Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG Brandenburg

OLG Brandenburg, Urteil vom 29.06.2022 – 7 U 60/21

Haftung eines GmbH-Geschäftsführers wegen der Nutzung von Unternehmensvermögen zu eigenen Interessen I Voraussetzungen und Reichweite der Entlastung

Die nach § 46 Nr. 5 GmbHG zu beschließende Entlastung des Geschäftsführers, die Schadensersatzansprüche gegen ihn ausschließt, bezieht sich inhaltlich lediglich auf alle diejenigen Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren (Anschluss BGH, Urteil vom 21. April 1986 – II ZR 165/85). Keine Entlastungswirkung tritt hingegen ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert. Denn insoweit ist die Verpflichtung der Gesellschafter zur Nachfrage darauf zu beschränken, dass der Anlass zur Nachfrage sich eindeutig ergibt.

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18.05.2022 – 7 U 89/21                  

Gesellschaftsrecht: Anfechtung einer Beschlussfassung über die Durchführung einer Sonderprüfung der Tätigkeit des Geschäftsführers

OLG Brandenburg, Urteil vom 17.03.2022 – 10 U 16/21  

1. Der Vorstand eines Vereins überschreitet die sich aus § 27 Abs. 3 Satz 1, § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebende Grenze der zulässigen Delegation von Geschäftsführungsaufgaben, wenn er einen Dritten mit lediglich beispielhaft umschriebenen „Dienstleistungen zur Organisation und Verwaltung des Auftraggebers“ beauftragt, die einen wesentlichen Teil der zum Wirkungskreis des Vorstandes gehörenden Aufgaben umfassen. Dies gilt auch dann, wenn dem Vorstand danach noch ein eigenständig wahrzunehmender Aufgabenbereich verbleibt.

2. Erfolgt die Beauftragung des Dritten in einer derartigen Fallgestaltung entgeltlich, kann der Abschluss des Vertrages zudem gegen eine Satzungsbestimmung verstoßen, nach der die Tätigkeit im Vorstand ehrenamtlich ausgeübt wird.

3. Handelt es sich bei dem beauftragten Dritten um eine Gesellschaft, deren Gesellschafter mit den den Verein vertretenen Vorständen identisch sind, kann dies zur Unwirksamkeit des Vertrages unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht führen.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.02.2022 – 7 W 21/22

1. Das Einreichen einer Liste der Gesellschafter (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG) ist keine Willenserklärung; die Liste gilt nicht mit der Rechtskraft des Urteils als eingereicht, das zum Einreichen der Liste verpflichtet.

2. Das Einreichen der Liste steht den anderen höchstpersönlichen Versicherungen des Geschäftsführers gegenüber dem Registergericht gleich, mit denen er über rechtliche oder tatsächliche Umstände, die in der Vergangenheit eingetreten oder nicht eingetreten sind, zu berichten hat und die ebenfalls als unvertretbare Handlungen zu vollstrecken sind.

OLG Brandenburg, Urteil vom 10.11.2021 – 4 U 97/21

Vorläufiges Tätigkeitsverbot gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer I Voraussetzungen einer actio pro socio im einstweiligen Verfügungsverfahren

Es kann offenbleiben, ob ein Gesellschafter befugt ist, im Wege der actio pro socio Ansprüche der Gesellschaft gegen einen (Fremd)Geschäftsführer geltend zu machen.

Unterlässt es der im Wege der actio pro socio tätig gewordene Gesellschafter nach Erwirken einer einstweiligen Verfügung bezüglich eines Tätigkeitsverbots des GmbH-Geschäftsführers, einen Gesellschafterbeschluss für dessen Abberufung herbeizuführen, entfällt die für die Prozessführungsbefugnis erforderliche besondere Dringlichkeit.

OLG Brandenburg, Urteil vom 03.11.2021 – 7 U 194/20

Ein wichtiger Grund zum Ausschluss eines Gesellschafters (§ 737 BGB) im Falle eines tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter setzt voraus, dass das Zerwürfnis von dem betroffenen Gesellschafter zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person der die Ausschließung betreibenden Gesellschafter keine Umstände vorliegen, die deren Ausschließung oder die Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen.

Nur das überwiegende Verschulden des Auszuschließenden rechtfertigt sein Hinausdrängen.

Beruht die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Gesellschaft auf ungefähr gleichgewichtigen Beiträgen auch der anderen Gesellschafter, so wird dadurch die Gesellschaft insgesamt in Frage gestellt. Sie ist dann durch Kündigung zu beenden (§ 723 I 2 BGB).

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13.09.2021 – 1 U 54/20

Es ist darauf abzustellen, wie eine Äußerung unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsrezipienten verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern ebenso der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind. Während bei Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, ist für Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch. Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18.08.2021 – 6 U 159/18

Wirksamkeit von Geschäftsführerabberufungen und Zwangseinziehungen des Geschäftsanteils I schuldrechtliche Nebenabrede

1. Hinsichtlich Geschäftsführerabberufungen steht den Gesellschaftern einer GmbH ein Selbsthilferecht zum Verlangen einer Versammlungseinberufung zu, wenn sie mindestens 10 % des Stammkapitals halten. Einer gerichtlichen Ermächtigung bedarf es dazu nicht.

2. Eine schriftliche Genehmigungserklärung ist trotz des Ablaufs einer gewissen Zeitspanne (hier: ungefähr zwei Monate) wirksam. Der reine Zeitablauf ist unerheblich, weil es hier nicht um die Annahme eines regelmäßig befristeten Angebots geht, sondern um die Beendigung eines Schwebezustandes wegen eines Vertragsschlusses ohne Vertretungsmacht, für den, wenn der zugrunde liegende Vertrag nicht selbst fristgebunden ist, gerade keine „Annahmefrist“ im Sinne des § 146 BGB besteht. Eine Verwirkung wäre möglich, jedoch nicht, wenn es an einem Umstandsmoment fehlt, weil im Raum steht, dass ursprünglich keine Kenntnis vom Vertretungsmangel bestand.

3. Im Rahmen von Verfügungsgeschäften ist die Frage, ob der Gegenstand einer Verfügung bei Abgabe der Genehmigung noch existiert, für deren Wirksamkeit unerheblich ist; es muss nur der Erklärende noch die erforderliche Verfügungsmacht haben.

4. Ein Aufforderungsschreiben der Minderheitsgesellschafter ist an die Gesellschaft zu richten. Es ist an keine bestimmte Form gebunden.

5. Eine Zwangseinziehung des Geschäftsanteils ohne Zustimmung des betreffenden Gesellschafters kann nur stattfinden, wenn dies nach dem Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Grundsätzlich wirksam ist eine Satzungsbestimmung, die bei Pfändung eines Geschäftsanteils dessen Einziehung gegen Abfindung zulässt, wenn dieselbe Entschädigungsregelung auch für den vergleichbaren Fall der Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund gilt (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 – II ZR 73/99).

OLG Brandenburg, Urteil vom 29. Juni 2022 – 7 U 133/21

Pflichtverletzung eines Geschäftsführers durch Erhöhung seines Gehalts

1. Zur Pflicht eines Geschäftsführers gehört die Trennung eigener Interessen von den Interessen des Unternehmens, welches den Gläubigern mit seinem Gesellschaftsvermögen haftet.

2. Die Frage, in welcher Höhe ein zu zahlendes Grundgehalt angesichts weiterer Gehaltskomponenten als angemessen anzusehen ist, unterliegt nicht der Berechtigung zur einseitigen Bestimmung des Leistungsinhaltes durch den Geschäftsführer. Stattdessen ist die Gesellschafterversammlung zur Entscheidung über die Höhe der Vergütung berufen. Auch wenn sie angemessen wäre besteht auf die Zahlung einer höheren Vergütung sonst kein Anspruch.

3. Die Haftung ist allerdings wegen der für die Jahre 2016 und 2017 von den Gesellschaftern beschlossenen Entlastung des Beklagten ausgeschlossen. Mit der zu beschließenden Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus.

4. Die Feststellung eines Jahresabschlusses führt nicht zum Ausschluss von Ansprüchen gegenüber dem Mitgesellschafter als Geschäftsführer. Hat ein Geschäftsführer zugleich eine Drittverbindlichkeit, wie aufgrund des Dienstvertrages als Geschäftsführer, ist nicht ohne weitere Erklärungen davon auszugehen, dass stets eine Festlegung der Höhe der Forderungen aus Drittgeschäften erfolgen soll.

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12. Mai 2021 – 4 U 134/20

Es bedarf für ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO als weiteres Zulässigkeitserfordernis eines schutzwürdigen rechtlichen Interesses des Klägers an der alsbaldigen Klärung.