Ausgewählte Entscheidungen
Entscheidungen des Kammergericht Berlin
KG Berlin, Beschluss vom 23.11.2022 – 22 W 50/22
1. Die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt auch für die Erben eines GmbH-Gesellschafters. Sie können Gesellschafterrechte erst dann ausüben, wenn sie in die Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG aufgenommen worden sind. Dies gilt auch für einen Nachlasspfleger, der für die unbekannten Erben des Gesellschafters bestellt ist.
2. Die Beschwerdebefugnis gegen die Anordnung einer Notgeschäftsführung an sich steht dem Erben eines GmbH-Gesellschafters erst mit der Eintragung in die Gesellschafterliste zu.
KG Berlin, Beschluss vom 5. Oktober 2022 – 22 W 54/22
1. Im Rahmen der Anmeldung eines Geschäftsführerwechsels nach § 39 Abs. 1 GmbHG prüft das Registergericht die Ordnungsgemäßheit der Anmeldung, ob diese also formgerecht erfolgt ist und die begehrte Eintragung eintragungsfähig ist und ob erforderliche Urkunden beigefügt sind. Dabei muss sich aus den nach § 39 Abs. 2 GmbHG das Ausscheiden eines Geschäftsführers und die Neubestellung eines anderen Geschäftsführers schlüssig ergeben.
2. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Amtsermittlung nach §§ 26, 382 FamFG besteht nur dann, wenn entweder die formalen Mindestanforderungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen.
KG Berlin, Urteil vom 28.06.2022 – 9 U 1098/20
Eine Haftung des Notars wegen einer Verletzung der Amtspflichten aus § 40 Absatz 2 Satz 1 GmbHG kommt nicht gegenüber der GmbH in Betracht. Denn die Amtspflicht des § 40 Absatz 2 Satz 1 GmbHG obliegt dem Notar nicht ihr gegenüber und dient nicht ihrem Schutz.
KG Berlin, Beschluss vom 13.06.2022 – 22 W 25/22
Eine Liquidation ist beendet und eine Eintragung nach § 74 GmbHG gerechtfertigt, wenn keine Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Grundsätzlich ist dazu erforderlich, dass alle Pflichten gemäß §§ 70 – 73 GmbHG erfüllt sind. Hierzu gehört auch, dass die Gesellschaft durch eine entsprechende Bekanntmachung die Auflösung der Gesellschaft publik macht und zugleich die Gläubiger der Gesellschaft auffordert, sich bei ihr zu melden (§§ 65 Abs. 2, 73 Abs. 1 GmbHG).
KG Berlin, Urteil vom 28.04.2022 – 2 U 39/18
Ersatz pflichtwidriger Zahlungen I Exkulpation des Geschäftsführers einer Konzern-GmbH durch für den Gesamtkonzern eingeholtes Insolvenzgutachten
1. Ein vom Insolvenzverwalter als Indiz der Überschuldung vorgelegter Jahresabschluss ist nicht schon deswegen ohne Aussagekraft, weil er vor Insolvenzeröffnung nicht mehr förmlich beschlossen und vom Geschäftsführer unterzeichnet werden konnte. Vielmehr sind dem Geschäftsführer konkrete Einwendungen in der Sache zumutbar.
2. Zur Frage, ob sich der Geschäftsführer einer konzernangehörigen GmbH zur Exkulpation auf ein Anwaltsgutachten stützen kann, welches das Vorliegen von Insolvenztatbeständen im Wege einer reinen Konzernbetrachtung verneint.
3. Hat der auf die Erstattung von Zahlungen in der Insolvenz in Anspruch genommene Geschäftsführer die sorgfältige Plausibilitätskontrolle einer Insolvenzbegutachtung unterlassen, kann er nicht geltend machen, bei deren Vornahme hätte ihm der Fehler des Begutachtenden nicht auffallen müssen.
OLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 – I-8 U 73/12
Zu den Amtspflichten der Aufsichtsratsmitglieder zählt die Überwachung des Vorstandes und ggf. Verfolgung von Pflichtverstößen einschließlich der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 21.04.1997, II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck)
1. Zur Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstandes.
2. Der Schaden der Aktiengesellschaft, für den die Aufsichtsräte haften und der u.a. in der Belastung mit langfristigen Mietzinsverbindlichkeiten liegt, entfällt nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs, wenn sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft die Mietzinsgläubiger durch Vergleich mit dem Insolvenzverwalter verpflichten, ihre zur Tabelle angemeldeten und bestrittenen Forderungen zum Teil nicht gerichtlich zu verfolgen.
KG Berlin, Beschluss vom 04.04.2022 – 22 W 15/22
1. Dem Registergericht obliegt neben der formellen Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen bei begründeten Bedenken auf die Prüfung der (materiellen) Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen. Dies schließt die Prüfung ein, ob nach der Satzung ein weiterer Geschäftsführer bestellt werden darf.
2. Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist grundsätzlich seinem objektiven Erklärungswert nach auszulegen. Dabei finden neben Wortlaut und Inhalt und Zweck einer Regelung auch der Anlass ihrer Einfügung Berücksichtigung. Zur Auslegung können aber auch die weiteren zum Handelsregister eingereichten Dokumente herangezogen werden.
KG Berlin, Beschluss vom 17.03.2022 – 22 W 10/22
Eine Versicherung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3, Satz 3 GmbHG (Habilitätsversicherung) kann nicht allein deswegen beanstandet werden, weil sie bereits mehrere Monate vor der Einreichung beim Registergericht abgegeben worden ist. Anderes gilt nur dann, wenn sich Zweifel an der Richtigkeit der Versicherung ergeben.
KG Berlin, Beschluss vom 24. Februar 2022 – 1 W 310/21
Nachweis der Vertretungsmacht eines (Nachtrags-)Liquidators gegenüber dem Grundbuchamt
Hat das Registergericht gemäß § 66 Abs. 5 GmbH einen (Nachtrags-)Liquidator bestellt, aber von dessen Eintragung im Handelsregister abgesehen, genügt zum Nachweis seiner Vertretungsmacht gegenüber dem Grundbuchamt eine Ausfertigung des Beschlusses des Registergerichts nicht, wenn seit seinem Erlass bereits ein Jahr vergangen ist. Die Gesellschaft muss zunächst ihre Wiedereintragung und die Eintragung des Liquidators im Handelsregister erreichen.
Fortführung von Senat, Beschluss vom 29. April 2021 – 1 W 29-33/21 und Abgrenzung KG, Beschluss vom 9. November 2021 – 22 W 68/21.
KG Berlin, Beschluss vom 29. November 2021 – 22 W 55/21
1. Die Entscheidung des Registergerichts, eine Anmeldung auf Eintragung der Abberufung eines GmbHG-Geschäftsführers zurückzuweisen, kann nicht durch einen Gesellschafter der GmbHG mit der Beschwerde angegriffen werden. Der Gesellschafter wird durch die Entscheidung nicht unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt.
2. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens steht der Bestellung anderer Organvertreter durch die Gesellschafterversammlung nicht entgegen.
3. Das Registergericht hat zu prüfen, ob der angemeldete Geschäftsführerwechsel ordnungsgemäß beschlossen worden ist. Dabei ist wegen der Gesellschafterstellung der Beschließenden die zuletzt in den Registerordner aufgenommene Gesellschafterliste maßgebend. Bei zwei Listen, die am selben Tag aufgenommen worden ist, ist die jüngere maßgebend.