Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG Hamm

OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2023 – 8 U 21/23

Zur Ausschließung eines Kommanditisten aus Kommanditgesellschaft I einstweilige Verfügung

1. Der durch Mehrheitsbeschluss aus einer Kommanditgesellschaft ausgeschlossene Kommanditist kann unter Umständen im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden.

2. Die Wahl des Ortes für die Durchführung der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft darf nicht willkürlich oder schikanös für einen Gesellschafter sein. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn als Ort zwar ein Konferenzraum in Geschäftsräumen ausgewählt wird, die einer Seite der zerstrittenen Gesellschafter zuzuordnen sind, dies aber in der Vergangenheit wiederholt praktiziert wurde und hierfür sachlich Gründe sprechen.

3. Zum wichtigen Grund, der die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer Kommanditgesellschaft rechtfertigen kann.

OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2023 – 8 U 177/22

Einstweilige Verfügung I Vinkulierungsklausel I Übertragung von Geschäftsanteilen I Vinkulierung

OLG Hamm, Urteil vom 12.06.2023 – 18 U 43/22

Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Finanzierungsvermittlers enthaltene Klausel, die dem Auftraggeber außer der Einschaltung anderer Vermittler auch eigene Finanzierungsbemühungen untersagt („qualifizierter Alleinauftrag“), ist auch im unternehmerischen Rechtsverkehr grundsätzlich wegen unangemessener Benachteiligung des Auftraggebers unwirksam.

OLG Hamm, Urteil vom 08.03.2023 – 8 U 198/20

1.
Eine GmbH, die über einen fakultativen Aufsichtsrat verfügt, wird im Rechtsstreit mit ihrem ausgeschiedenen Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat vertreten.

2.
Die Haftung von Gesellschaftsorganen richtet sich auch bei sog. öffentlichen Unternehmen nach den Haftungsregeln der jeweils gewählten Rechtsform.

3.
Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH, deren – mittelbare – Gesellschafterin eine kommunale Gebietskörperschaft ist, kann durch Verweisung auf die Haftungsregeln, die für Beamte dieser Körperschaft gelten, der Haftungsmaßstab des § 48 BeamtStG vereinbart werden, der die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

4.
Im Zivilprozess kann der Kläger seinen Anspruch durch konkrete Bezugnahme auf ein als Anlage vorgelegtes rechtskräftiges Strafurteil schlüssig darlegen. Gegenüber derart substantiiertem Vorbringen genügt ein schlichtes Bestreiten des Beklagten nicht. Kommt der Beklagte seiner erhöhten Darlegungslast nicht nach, kann der im Strafurteil festgestellte Sachverhalt auch im Zivilverfahren nach eigener Würdigung durch den Zivilrichter zugrunde gelegt werden. Verlangt eine Partei die Vernehmung der von ihr benannten Zeugen, kann dies nicht unter Hinweis auf deren Aussage im Strafprozess oder auf die Feststellungen im Strafurteil abgelehnt werden.

5.
Das Gericht kann sich bei der Überzeugungsbildung auf ein von einer Partei eingeholtes Privatgutachten stützen, wenn dieses gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigengutachten eine größere Überzeugungskraft besitzt.

6.
Die Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers eines öffentlichen Unternehmens hat zur Folge, dass Schadensersatzansprüche nach § 48 BeamtStG i.V.m. § 80 Abs. 1 S. 1 LBG NRW in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjähren, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese Abweichung von der Vorschrift des § 43 Abs. 4 GmbHG ist wirksam.

OLG Hamm, Urteil vom 01.03.2023 – 8 U 48/22

1. Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlussfassung einer Kommanditgesellschaft gerichtete Klage kann zulässigerweise auch gegen die stimmrechtslose Komplementär-GmbH geführt werden, wenn die GmbH die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse vertritt.

2. Liegt ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Kommanditisten vor, muss die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Beschlussfassung über den Ausschluss nicht unverzüglich erfolgen. Es kann ein anerkennenswertes Interesse der Mitgesellschafter bzw. der Gesellschaft bestehen, einen gewissen Zeitraum zuzuwarten. Zögern die Gesellschafter die Ausschließung jedoch über einen längeren Zeitraum ohne erkennbaren Grund hinaus, kann dies dafür sprechen, dass der Kündigungsgrund im Laufe der Zeit an Gewicht verloren hat und die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht unzumutbar ist.

3. Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Ausschließung eines Kommanditisten.

OLG Hamm, Urteil vom 14.11.2022 – 18 U 191/21

1. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass sich die Beschwer des buchauszugspflichtigen Unternehmers, der die Informationen, zu denen er verurteilt worden ist, selbst nicht hat und auch nicht ohne weiteres beschaffen kann, nach denjenigen Kosten bemisst, die für eine notwendige Datenbeschaffung bei Dritten realistischerweise zu erwarten sind, sowie ferner nach den Kosten für die Auswertung bzw. Integration dieser Daten in den zu erteilenden Buchauszug.

2. Für den Fall, dass der Unternehmer bereits einen Buchauszug erteilt hat, bevor eine entsprechende Verurteilung erfolgt ist, und wenn das Gericht diesen Buchauszug nicht als Erfüllung des Anspruchs aus § 87c Abs. 2 HGB gelten lässt: Der Aufwand für die Überprüfung des als erfüllungsuntauglich angesehenen Buchauszugs stellt in der Regel den Mindestaufwand dar, der zur (vollständigen) Neuerteilung des Buchauszugs anfällt.

3. Es fehlt an einem Anerkenntnis im Sinne des § 307 ZPO, ob uneingeschränkt oder, soweit überhaupt möglich, auch dem Grunde nach, wenn der Beklagte zwar erklärt, er erkenne den gegen ihn erhobenen Klageanspruch an, zugleich aber materiell-rechtliche Einwendungen oder Einreden geltend macht, die sich gegen den Bestand oder die Durchsetzbarkeit des „anerkannten“ Anspruchs richten (wie Musielak/Voti/Musielak, ZPO, 19. Aufl., § 307 Rn. 4).

4. Ob ein „Vertriebspartnervertrag“ – hier in der Telekommunikationsvermarktung – als Handelsvertretervertrag im Sinne der §§ 84ff. HGB anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Vertriebspartner im Sinne dieser Vorschriften verpflichtet ist, sich ständig um die Vermittlung von Geschäften (hier: Mobilfunkverträgen) zu bemühen (wie BGH, Urt. vom 12. März 2015 – VII ZR 336/13).

KG Berlin, Beschluss vom 14.10.2022 – 22 W 43/22

Aufnahme einer Gesellschafterliste bei einem vollständigen Gesellschafterwechsel

Im Rahmen der beschränkten und im Grundsatz nur auf die formellen Aspekte ausgerichteten Prüfung bezüglich der Aufnahme einer Gesellschafterliste bei einem vollständigen Gesellschafterwechsel ist grundsätzlich an dem Erfordernis festzuhalten, dass der Unterzeichnende durch seine bestehende Eintragung im Register ausreichend als Geschäftsführer ausgewiesen ist.

OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2022 – 8 W 7/22

Zur Bemessung des Streitwerts einer Beschlussmängelklage, mit der die Nichtigkeit/Anfechtbarkeit gleich lautender Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen einer GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH verfolgt wird.

OLG Hamm, Urteil vom 13.04.2022 – 8 U 112/21

Zwingende Beschränkung der Abfindung nach Ausschluss eines Gesellschafters aus gemeinnütziger GmbH (gGmbH)

1. Die Regelung in der Satzung einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH), wonach im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters eine Abfindung nur in Höhe des Nennbetrages seiner Stammeinlage zu leisten ist, ist nicht nach § 138 BGB nichtig, selbst wenn ein grobes Missverhältnis zwischen dem Nennwert und dem nach allgemeinen gesetzlichen Regeln zu bestimmenden Abfindungsbetrag besteht. Wenn die Gesellschaft steuerbegünstigte Zwecke i. S. d. §§ 55 ff. AO verfolgt, ist die Klausel zulässig und geboten.

2. Der Zulässigkeit der Beschränkung des Abfindungsanspruchs steht nicht entgegen, dass auch (Insolvenz-)Gläubigern des Gesellschafters nur der Nennbetrag als Haftungsmasse zur Verfügung steht, sofern die Satzung keine abweichenden Regelungen für unterschiedliche Ausscheidensgründe enthält.

3. Zur Auslegung von Bestandteilen einer GmbH-Satzung.

OLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 – 8 U 172/20

1.
Der Erwerb eines Grundstücks zu je ½ mit dem Ziel, darauf ein Einfamilienhaus zu errichten, das künftig gemeinsam bewohnt werden soll, stellt keine konkludente Begründung einer BGB-Gesellschaft dar, wenn der Zweck nicht über die Verwirklichung der Beziehung der Parteien hinausgeht.

2.
Die Vereinbarung über die Auseinandersetzung einer BGB-Gesellschaft, die die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück zum Inhalt hat, bedarf zur Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Die Berufung auf die Formnichtigkeit ist jedenfalls dann nicht treuwidrig, wenn beide Parteien die Formbedürftigkeit kannten.

3.
Scheitert eine nichteheliche Beziehung nach dem gemeinsamen Erwerb eines Baugrundstücks und errichtet ein Partner nunmehr allein auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus, kann er anteiligen Ersatz seiner Aufwendungen nicht nach den Grundsätzen über Ausgleichsansprüche nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verlangen. Es verbleiben Ansprüche wegen der Wertsteigerung des hälftigen Miteigentumsanteils des anderen Partners.