Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG Karlsruhe

OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2022 – 4 U 262/22

Werbung eines Marktplatzbetreibers von Internet-Apotheken für Inanspruchnahme ärztlicher Videosprechstunden

1. Ein elektronischer Marktplatzbetreiber für Apotheken, der nach § 5 TMG für die Homepage verantwortlich zeichnet, über die der Kunde zu den in der streitgegenständlichen Werbung beworbenen Dienstleistungen gelangt, kann Schuldner des Unterlassungsanspruchs nach §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 9 HWG sein, auch wenn er selbst keine Versandapotheke betreibt.

2. Zu den Voraussetzungen der Haftung eines elektronischen Marktplatzbetreibers für Apotheken nach §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 9 HWG.

3. Der Erlaubnistatbestand des § 9 Satz 2 HWG ist ein Ausnahmetatbestand. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die beworbene Fernbehandlung den allgemeinen fachlichen Standards entspricht, liegt bei dem Werbenden.

4. Die pauschale Werbung für ärztliche Videosprechstunden ist gemäß § 9 HWG unzulässig, wenn der Eindruck erweckt wird, eine Videosprechstunde könne immer, also nicht nur bei bestimmten, eng begrenzten Indikationen in Anspruch genommen werden.

5. Der einschränkende Hinweis, dass die Videosprechstunde nur für Fernbehandlungen in Frage kommt, für die nach allgemeinen fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist, muss bereits in der Werbung selbst erfolgen, wenn der Verbraucher die beworbene Leistung nach Lesen der Werbung ohne weiteres durch Anklicken eines Links oder durch Scannen eines QR-Codes in Anspruch nehmen kann.

6. Ein elektronischer Marktplatzbetreiber für Apotheken, der selbst keine Apotheke betreibt, gehöht nicht zu dem in § 11 Satz 1 ApoG definierten Adressatenkreis. Er kann jedoch als Gehilfe haften, wenn er die gegen § 11 Satz 1 ApoG verstoßende Tätigkeit einer Versandapotheke unterstützt.

OLG Karlsruhe Urteil vom 21.12.2022 – 3 U 45/21

Unentgeltliche Leistung bei Auszahlungen von Scheingewinnen im Schneeballsystem

OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.04.2022 – 6a U 1/21

1. Eine Klausel des Gesellschaftsvertrags einer Kommanditgesellschaft, wonach „alle Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter“ gefasst werden, kann dahin auszulegen sein und somit die formelle Legitimation dafür geben, dass sämtliche einer Beschlussfassung der Gesellschafter zugänglichen Gegenstände dem Mehrheitsprinzip unterworfen sind.

2. Die Auflösung der Kommanditgesellschaft greift nicht in (relativ) unentziehbare Rechte der Kommanditisten ein; die materielle Legitimation eines darauf gerichteten Mehrheitbeschlusses hängt daher nicht von einer Prüfung rechtfertigender Gründe, sondern lediglich davon ab, ob besondere Umstände dessen materielle Berechtigung (namentlich aufgrund Treuwidrigkeit) widerlegen.

3. Dasselbe gilt grundsätzlich für einen Beschluss der Mehrheit der Gesellschafter, wonach die Liquidation der unbaren Vermögenswerte der Kommanditgesellschaft im Wege der Versteigerung unter den Gesellschaftern erfolgen soll.

4. Die Bestellung eines Gesellschafters der Kommanditgesellschaft zum ausschließlichen Liquidator greift zumindest dann in die relativ unentziehbaren Rechte der Kommanditisten ein, wenn nicht bereits der Gesellschaftsvertrag diesem Gesellschafter die Geschäftsführung und Vertretung in der Liquidation zugewiesen hat (wie es im Fall einer Bestellung der Komplementärin einer „personenidentischen“ GmbH & Co. KG zur Liquidatorin sein mag); die materielle Legitimation eines solchen Eingriffs durch Mehrheitsbeschluss setzt daher – vorbehaltlich einer Zustimmung der Kommanditisten – voraus, dass die Bestellung des Liquidators zumindest aus Sicht der Gesellschaft geboten, also nicht nur in deren Interesse, sondern für diese unerlässlich bzw. notwendig ist.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 W 71/21 (Wx)

Bestellung eines Notgeschäftsführers einer GmbH

1. Ist oder wird eine GmbH aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen geschäftsführerlos, also führungslos (vgl. § 35 Abs. 1 GmbHG) und ist die Gesellschafterversammlung nicht in der Lage, einen Geschäftsführer zu bestellen, so kann auf Antrag durch das Registergericht am Sitz der Gesellschaft in dringenden Fällen ein Notgeschäftsführer bestellt werden.

2. Ein dringender Fall für die Bestellung eines Notgeschäftsführers liegt nur dann vor, wenn die Gesellschaftsorgane selbst nicht in der Lage sind, innerhalb einer angemessenen Frist den Mangel zu beseitigen und der Gesellschaft oder einem Beteiligten ohne Notgeschäftsführerbestellung Schaden drohen würde oder eine alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden würde (Anschluss OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. September 2011 – 3 W 119/11).

3. Die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers ist dabei immer „ultima ratio“ und kommt nur in Betracht, wenn keine andere Möglichkeit besteht, die Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu beseitigen.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.03.2022 – 1 W 85/21 Wx

Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund aus verhaltensbedingten Gründen

1. Ein die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds tragender wichtiger Grund in dessen Per-son ist im Allgemeinen gegeben, wenn ein Verbleiben des Mitgliedes im Aufsichtsrat bis zum Ablauf seiner Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist, weil einem Verbleib das Interesse der Gesellschaft an einem funktionsfähigen Aufsichtsrat entgegensteht.

2. Ein verhaltensbedingter wichtiger Grund für eine Abberufung muss sich nicht zwingend aus dem Verhalten als Aufsichtsratsmitglied ergeben. Es genügt, dass ein Zusammenhang des Verhaltens mit der Aufsichtsratstätigkeit erkennbar ist und dass sich der verhaltensbedingte Grund auf diese Tätigkeit und damit auf die Gesellschaft auswirkt. Für letzteres genügen be-reits Reputationsschäden der Gesellschaft, die – auch – auf einem ethischen Fehlverhalten des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb seines Aufsichtsratsmandats beruhen können.

3. Der Umstand, dass das abzuberufende Aufsichtsratsmitglied weitere Pflichten – wie hier als Betriebsrat – zu beachten hat, hindert die Annahme eines wichtigen Grundes für die Abberu-fung jedenfalls dann nicht, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, da eine mögliche Interessenkollision die Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft nicht entfallen lässt.

4. Da sich der wichtige Grund für die Abberufung aus der Zerstörung des Vertrauens der Ge-sellschaft in die persönliche Integrität und Zuverlässigkeit und der daraus ergebenden man-gelnde Eignung als Aufsichtsratsmitglied ergibt, kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr einer Wiederholung des konkreten Fehlverhaltens besteht.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 11 U 10/19

Die einem besonderen Vertreter in § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG zugewiesene Aufgabe, Ersatzansprüche geltend zu machen, umfasst nicht die Befugnis zur Prozessvertretung der Gesellschaft in einem Honorarklageverfahren, das zwischen der Gesellschaft und den in ihrem Namen von dem besonderen Vertreter zum Zweck der Geltendmachung von Ersatzansprüchen hinzugezogenen Rechtsanwälten geführt wird (Abgrenzung BGH, Urteil vom 20. März 2018 – II ZR 359/16, BGHZ 218, 122).

OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2021 – 6 U 130/19

In einem Streit um die An­ge­mes­sen­heit einer Ver­gü­tung nach dem Ar­beit­neh­mer­er­fin­dungs­ge­setz muss die Bosch Rex­roth AG einem zwi­schen­zeit­lich aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer um­fas­sen­de Aus­künf­te er­tei­len, ein­schlie­ß­lich Of­fen­le­gung eines Un­ter­neh­mens­kauf­ver­tra­ges, mit dem Bosch Rex­roth 2015 die ge­sam­te In­dus­trie- und Wind­ge­trie­be­spar­te an ZF Fried­richs­ha­fen ver­äu­ßer­te.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 25.02.2021 – 7 U 109/20

Corona – Unzumutbarkeit der vollständigen Mietzahlung kommt unter dem Gesichtspunkt eines „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ grundsätzlich in Betracht; Vernichtung der Existenz oder schwerwiegende Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens für Mietminderung erforderlich

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.11.2020 – 2 Rv 21 Ss 483/20

Zum Nachweis der Vertretungsvollmacht durch ein elektronisches Dokument muss dieses qualifiziert signiert oder auf einem der in § 32a Abs. 4 StPO genannten sicheren Übermittlungswege übermittelt worden sein. Tenor 1. Die Revision des Angeklagten gegen […]

OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.10.2020 – 10 U 3/20

HGB § 56 Ein Verkaufsmitarbeiter in einem Autohaus gilt nach § 56 HGB grundsätzlich als bevollmächtigt zur Entgegennahme von Barzahlungen und zur Gewährung von Preisnachlässen. Tenor I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des […]