Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen sonstiger Gerichte zum Gesellschaftsrecht

LG Stuttgart, Urteil vom 23.01.2024 – 49 O 142/23

1. § 6 Abs. 2 PartGG schließt eine (vorübergehende) Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis für den Bereich der freiberuflichen Tätigkeiten nicht aus. Unter Berücksichtigung besonderen Schutzes der Geschäftsführung in beruflichen Angelegenheiten in Freiberuflergesellschaften kann im Einzelfall eine Entziehung der gesamten Geschäftsführung gerechtfertigt sein.

2. Eine Entziehung der gesamten Geschäftsführung ist insbesondere dann zulässig, wenn den übrigen Gesellschaftern eine Fortsetzung der Geschäftsführung im Namen der Partnerschaft im freiberuflichen Bereich nicht zumutbar ist.

3. Eine Entziehung der Geschäftsführung in der Partnerschaftsgesellschaft kann durch Beschluss erfolgen. Das in § 6 Abs. 3 PartGG i.V.m. § 116 Abs. 5 HGB vorgesehene Verfahren der Entziehung durch gerichtliche Entscheidung ist dispositiv, vorrangig gelten etwaige Regelungen des Gesellschaftsvertrags.

4. Bereits der Verdacht rechtwidrigen Handelns im Rahmen eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kann einen wichtigen Grund darstellen, der die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis rechtfertigt.

5. Ein Gesellschafter, dem von dritter Seite rechtswidriges Handeln vorgeworfen wird, muss auf Grund seiner Treuepflicht seine Mitgesellschafter zutreffend und vollständig über solche Umstände informieren, die deren Vermögensinteressen tangieren. Er kann sich dabei weder auf die strafrechtliche Unschuldsvermutung noch auf den nemo-tenetur-Grundsatz berufen.

6. Erteilt ein Gesellschafter seinen Mit-Gesellschaftern entgegen seiner Treuepflicht bestimmte Auskünfte nicht, stellt dies gegebenenfalls einen wichtigen Grund für eine Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht dar.

SG Duisburg, Urteil vom 18. August 2023 – S 37 BA 16/22

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem in einer GmbH angestellten Gesellschafter des Unternehmens

Ist ein Gesellschafter einer GmbH ohne Mehrheitsbeteiligung nicht zum Geschäftsführer bestellt, sondern angestellt tätig, erhält er eine feste jährliche Vergütung, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub und ist er in die betriebliche Organisation eingebunden, so ist er nicht selbständig tätig, sondern i. S. von § 7 Abs. 1 SGB 4 abhängig beschäftigt.

BAG, Urteil vom 25. Juli 2023 – 9 AZR 43/22

Arbeitnehmerbegriff im Urlaubsrecht – Fremdgeschäftsführer einer GmbH

Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH kann Arbeitnehmer im Sinne des BUrlG sein.

1. Rügt eine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs, ist darüber nach § 17a Abs 3 S 2 GVG vorab durch einen mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschluss zu entscheiden. Ist dies in erster Instanz unterblieben, muss die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs im Berufungsverfahren nachgeholt werden.

2. Unterlässt auch das Berufungsgericht die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs, stehen die Bestimmungen in § 17a Abs 5 GVG iVm. § 73 Abs 2, § 65 ArbGG einer Prüfung durch das Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen.

3. Auszugehen ist dabei von dem allgemeinen nationalen und nicht von dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts.

4. Der Anspruch als Fremdgeschäftsführerin einer GmbH ergibt sich unmittelbar aus § 7 Abs 4 BUrlG. Dies folgt – unabhängig davon, ob die Klägerin nach nationalem Recht als Arbeitnehmerin anzusehen ist – aus einer mit Art 7 EGRL 88/2003 konformen Auslegung der Vorschrift.

5. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist maßgeblich, wenn – wie vorliegend mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG – eine unionsrechtliche Regelung angewandt und in nationales Recht richtlinienkonform umgesetzt oder ausgelegt werden muss.

LG Dortmund, Beschluss vom 21.06.2023 – 8 O 5/22 (Kart)

Haftung ehemaliger Geschäftsführer

Entgegen der bisher in der Rechtsprechung (LAG Düsseldorf 20.1.2015 – 16 Sa 459/14, ZIP 2015, 829; ferner in einem obiter dictum LG Saarbrücken 15.09.2020 – 7HK O 6/16, Rn. 122, juris in Bezug auf Kartellbußen der EU und offenbar auch LG Düsseldorf 37 O 66/20 (Kart) – unveröffentlicht) sowie in Teilen der Literatur (vgl. etwa Baur/Holle, ZIP 2018, 459; Bunte, NJW 2018, 123; Lotze/Smolinski, NZKart 2015, 254 und zum Ganzen Leclerc, NZKart 2021, 220 m.w.N.) vertretenen Auffassung ist ein Regressanspruch der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer auf Ersatz von Schadenspositionen anzuerkennen, die ihr dadurch entstanden sind, dass der Geschäftsführer an einem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellrechtsverstoß mitgewirkt hat und die Gesellschaft daraufhin mit Bußgeldern belegt und mit Schadensersatzforderungen konfrontiert wurde (so schon die überwiegende Literaturansicht, vgl. statt aller Grau/Dust, ZRP 2020, 134; Stancke, BB 2020, 1167 und ausführlich bereits Kersting, ZIP 2016, 1266 m.w.N.).

LG Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2023 – 100 O 18/23

Einstweilige Verfügung

Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG nicht ohne Gesellschafterbeschluss

LG Heidelberg, Urteil vom 02.02.2023 – 7 S 1/122

Der Insolvenzverwalter darf nur Forderungen einziehen, soweit dies zur Befriedigung der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin erforderlich ist. Dem Insolvenzverwalter steht hingegen keine Einziehungsbefugnis zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Genossen zu (Anschluss BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19).

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 10.11.2022 – 1 HK O 7642/21

Kompensation des behaupteten Wertverlusts von Genossenschaftsanteilen im Falle einer Verschmelzung von Genossenschaften

1. Nach dem geltenden Recht ist bei einer Verschmelzung von Genossenschaften eine Zuzahlung bis zum Erreichen des wirtschaftlichen Wertes der Beteiligung nicht vorgesehen. Eine solche Zuzahlung lässt sich auch über eine teleologische oder anderweitige Auslegung der geltenden Normen erreichen. Eine Analogie zur Auflösung der Genossenschaft lässt sich nicht ziehen mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Eine Abfindung, die sich am tatsächlichen Wert der Beteiligung orientiert, ist auch im Hinblick des Zwecks einer Genossenschaft nicht geboten.

2. Nach § 85 Abs. 1 UmwG ist bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander § 15 UmwG nur anzuwenden, wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn die Geschäftsguthaben des Antragstellers lauten insgesamt auf den gleichen Betrag. Damit ist nach dem Gesetzeswortlaut für eine Zuzahlung kein Raum.

LG Hannover, Urteil vom 12.10.2022 – 23 O 63/21

Informationsrechte

LG Hannover, Urteil vom 11. Oktober 2022 – 32 O 119/22

Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses eines GmbH-Geschäftsführers

1. Da die Führungslosigkeit der Gesellschaft nicht nur dem Gesetz (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) widerspricht, sondern auch die Gläubiger der Gesellschaft benachteiligt, ist es überlegenswert, einen Beschluss über die Abberufung des Geschäftsführers, der mit einer möglicherweise längerdauernden Führungslosigkeit der GmbH einhergeht, als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen.

2. Im vorliegenden Fall stellt sich der Abberufungsbeschluss nicht als sittenwidrig dar, weil das Verhalten des Vereins nicht darauf abzielte, die GmbH führungslos zu machen. Die zu erwartende Führungslosigkeit war vielmehr eine sich aus den besonderen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags ergebende, aus Vereinssicht als „notwendiges Übel“ einzustufende Folge. Ein Abberufungsbeschluss kann insbesondere dann, wenn die Gesellschafterversammlung davon überzeugt ist, es liege ein wichtiger Grund vor, selbst bei voraussehbareren Schwierigkeiten bei der Bestellung eines Nachfolgers nicht als sittenwidrig eingestuft werden.

3. Eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung ist unwirksam, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird.

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19.08.2022 – 102 SchH 99/21

Schiedsvereinbarung I Wirksamkeit einer Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GbR für den der Gesellschaft beitretenden Gesellschafter; Darlegungs- und Beweislast für das wirksame Zustandekommen einer formgültigen Schiedsvereinbarung im Verfahren wegen Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens

1. Für den der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beitretenden Gesellschafter kann eine Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag bzw. eine Schiedsabrede nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn eine dem Gesetz entsprechende formgerechte Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern vorliegt; lediglich in Fallkonstellationen, in denen der Eintretende im Wege der Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge oder durch Ausübung eines rechtsgeschäftlichen Eintrittsrechts die Position eines anderen Gesellschafters übernimmt, bindet eine bestehende, rechtswirksam begründete Schiedsvereinbarung den neuen Gesellschafter, ohne dass es eines gesonderten Beitritts zum Schiedsvertrag in der Form des § 1031 ZPO bedarf.

2. Im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig für das wirksame Zustandekommen einer formgültigen Schiedsvereinbarung, der sich darauf beruft. Verbleibende Zweifel gehen – unabhängig von den jeweiligen Parteirollen – zu Lasten derjenigen Partei, die einen wirksamen Abschluss behauptet.