EMRK Art. 6 Abs. 1, Art 20 GG, Art 103 GG, § 141 ZPO, § 448 ZPO
Hat ein Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden, kann die für den Inhalt des Gesprächs beweisbelastete Partei Beweis antreten, indem sie ihre eigene Anhörung oder Vernehmung beantragt.
Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob eine von der Beklagten verhaltensbedingt begründete Kündigung berechtigt ist und ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger weiterzubeschäftigen. Der Kläger ist bei der Beklagten als Chefkoch eingesetzt. Die Parteien streiten darüber, ob er durch sein Verhalten die Tätigkeit der später eingestellten Hoteldirektorin in nicht hinnehmbarer Weise erschwert hat und ob hinsichtlich seines Verhaltens eine Abmahnung erforderlich war, bevor die Kündigung ausgesprochen wurde. Dabei geht es auch darum, ob aus einem Gespräch zwischen dem Kläger und den Geschäftsführern der Beklagten geschlossen werden kann, dass eine Abmahnung des Klägers von vornherein keinen Erfolg gehabt hätte. Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Kläger die Frage, ob man sich zwischen ihm und der Hoteldirektorin entscheiden müsse, bejaht. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das LAG zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung und einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gestützte Nichtzulassungsbeschwerde. Die Beschwerde führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.
Aus den Gründen
… Die Beklagte macht … erfolgreich eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG, Art. 103 GG). Das führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG (§ 72a Abs. 7 ArbGG). Das LAG führt dabei aus, „hinsichtlich des Verhaltens des Klägers gegenüber der neuen Hoteldirektorin” reichten die Vorwürfe nicht zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Auch hier habe die Beklagte zunächst das von ihr beanstandete Verhalten des Klägers abmahnen müssen. Es sei kein derart grober Pflichtverstoß zu erkennen, der ausnahmsweise zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigt hätte. Es habe an klaren Kompetenzabgrenzungen gefehlt. Soweit die Gespräche stattgefunden hätten, habe die Beklagte dem Kläger keine klaren Anweisungen erteilt und dem Kläger nicht für den Fall von Verstößen dagegen im Wiederholungsfall die Kündigung angedroht. Es heißt dann im Urteil weiter:
„Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe in dem Gespräch am 31.05.2005 die Beklagte vor die Wahl gestellt, sie müsse sich zwischen ihm und Frau M… entscheiden, so hat sie für diese bestrittene Behauptung keinen zulässigen Beweis angeboten.”
Es sei auch – so die anzufechtende Entscheidung – durch keinen nachvollziehbaren Grund dargelegt worden, dass der Kläger nach einer konkreten Abmahnung sein von der Beklagten beanstandetes Verhalten nicht geändert hätte. Die Beklagte habe daher vorschnell gehandelt, indem sie dem Kläger das Arbeitsverhältnis gekündigt habe, ohne ihm vorher die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten in Zukunft zu ändern. Das LAG ist deshalb davon ausgegangen, das Verhalten des Klägers im Verhältnis zur Hoteldirektorin stelle keine Pflichtverletzung dar. Jedenfalls keine so grobe PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, dass die sofortige Kündigung gerechtfertigt sei. Auch sei hinsichtlich des beanstandeten Verhaltens nicht ersichtlich, dass nach einer Abmahnung eine Änderung des Verhaltens des Klägers möglich gewesen wäre. Soweit es dagegen darum geht, dass der Kläger die Beklagte vor die Wahl gestellt habe, sich zwischen ihm und der Hoteldirektorin zu entscheiden, und damit nicht um das beanstandete Verhalten gegenüber der Hoteldirektorin, hat das LAG tragend darauf abgestellt, dass die Beklagte insoweit keinen zulässigen Beweis angetreten hat. Unter Angabe der Fundstellen ihres Sachvortrages in der Berufungsbegründungsschrift und Hinweis auf die Tatsache ihres Beweisantritts rügt die Beklagte im Zusammenhang mit ihrer Behauptung mangelnden rechtlichen Gehörs, das Berufungsgericht habe sich nicht mit ihrem Vortrag auseinandergesetzt, geschweige denn Beweis erhoben. Aus der angegebenen Stelle der Berufungsbegründungsschrift ergibt sich, dass die Beklagte hinsichtlich des streitigen Gesprächs Beweis angetreten hat durch Parteivernehmung ihrer Geschäftsführer. In der Beschwerdeschrift führt sie dazu aus, Ziel des Gespräches sei es gewesen, den Kläger zum Einlenken zu bewegen und insofern habe es in der Natur der Sache gelegen, dass kein Zeuge dem Gespräch beiwohnte.
Die Beschwerde rügt deshalb im Ergebnis, das LAG habe nicht davon ausgehen dürfen, sie habe nicht in zulässiger Weise Beweis für ihren Sachvortrag im Hinblick auf den Inhalt des Gesprächs angetreten und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dieser gerügte Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) liegt vor. Art. 103 Abs. 1 GG sichert – i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip – den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Er gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten – wie hier eine vorliegt – aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernissen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden. Insbesondere müssen die Beteiligten einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit die Möglichkeit haben, sich im prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Auch gehört es zu den für einen fairen prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unerlässlichen Verfahrensregeln, dass das Gericht über die Richtigkeit bestrittener Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage. Um sie zu gewährleisten, bedarf es eines Mindestmaßes an rechtlichem Gehör (vgl. BVerfG v. 21.2.2001 – 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531, zu III 1a der Gründe).
Die aus der Verfassung folgende Pflicht zur Prüfung verbietet es, einer Partei, die – wie hier – ihre Behauptung über den Inhalt eines Gesprächs allein durch ihre eigene Vernehmung führen kann, dieses Beweismittel zu verwehren. Damit würde die Partei in ihrer Beweisnot belassen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist es geboten, die Partei entweder selber im Wege der Parteivernehmung nach § 448 ZPO, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, oder im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören. Ein Beweisantrag auf Heranziehung der Partei als Beweismittel ist dann nicht unzulässig. Dies ist für die Fallgestaltung, dass in einem Zivilprozess eine Seite auf einen ihr nahestehenden Zeugen zurückgreifen kann, während die andere Seite an einem „Vieraugengespräch” lediglich allein beteiligt war, in der Rechtsprechung anerkannt (BVerfG v. 21.2.2001, a.a.O., zu III 1b der Gründe; BAG v. 6.12.2001 – 2 AZR 396/00, BAGE 100, 52, zu B III 2b bb der Gründe; zu Unrecht skeptisch: LAG Sachsen v. 15.9.1999 – 2 Sa 519/99, MDR 2000, 724 = NZA-RR 2000, 497). Für diese Konstellation ist auch anerkannt, dass bei einer anderen Handhabung ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorliegt (EGMR v. 27.10.1993 – 37/1992/382/460, NJW 1995, 1413). Die Grundsätze sind darüber hinaus auch auf eine Fallgestaltung wie sie hier vorliegt zu übertragen, dass ein Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden hat und deshalb kein Zeuge, auch kein „gegnerischer” Zeuge, zugegen ist. Auch in diesem Fall stünde die Partei vor einer nicht behebbaren Beweisnot, würde ihr nicht Gelegenheit gegeben, den notwendigen Beweis überhaupt zu führen (vgl. BAG v. 16.9.1999 – 2 AZR 712/98, AP GrO kath. Kirche Art. 4 Nr. 1 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45, zu II 2f dd der Gründe; im Ergebnis wie hier Zwanziger, DB 1997, 776 [778]).
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Schlagworte: Vier-Augen-Gespräch, Waffengleichheit