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OLG Stuttgart, Urteil vom 26.05.2003 – 5 U 160/02

§ 43 GmbHG, § 70 BAT

1. Der Kläger hat seine Pflichten aus § 43 Abs. 1 GmbHG, wonach er „die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden“ hat, verletzt. Geschäfte mit erheblichem wirtschaftlichen Gewicht – ein solches liegt hier vor – bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit des Geschäftsführers (BGH WM 1971, 1548). Unternehmerische Entscheidungen verletzen dann nicht die gebotene Sorgfaltspflicht, wenn sie aus einer ex-ante-Sicht ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes und auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes Handeln darstellen, wobei die Bereitschaft, Risiken einzugehen, nicht in unverantwortlicher Weise überspannt werden darf; bezüglich des Verschuldens ist ein objektiv-relativer Maßstab anzulegen (BGHZ 135, 244; BGH NJW 1995, 1290; vgl. auch Hoffmann/Liebs „Der GmbH-Geschäftsführer“ Rn. 812 ff.; Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 189 ff.).

Die Bestellung des Tunnelglühofens am 18. Januar 1996 stellt nicht nur eine unternehmerische Fehlentscheidung, sondern auch einen erheblichen Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes dar. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es im wohlverstandenen Interesse der Beklagten erforderlich und richtig war, eine Millioneninvestition im Hinblick auf das Projekt „Deponierückbau“ verbindlich zu vereinbaren, trägt der Kläger (BGH NJW 2003, 358). Es ist ihm nicht gelungen solches darzulegen, bzw. zu beweisen. Der Kläger wusste, dass das gesamte Projekt auf seine Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden sollte. Zu diesem Zweck wurde im Dezember 1995 ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches im Frühjahr 1996 vorliegen sollte. In dieser Situation wäre ein Kaufmann, der auf eigene Rechnung handelt, ohne Not keine langfristige Verpflichtung eingegangen. Der Kläger erklärt lediglich, er habe nicht damit gerechnet, dass das gesamte Projekt gestoppt werde, er habe allenfalls mit einer Verkleinerung oder einer zeitlichen Verzögerung rechnen können. Er kann aber nicht nachvollziehbar erklären, warum er ausgerechnet in dieser kritischen Phase des Projekts eine Millionenverpflichtung eingegangen ist, anstatt die Vorlage des angekündigten Gutachtens abzuwarten. Von Verantwortungsbewusstsein für das Unternehmenswohl kann daher keine Rede sein, weswegen der Kläger durch die Bestellung des Ofens die Grenzen zulässigen Handelns überschritten hat.

2. Ist im Dienstvertrag eines GmbH-Geschäftsführers durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer vereinbart (hier: die Sechsmonatsfrist nach § 70 BAT), so gilt diese auch für Schadenersatzansprüche nach § 43 Abs. 2 GmbHG.

§ 2 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages nimmt auf die Vorschriften des BAT Bezug und macht diese zum Inhalt des Vertrages. § 70 BAT ist im Vertrag weder ausgeschlossen noch in irgend einer Weise modifiziert worden. Der von der Beklagten vorgebrachte, aber durch keinen substantiierten Sachvortrag untermauerte Einwand, man habe eine Ausschlussfrist nach § 70 BAT nicht vereinbaren wollen, greift nicht. Der Vertrag macht den gesamten BAT zum Vertragsinhalt, Anhaltspunkte dafür, dass gerade § 70 BAT ausgenommen sein sollte, gibt es nicht. Nicht überzeugen kann die Begründung des Landgerichts (Bl. 792 i. V. m. Bl. 715 d. A.), die Bestimmungen des BAT seien nur in Bezug auf die Besoldung des Klägers vereinbart worden. Gerade das Gegenteil ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 2. September 1996, dort Seite 49 (Bl. 78 d. A.) und Seite 51 (Bl. 80 d. A.). Die Besoldung sollte den beamtenrechtlichen Bestimmungen folgen. Auch die Systematik des Vertrags spricht nach der Überzeugung des Senats gegen die Auslegung durch das Landgericht: Die Vereinbarung der Geltung des BAT ist unter § 2 „Dienstverhältnis“ und nicht etwa unter § 5 „Vergütung“ getroffen worden. Die Vereinbarung der Geltung des BAT ist rechtlich auch nicht zu beanstanden; die Regelungen des BAT können insgesamt oder auch einzeln wirksam als Bestandteil eines Vertrages vereinbart werden, der eigentlich nicht den Regelungen des BAT unterfallen würde (BAG Urteil v. 11.01.1995 – 10 AZR 5/94).

Schlagworte: Ausschlussfrist, Darlegungs- und Beweislast, Geschäftsleiterpflichten, Haftung nach § 43 GmbHG, Innenhaftung, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Sachverständiger, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Verjährung