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BGH, Beschluss vom 15. Februar 2022 – II ZB 6/21

HBKG BW § 30a Abs. 1 Satz 2 – Partnerschaft zwischen Tierarzt und Betriebswirt

Eine Partnerschaft zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt ist nach dem Heil-
berufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg zulässig.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 werden der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. April 2021 und der Beschluss des Amtsgerichts – Registergericht – Mannheim vom 31. August 2018 aufgehoben.

Die Löschungsankündigung des Amtsgerichts – Registergericht – Mannheim vom 21. August 2018 wird aufgehoben.

Gründe

A. Die Beteiligte zu 2 ist approbierte Tierärztin, der Beteiligte zu 3 ist Diplom-Betriebswirt (Diplom-Ökonom und LL.M. [corp.-restruc.]). Sie gründeten die Beteiligte zu 1, eine Partnerschaftsgesellschaft, und meldeten diese beim Amtsgericht – Registergericht – zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an. Als Gegenstand der Partnerschaft benannten die Beteiligten zu 2 und 3 „die gemeinschaftliche Berufsausübung als Tierarzt und beratender Betriebswirt im Rahmen des berufsrechtlich zulässigen Umfangs insbesondere Einrichtung, Ausstattung und Betrieb von tiermedizinischen Zentren, Praxen und dazugehörigen Hausapotheken sowie die Erbringung von Dienstleistungen für solche“.2

Das Registergericht nahm die Eintragung vor. Hiergegen wandte die Beteiligte zu 4, die Landestierärztekammer Baden-Württemberg, ein, nach § 21a Abs. 1 Satz 2 Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg (nachfolgend: BO) sei eine Partnerschaftsgesellschaft nur unter Tierärzten möglich.3

Das Registergericht hat der Beteiligten zu 1 mitgeteilt, dass nach § 395 FamFG die Eintragung der Partnerschaft im Partnerschaftsregister wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig und daher von Amts wegen zu löschen sei. Gegen die Löschungsankündigung haben die Beteiligten zu 1 bis 3 Widerspruch eingelegt. Das Registergericht hat den Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wenden sich die Beteiligten zu 1 bis 3 weiter gegen die Ankündigung der Löschung.4

B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.5

I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, das Registergericht sei befugt gewesen, die berufsrechtliche Zulässigkeit der Berufsausübung als wesentliche Voraussetzung der Eintragung zu überprüfen. Die Partnerschaft der Beteiligten zu 2 und 3 verstoße gegen § 21a Abs. 1 Satz 2 BO, wonach Partnerschaften im Sinne des PartGG nur unter Tierärzten zulässig seien. Daraus folge ein generelles Verbot von interprofessionellen Zusammenschlüssen mit Tierärzten.6

§ 21a Abs. 1 Satz 2 BO sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Befugnis der Landestierärztekammer Baden-Württemberg, die in § 21a Abs. 1 Satz 2 BO geregelte Einschränkung zu erlassen, folge mittlerweile aus § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW idF vom 4. Februar 2021.7

§ 21a Abs. 1 Satz 2 BO verstoße nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG geregelte Berufsfreiheit. Die Regelung sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, um die wesentlichen tierärztlichen Grundpflichten zu sichern und die Unabhängigkeit tierärztlicher Entscheidungen von merkantilen Erwägungen zu gewährleisten. Die nach § 203 Nr. 1 StGB strafbewehrte Verpflichtung zur Verschwiegenheit zähle zu den tierärztlichen Grundpflichten gemäß § 3 B. Abs. 1 BO. Ein vergleichbares Schutzniveau sei bei Betriebswirten nicht gewährleistet. Ebenso wenig sei die berufliche Unabhängigkeit des Tierarztes bei einer gemeinschaftlichen Berufsausübung mit einem Betriebswirt gewährleistet. Nach den gleichen Grundsätzen sei ein Verstoß gegen Art. 9 GG zu verneinen. Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Es fehle bereits an einer Ungleichbehandlung.8

II. Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, § 70 Abs. 1, § 71 Abs. 1 FamFG, und begründet. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 gegen den Beschluss des Registergerichts, mit dem ihr Widerspruch gegen die Löschungsankündigung des Registergerichts zurückgewiesen wurde, ist zulässig und begründet.9

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 ist gemäß § 395 Abs. 3, § 393 Abs. 3 Satz 2, § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.10

2. Die Beschwerde ist begründet. Der Widerspruch der Beteiligten zu 1 bis 3 gegen die vom Registergericht angekündigte Löschung der Eintragung der Beteiligten zu 1 im Partnerschaftsregister hat Erfolg. Die Voraussetzungen für die gemeinschaftliche Berufsausübung der Beteiligten zu 2 und 3 in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz liegen vor.11

a) Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die in § 21a Abs. 1 Satz 2 BO enthaltene Regelung, wonach Partnerschaften im Sinne des PartGG nur unter Tierärzten zulässig seien, woraus ein generelles Verbot von interprofessionellen Zusammenschlüssen mit Tierärzten folge, stehe der Eintragung der Beteiligten zu 1 entgegen. § 21a Abs. 1 Satz 2 BO verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes und ist deshalb nichtig.12

aa) Da es sich bei der Berufsordnung der Beteiligten zu 4 nicht um ein förmliches Landesgesetz handelt, ist insoweit keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen (BVerfGE 114, 303, 310 f. mwN). Vielmehr hat der Senat über die Wirksamkeit von § 21a Abs. 1 Satz 2 BO selbst zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – I ZR 137/12, NJW-RR 2014, 1188 Rn. 17).13

bb) § 21a Abs. 1 Satz 2 BO verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes, weil gemäß § 30a Abs. 1 Satz 2 Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg (nachfolgend: HBKG BW), eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes vom 4. Februar 2021, Art. 1 Nr. 18 (GBl. S. 77), Tierärzte als Kammermitglieder nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW eine Praxis gemeinsam mit Personen führen können, die einem in § 1 Abs. 2 PartGG in der jeweils geltenden Fassung genannten staatlichen Ausbildungsberuf im Gesundheitswesen, einem naturwissenschaftlichen oder einem sozialpädagogischen Beruf angehören. § 21a Abs. 1 Satz 2 BO verbietet eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Tierärzten in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz dagegen generell.14

Die durch § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW ausdrücklich erlaubten interprofessionellen Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern können durch das Satzungsrecht der Kammern nicht eingeengt werden (vgl. BVerfGE 101, 312, 324, 329 zu § 13 BORA). Auch § 31 Abs. 3 Nr. 11 HBKG BW idF vom 17. Dezember 2015 (jetzt § 31 Abs. 4 Nr. 11 HBKG BW idF vom 4. Februar 2021), wonach die Berufsordnung weitere Vorschriften über Berufspflichten, insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Berufsangehörigen und Angehörigen anderer Berufe, enthalten kann, lässt sich nicht entnehmen, dass der Landesgesetzgeber eine § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW einschränkende Regelung durch den Verordnungsgeber gestatten wollte. Soweit der Landesgesetzgeber in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW die interprofessionelle Zusammenarbeit von Kammermitgliedern mit anderen, dort genannten Berufe in Praxen ausdrücklich gestattet, fehlt § 21a Abs. 1 Satz 2 BO als untergesetzlicher Norm des Berufsrechts die Kraft für eine dahinter zurückbleibende Regelung.15

b) Auch § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW steht bei einer Auslegung im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG einer interprofessionellen Zusammenarbeit einer Tierärztin und eines Betriebswirts in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz nicht entgegen. Es liegen keine Gemeinwohlbelange vor, die eine restriktive, eine solche interprofessionelle Zusammenarbeit ausschließende Auslegung des § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW rechtfertigen können.16

aa) Zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten freien Berufsausübung zählt auch die Freiheit, den Beruf gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufe auszuüben (BVerfGE 141, 82 Rn. 44). Auch die Beteiligte zu 1, die Partnerschaftsgesellschaft, zu der sich die Beteiligte zu 2 und der Beteiligte zu 3 zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen haben, kann sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf den Schutz dieses Grundrechts berufen, weil Art. 12 Abs. 1 GG seinem Wesen nach auf juristische Personen des Privatrechts und diesen gleichstehende Personengesellschaften des Privatrechts anwendbar ist (BVerfGE 23, 208, 223; 50, 290, 363; 53, 1, 13; 97, 228, 253; 102, 197, 212 f.).17

Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Grundsatz
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
genügen (BVerfGE 141, 82 Rn. 47 mwN; BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – I ZR 137/12, NJW-RR 2014, 1188 Rn. 21 mwN).18

bb) § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW ist im Lichte der grundrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit nicht abschließend zu verstehen, so dass eine interprofessionelle Zusammenarbeit einer Tierärztin und eines Betriebswirts in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz zulässig ist.19

(1) Der Wortlaut des § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW („können“) schließt interprofessionelle Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW mit anderen als dort genannten Berufen in Praxen nicht aus, wenn auch rechtssystematisch § 30a Abs. 3 HBKG BW, wonach die Kammern in besonderen Einzelfällen oder zur Erprobung neuer Versorgungsangebote Ausnahmen von Absatz 1 zulassen können, wenn sichergestellt ist, dass berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt werden, als Anhaltspunkt für einen abschließenden Charakter der Norm angesehen werden könnte.20

(2) Gegen einen abschließenden Charakter der in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW aufgeführten interprofessionellen Partnerschaften spricht, dass § 31 Abs. 3 Nr. 11 HBKG BW in der bis zum 15. Februar 2021 geltenden Fassung, wonach die Berufsordnung weitere Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen Berufsangehörigen und Angehörigen anderer Berufe enthalten kann, in § 31 Abs. 4 Nr. 11 HBKG BW idF vom 4. Februar 2021 erhalten geblieben ist. Wenn § 30a HBKG BW die Zusammenarbeit zwischen Berufsangehörigen und Angehörigen anderer Berufe abschließend regeln würde, hätte die Vorschrift praktisch keinen Anwendungsbereich mehr. Für dieses Verständnis der Vorschrift spricht auch, dass sie vorhandene Regelungen in Berufsordnungen aufgreift, die offenkundig nicht abschließend gemeint sind. So können nach § 23b Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 21. September 2016 (ÄBW 2016, S. 506), zuletzt geändert durch Satzung vom 22. April 2020 (ÄBW 2020, S. 259), Ärztinnen und Ärzte sich auch mit selbständig tätigen und zur eigenverantwortlichen Berufsausübung befugten Berufsangehörigen anderer akademischer Heilberufe im Gesundheitswesen oder staatlicher Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen sowie anderen Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sozialpädagogischer Berufe zur kooperativen Berufsausübung zusammenschließen. Dieser § 30a Abs. 1 HBKG BW ähnlichen Regelung folgt mit § 23c der Berufsordnung, wonach es Ärztinnen und Ärzten gestattet ist, mit Angehörigen anderer Berufe als den in § 23b beschriebenen in allen Rechtsformen zusammen zu arbeiten, wenn sie nicht die Heilkunde am Menschen ausüben, eine Vorschrift, die ausdrücklich die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Berufen wie Rechtsanwälten oder Architekten erlaubt (vgl. Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, 3. Aufl., § 23c MBO-Ä 1997 Rn. 1). Auch § 17 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg vom 10. September 2010 (Zahnärzteblatt Baden-Württemberg, Heft 10/2010, S. 56), zuletzt geändert durch Satzung vom 24. Juli 2021 (Zahnärzteblatt Baden-Württemberg, Heft 10/2021, S. 55), trifft wie § 23b Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg eine § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW ähnelnde Regelung, wonach Zahnärzte sich auch mit selbstständig tätigen und zur eigenverantwortlichen Berufsausübung berechtigten Angehörigen anderer Heilberufe oder staatlicher Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen sowie naturwissenschaftlichen oder sozialpädagogischen Berufen in den rechtlich zulässigen Gesellschaftsformen zusammenschließen können, wenn ihre eigenverantwortliche, fachlich unabhängige sowie freiberufliche Berufsausübung gewährleistet ist. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg gilt gleiches für den Zusammenschluss mit anderen freien Berufen, die ebenfalls einer berufsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen. Ebenso wie Ärzten nach § 23c der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg ist es einem Zahnarzt nach § 17 Abs. 2 Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg gestattet, in Partnerschaften gemäß § 1 Abs. 1 und 2 PartGG oder in anderen Gesellschaftsformen mit Angehörigen anderer Berufe als den in Abs. 1 beschriebenen zusammen zu arbeiten, wenn er in dieser Partnerschaft oder Gesellschaft nicht die Zahnheilkunde am Menschen ausübt. Aus der Gesetzesbegründung ist nichts dafür ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber mit der Neuregelung in § 30a Abs. 1 HBKG BW diese verfassungsrechtlich gebotenen berufsrechtlichen Regelungen in den Berufsordnungen der Landesärztekammer und Landeszahnärztekammer in Baden-Württemberg untersagen wollte (Gesetzentwurf der Landesregierung von Baden-Württemberg vom 24. November 2020, LT-Drucks. 16/9344, S. 23). Naheliegender ist vielmehr, dass mit § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW nur ein Mindeststandard für die berufliche Zusammenarbeit eingeführt und die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Berufen über § 31 Abs. 4 Nr. 11 HBKG BW weiterhin den Berufsordnungen überlassen werden sollte.21

(3) Auch Sinn und Zweck des § 30a HBKG BW stehen einer interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen einer Tierärztin und einem Betriebswirt in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz nicht entgegen. Der aus der Gesetzesbegründung erkennbare Wille des Gesetzgebers, die eigenverantwortliche und unabhängige Berufsausübung der Kammermitglieder in interprofessionellen Partnerschaftsgesellschaften nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz zu schützen, wird auch gewahrt, wenn weitere, nicht im Gesetz genannte interprofessionelle Partnerschaften zulässig sind, und spricht deshalb gegen einen abschließenden, die vorgenannte interprofessionelle Zusammenarbeit ausschließenden Charakter des § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW.22

(a) Ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch die Einfügung des § 30a HBKG BW der Grundsatz der eigenverantwortlichen und unabhängigen Berufsausübung der dort genannten Heilberufe geschützt und eine gewerbliche heilberufliche Tätigkeit grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die Definition der erlaubten Formen der Berufsausübung solle sicherstellen, dass die Einhaltung der Berufspflichten bei heilberuflichen Tätigkeiten in allen rechtlichen Gestaltungsformen durchgesetzt werden könne. Die Kammern der genannten approbierten Heilberufe erhielten so den Spielraum, ihre Kammermitglieder bei einer heilberuflichen Tätigkeit in der Rechtsform des Privatrechts vor einer unerwünschten Beeinflussung durch wirtschaftliche Interessen zu schützen (Gesetzentwurf der Landesregierung von Baden-Württemberg vom 24. November 2020, LT-Drucks. 16/9344, S. 23). Der Gesetzgeber wollte damit eine gewerbliche heilberufliche Tätigkeit grundsätzlich ausschließen. Gewerblich tätig sind Personenhandelsgesellschaften und juristische Personen, nicht aber die Angehörigen Freier Berufe gemäß § 1 Abs. 2 PartGG, zu denen ein Betriebswirt – wie der Beteiligte zu 3 – zählt. Nur für die heilberufliche Tätigkeit in juristischen Personen hat der Gesetzgeber in § 30a Abs. 2 HBKG BW deshalb detaillierte Voraussetzungen aufgestellt, um eine gewerbliche heilberufliche Tätigkeit auszuschließen. Für Partnerschaftsgesellschaften verbleibt es damit beim weiteren gesetzgeberischen Willen, durch die Vorschrift den Grundsatz der eigenverantwortlichen und unabhängigen Berufsausübung der genannten Heilberufe zu schützen (Gesetzentwurf der Landesregierung von Baden-Württemberg vom 24. November 2020, LT-Drucks. 16/9344, S. 23).23

(b) Es liegen keine Gemeinwohlbelange vor, die den Ausschluss einer interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen einer Tierärztin und einem Betriebswirt rechtfertigen können. Die wesentlichen tierärztlichen Grundpflichten und die eigenverantwortliche und unabhängige tierärztliche Berufsausübung werden durch eine interprofessionelle Zusammenarbeit mit einem Betriebswirt in einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz nicht beeinträchtigt.24

(aa) Die tierärztliche Verschwiegenheitspflicht steht der interprofessionellen Zusammenarbeit mit einem Betriebswirt nicht entgegen.25

Nach § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW können Kammermitglieder nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 – hier die Beteiligte zu 2 als Kammermitglied der Landestierärztekammer, § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW – eine Praxis gemeinsam mit Personen führen, die einem in § 1 Abs. 2 PartGG genannten staatlichen Ausbildungsberuf im Gesundheitswesen, einem naturwissenschaftlichen oder einem sozialpädagogischen Beruf angehören. Damit wird durch § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW für die Kammermitglieder nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 HBKG BW, zu deren Grundpflichten – wie hier bei der Beteiligten zu 2 gemäß § 3 B. Abs. 1 BO – u.a. die gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrte Verpflichtung zur Verschwiegenheit gehört, eine interprofessionelle Zusammenarbeit in einer Praxis in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft mit Personen gestattet, die keiner beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen bzw. bei denen ein Verstoß gegen eine berufliche Verschwiegenheitspflicht nicht strafbewehrt ist. Bei den meisten Personen der von § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW genannten naturwissenschaftlichen Berufen wird es ohne arbeitsvertragliche Verpflichtung bereits an einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht fehlen. Die einen naturwissenschaftlichen Beruf ausübenden Personen unterliegen nur als Angehörige der in § 203 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 StGB genannten Personengruppen der Strafandrohung des § 203 StGB, fremde, ihnen anvertraute Geheimnisse nicht unbefugt zu offenbaren (vgl. Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 203 Rn. 89; MünchKommStGB/Cierniak/Niehaus, 4. Aufl., § 203 StGB Rn. 107). Von den Personen der in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW weiter genannten sozialpädagogischen Berufe werden Sozialarbeiter und Sozialpädagogen nur bei staatlicher Anerkennung, die ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium voraussetzt, vom Täterkreis des § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB erfasst. Keine tauglichen Täter iSv § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB sind hingegen staatlich anerkannte Erzieher, wenn sie nicht andere Merkmale des Abs. 1 erfüllen (MünchKommStGB/Cierniak/Niehaus, StGB, 4. Aufl., § 203 Rn. 42; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 203 Rn. 62). Die fehlende berufliche und nicht gemäß § 203 StGB strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht eines Betriebswirts vermag deshalb nicht den Ausschluss seiner interprofessionellen Zusammenarbeit mit einem Kammermitglied nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW zu begründen, da die tierärztliche Verschwiegenheitspflicht durch eine solche Zusammenarbeit nicht stärker gefährdet wird als bei einer Zusammenarbeit mit den durch § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW für eine interprofessionelle Zusammenarbeit ausdrücklich zugelassenen Berufen. Ohnehin ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht mehr gewahrt, wenn das Verbot der interprofessionellen Zusammenarbeit allein darauf gestützt wird, dass ein nicht der Verschwiegenheit unterliegender Partner im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eines der beruflichen Verschwiegenheit unterliegenden Partners Kenntnisse erlangt, für ihn aber keine eigene berufliche Verschwiegenheitspflicht besteht (vgl. BVerfGE 141, 82 Rn. 67 ff. zu § 59a BRAO).26

Schließlich besitzt ein Tierarzt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW) – anders als die weiter von § 30a Abs. 1 Satz 2 erfassten Kammermitglieder nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und teilweise nach Nr. 5 HBKG BW – kein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Im Gegensatz zu den weiteren Kammermitgliedern nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und teilweise nach Nr. 5 HBKG BW besteht bei einem Tierarzt kein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinem Auftraggeber, welches die Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsbelange umfasst und verlangt (vgl. BVerfGE 38, 312, 323 f.).27

(bb) Ebenso wird die tierärztliche Unabhängigkeit einer Tierärztin durch die interprofessionelle Zusammenarbeit mit einem Betriebswirt in der Organisationsform der Partnerschaftsgesellschaft nicht stärker gefährdet als bei einer Zusammenarbeit mit den in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW für eine interprofessionelle Zusammenarbeit zugelassenen Berufen. Der Umstand, dass der Beteiligte zu 3 als Berufsfremder aus einem völlig anderen Tätigkeitsfeld in der interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft zu einem Entscheidungsträger der Praxis wird und damit die rechtliche und tatsächliche Handlungsfreiheit des tierärztlichen Partners einschränken könnte, vermag den Ausschluss von Betriebswirten aus dem Kreis der für eine interprofessionelle Zusammenarbeit nach § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW in Betracht kommenden Berufe nicht zu rechtfertigen. Das folgt aus den besonderen Vorschriften für die Partnerschaftsgesellschaft. Die Berufsausübung in einer solchen Gesellschaft kann den jeweiligen Berufsträger nach § 6 Abs. 1 PartGG nicht von seinen berufsrechtlichen Pflichten befreien (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze, BT-Drucks. 12/6152, S. 15), so dass der tierärztliche Partner weiterhin seiner beruflichen Unabhängigkeit verpflichtet bleibt. Diese berufsrechtlichen Bindungen des Tierarztes können seine Partner nicht übergehen. Denn der Grundsatz der Selbstorganschaft ist, ungeachtet der Möglichkeiten, die aufgrund der Vertragsfreiheit insbesondere für die Gestaltung des Innenverhältnisses ansonsten eröffnet sind, bei der Partnerschaftsgesellschaft aufgrund der zwingenden Regelung in § 6 Abs. 2 PartGG entscheidend gestärkt (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze, BT-Drucks. 12/6152, S. 15). Danach kann die Geschäftsführungsbefugnis des einzelnen Partners insoweit nicht beschränkt werden, als seine Berufsausübung betroffen ist. Sichergestellt ist damit zumindest, dass berufsfremde Partner die tierärztliche Berufstätigkeit nicht im Rahmen der Geschäftsführung beeinflussen können (vgl. BVerfGE 141, 82 Rn. 87 zu § 59a BRAO).

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Schlagworte: Name einer Partnerschaft, PartGG, Partnerschaftsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaltung