HGB §§ 119, 164
1. Die Gesellschafter einer Personengesellschaft haben ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen, die ihre mitgliedschaftlichen Rechte unmittelbar berühren (vgl. BGH, WM 1991, 509; BGH, NJW 1999, 3113).
2. Das Feststellungsinteresse entfällt nicht wegen der behaupteten bloß „deklaratorischen“ Wirkung einzelner Beschlüsse. Dieser Umstand mag die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Beschlüsse begründen. Dies ist aber im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu klären, da die Zulässigkeit der Klage nicht von ihrer Begründetheit abhängen kann (vgl. BGH, BB 2003, 171).
3. Das Personengesellschaftsrecht kennt für die Geltendmachung von Beschlussmängeln anders als das Recht der Kapitalgesellschaften keine gesetzlichen oder am Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG orientierten Klagefristen (BGH NJW 1999, 3113).
4. Zwar vollzieht sich die interne Willensbildung einer Personengesellschaft durch Beschlüsse der Gesellschafter, welche die „Herren der Gesellschaft“ sind (vgl. Schulte in Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl., § 12 Rn. 1 und 11; ähnlich Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl., § 119 Rn. 10). Daraus folgt aber jedenfalls in der Kommanditgesellschaft keine umfassende Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung.
5. Die Kommanditisten sind nach § 164 Satz 1 1. Halbsatz HGB von der Geschäftsführung grundsätzlich ausgeschlossen; die Komplementäre unterliegen nicht den Weisungen der Kommanditisten (vgl. Schilling in Staub, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 14). Können demnach nur die geschäftsführenden Gesellschafter, nicht aber die Kommanditisten über Geschäftsführungsmaßnahmen beschließen, kann auch eine aus geschäftsführenden Gesellschaftern und nicht geschäftsführungsbefugten Kommanditisten bestehende Gesellschafterversammlung mangels Beschlusskompetenz keine Beschlüsse fassen. Die gesetzliche Regelung ist allerdings nicht zwingend. Durch den Gesellschaftsvertrag kann hiervon zugunsten der Kommanditisten abgewichen werden, bis hin zur Begründung eines Weisungsrechts der Kommanditisten in Fragen der gewöhnlichen Geschäftsführung (vgl. Schilling in Staub, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 8 und 12; Hopt in Baumbach, HGB,. 33. Aufl., § 164 Rn. 7 m. w. N.).
6. Außergewöhnliche Geschäfte sind solche, die den bisher vorgegebenen Rahmen des Geschäftsbetriebs übersteigen oder außerhalb des Unternehmensgegenstands liegen oder nach Umfang oder Risiko ungewöhnlich oder ihrer Art nach dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb fremd sind; entscheidend sind jeweils die individuellen Verhältnisse der Gesellschaft (vgl. Schilling in Staub, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 3; ähnlich Grunewald in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 9; Wirth in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Band, 2. Aufl., § 7 Rn. 51).
7. Grundlagengeschäfte sind Maßnahmen, die zwar nicht zur Geschäftsführung gehören, die aber – ohne formelle Änderung des Gesellschaftsvertrages – die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses und der Beziehungen der Gesellschafter untereinander betreffen und den Gesellschaftern durch Gesetz (z.B. die Wahl des Abschlussprüfers, § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB; Freistellung eines Komplementärs vom Wettbewerbsverbot, § 112 Abs. 1 HGB) oder durch die Rechtsprechung (z.B. Gewinnverwendungsbeschluss) zur Entscheidung zugewiesen sind (vgl. Schilling in Staub, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 5; Grunewald in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 15; Wirth in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Band, 2. Aufl., § 7 Rn. 5 und 53).
8. Zwar kann die Geschäftsführungsbefugnis eines geschäftsführenden Gesellschafters durch eine Geschäfts- oder Ressortverteilung begrenzt werden. Dies gilt aber nur, wenn diese Verteilung von den Gesellschaftern selbst – etwa im Gesellschaftsvertrag – vorgenommen wird. Absprachen unter den Geschäftsführern – etwa durch eine von ihnen aufgestellte Geschäftsverteilung – begrenzen die Geschäftsführungsbefugnis dagegen nicht (vgl. Rawert in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 115 Rn. 12; Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl., § 114 Rn. 80).
9. Haben die Gesellschafter einen förmlichen Gesellschafterbeschluss gefasst, der vom Versammlungsleiter festgestellt wurde, liegt im Zweifel keine bloße Meinungsäußerung vor (vgl. BGH, BB 2003, 171).
10. Beschlüsse, die nur eine bestehende Regelung bestätigen sollen, bedürfen grundsätzlich einer Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung. Auch der bloßen Bestätigung einer bereits bestehenden Regelung kommt ein Regelungsgehalt zu, da in der Bestätigung eines Rechtsgeschäfts zugleich seine erneute Vornahme liegt und ein entsprechender Regelungswille jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Zweifel an der Wirksamkeit des bestätigten Rechtsgeschäfts bestanden.
11. Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht kann die Verpflichtung folgen, einer Vertragsänderung zuzustimmen, wenn dies dem Gesellschafter zumutbar und mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis, etwa zur Erhaltung wesentlicher gemeinsam geschaffener Werte oder zur Vermeidung nachhaltiger Verluste, erforderlich ist (vgl. Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl., § 105 Rn. 246 m. w. N.).
Schlagworte: außergewöhnliche Geschäfte, Beschlussmängel, Beschlusszuständigkeiten, Geschäftsführungsbefugnis, Geschäftsführungsmaßnahme, Klagefrist, Personengesellschaftsrecht, Rechtsschutzbedürfnis, Treuepflicht