabnehmer der Produkte der beiden Parteien sind. Von den in der als Anlage K20 vorgelegten Auskunft erfolgten 145 Bestellungen sind immerhin 41 Bestellungen von Firmen erfolgt, die schon ihrem Namen nach als Gerüstbauunternehmen zu erkennen sind. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Bekanntheitsgrad der klägerischen Marke bei anderen Berufsgruppen, die gleichfalls häufiger Gerüste benötigen, zwar geringer ist als bei Gerüstbauunternehmen, dass er aber auch bei diesen Fachkreisen immer noch relativ hoch ist. Der Bekanntheitsgrad der Klägerin ist daher ein gewichtiges Argument für einen höheren Lizenzsatz.

(ii)

Das Ausmaß der Verwechslungsgefahr durch die Verletzungshandlung der Beklagten ist als sehr hoch einzustufen, denn die Beklagte hat das Zeichen der Klägerin für dieselben Waren verwendet wie die Klägerin.

Insbesondere die Gestaltung des Briefumschlags ist dabei von ausschlaggebender Bedeutung, denn sie vermittelt durch die hervorgehobene Wortmarke der Klägerin nicht nur bei flüchtigem Hinsehen den Eindruck, dass die Werbesendung von der Klägerin stammt. Die Beklagte nutzt die klägerische Marke hier dazu, um die Werbeadressaten zur Öffnung der Werbesendung zu verleiten unter Vorspiegelung der Tatsache, dass es sich um ein Werbeschreiben der Klägerin handeln würde. Und vertieft sich der Kunde in die Werbesendung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich ernsthaft mit dem Angebot der Beklagten beschäftigt und schlussendlich möglicherweise auch eine Bestellung tätigt, deutlich an.

Damit ist auch die Intensität der Beeinträchtigung der klägerischen Marke durch die Nutzung des identischen Zeichens sehr hoch (vgl. hierzu Goldmann in BeckOK Markenrecht, aaO., § 14, Rn. 773). Die Argumentation der Beklagten in diesem Zusammenhang, dass die Intensität der Markenverletzung gering sei, weil die Beklagte grundsätzlich berechtigt gewesen sei, auf die bestehende Vermischungszulassung hinzuweisen, verkennt den entscheidenden Unterschied, der darin liegt, dass das Werbeschreiben in seiner äußeren Aufmachung den Eindruck erweckt, es stamme von der Klägerin oder zumindest von einem mit der Klägerin verbundenem Unternehmen. Aus diesem Grund handelt es sich auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um eine Benutzung der klägerischen Marke, die „gerade so“ die Grenze zur Markenverletzung überschreite. Und deshalb ist es auch nicht richtig, dass die angesprochenen Fachkreise die Verwendung der Marke der Klägerin zusammen mit dem Hinweis auf die Vermischungszulassung als bloßen Hinweis auf die behördlich genehmigte Kompatibilität der Produkte der Parteien verstünden.

Damit einher geht – wie vom Landgericht zutreffend hervorgehoben – für die Klägerin die Gefahr, dass sie Kunden verliert, die durch diese Werbemethode statt bei ihr bei der Beklagten bestellen. Und aufgrund der Besonderheit, dass Gerüstsysteme untereinander nicht beliebig kompatibel sind, hat eine solche Kaufentscheidung für ein Gerüstsystem der Beklagten zur Folge, dass auch für Folgeinvestitionen die Wahrscheinlichkeit steigt, dass der Kunde bei der Beklagten kauft, auch wenn Letzteres wegen der Vermischungszulassung der Produkte der Beklagten mit denen der Klägerin nicht zwingend ist.

(iii)

In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der streitgegenständlichen Werbe-E-Mail immerhin knapp 35.000 Empfänger unmittelbar angesprochen hat und zudem über die Veröffentlichung der Werbematerialien auf ihrer Internetseite auch den gesamten deutschen Markt für Gerüste und Gerüstbauteile.

Der Streit der Parteien darüber, ob dieser deutsche Markt aus 200.000 potentiellen Kunden besteht und die Werbe-E-Mail daher nur etwa 1/6 dieser potentiellen Kunden erreicht habe – so die Beklagte – oder nur aus ca. 2.500 Gerüstbauunternehmer – so die Klägerin – erscheint dabei von untergeordneter Bedeutung, weil es sich bei den ca. 2.500 Gerüstbauunternehmern in Deutschland unzweifelhaft um die Kundengruppe handelt, die im Schnitt den größten Bedarf an Gerüstbaumaterialien hat und die von der Beklagten daher nach Möglichkeit mit der Werbe-E-Mail bedacht worden sein dürfte, während der Umstand, dass nicht jeder Maler- oder Lackierbetrieb eine derartige Mail erhalten hat, von geringerem Gewicht ist.

(iv)

Zu berücksichtigen ist ferner das Alter der klägerischen Marke, weil ein höheres Alter mit einer höheren Rechtssicherheit für den Lizenznehmer verbunden ist. Auch dies spricht für eine tendenziell höhere Lizenzgebühr, denn die klägerische Marke ist immerhin bereits seit dem Jahr 1988 eingetragen.

(v)

Ein Kriterium für die Bemessung der Lizenzgebühr ist ferner die Stärke der jeweiligen Verhandlungsposition (Goldmann in BeckOK Markenrecht, aaO., § 14, Rn. 771). Eine besonders starke Verhandlungsposition des Rechtsinhabers kann sich ebenso wie eine besonders schwache Position des Lizenznehmers bei tatsächlich ausgehandelten Lizenzverträgen lizenzerhöhend auswirken. Dabei muss allerdings der Umstand ausgeblendet werden, dass der Verletzer das verletzte Kennzeichen tatsächlich benutzt hat und damit – in der Rückschau – auf eine Lizenzierung angewiesen gewesen wäre, um rechtmäßig handeln zu können (Goldmann in BeckOK MarkenR, aaO., § 14, Rn. 771.1).

Dieses Kriterium spricht hier für eine tendenziell höhere Lizenzgebühr, denn die Klägerin hat eine starke Verhandlungsposition, da sie nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag in der Klageschrift die führende Herstellerin von Gerüsten und Gerüstsystemen in Deutschland und Europa ist, ihr Marktanteil bei Gerüstsystemen in Deutschland bei über 45% liegt und sich ihre Gerüstsysteme als Referenzmaßstab durchgesetzt haben.

(vi)

Zu berücksichtigen ist ferner ein Marktverwirrungsschaden, der darin liegt, dass durch die streitgegenständliche Verletzungshandlung falsche Vorstellungen über die Herkunft der Waren der Beklagten erweckt wurden. Für die Entstehung eines solchen Schadens besteht bei der Verletzung einer benutzten Marke – wie hier – eine tatsächliche Vermutung (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., § 14, Rn. 716). Demgemäß hat auch die Klägerin vorgetragen, dass sich mehrere ihrer Kunden im Anschluss an die Werbesendung erkundigt hätten, ob die Klägerin eine Zweitmarke „Y“ gestartet habe.

Der Senat geht allerdings davon aus, dass sich der Marktverwirrungsschaden in Grenzen hält. Dass es sich bei den von der Klägerin geschilderten Anfragen um mehr als nur einige wenige Einzelfälle gehandelt hat, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Und der überwiegende Teil der sachkundigen Adressaten der Werbung dürfte im Regelfall spätestens bei der Bestellung bemerkt haben, dass er nicht bei der Klägerin bzw. bei einem mit ihr verbundenen Unternehmen kauft.

(vii)

Bei der Dauer der Verletzungshandlung ist zu berücksichtigen, dass die Werbesendung nur einmal versandt wurde, die Werbematerialien aber vom 01.02.2017 bis 16.03.2017 auf der Webseite der Beklagten eingestellt und allgemein zugänglich waren. Davon auszugehen ist, dass die markenverletzende Werbung zudem auch eine gewisse Nachwirkung hat (vgl. OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, Urteil vom 09.02.2017, 5 U 222/12, juris, Rn. 68).

Im Hinblick auf diese Nachwirkung erscheint der vom Landgericht herangezogene Zeitraum vom 01.02.2017 bis 30.04.2017 zur Beurteilung des Umsatzes angemessen. Einwendungen hiergegen hat die Beklagte mit ihrer Berufung nicht erhoben.

(viii)

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Beklagte keine fremden Erzeugnisse nachgebildet oder vertrieben hat, sondern lediglich in ihrer Werbung die Marke der Klägerin zur Erzeugung einer Verwechslungsgefahr verwendet hat.

Denn dadurch verhält es sich im vorliegenden Fall anders als bei einer Markenverletzung, die dadurch erfolgt, dass die Marke des Verletzten auf dem Produkt angebracht wird. Hätte die Beklagte im vorliegenden Fall gemäß dieser zuletzt genannten Variante Gerüstsysteme angeboten oder verkauft, die mit der Marke der Klägerin versehen wären, so stünde außer Frage, dass jedes mit der Marke der Klägerin versehene Produkt der Beklagten zu dem Umsatz zählt, aus dem die Lizenzgebühr zu berechnen ist. Sind jedoch nicht die Gerüstteile selbst mit der Marke versehen, sondern wurde die Marke „nur“ in der Werbung verwendet, so muss berücksichtigt werden, dass die Berechnung auf der Basis einer Umsatzlizenz dazu führt, dass alle im fraglichen Zeitraum verkauften Gerüstbauteile der Beklagten als Umsatz zugrunde gelegt werden, nicht nur die, die aufgrund der streitgegenständlichen Werbung verkauft wurden und damit gleichsam als mit der Marke der Klägerin versehen betrachtet werden können. Dem lässt sich auch nicht dadurch begegnen, dass Umsätze mit Altkunden außer Betracht bleiben, denn die Aufteilung von Umsätzen unter Kausalitätsüberlegungen ist bei der Bemessung des Lizenzentgelts wenig praktikabel. Gegen eine solche Aufteilung spricht zudem der Umstand, dass diese Art der Lizenz eine Vergütung für die Benutzung des Kennzeichens und nicht für deren wirtschaftlichen Erfolg darstellt (BGH, Urteil vom 29.07.2009, I ZR 169/07 – BTK – juris, Rn. 38).

Bei der vorliegenden Art der Markenverletzung fällt deshalb besonders ins Gewicht, dass der Umsatz der Beklagten auch im fraglichen Zeitraum nur zu einem geringen Prozentsatz auf der streitgegenständlichen Werbung beruht. Die Beklagte hat insoweit unbestritten vorgetragen, dass sich ihre Umsätze vor, während und nach der Werbung in der gleichen Größenordnung bewegt hätten. Dies ist bei der Bemessung der Höhe des fiktiven Lizenzsatzes, der an den Gesamtumsatz anknüpft, der mit den beworbenen Gerüstbauteilen erzielt wurde, lizenzmindernd zu berücksichtigen.

(ix)

Der Schätzung des fiktiven Lizenzsatzes auf 5% steht die Umsatzrendite der Beklagten nicht entgegen.

Ein vernünftiger Lizenznehmer wird allerdings regelmäßig kein Lizenzentgelt vereinbaren, das doppelt so hoch ist wie der zu erwartende Gewinn, auch wenn sich dem Lizenznehmer aufgrund der Benutzung eines wertvollen Unternehmenskennzeichens häufig die Chance eröffnet, mit höheren Preisen kalkulieren zu können. Je geringer jedoch die branchenübliche Umsatzrendite und je umkämpfter damit der Markt ist, desto weniger wird es dem Lizenznehmer möglich sein, höhere Preise am Markt durchzusetzen. Die branchenübliche Umsatzrendite hat deshalb Einfluss auf den objektiven Wert der Nutzungsberechtigung (BGH, ebenda).

Nach dem von der Beklagten in der erteilten Auskunft (Anlage K14) vorgetragenen Gewinn lag die Umsatzrendite bei 15,6% (104.742,06 EUR ./. 669.523,67 EUR) und damit deutlich über dem fiktiven Lizenzsatz. Nicht zu folgen ist dabei dem Begehren der Beklagten, bei der Berechnung der Umsatzrendite den um die Gemeinkosten geschmälerten Gewinn zugrunde zu legen, denn diese Gemeinkosten hätte die Beklagte ohnehin gehabt und die Kosten für die konkrete Werbung sind berücksichtigt. Aber selbst unter Berücksichtigung aller Gemeinkosten hätte die Umsatzrendite nach dem Vortrag der Beklagten in erster Instanz um die 7% betragen. Aus dem Vortrag in zweiter Instanz zur Rendite ergibt sich nichts Anderes, da auf die Rendite im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 30.04.2017 abzustellen ist und nicht auf die Rendite für das gesamte Jahr.

Soweit die Beklagte einwendet, dass für die Berechnung im Wege der Lizenzanalogie nur der Gewinn relevant sei, den die Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags prognostiziert hätten, und nicht der tatsächlich erzielte Gewinn, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Die Beklagte trägt keinen Umstand vor, der dafür spräche, dass die Parteien Anfang Februar 2017 eine geringere Umsatzrendite prognostiziert hätten.

Und der weitere Einwand in diesem Zusammenhang, dass der größte Teil des Umsatzes mit Bestandskunden erzielt worden sei, die ohnehin bei der Beklagten bestellt hätten, verkennt, dass sich ein Lizenzgeber gerade nicht auf ein Lizenzmodell einlassen würde, bei dem er nachweisen müsste, dass der Lizenznehmer mit der Werbung Neukunden gewonnen hat (BGH GRUR 2010, 239, Rn. 37f.).

(x)

Nicht richtig ist der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin bei der Berechnung ihres Schadensersatzes die Schadensberechnungsmethoden „Verletzergewinn“ und „Lizenzanalogie“ vermischt habe. Insbesondere ist die von der Beklagten vorgenommene Berechnung eines Verletzergewinns in Höhe von etwas mehr als 5.000 EUR kein Beleg dafür, dass der im Wege der Lizenzanalogie berechnete Schadensersatzanspruch nicht deutlich höher liegen kann. Die Höhe des Schadensersatzes ist nicht deshalb zu begrenzen, weil eine andere als die gewählte Berechnungsmethode zu einem abweichenden, niedrigeren Ergebnis führt. Im Einzelfall unterschiedliche Ergebnisse beeinträchtigen die Freiheit der Wahl der Berechnungsmethode nicht (Goldmann in BeckOK MarkenR, aaO., § 14, rn. 814). Dahinstehen kann daher, ob der Berechnung der Beklagten zur Höhe ihres angeblichen Verletzergewinns überhaupt zu folgen wäre.

(xi)

Aufgrund der obigen Umstände erschiene dem Senat ohne Berücksichtigung des Umstands, dass die Markenverletzung in der Werbung erfolgt ist, ein Lizenzsatz von etwa 15% für angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Spanne üblicher Vergütungssätze teilweise ohnehin deutlich über 5% hinausgeht (vgl. die Tabelle zur Häufigkeitsverteilung von Lizenzraten bei Binder, GRUR 2012, 1168, 1187). Ein Lizenzsatz von 15% entspräche in etwa der Gewinnspanne der Beklagten, die bei einer Lizenzvereinbarung wegen der Auswirkungen in der Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit voll abgeschöpft worden wäre, da sich die streitgegenständliche Werbung für die Beklagte wegen der damit verbundenen „Türöffnungsfunktion“ selbst dann lohnen würde, wenn zunächst unter dem Strich kein Gewinn hängen bliebe. Einer Schadensschätzung in dieser Höhe stünde daher der Erfahrungssatz, dass vernünftig denkende Parteien jedenfalls keinen Lizenzsatz vereinbaren, der die durchschnittliche Umsatzrendite seiner Branche erheblich übersteigt (BGH GRUR 2010, 239, Rn. 49 f. – BTK), nicht entgegen.

Im Hinblick darauf, dass die Lizenzgebühr an einen Umsatz anknüpft, der nur zu einem geringen Teil auf der Markenverletzung der Beklagten beruht, hält der Senat jedoch eine deutliche Herabsetzung dieses andernfalls angemessenen Lizenzsatzes für gerechtfertigt und bemisst den insoweit erforderlichen Abschlag auf zwei Drittel, d.h. auf zehn Prozentpunkte. Dies führt unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu einer fiktiven Lizenzgebühr von 5% des Umsatzes der Beklagten, wie er in ihrer Auskunft angegeben worden war.

d)

Der zugrunde zu legende Netto-Umsatz (vgl. Goldmann in BeckOK MarkenR, § 14, Rn. 769) betrug nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts 670.980,17 EUR. 5% hiervon sind 33.549,01 EUR bzw. – geringfügig aufgerundet – 33.550,00 EUR.

3.

Zinsen sind ab dem Zeitpunkt zuzusprechen, ab dem Lizenzgebühren zu entrichten gewesen wären (Thiering, aaO., § 14 Rn. 714). Dies wäre bei einer unterstellten Lizenzierung zum 01.02.2017 nach den Feststellungen des Landgerichts das Datum der Lizenzierung gewesen. Einwände hiergegen erhebt die Berufung nicht.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen. Wie bei einer Markenverletzung wie der vorliegenden der Schaden im Wege der Lizenzanalogie zu berechnen ist, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

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Schlagworte: Lizenzanalogie, MarkenG § 14 Abs. 6, Markenrechte, Markenverletzung, Verletzergewinne