Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG Hamm

OLG Hamm, Urteil vom 01.03.2023 – 8 U 48/22

1. Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlussfassung einer Kommanditgesellschaft gerichtete Klage kann zulässigerweise auch gegen die stimmrechtslose Komplementär-GmbH geführt werden, wenn die GmbH die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse vertritt.

2. Liegt ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Kommanditisten vor, muss die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Beschlussfassung über den Ausschluss nicht unverzüglich erfolgen. Es kann ein anerkennenswertes Interesse der Mitgesellschafter bzw. der Gesellschaft bestehen, einen gewissen Zeitraum zuzuwarten. Zögern die Gesellschafter die Ausschließung jedoch über einen längeren Zeitraum ohne erkennbaren Grund hinaus, kann dies dafür sprechen, dass der Kündigungsgrund im Laufe der Zeit an Gewicht verloren hat und die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht unzumutbar ist.

3. Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Ausschließung eines Kommanditisten.

OLG Hamm, Urteil vom 14.11.2022 – 18 U 191/21

1. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass sich die Beschwer des buchauszugspflichtigen Unternehmers, der die Informationen, zu denen er verurteilt worden ist, selbst nicht hat und auch nicht ohne weiteres beschaffen kann, nach denjenigen Kosten bemisst, die für eine notwendige Datenbeschaffung bei Dritten realistischerweise zu erwarten sind, sowie ferner nach den Kosten für die Auswertung bzw. Integration dieser Daten in den zu erteilenden Buchauszug.

2. Für den Fall, dass der Unternehmer bereits einen Buchauszug erteilt hat, bevor eine entsprechende Verurteilung erfolgt ist, und wenn das Gericht diesen Buchauszug nicht als Erfüllung des Anspruchs aus § 87c Abs. 2 HGB gelten lässt: Der Aufwand für die Überprüfung des als erfüllungsuntauglich angesehenen Buchauszugs stellt in der Regel den Mindestaufwand dar, der zur (vollständigen) Neuerteilung des Buchauszugs anfällt.

3. Es fehlt an einem Anerkenntnis im Sinne des § 307 ZPO, ob uneingeschränkt oder, soweit überhaupt möglich, auch dem Grunde nach, wenn der Beklagte zwar erklärt, er erkenne den gegen ihn erhobenen Klageanspruch an, zugleich aber materiell-rechtliche Einwendungen oder Einreden geltend macht, die sich gegen den Bestand oder die Durchsetzbarkeit des „anerkannten“ Anspruchs richten (wie Musielak/Voti/Musielak, ZPO, 19. Aufl., § 307 Rn. 4).

4. Ob ein „Vertriebspartnervertrag“ – hier in der Telekommunikationsvermarktung – als Handelsvertretervertrag im Sinne der §§ 84ff. HGB anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Vertriebspartner im Sinne dieser Vorschriften verpflichtet ist, sich ständig um die Vermittlung von Geschäften (hier: Mobilfunkverträgen) zu bemühen (wie BGH, Urt. vom 12. März 2015 – VII ZR 336/13).

OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2022 – 8 W 7/22

Zur Bemessung des Streitwerts einer Beschlussmängelklage, mit der die Nichtigkeit/Anfechtbarkeit gleich lautender Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen einer GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH verfolgt wird.

OLG Hamm, Urteil vom 13.04.2022 – 8 U 112/21

Zwingende Beschränkung der Abfindung nach Ausschluss eines Gesellschafters aus gemeinnütziger GmbH (gGmbH)

1. Die Regelung in der Satzung einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH), wonach im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters eine Abfindung nur in Höhe des Nennbetrages seiner Stammeinlage zu leisten ist, ist nicht nach § 138 BGB nichtig, selbst wenn ein grobes Missverhältnis zwischen dem Nennwert und dem nach allgemeinen gesetzlichen Regeln zu bestimmenden Abfindungsbetrag besteht. Wenn die Gesellschaft steuerbegünstigte Zwecke i. S. d. §§ 55 ff. AO verfolgt, ist die Klausel zulässig und geboten.

2. Der Zulässigkeit der Beschränkung des Abfindungsanspruchs steht nicht entgegen, dass auch (Insolvenz-)Gläubigern des Gesellschafters nur der Nennbetrag als Haftungsmasse zur Verfügung steht, sofern die Satzung keine abweichenden Regelungen für unterschiedliche Ausscheidensgründe enthält.

3. Zur Auslegung von Bestandteilen einer GmbH-Satzung.

OLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 – 8 U 172/20

1.
Der Erwerb eines Grundstücks zu je ½ mit dem Ziel, darauf ein Einfamilienhaus zu errichten, das künftig gemeinsam bewohnt werden soll, stellt keine konkludente Begründung einer BGB-Gesellschaft dar, wenn der Zweck nicht über die Verwirklichung der Beziehung der Parteien hinausgeht.

2.
Die Vereinbarung über die Auseinandersetzung einer BGB-Gesellschaft, die die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück zum Inhalt hat, bedarf zur Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Die Berufung auf die Formnichtigkeit ist jedenfalls dann nicht treuwidrig, wenn beide Parteien die Formbedürftigkeit kannten.

3.
Scheitert eine nichteheliche Beziehung nach dem gemeinsamen Erwerb eines Baugrundstücks und errichtet ein Partner nunmehr allein auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus, kann er anteiligen Ersatz seiner Aufwendungen nicht nach den Grundsätzen über Ausgleichsansprüche nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verlangen. Es verbleiben Ansprüche wegen der Wertsteigerung des hälftigen Miteigentumsanteils des anderen Partners.

OLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 – I-8 U 73/12

Zu den Amtspflichten der Aufsichtsratsmitglieder zählt die Überwachung des Vorstandes und ggf. Verfolgung von Pflichtverstößen einschließlich der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 21.04.1997, II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck)

1. Zur Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstandes.

2. Der Schaden der Aktiengesellschaft, für den die Aufsichtsräte haften und der u.a. in der Belastung mit langfristigen Mietzinsverbindlichkeiten liegt, entfällt nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs, wenn sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft die Mietzinsgläubiger durch Vergleich mit dem Insolvenzverwalter verpflichten, ihre zur Tabelle angemeldeten und bestrittenen Forderungen zum Teil nicht gerichtlich zu verfolgen.

OLG Hamm, Beschluss vom 09.03.2022 – 4 W 119/20

Wird ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. [2022], § 13 Rdnr. 47). Denn im Hinblick darauf, dass wegen des Virenrisikos allgemein davor gewarnt wird, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, kann von dem Empfänger in einem solchen Fall nicht verlangt werden, den Dateianhang zu öffnen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O.).

OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2021 – 18 U 68/20

Vorkenntnis
§§ 814, 652 BGB

1. Verwendet ein Verbraucher bei einer Leistung die Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, so bringt er damit hinreichend zum Ausdruck, die Leistung nur unter Vorbehalt erbringen zu wollen. Dies führt dazu, dass der Empfänger der Leistung nicht darauf vertrauen darf, das Empfangene behalten zu dürfen, wodurch die Einwendung des § 814 BGB regelmäßig ausgeschlossen wird.

2. Ein Makler kann auch trotz Vorkenntnis seines Kunden die Maklerprovision verdienen, wenn der Makler zusätzliche Informationen liefert, die eine für den Erwerb wesentliche Maklerleistung darstellen. Um eine wesentliche Maklerleistung annehmen zu können, ist erforderlich (und ausreichend), dass der Kunde durch den Nachweis des Maklers den konkreten Anstoß bekommen hat, sich um das ihm bereits bekannte Objekt zu kümmern (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1995, Az. IV ZR 163/94; BGH, Urteil vom 20.11.1997, Az. III ZR 57/96). Eine solche weitere wesentliche Maklerleistung kann in der Organisation und Durchführung einer Objektbesichtigung liegen. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn dem Maklerkunden das Objekt nicht schon vorher gut bekannt gewesen ist.

3. Ebenso kann eine weitere wesentliche Maklerleistung u. Umständen darin liegen, dass der Makler dem Kunden Unterlagen zur Verfügung stellt, die dieser benötigt, um eine Finanzierung zum Erwerb des Objekts zu erlangen. Hat er bereits vorher eine Zusage über die Finanzierung erhalten, so liegt in der Übermittlung der Unterlagen keine weitere wesentliche Maklerleistung.

OLG Hamm, Urteil vom 08.06.2021 – 4 U 17/21

Handelt es sich bei der einstweiligen Verfügung um eine Urteilsverfügung, beginnt die Vollziehungsfrist mit der Verkündung des Urteils

OLG Hamm, Beschluss vom 21.05.2021 – 27 W 25/21

Löschung nach § 74 Abs. 1 GmbHG bei noch nicht abgeschlossenen Besteuerungsverfahren