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LG München I, Urteil vom 31. Mai 2007 – 5HK O 11977/06

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Krise
operative Untätigkeit in der Krise

§ 77 AktG, § 92 AktG, § 93 Abs 2 S 1 AktG, § 110 Abs 1 S 1 AktG

1. In der Situation einer Krise oder der Möglichkeit der Krise ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats verpflichtet, eine Sitzung des Aufsichtsrats einzuberufen. Unterlässt er dies und wären auf der Sitzung Maßnahmen zur Behebung der Krise beschlossen worden, so ist er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt vor allem dann, wenn der Vorstand und/oder ein anderes Mitglied des Aufsichtsrats die Einberufung einer Sitzung des Aufsichtsrats verlangt. Im Falle der Insolvenz der Gesellschaft, beläuft sich der Schaden auf die Höhe des Eigenkapitals.

2. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass auch bei Durchführung der Maßnahmen die Insolvenz eingetreten wäre, weil den von anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats vorgeschlagenen Maßnahmen insbesondere auch auf der Hauptversammlung nicht zugestimmt worden wäre, trifft das Mitglied des Aufsichtsrats.

Tenor

I. Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 330.000,– nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 15.7.2006 zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 1/3, die Beklagten zu 1) und zu 2) gesamtschuldnerisch 2/3. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) und zu 2) gesamtschuldnerisch 2/3. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3). Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV. Das Urteil ist für die Klägerin sowie die Beklagte zu 3) jeweils vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus abgetretenem Recht wegen des Vorwurfs von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit in Organen einer Aktiengesellschaft.

Tatbestand

I.

1. Im Jahr 2001 entstand die Kloster … (im Folgenden: …) durch formwechselnde Umwandlung der Kloster … mit Sitz in …; die … war eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB …. Die Satzung dieser Aktiengesellschaft (Anlage K 2) enthielt u.a. folgende Regelungen:Randnummer2

„§ 2
Gegenstand des Unternehmens
        
(1) Gegenstand des Unternehmens sind der Betrieb von Gaststätten, der Erwerb oder die Anpachtung von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten, die für den Betrieb von Gaststätten geeignet sind; die Entwicklung von Gastronomiekonzepten; die Verpachtung von Gaststätten; die Erbringung von Serviceleistungen für gastronomische Betriebe; der Vertrieb von Waren des Klosters … und anderer Produzenten für gastronomische Betriebe; die Entwicklung und Durchführung von verkaufsfördernden Maßnahmen; die Entwicklung von Marken und Ausstattungen sowie deren markenrechtlicher Schutz; die Übertragung und Einräumung von Nutzungsrechten an eingetragenen und nicht eingetragenen Schutzrechten.

Randnummer3

§ 4
Höhe und Einteilung des Grundkapitals
        
(1) Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt EUR 330.000,00. Es ist eingeteilt in Aktien im Nennbetrag von je EUR 1,00.
        
(2) Die Aktien lauten auf den Inhaber.
…       
(5) Der Vorstand wird ermächtigt mit Zustimmung des Aufsichtsrats innerhalb von fünf Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft das Grundkapital einmalig oder mehrfach um bis zu insgesamt EUR 165.000,00 durch Ausgabe neuer auf den Inhaber lautender Aktien zum Nennbetrag von je EUR 1,00 zu erhöhen (genehmigtes Kapital). Die Kapitalerhöhungen können gegen Bar- oder Sacheinlagen erfolgen. Der Vorstand ist ferner ermächtigt, jeweils mit Zustimmung des Aufsichtsrates über den Ausschluss des BezugsrechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausschluss
Ausschluss des Bezugsrechts
der Aktionäre zu entscheiden.

Randnummer4

§ 7
Ethik-Klausel
        
Die Vorstände verpflichten sich, alles zu unterlassen, was im Widerspruch zum klösterlichen Charakter der Abtei … zu … und … steht.

Randnummer5

§ 8
Zusammensetzung, Wahl, Dauer
        
(1) Der Aufsichtsrat besteht aus sechs Mitgliedern.
        
(2) Das Benediktinerstift … zu … und … in seiner Eigenschaft als Alleininhaber der Klosterbrauerei … und Herr … haben jeweils das Recht, ein Mitglied in den Aufsichtsrat zu entsenden. Derjenige, welchem die Ausübung des Entsendungsrechts zusteht, kann sich auch selbst in den Aufsichtsrat entsenden, soweit nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen. Die Amtszeit der entsandten Aufsichtsratsmitglieder richtet sich nach der Amtszeit für die gewählten Aufsichtsratsmitglieder gemäß Ziff. 3. Ein Aufsichtsratsmitglied, das aufgrund dieser Satzung in den Aufsichtsrat entsandt ist, kann von dem Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen und durch ein anderes ersetzt werden. …“

Die Klosterbrauerei … – ein Unternehmen der Beklagten zu 3) – hielt zuletzt 139.775 Inhaberaktien und damit eine Beteiligungsquote von 42,36 %. Das Vorstandsmitglied, Herr …, war mit zuletzt 124.775 Inhaberaktien und folglich einer Quote von 37,81 % am Grundkapital der … beteiligt. Der Beklagte zu 2) gehörte seit dem 9.3.2004 aufgrund einer Bestellung durch den Aufsichtsrat der … dem Vorstand dieser Gesellschaft an.Randnummer7

Herr … und die Beklagte zu 3) trafen eine Gesellschafter- und Aktionärsvereinbarung, in der u.a. Folgendes geregelt wurde (Anlage K 4):Randnummer8

„Präambel
…       
(3) Vor dem Hintergrund, daß das … zu … und … als kirchliche Institution in besonderem Maße gefordert ist, im Geschäftsleben ethische und moralische Grundsätze zu beachten, und im Hinblick auf die Vorbildfunktion, die dem … in der Öffentlichkeit zukommt, sowie zur Wahrung des Ansehens, das das Kloster genießt, beabsichtigen die Parteien, die Kontinuität, die Unabhängigkeit sowie die weitere erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft – im Einklang mit dem klösterlichen Charakter der Abtei … und … – zu sichern. Unter anderem deshalb wollen die Parteien mit dieser Vereinbarung, soweit möglich und rechtlich zulässig, insbesondere auch zukünftig gewährleisten, daß das zwischen ihnen in der Vergangenheit erfolgreich praktizierte Einstimmigkeitsprinzip auch weiterhin umgesetzt wird, und zwar unabhängig von der Aufnahme weiterer, gegebenenfalls bei der Ausübung ihrer Stimmrechte nicht gebundener Aktionäre.

§ 2
Abstimmung der Parteien
        
(1) Die Parteien verpflichten sich als Aktionäre der Gesellschaft, unter Wahrung ihrer mitgliedschaftlichen Treupflicht gegenüber der Gesellschaft und dritten Aktionären, entsprechend dem Zweck dieser Vereinbarung nach einer internen Abstimmung im Außenverhältnis und hier namentlich bei Beschlussfassungen im Rahmen von Hauptversammlungen der Gesellschaft einheitlich aufzutreten.

§ 3
Besetzung des Aufsichtsrates der Gesellschaft
        
Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus sechs Personen. Die Parteien haben gemäß § 8 Ziff. 2 der Satzung der Gesellschaft das Recht, jeweils ein Mitglied, also insgesamt zwei Mitglieder, in den Aufsichtsrat zu entsenden und jederzeit abzuberufen und durch ein anderes zu ersetzen. Hinsichtlich der Besetzung des Aufsichtsrates im übrigen treffen die Parteien, unbeschadet gesetzlicher und satzungsmäßiger Regelungen, nachfolgende Vereinbarung:
        
(1) Die Parteien stimmen darin überein, dass für die Dauer ihrer Stellung als Aktionäre der Gesellschaft, jede Partei berechtigt sein soll, jeweils ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrates, also insgesamt zwei weitere Mitglieder, zu benennen.
(4) Die Parteien verpflichten sich, darauf hinzuwirken, dass das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden von einer seitens der Abtei … benannten Person und das Amt des Stellvertreters von einem durch Herrn … benannten Stellvertreter bekleidet wird, soweit nicht zwingende gesetzliche oder satzungsmäßige Bestimmungen entgegenstehen.“

2. Die Beklagte zu 3) entsandte ihren Abt, den Beklagten zu 1) in den Aufsichtsrat als Nachfolger des früheren Abtes …; der Aufsichtsrat der … wählte den Beklagten zu 1) in der Sitzung vom 12.11.2003 einstimmig zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Zudem gehörten dem Aufsichtsrat folgende weitere Mitglieder an:Randnummer12

I….
II….
III….
IV…..

Mit Schreiben vom 16.3.2004 (Anlage B 29) erklärte Herr … gegenüber dem Beklagten zu 1) die sofortige Niederlegung seines Aufsichtsratsmandates. Der ebenfalls informierte Vorstand und Aktionär, Herr …, entsandte daraufhin mit Schreiben vom 5.4.2004 (Anlage B 32) Herrn … in den Aufsichtsrat und widerrief zudem die Bestellung/Entsendung von Herrn … mit sofortiger Wirkung.Randnummer14

Am 9.3.2004 fand eine Sitzung des Aufsichtsrates statt. Die seit November 2003 für den 13.5. terminierte Sitzung des Aufsichtsrates sagte der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 5.4.2004 (Anlage K 19) ab. Herr … verlangte mit Schreiben vom 6.4.2004 (Anlage K 20) die Einberufung einer Sitzung des Aufsichtsrates. Für die ursprünglich auf den 13.5.2004 vorgesehene Sitzung des Aufsichtsrates nannte er u.a. folgenden Tagesordnungspunkt:Randnummer15

Beschlussfassung über KapitalerhöhungRandnummer16

Beschlussvorschlag 1 – empfohlene Variante:Randnummer17

„Das Grundkapital der… von € 330.000,- wird um € 330.000,- auf € 660.000,- erhöht durch Umwandlung der in der Bilanz zum 31.12.2003 ausgewiesenen „Kapitalrücklage“ von € 330.000,- in Grundkapital. Die Kapitalerhöhung erfolgt durch Ausgabe von 330.000 neuen Inhaberaktien im Nennbetrag von je € 1,-.Randnummer18

Der für das operative Geschäft zuständige Vorstand wird ermächtigt, weitere Erhöhungen des Grundkapitals um bis zu € 75.000 bzw. 75.000 Aktien auf € 735.000 bzw. 735.000 Aktien vorzunehmen. Diese Erhöhung kann in einer oder mehreren Tranchen durchgeführt werden. Eine Entscheidung hierüber trifft der für das operative Geschäft zuständige Vorstand. Der Ausgabekurs hat sich auf mindestens € 25,- / Aktie zu belaufen. Das Agio von mindestens € 24,- / Aktie wird in die Kapitalrücklage eingestellt.“Randnummer19

Beschlussvorschlag 2 – hilfsweise Variante auf Basis von § 4 (5) der Satzung:Randnummer20

„Der für das operative Geschäft zuständige Vorstand wird ermächtigt, Erhöhungen des Grundkapitals um bis zu € 50.000 bzw. 50.000 Aktien auf € 380.000 bzw. 380.000 Aktien vorzunehmen. Diese Erhöhung kann in einer oder mehreren Tranchen durchgeführt werden. Eine Entscheidung hierüber trifft der für das operative Geschäft zuständige Vorstand. Die Umwandlung erfolgt auf Basis der Bilanz 2003 samt Testat für das Jahr 2003. Der Ausgabekurs hat sich auf mindestens € 40,- / Aktie zu belaufen. Das Agio von mindestens € 39,- / Aktie wird in die Kapitalrücklage eingestellt.“Randnummer21

Mit Schreiben vom 4.6.2004 (Anlage K 22) bat Herr … um die Einberufung einer Aufsichtsratssitzung mit im Wesentlichen folgenden Gegenständen zur Tagesordnung:Randnummer22

Wahl des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden

Beratung und ggf. Beschlussfassung über neue Standorte

Beratung und ggf. Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
der Gesellschaft für das vergangene Geschäftsjahr 2003

Freistellung bzw. Widerruf der Bestellung von Pater …

Bericht des Vorstands über die Lage der Gesellschaft, insbesondere über die aktuelle Geschäftsentwicklung

Beschlussfassung über Kapitalerhöhung

Bericht von Herrn … in seiner Funktion als Vorstandsmitglied über die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1)

Verfügbarkeit des Beklagten zu 2) als stellvertretendes Vorstandsmitglied

Bezüglich der Kapitalmaßnahmen unterbreitete Herr … folgende Beschlussvorschläge:Randnummer31

„Der Aufsichtsrat erteilt einem noch zu fassenden Beschluss des Vorstandes seine Einwilligung, sofern dieser folgenden Inhalt hat: In teilweiser Ausnutzung des genehmigten Kapitals gem. § 4 Abs. 5 der Satzung wird das Grundkapital der … von derzeit 330.000,- um € 110.000,- auf € 440.000,- erhöht durch Umwandlung der in der Bilanz zum 31.12.2003 ausgewiesenen „Kapitalrücklage“ von € 110.000,- in Grundkapital. Die Kapitalerhöhung erfolgt durch Ausgabe von 110.000 neuen Inhaberaktien im Nennbetrag von je € 1,-. Die neuen Aktien stehen den Aktionären im Verhältnis 3 : 1 zu. Sie nehmen erstmals am Gewinn des Geschäftsjahres 2004 teil.
        
Diesem Beschluss wird der von Vorstand vom Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2003 zugrunde gelegt.“

Zudem schlug Herr … vor, dass der Vorstand von der in § 4 Abs. 5 enthaltenen Ermächtigung weiteren Gebrauch macht und der Aufsichtsrat folgender weiterer Barkapitalerhöhung zustimmt:Randnummer33

„Der Aufsichtsrat erteilt in einem noch zu fassenden Beschluss des Vorstands seine Einwilligung, sofern dieser folgenden Inhalt hat: In teilweiser Ausnutzung des genehmigten Kapitals gem. § 4 Abs. 5 der Satzung wird das Grundkapital der … von nach der Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Kapitalrücklagen vorhandenen € 440.000,- um bis zu € 55.000,- auf € 495.000,- durch Ausgabe von bis zu 55.000 neuen auf den Inhaber lautenden Aktien im Nennbetrag von je € 1,- zum Ausgabebetrag von € 30,- je Aktie unter Einräumung eines Bezugsrechts erhöht.“Randnummer34

Der Beklagte zu 1) kam diesem Verlangen auf Einberufung einer Aufsichtsratssitzung nicht nach. Mit Einladungsschreiben vom 25.6.2004 (Anlage K 23) berief Herr … für den 13.7.2004 eine Aufsichtsratssitzung ein, der der Beklagte zu 1), Pater … und Herr … fernblieben. Der Beklagte zu 1) bat demgegenüber alle Aufsichtsratsmitglieder mit Schreiben vom 9.7.2004 (Anlage K 25), im Umlaufverfahren der Durchführung einer außerordentlichen Prüfung in der Gesellschaft durch einen Sachverständigen zuzustimmen. Einen weiteren Beschlussvorschlag unterbreitete der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 20.7.2004 (Anlage K 26). Herr … widersprach mit Schreiben vom 21.7.2004 dem intendierten Umlaufverfahren. Daraufhin informierte der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 22.7.2004 (Anlage K 28) nochmals alle Aufsichtsratsmitglieder über den Termin zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrates am 12.8.2004 (Anlage K 28); zudem bat er Herrn …, spätestens bis 4.8.2004 das von Herrn … erwähnte Sanierungskonzept seitens des Vorstandes schriftlich allen Aufsichtsratsmitgliedern zu übersenden. Am 22.7.2004 (Anlage B 60) informierte der Beklagte zu 1) über die jüngsten Entwicklungen und übermittelte jedem Aufsichtsratsmitglied die Tagesordnung für die Sitzung des Aufsichtsrates am 12.8.2004.Randnummer35

Am 14.9. fand eine außerordentliche Hauptversammlung statt, in der folgende Tagesordnungspunkte behandelt wurden:Randnummer36

Vorlage des Jahresabschlusses 2003 der Gesellschaft

Bericht des Vorstands über die Lage der Gesellschaft, insbesondere über die aktuelle Vermögens-, Finanz- und Ertragslage

Bericht des Vorstands über die Gründe für die Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft

Vorschläge eines Sanierungskonzepts durch den Vorstand

Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Ulm eröffnete mit Beschluss vom 1.11.2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der … und bestellte Herrn Dipl.-Kfm. … zum Insolvenzverwalter.Randnummer41

3. Am 14.5.2004 hatte Herr … an den Beklagten zu 2) eine (weitere) Einladung zur Vorstandssitzung für den 27.5.2004 versandt. Der Beklagte zu 2) teilte mit Schreiben vom 19.5.2004 (Anlage K 49) seine Absage wegen anderweitig bestehender Termine mit. Am 2.6.2004 wandte sich der Beklagte zu 2) schriftlich an Herrn … und bat in diesem Schreiben (Anlage B 40) um die Beantwortung einer Reihe von Fragen zu dem ihm von Herrn … zur Verfügung gestellten Bilanzentwurf für das Jahr 2003. Gemeinsame Sitzungen des Vorstandes mit Herrn …, dem Beklagten zu 2) und Pater … fanden nicht statt.Randnummer42

4. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der … und Herr … schlossen am 29.3.2006 einen Vertrag (Anlage K 10), in dessen § 2 folgende Abtretung vereinbart worden war:Randnummer43

„Der Insolvenzverwalter tritt sämtliche Ansprüche und Forderungen gegen die Abtei … und die … und gegen deren Organen und Organmitgliedern sowie gegen die Organe und Organmitglieder der … i.I. gemäß S. 3 und 4 an … ab. … nimmt die Abtretung an. Von der Abtretung umfasst sind sämtliche (i) Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen die Klosterbrauerei … als Gesellschafterin der Schuldnerin sowie gegen die Abteil …, (ii) Ansprüche gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Abt …, (iii) Ansprüche gegen den Vorstand Pater …. Von der vorgenannten Abtretung sind jedoch nur die Ansprüche und Forderungen umfasst, die dem Insolvenzverwalter in Zusammenhang mit Pflichtverletzungen (unerlaubten) Handlungen und Unterlassungen der Abtei … und/oder der Aktionärin und/oder deren Organen und/oder Organmitgliedern und/oder den Organen und Organmitgliedern der … i.I. zustehen, sofern und soweit diese in Zusammenhang mit dem Herbeiführen bzw. der unterlassenen Abwendung der Insolvenz der Schuldnerin stehen.“Randnummer44

Am 9.6.2006 schlossen Herr … und die Klägerin einen Vertrag (Anlage K 11), in dessen § 2 folgende Abtretung vereinbart worden war:Randnummer45

„Herr … tritt sämtliche Ansprüche und Forderungen aus der beigefügten Abtretung gegen die … und die … und gegen deren Organen und Organmitgliedern sowie gegen die Organe und Organmitglieder der … i.I. gemäß S. 3 und 4 an die … ab. … nimmt die Abtretung an. Von der Abtretung umfasst sind sämtliche (i) Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen die Klosterbrauerei … als Gesellschafterin der Schuldnerin sowie gegen die Abteil …, (ii) Ansprüche gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Abt …, (iii) Ansprüche gegen den Vorstand Pater …. Von der vorgenannten Abtretung sind jedoch nur die Ansprüche und Forderungen umfasst, die dem Insolvenzverwalter in Zusammenhang mit Pflichtverletzungen (unerlaubten) Handlungen und Unterlassungen der Abtei … und/oder der Aktionärin und/oder deren Organen und/oder Organmitgliedern und/oder den Organen und Organmitgliedern der … zustehen, sofern und soweit diese in Zusammenhang mit dem Herbeiführen bzw. der unterlassenen Abwendung der Insolvenz der Schuldnerin stehen.Randnummer46

Herr … tritt seine Ansprüche als Aktionär der … ebenso an die … ab. … nimmt diese Abtretung an.“

II.

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Beklagte zu 1) habe seine Pflicht zur Einberufung einer Aufsichtsratssitzung verletzt, obwohl die Dringlichkeit mit den genannten Gegenständen zur Tagesordnung unabdingbar festgestanden habe, was sowohl für das Verlangen von Herrn … als auch von Herrn … gelte. Mit dem Vorschlag konkreter Tagesordnungspunkte seien Zweck und Gründe der Sitzung des Aufsichtsrates ausreichend angegeben gewesen. Es liege auch eine gröbliche Verletzung der Überwachungspflicht vor, weil der Beklagte zu 1) tatenlos die Weigerung des Beklagten zu 2) hinsichtlich der Wahrnehmung der Vorstandsaufgaben hingenommen habe. Infolge der Weigerung, dem Einberufungsverlangen nachzukommen und der unterbliebenen Teilnahme an der Sitzung vom 13.7.2004 habe der Beklagte zu 1) die Einleitung realistischer Kapitalbeschaffungsmaßnahmen wie beispielsweise einer Kapitalerhöhung entsprechend dem Vorschlag der Vorstandsmitglieder … und … am 29.3.2004 verhindert. Aus der Kapitalerhöhung wäre ein Erlös von € 1.650.000,– erzielt worden, womit die Krise nachhaltig hätte überwunden werden können. Durch die Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) sei der … ein Schaden in Höhe des Wertes des Grundkapitals von € 330.000,– entstanden. Der Schaden des Aktionärs … belaufe sich auf mindestens € 124.775,–; ein Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch eine schuldhaft verursachte Insolvenz entwertet werde, könne Ersatz des Nominalwertes wegen Verletzung eines sonstigen Rechtes verlangen. Der Beklagte zu 1) habe seinen Wohnsitz in München, was sich bereits aus der Angabe seiner Personalien als Zeuge im Verfahren vor dem Landgericht München I, Az. 33 O 604/05, ergebe.Randnummer48

Die stetige Ablehnung des Beklagten zu 2) bezüglich von Terminsvorschlägen und Einberufungsverlangen durch Herrn … verstoße gegen die Pflichten des Vorstandsmitgliedes gegenüber der Gesellschaft. Damit habe er wesentlich zur Insolvenz der … beigetragen.Randnummer49

Die Beklagte zu 3) hafte für die Pflichtverletzungen des von ihr in den Aufsichtsrat entsandten Abtes, weil sich das Verbot des § 117 Abs. 1 AktG an jedermann richte und es nicht auf die Aufsichtsratsstellung des Schädigers ankomme. Das Schutzbedürfnis der aufnehmenden Gesellschaft erfordere zudem die Zurechnung über § 31 BGB.Randnummer50

Mit der gerichtlichen Geltendmachung der abgetretenen Forderung verstoße die Klägerin nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz, weil sie nicht lediglich treuhänderisch für Herrn … tätig werde. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches der Gesellschaft selbst falle nicht unter § 92 Satz 1 InsO; einen solchen Anspruch könne der Insolvenzverwalter auch abtreten.Randnummer51

Die Klägerin beantragt daher:Randnummer52

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 330.000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

III.

Die Beklagten beantragen demgegenüber:Randnummer54

Klageabweisung.Randnummer55

Zur Begründung berufen sie sich im Wesentlichen darauf, es fehle der Klägerin angesichts der Nichtigkeit der Abtretung bereits an der Aktivlegitimation. Eine Verletzung von Pflichten als Aufsichtsratsvorsitzender seitens des Beklagten zu 1) liege zudem nicht vor. Herr … habe den Beklagten zu 1) in den Monaten ab November 2003 systematisch am Einholen von Informationen behindert. Als Vorstand der Gesellschaft habe er zudem laufend gegen seine sich aus § 90 AktG ergebenden Berichtspflichten verstoßen. Das Einberufungsverlangen von Herrn … entfalte keine Wirksamkeit, weil er angesichts der Unwirksamkeit der Amtsniederlegung von Herrn … und der Kündigung der Gesellschafter- und Aktionärsvereinbarung durch Herrn … nicht Mitglied des Aufsichtsrats gewesen sei. Die Ursache der Insolvenz liege im Entzug von Liquidität durch ein Eigenfirmenkonstrukt von Herrn …. Die Beklagten hätten eine Beschlussfassung über eine Kapitalerhöhung nicht behindert; vielmehr fehle es an der Vorlage eines Sanierungsplans durch Herrn …. Zu einer Kapitalerhöhung wäre die Beklagte zu 3) ohnehin nicht verpflichtet gewesen.Randnummer56

Hinsichtlich des Beklagten zu 1) fehle die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I, weil dieser seinen Wohnsitz in … und damit nicht im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts habe.

IV.

1. Das Gericht hat den Beklagten zu 1) persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1.3.2007 (Bl. 217/220 d.A.).Randnummer58

2. Die Parteien haben mit Erklärungen jeweils vom 1.3.2007 (Bl. 219 d.A.) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

V.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 28.9.2006 (Bl. 141/143 d.A.), vom 26.10.2006 (Bl. 182/186 d.A.) sowie vom 1.3.2007 (Bl. 217/220 d.A.).

Entscheidungsgründe

A.

I.

Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist zulässig und begründet.Randnummer61

1. Die Klage ist zulässig.Randnummer62

a. Das Landgericht München I ist zur Entscheidung über den Rechtsstreit örtlich zuständig gem. §§ 12, 13 ZPO, weil der Beklagte seinen Wohnsitz jedenfalls auch in München hat. Im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vor dem Landgericht München I, Az. 33 O 604/05, gab der Beklagte zu 1) entsprechend § 395 Abs. 2 ZPO als Wohnort … an. Bereits daraus ist zu schließen, dass sich sein Lebensmittelpunkt zumindest auch in München und nicht ausschließlich auf dem … in … befindet. Dies ist insbesondere auch deshalb nachvollziehbar, weil der Abt der Abtei … in München residiert und von dort aus seine Leitungsfunktionen wahrnimmt. Da der Beklagte zu 1) zudem den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 22.11.2006 zu dem Umbau seines Wohntraktes in … in München nicht mehr bestritten hat und dieser somit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, ist der Wohnsitz des Beklagten zu 1) jedenfalls auch in München. Ob er daneben einen Wohnsitz auch in Kloster … hat, ist demgegenüber bedeutungslos, weil bei einem mehrfachen Wohnsitz ebenso viele allgemeine Gerichtsstände gegeben sind und der Kläger ein Wahlrecht gem. § 35 ZPO hat (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 27. Aufl., Rdn. 1 zu § 13); von diesem Wahlrecht hat die Klägerin mit dem Landgericht München I Gebrauch gemacht.Randnummer63

b. Die Klägerin ist parteifähig im Sinne des § 50 ZPO, weil sie nach dem für die Beurteilung der Frage nach der Fähigkeit, Träger eigener Rechte und Pflichten zu sein, maßgeblichen Recht Großbritanniens eine juristische Person ist und somit Rechtsfähigkeit genießt.Randnummer64

c. Da die Klägerin ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht, nachdem sie die Abtretung der Schadensersatzansprüche an sie vorträgt, ist sie prozessführungsbefugt.Randnummer65

2. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist begründet, weil der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen ihn aus §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, 398 BGB nebst Zinsen hieraus zusteht.Randnummer66

a. Die Klägerin erwarb den dem Insolvenzverwalter zustehenden Schadensersatzanspruch durch die wirksame Abtretung gem. § 398 BGB, wobei die Abtretung zunächst mit Vertrag vom 29.3.2006 an Herrn … und mit Abtretungsvertrag vom 9.6.2006 zwischen Herrn … und der Klägerin an diese erfolgte.Randnummer67

(1) Die Abtretung kann dabei nicht wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB als nichtig angesehen werden. Zwar muss im Ausgangspunkt davon ausgegangen werden, dass die Einziehung abgetretener Forderungen nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten darstellen kann, die ohne Erlaubnis nicht betrieben werden darf, wenn sie geschäftsmäßig erfolgt. Allerdings kann vorliegend nicht von einem geschäftsmäßigen Handeln der Klägerin ausgegangen werden. Geschäftsmäßig handelt nur, wer beabsichtigt, die Tätigkeit – sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit – in gleicher Art zu wiederholen, um sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen (vgl. BGHZ 148, 313, 317; BGH NJW 2000, 1560, 1561; NJW-RR 2005, 286, 287). Davon kann indes vorliegend nicht ausgegangen werden. Gegen eine geschäftsmäßige Wahrnehmung spricht bereits die Überlegung, dass die Klägerin nur abgetretene Ansprüche des Insolvenzverwalters über das Vermögen der … sowie von Herrn … geltend macht und die abgetretenen Ansprüche somit nur einen eng begrenzten Rahmen umfassen. Daraus lässt sich aber nicht zwingend die Schlussfolgerung ziehen, die Klägerin habe die Absicht, auch in Zukunft weiterhin Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Allein aus dem Namen kann mit Blick auf den Unternehmensgegenstand, der in der Abwicklung von Geschäften als kommerzielles Unternehmen und der Abwicklung anderer Geschäftstätigkeiten oder Handlungen, die vom Geschäftsführer und/oder der Gesellschafterversammlung als für die Gesellschaft vorteilhaft erachtet werden, nicht als auf die Einziehung fremder Forderungen ausgerichtet angesehen werden. Die Vereinbarung eines Honorars rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es muss nämlich berücksichtigt werden, dass die Geltendmachung der Forderung sich nicht auf einen größeren Personenkreis bezieht und das Risiko des Scheiterns nach den Vereinbarungen ausschließlich die Klägerin trifft.Randnummer68

(2) Der Wirksamkeit der Abtretung stehen die Vorschriften der §§ 92, 93 InsO nicht entgegen. Bei einer hälftigen Erlösverteilung und einem vollen Kostentragungsrisiko auf Seiten der Zessionarin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Abtretung dem Insolvenzzweck einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zuwider läuft, wie es sich aus dem umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters ergibt (vgl. BGH NJW 1983, 2018, 2020; OLG München WM 2006, 1765, 1769 f.). Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich bei dem Anspruch gegen die Organe der Insolvenzschuldnerin um keinen Gesamtschaden handelt; nur bei einem derartigen Gesamtschaden bleibt die Verfügungsbefugnis im Sinne des § 92 InsO bei den einzelnen Gläubigern.Randnummer69

b. Der Beklagte zu 1) hat seine Pflichten als Vorsitzender des Aufsichtsrates verletzt und ist daher dem Insolvenzverwalter der … zum Schadensersatz verpflichtet. Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes gilt aufgrund von § 116 Satz 1 AktG die Vorschrift des § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Danach sind Aufsichtsratsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die Voraussetzungen dieser Haftungsnorm sind vorliegend erfüllt.Randnummer70

(1) Der Beklagte zu 1) wäre verpflichtet gewesen, sehr viel früher eine Sitzung des Aufsichtsrates einzuberufen, weil dies sowohl vom Vorstand, Herrn …, am 6.4.2004 sowie von Herrn … als weiteres Mitglied des Aufsichtsrates mit Schreiben vom 4.6.2004 verlangt wurde und weil sich die Gesellschaft in einer Krise befand oder zumindest das Risiko einer entsprechenden Krise bestand.Randnummer71

Die Intensität der vom Aufsichtsrat geschuldeten Überwachungstätigkeit richtet sich nach der Lage der Gesellschaft. Ist die Lage der Gesellschaft angespannt, so muss sich die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates entsprechend der jeweiligen Risikolage intensivieren (vgl. nur Hüffer, AktG, 7.Aufl., Rdn. 7 zu § 111). Diesen Anforderungen wurde der Beklagte zu 1) nicht gerecht. Mit Schreiben vom 10.2.2004 erhielt er als Vorsitzender des Aufsichtsrates durch das Vorstandsmitglied … Hinweise auf eine massive Gefährdung der …, die sich unmittelbar vor der Krise befunden haben soll. Nachdem Herr … in der Sitzung des Aufsichtsrates vom 9.3.2004 – entgegen seiner Ausführungen in einem nur etwa vier Wochen früher verfassten Schreiben – eine Insolvenzgefahr verneinte, wäre es bereits Aufgabe des Aufsichtsrates gewesen, diese Widersprüche unter Anwendung der Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten aufzuklären. Ein geeignetes Mittel hierzu ist zweifellos die erst sehr viel später erwogene Heranziehung eines Sachverständigen zur Klärung der wirtschaftlichen Situation. Eine derartige Maßnahme hätte ihre Rechtsgrundlage in § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG gehabt. Zudem besteht als weniger einschneidende Maßnahme die Möglichkeit, vom Vorstand die Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu verlangen. Unterbleibt ein derartiges Anfordern, so ist bereits darin eine Pflichtverletzung zu sehen. Vor allem aber wäre der Beklagte zu 1) nach dem Verlangen des Vorstandsmitgliedes … vom 6.4.2007 bereits aufgrund von § 110 Abs. 1 Satz 1 AktG verpflichtet gewesen, unverzüglich den Aufsichtsrat einzuberufen. Das Schreiben vom 6.4.2006 hatte auf die notwendigen Kapitalmaßnahmen hingewiesen und Beschlussvorschläge des Vorstandes für die auf den 13.5.2004 anberaumte Sitzung des Aufsichtsrates unterbreitet. In dieser Situation bedeutet es eine Pflichtverletzung, wenn der Beklagte zu 1) als Vorsitzender des Aufsichtsrates keine Sitzung des Aufsichtsrates anberaumt, sondern die für den 13.5.2004 vorgesehene Sitzung verschiebt, ohne einen zeitnahen Ersatztermin zu benennen.Randnummer72

Dieselben Erwägungen gelten hinsichtlich des wirksamen Verlangens von Herrn …, aufgrund dessen der Beklagte zu 1) gem. § 110 Abs. 1 Satz 1 AktG ebenfalls zur Einberufung einer Sitzung des Aufsichtsrates verpflichtet gewesen wäre. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Entsendung von Herrn … stelle sich als unwirksam dar und es fehle deshalb an der Befugnis zu einem Verlangen nach der Einberufung des Aufsichtsrates. Das Entsenderecht hat seine Grundlage nämlich in § 8 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der …, wonach Herr … – wie auch die Beklagte zu 3) – das Recht hat, ein Mitglied in den Aufsichtsrat zu entsenden. Die Aktionärsvereinbarung stellt sich insofern allenfalls als Ergänzung der maßgeblichen Regelung in der Satzung dar. Deshalb kommt es auf die Wirksamkeit der Kündigung der Aktionärsvereinbarung durch Herrn … nicht an. Da das von Herrn … entsandte Mitglied des Aufsichtsrates, Herr …, sein Amt niedergelegt hat, konnte Herr … sein Entsenderecht ausüben, was er durch die unstreitige Benennung von Herrn … tat. Mit der Niederlegung des Amtes durch Herrn … endete seine Tätigkeit im Aufsichtsrat, ohne dass es hierfür eines wichtigen Grundes bedarf (vgl. Semler in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 106 zu § 103).Randnummer73

(2) Der Beklagte zu 1) kann der Annahme einer Pflichtverletzung nicht entgegenhalten, Herr … als Mitglied des Vorstandes sei seinen Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat der Gesellschaft nicht nachgekommen und habe selbst die Insolvenz durch Pflichtverletzungen herbeigeführt. Diese Argumentation übersieht nämlich, dass die Pflichtverletzung eines anderen Organs nicht dazu führen kann, das Verhalten des Beklagten zu 1) nunmehr als pflichtgemäß erscheinen zu lassen. Das zeigt sich bereits am unterschiedlichen Aufgabenkatalog von Vorstandsmitgliedern des Aufsichtsrates. Allenfalls könnte eine gesamtschuldnerische Haftung auch von Herrn … in Betracht kommen, die jedoch die Haftung des Beklagten zu 19 für die eigenen Pflichtverletzungen im Außenverhältnis unberührt lässt.Randnummer74

Das Fehlen eines Vorstandsbeschlusses hinsichtlich einer Kapitalerhöhung rechtfertigt gleichfalls keine andere Beurteilung. Ein Vorstandsbeschluss muss zum Zeitpunkt der Einladung und der Bekanntmachung der Tagesordnung vorliegen, was in gleicher Weise auch für einen Aufsichtsratsbeschluss gilt. Abgesehen davon wäre der Beklagte zu 1) gegebenenfalls gehalten gewesen, den Beklagten zu 2) als weiteres Mitglied des Vorstandes auf seine Pflicht zur Teilnahme an Sitzungen des Vorstandes nach Einberufung durch ein anderes Vorstandsmitglied hinzuweisen,.Randnummer75

c. Der … ist ein Schaden in Höhe von € 330.000,– entstanden, weil das Grundkapital infolge der Insolvenz vernichtet wurde. Die Klägerin kam dabei ihrer Darlegungs- und Beweislast nach. Zwar trifft die aus §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 AktG klagende Gesellschaft im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast für den Schaden und dessen Verursachung durch das Verhalten des Aufsichtsratsmitgliedes. Für das Beweismaß gelten jedoch insoweit nicht die strengen Voraussetzungen des § 286 ZPO, sondern diejenigen des § 287 ZPO, der auch die Substantiierungslast der klagenden Partei erleichtert. Danach genügt es, dass sie Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO hinreichende Anhaltspunkte bieten. Unter § 287 ZPO fällt auch die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit der Gesellschaft durch das dem Organmitglied vorgeworfene Verhalten ein Schaden entstanden ist. Denn bei einem Schadensersatzanspruch aus einer Verletzung organschaftlicher Pflichten, die einer Vertragsverletzung angenähert ist, gehört der Ursachenzusammenhang mit einem daraus erwachsenen allgemeinen Vermögensschaden nach ständiger Rechtsprechung zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis ebenfalls die in § 287 ZPO vorgesehenen Erleichterungen gelten (vgl. BGH NJW 2003, 358, 359; NZG 2007, 231, 234). Diesen Anforderungen wurde der Vortrag der Klägerin gerecht.Randnummer76

(1) Im Falle einer durchzuführenden Aufsichtsratssitzung hätte ein Beschluss über eine Kapitalerhöhung gefasst werden müssen, weil dies ein geeignetes Mittel gewesen wäre, die Gesellschaft mit frischem Kapital und damit Liquidität zu versorgen und damit auch die Krise zu überwinden; bei dem entsprechenden Zufluss wäre die Insolvenz vermieden worden. Die … verfügte über genehmigtes Kapital in Höhe von bis zu € 165.000,– entsprechend der Regelung in § 4 Abs. 5 der Satzung. Zudem bestand die Möglichkeit der Genehmigung einer Kapitalerhöhung durch die Hauptversammlung gem. §§ 182 ff. AktG, was namentlich der Beschlussvorschlag von Herrn … zum Inhalt hatte.Randnummer77

Diese Maßnahmen wären auch geeignet gewesen, die Krise der Gesellschaft zu überwinden. Dem Gutachten des Insolvenzverwalters vom 25.10.2004 (Anlage K 60) ist zu entnehmen, dass die Schuldnerin zum 2.8.2004 jedenfalls zur Zahlung von € 61.000,– verpflichtet war und dass die frei verfügbaren Kreditlinien von € 46.000,– nicht zur Ausgleichung dieser fälligen Verbindlichkeiten genügten. Ebenso lag zwar Überschuldung vor, wobei die Überschuldung auch dann bestand, wenn Fortführungswerte angesetzt würden, weil diese nur um € 458.000,– über dem Zeitwert lagen und die Differenz von Aktiva und Passiva bei Zeitwerten € 515.000,– betrug. Bei diesen Werten hätte das im Rahmen von Kapitalerhöhungen zufließende Kapital genügt, um die … fortzuführen. Dies zeigt sich insbesondere auch daran, dass Herr …, wie sich insbesondere auch aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters vom 25.1.2005 (Anlage K 68) ergibt, die Gesellschaft fortführte und auch hierzu entsprechendes Kapital bereitgestellt hat.Randnummer78

(2) Der Beklagte zu 1) kann sich nicht darauf berufen, die Kapitalerhöhung wäre nie zustande gekommen, weil die Beklagte zu 3) einen entsprechenden Kapitelbeschluss verweigert hätte und damit in einer Hauptversammlung die erforderliche Mehrheit nicht zustande gekommen wäre. Für die Voraussetzungen der Bejahung der Grundsätze des rechtmäßigen Alternativverhaltens liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Beklagten zu 1) (vgl. BGH NJW 2003, 358; NZG 2007, 231, 234). Diesen Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Sachvortrag wird der Hinweis auf eine unterbliebene Kapitalerhöhung nicht gerecht, nachdem schon schriftsätzlich keinerlei Gründe für diese Haltung genannt wurden. Der Beklagte zu 1) hat bei seiner Anhörung als Partei im Sinne des § 141 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Gericht keine Angaben dazu gemacht, warum das Kapitel der Beklagten zu 3) einer Kapitalerhöhung nicht zugestimmt hätte, obwohl er hierzu von der Kammer ausdrücklich befragt worden war. In dieser Situation muss davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 3) aus Gründen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu einem entsprechenden positiven Abstimmungsverhalten verpflichtet gewesen wäre. Die heute weitgehend anerkannte Treuepflicht der Aktionäre gilt sowohl im Verhältnis zu den anderen Aktionären als auch im Verhältnis zur Aktiengesellschaft (vgl. nur Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 19 zu § 53 a). Da seitens des Beklagten zu 1) keine Gründe vorgetragen wurden, denen eine Rechtfertigung des eine Kapitalerhöhung verweigernden Beschlusses zu entnehmen gewesen wäre, muss die Kammer davon ausgehen, dass ein Kapitalerhöhungsbeschluss auf der Hauptversammlung der … die entsprechende Mehrheit gefunden hätte.Randnummer79

Mit Blick auf die Verpflichtung der Mitglieder des Aufsichtsrates, zum Wohle der Gesellschaft tätig zu werden, muss auch eine entsprechende Verpflichtung angenommen werden, im Aufsichtsrat einen entsprechenden Beschlussvorschlag zu unterstützen.Randnummer80

Soweit der Beklagte zu 1) geltend macht, der von Herrn … übermittelte Formulierungsvorschlag sei nicht gesetzeskonform gewesen, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Diesem Einwand muss nämlich entgegengehalten werden, dass es im Rahmen der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates aber auch aus dem Erfordernis eines eigenen Beschlussvorschlages gem. § 124 Abs. 2 AktG heraus die Pflicht des Aufsichtsrates und damit auch des Beklagten zu 1) als dessen Vorsitzender gewesen wäre, auf einen Beschlussvorschlag hinzuwirken, der den Anforderungen des Aktienrechts an eine wirksame Kapitalerhöhung gerecht wird.Randnummer81

(3) Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass das entsprechende Kapital aufgebracht worden wäre. Zum einen hat Herr … während des laufenden Insolvenzverfahrens das notwendige Kapital zur Fortführung der Geschäfte zur Verfügung gestellt. Zudem haben andere Kapitalgeber der … schriftlich bestätigt, dass sie entsprechende junge Aktien gezeichnet hätten.Randnummer82

d. Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 308 Abs. 1 ZPO. Da die Rechtshängigkeit mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten zu 1) am 14.7.2006 eintrat und die Vorschrift des § 187 BGB auf den Lauf der Verzinsung entsprechende Anwendung findet, war der Zinsbeginn auf den 15.7.2006 festzusetzen. Die Höhe des Zinssatzes bestimmt sich unter Beachtung von § 308 Abs. 1 ZPO nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

II.

Die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage ist zulässig und begründet, weil der Beklagte zu 2) der Klägerin aus §§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, 398 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, nachdem der Beklagte zu 2) seinen Mitwirkungspflichten aus § 77 AktG nicht nachgekommen ist und damit seine Pflichten im Sinne des § 93 Abs. 1 AktG verletzt hat.Randnummer84

1. Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Zu den Pflichten des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gehört auch die Teilnahme an Vorstandssitzungen sowie die Ermöglichung entsprechender Beschlüsse des Vorstandes. Der Beklagte zu 2) kam der sich aus § 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Vorstandes ergebenden Verpflichtung zur Teilnahme an Vorstandssitzungen nicht in dem gebotenen Umfang nach. Vorstandssitzungen sollen danach in regelmäßigen Abständen, nach Möglichkeit alle zwei Monate stattfinden; sie müssen nach dieser Regelung in der Geschäftsordnung darüber hinaus stets dann stattfinden, wenn ein Mitglied es verlangt. Vorliegend stellte Herr … mehrfach das Verlangen nach einer gemeinsamen Sitzung, nachdem der Beklagte zu 2) vom Aufsichtsrat am 9.3.2004 zum Mitglied des Vorstandes der … bestellt wurde. Dabei hätte der Beklagte zu 2) auch an einer Beschlussfassung über eine Kapitalerhöhung mitwirken müssen. Das Schreiben von Herrn … vom 6.4.2004 erfasste auch die erforderliche Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat; zudem wurde vom Beklagten zu 2) auf die Vorstandssitzung vom 29.3.2004 in der E-Mail des Beklagten zu 2) vom 8.4.2004 an Herrn … Bezug genommen. Gerade weil der Beklagte zu 2) an dieser Sitzung nicht teilnahm, hätte es zur Pflicht eines ordentlichen Geschäftsleiters gehört, sich die erforderlichen Informationen über die in Erwägung gezogenen Kapitalmaßnahmen zu beschaffen und vor allem auch an der Umsetzung mitzuwirken, wie dies § 202 Abs. 1 AktG vorsieht und wie dies entsprechend § 4 Abs. 5 der Satzung der … geregelt worden war. In gleicher Weise hätte der Beklagte zu 2) an einem Vorstandsbeschluss zur Vorbereitung einer Kapitalerhöhung durch Hauptversammlungsbeschluss gem. §§ 182 ff. AktG mitwirken müssen. Auch dieser Pflicht kam er nicht nach. Es ist unstreitig, dass der Beklagte zu 2) keinen der Terminsvorschläge von Herrn … akzeptierte; eine gemeinsame Vorstandssitzung dieser beiden Vorstandsmitglieder fand nicht statt. Das Schreiben des Beklagten zu 2) vom 2.6.2004 an Herrn … mit einer Reihe von Fragen zum Jahresabschluss rechtfertigt es jedenfalls nicht, eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) abzulehnen, nachdem er darin insbesondere keinen eigenen Terminsvorschlag für eine gemeinsame Vorstandssitzung unterbreitete. Wenn ein Vorstandsmitglied Fragen des zweiten Vorstandsmitglieds nicht beantwortet, so mag darin gleichfalls eine Pflichtverletzung liegen, ohne dass dies von der Kammer abschließend entschieden werden muss, weil darin eine Entlastung des Beklagten zu 2) nicht gesehen werden kann. Dieser trägt nämlich die Gesamtverantwortung für die Geschäfte der Aktiengesellschaft.Randnummer85

2. Hinsichtlich des Umfangs des Schadens gelten dieselben Erwägungen wie in Bezug auf den Beklagten zu 1).Randnummer86

3. Bezüglich der Entscheidung über die Zinsen kann ebenfalls auf die obigen Ausführungen unter A. I. 2. c. verwiesen werden, nachdem auch die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage diesem am 14.7.2007 zugestellt wurden.

III.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) haften als Gesamtschuldner. Zwar enthält das Aktienrecht keine ausdrückliche Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung von Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates, wenn Mitglieder beider Organe ihre Pflichten verletzen. Allerdings sind die Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Haftung nach allgemeinen Grundsätzen zu bejahen. Der Anspruch richtet sich gegen mehrere Schuldner, wobei die Klägerin als Gläubigerin die Leistung nur einmal fordern kann, weil mit vollständiger Leistung der zu ersetzende Schaden vollumfänglich kompensiert wird. Ebenso muss bei einem auf Ausgleich des Schadens gerichteten Anspruchs von der erforderlichen Gleichstufigkeit ausgegangen werden, wobei die Grundlage des Schadensersatzanspruches keine ausschlaggebende Rolle spielen kann. Die Pflichten beider Vorstandsmitglieder – also der Mitglieder des Vorstandes wie auch des Aufsichtsrates – sind zweckgerichtet auf die Wahrung der Interessen und des Wohles der Gesellschaft. Dann aber muss eine Gleichstufigkeit und demzufolge eine gesamtschuldnerische Haftung angenommen werden, wenn sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat Pflichten verletzen und dies denselben Schaden herbeiführt (vgl. Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 348).

B.

I.

Die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil der Klägerin gegen die Beklagte zu 3) kein Schadensersatzanspruch zusteht.Randnummer89

1. Ein solcher ergibt sich nicht aus § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG. Wer vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft u.a. ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft zu handeln, ist der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift können vorliegend nicht angenommen werden, weil nicht erkennbar ist, dass die Beklagte zu 3) über ihre Organe vorsätzlich auf den Aufsichtsrat Einfluss ausgeübt hätte. Zwar ist der Beklagte zu 1) als Abt der Beklagten zu 3) zugleich deren verfassungsmäßiger Vertreter. Jedoch handelte er vorliegend ausschließlich in seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrates der …, als er es unter Verstoß gegen seine Pflichten unterließ, Sitzungen des Aufsichtsrates einzuberufen.Randnummer90

2. Aber auch nach allgemeinen Grundsätzen besteht keine Haftung der entsendenden Körperschaft für Pflichtverletzungen des entsandten Aufsichtsratsmitgliedes.Randnummer91

a. Zwar wird in der Literatur vertreten, es bestehe grundsätzlich eine Haftung der abordnenden Körperschaft nach Vereinshaftungsrecht, weil das Aufsichtsratsmitglied als Doppelorgan der abordneten und der aufnehmenden juristischen Person angesehen werden könne (vgl. Ulmer in: Festschrift für Stimpel, 1985, S. 705, 718, 721). Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden, weil eine Haftung der entsendenden Körperschaft für die Wahrnehmung des Aufsichtsratsamtes bei der aufnehmenden Gesellschaft mit der unabhängigen und eigenverantwortlichen Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitgliedes unvereinbar wäre. Zudem würde eine Entsenderhaftung jedenfalls indirekt auch ein Weisungsrecht rechtfertigen, was mit der unabhängigen, nur am Wohl der Gesellschaft orientierten Stellung eines Aufsichtsratsmitglieds unvereinbar wäre (vgl. BGHZ 90, 381, 397 f.; Semler in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 760 zu § 116).Randnummer92

b. Letztlich aus denselben Gründen lässt sich auch eine Haftung der Beklagten zu 3) als entsendende Körperschaft nicht über § 278 BGB, § 31 BGB oder § 831 BGB begründen. Der Beklagte zu 1) als Mitglied des Aufsichtsrates der … wird nicht im Pflichtenkreis der Beklagten zu 3) tätig, sondern als weisungsfreies und unabhängiges Organ der Aktiengesellschaft, so dass er nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 3) angesehen werden kann. Ebenso wenig lässt sich eine Haftung der Beklagten zu 3) über § 31 BGB begründen, weil auch diese Vorschrift eine Tätigkeit in Bezug zu der Körperschaft voraussetzt, für die der Beklagte zu 1) als Organ tätig wird. Vorliegend geht es aber um die im Interesse der … ausgeübte Tätigkeit in deren Aufsichtsrat, weshalb eine Zurechnung über § 31 BGB ausscheiden muss. Auch kann der Beklagte zu 1) nicht als Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB angesehen werden, weil die Mitglieder des Aufsichtsrates und damit auch entsandte Mitglieder dem Unternehmensinteresse der Gesellschaft – hier also der … – verpflichtet sind und nicht dem Interesse der entsendenden Körperschaft (vgl. hierzu nur Semler in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 107 zu § 101).

II.

Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht zu, soweit es um die abgetretenen Ansprüche von Herrn … geht. Insoweit fehlt es unabhängig davon, ob eine Haftung dem Grunde nach besteht, an einem ersatzfähigen Schaden des Aktionärs.Randnummer94

Vorliegend kann dem einzelnen Aktionär und damit auch Herrn … kein ersatzpflichtiger Schaden im Sinne des § 249 BGB entstanden sein. Der Schaden des Aktionärs deckt sich nämlich mit dem der Gesellschaft, weil der Aktionär durch eine Schädigung des Gesellschaftsvermögens einen Nachteil im inneren Wert seiner Aktien erleidet. Bei einer solchen Schadenskongruenz stellt der Kollektivschaden der Gesellschaft zugleich den Individualschaden der einzelnen Aktionäre dar, deren Aktien entwertet sind, weil sie Quoten des verminderten Gesellschaftsvermögens verkörpern. Wird aber der Schaden der Gesellschaft ausgeglichen, der ein entsprechender Schadensersatzanspruch zusteht, muss eine Doppelhaftung für ein und denselben Schaden ausgeschlossen werden. Der Schaden ist durch eine Leistung an die Gesellschaft auszugleichen, weil anderenfalls der Aktionär einen ungerechtfertigten Vorteil erhielt und es andererseits zu einer dem Grundgedanken des Schadensersatzrechts unbekannten Verdoppelung des Schadensumfangs kommen könnte (vgl. nur BGH NJW 1985, 1900; 1987, 1077, 1079 f.; OLG Düsseldorf AG 1997, 231, 236; Hefermehl/Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 183 f. zu § 93). Allein der Umstand, dass über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, kann eine andere Beurteilung der allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze nicht rechtfertigen.

C.

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer kombinierten Anwendung von §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO unter Anwendung der Baumbach’schen Formel.Randnummer96

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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