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OLG Thüringen, Beschluss vom 01.11.2006 – 1 Ws 290/06

§ 78 StGB, § 78a StGB, § 263 StGB, § 264 StGB, § 203 StPO, § 210 Abs 2 StPO, § 1 SubvG, § 4 SubvG, § 255 Abs 1 HGB

1. Zum Begriff der subventionserheblichen Tatsachen i.S.d. § 264 StGB bei Gewährung von Investitionszuschüssen nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“.

Geht es – wie hier – um die Gewährung von Investitionszuschüssen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, sind diese Investitionszuschüsse zwar als Subventionen i.S.d. § 264 StGB anzusehen. Eine Strafbarkeit nach den beiden im vorliegenden Fall allein in Frage kommenden Tatbestandsalternativen „Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben über subventionserhebliche Tatsachen“ nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB und „In-Unkenntnis-lassen über subventionserhebliche Tatsachen“ nach § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB scheidet aber deshalb aus, weil es sich bei der (wahren) Höhe der von der ECH für den Erwerb des Gebäudes und die Sanierung und den Umbau aufgewendeten Investitionskosten jedenfalls nicht um subventionserhebliche Tatsachen i.S.d. § 264 Abs. 8 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB handelt. Subventionserheblich sind danach nur solche Tatsachen, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind oder von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich abhängig ist. Erforderlich ist also, dass ein Gesetz in formellem oder materiellem Sinne, d.h. ein Bundes- oder Landesgesetz oder eine Rechtsverordnung, mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, dass die Subventionierung nur unter einer bestimmten, konkret bezeichneten Voraussetzung erfolgt. Die Bezeichnung einer Tatsache als subventionserheblich in Verwaltungsvorschriften, Richtlinien usw. ist dagegen nicht ausreichend (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.1998, 3 StR 101/98, S. 4/5 juris-Umdruck). An dieser gesetzlichen Abhängigkeit einer Subvention vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache fehlt es bei der Gewährung von Investitionszuschüssen auf der Grundlage des zuletzt am 25.11.2003 geänderten Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vom 06.10.1969 (BGBl. I S. 1861), welches zum Zeitpunkt der Subventionsgewährung an die ECH in der Fassung der Änderung vom 24.06.1991 (BGBl. I S. 1322) vorgelegen hat. Denn dieses Gesetz benennt selbst überhaupt keine Voraussetzungen für die Vergabe von Investitionszuschüssen aus Mittel der Gemeinschaftsaufgabe. Diese sind allenfalls in den nach § 4 des Gesetzes aufgestellten Rahmenplänen – hier dem für den Zeitraum 1996 bis 1999 gültig gewesen 25. Rahmenplan (BT-Drucksache 13/4291) –, die durch einen nach § 6 des Gesetzes aus Mitgliedern der Bundes- und der Landesregierungen gebildeten Planungsausschuss regelmäßig beschlossen werden, und in den dem Bewilligungsbescheid vom 11.11.1996 inkorporierten Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) beschrieben. Schließlich bezeichnet auch das Subventionsgesetz (SubvG) vom 29.07.1976 (BGBl. I S. 2034), das nach seinem § 1 Abs. 1 grundsätzlich für alle Subventionen i.S.d. § 264 StGB gilt, keine konkreten Vergabevoraussetzungen und damit auch keine subventionserheblichen Tatsachen gerade für solche Investitionszuschüsse, wie sie vorliegend der ECH gewährt worden sind. Die Anwendbarkeit des § 264 StGB wird daher auch nicht durch den in Abschnitt V des Zuwendungsbescheides vom 11.11.1996 enthaltenen Hinweis begründet, die Umstände, die das SubvG als maßgeblich für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung und Weitergewährung oder das Belassen bezeichne, seien subventionserhebliche Tatsachen i.S.d. § 264 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.1998, 3 StR 101/98, S. 5 juris-Umdruck).

Der Umstand, dass im vorliegenden Fall ein Subventionsbetrug ausscheidet, steht einer möglichen Strafbarkeit der Angeschuldigten Dr. R. und U. B. wegen Betruges nicht entgegen. Zwar stellt § 264 StGB im Verhältnis zu § 263 StGB grundsätzlich eine abschließende Sonderregelung dar. Ist diese allerdings nicht anwendbar, liegen aber die Voraussetzungen des versuchten oder vollendeten Betruges vor, so lebt die Strafbarkeit nach § 263 StGB wieder auf, da anderenfalls eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Strafbarkeitslücke entstünde und im Subventionsbereich agierende Betrüger ungerechtfertigt privilegiert würden (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.1998, 3 StR 101/98, S. 9 juris-Umdruck). § 263 StGB bleibt somit anwendbar, wenn falsche Angaben über Tatsachen gemacht werden, die zwar materiell für die Subventionsentscheidung von Bedeutung, aber nicht formell subventionserheblich i.S.d. § 264 Abs. 8 StGB sind.

2. Zum Verjährungsbeginn bei Betrug im Zusammenhang mit Investitionssubventionen.

Ein Betrug nach § 263 StGB ist mit der formellen Verwirklichung des Tatbestandes, d.h. mit dem Eintritt des Vermögensschadens beim Opfer als tatbestandlichem Erfolg vollendet, ohne dass es darauf ankäme, ob der Täter seine auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils gerichtete Bereicherungsabsicht zeitgleich damit bereits verwirklicht hat. Beendet ist das Delikt dagegen erst, wenn der Täter den Vermögensvorteil tatsächlich erlangt (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 27. Aufl. 2006, § 263 Rn. 178 m.w.N.). Daraus folgt umgekehrt, dass eine der Tatbestandsvollendung nachfolgende gesonderte Beendigungsphase im Sinne einer tatbestandlichen „Nachzone“ beim Betrug nur insoweit in Betracht kommt, als der Täter den angestrebten Vermögensvorteil (ausnahmsweise) nicht schon gleichzeitig mit dem Eintritt des Vermögensschadens beim Opfer erlangt hat. Indem allein auf die Verwirklichung des angestrebten Vermögensvorteils abgestellt wird, bestimmt sich der für den Beginn der Verjährung entscheidende Beendigungszeitpunkt nur nach dem im vorliegenden Fall einschlägigen Straftatbestand des § 263 StGB (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 22.02.2006, 5 St RR 012/06, 5 St RR 12/06, S. 3 juris-Umdruck) und nicht nach außerstrafrechtlichen Kriterien wie etwa der konkreten Ausgestaltung des von der TAB durchgeführten Subventionsverfahrens.

3. Mitbestrafte Nachtat als selbständiger Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit bei verjährter Haupttat.

Die Vorlage des Verwendungsnachweises vom 25.01.1999 könnte nach den obigen Ausführungen allenfalls eine Nachtat zu einem bereits abgeschlossenen Betrug sein. Bei einer Nachtat handelt es sich um eine selbständige – als solche tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte – Handlung, die aber in der Regel nicht strafbedürftig ist, da durch sie lediglich die Erfolge einer vorangegangenen Haupttat gesichert, ausgenutzt oder verwertet werden. Der Unrechtsgehalt der Nachtat wird durch die Bestrafung der in erster Linie strafwürdigen Haupttat mit abgegolten. Voraussetzung ist, dass der Nachtat gegenüber der Haupttat letztlich gar kein eigenständiger Unrechtsgehalt zukommt, weil die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß Allerdings bleibt die Nachtat auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nur dann und deshalb „straflos“, wenn und weil sie durch die Strafe für die Haupttat schon hinreichend gesühnt wird. Kann eine Bestrafung der Haupttat aus irgendwelchen Gründen – etwa wie hier wegen eingetretener Verjährung – nicht erfolgen, entfällt der Grund für die Straflosigkeit der Nachtat (vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2000, 3 StR 19/00, S. 3 juris-Umdruck; BGH, Beschluss vom 27.10.1992, 5 StR 517/92, S. 4 juris-Umdruck; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Beschluss vom 11.07.2005, 1 Ws 11/04, S. 4 juris-Umdruck). Voraussetzung für ein solches „Aufleben“ der Strafbarkeit der Nachtat ist aber, dass es sich tatsächlich um eine „echte“ Nachtat handelt, durch die alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale – hier des Betruges – rechtswidrig und schuldhaft erfüllt sind. Daran fehlt es hier.hinaus erweitert wird.

4. Zur Berechnung der subventionsrelevanten Anschaffungskosten.

Lediglich ergänzend ist Folgendes anzumerken: Definiert man den in Ziffer 2.6.1., Spiegelstrich 1 des 25. Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 1996 – 1999 verwendeten Begriff der „Anschaffungskosten“ in Übereinstimmung mit Ziffer 2.9.3 Satz 5 des Rahmenplans in dem dem Einkommensteuergesetz und der Einkommensteuer-Richtlinie zugrundliegenden Sinne nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB als „die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben“, so haben die Anschaffungskosten der ECH für das von der H. H. GmbH erworbene Grundstück 13.868.750 DM betragen. Denn die Anschaffungskosten werden schon nach dem Wortlaut des § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB („um zu erwerben“) allein durch die Gegenleistung bestimmt (Prinzip der Maßgeblichkeit der Gegenleistung). Diese Gesetzesformulierung schließt es aus, Aufwendungen, die nur mittelbar dem Zweck der Anschaffung dienen, noch als Anschaffungskosten zu betrachten (vgl. Beck’scher Bilanzkommentar, 6. Aufl. 2006, § 255 HGB, Rn. 20 bis 22). Dementsprechend können auch die Kosten in Höhe von 10.000.000 DM, welche die ECH insgesamt für den Erwerb der beiden Darlehensteilforderungen aufgewendet hat (10.000.000 DM für den Kauf der Darlehensteilforderung von 10.000.000 DM von der HBE und 0,- DM für die als Kommanditeinlage von dem Angeschuldigten Dr. R. B. in die ECH eingebrachte Darlehensteilforderung von 3.868.750 DM), nicht als Anschaffungskosten des Grundstücks i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB angesehen werden.

Schlagworte: Haftung wegen Subventionsbetruges gemäß § 264 StGB