Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG München

OLG München, Urteil vom 12.01.2023 – 8 U 2672/17

Zur Haftung der Gründungsgesellschafter für den Prospekt des Immobilienfonds Wachstumswerte Europa Ill („Cloche d’Or“) 

1. Da Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar sind, bedarf es in diesem Falle zur Aufnahme des Verfahrens gem. § 20 Abs. 4 KapMuG keines Rechtskraftvermerks.
2. Die Bindungswirkung des Musterentscheids gem. § 22 Abs. 1 KapMuG erfasst in objektiver Hinsicht nicht nur die Beantwortung des Feststellungsziels im Tenor der Entscheidung, sondern auch die diesen Entscheidungssatz tragenden tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente; sie reicht jedoch nicht über die Feststellungsziele des Musterverfahrens hinaus (Anschluss an BGH, Beschluss vom 19.09.2017 – XI ZB 17/15, Rn. 54; hier bejaht für die Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinne).
3. Trotz § 16 Abs. 2 KapMuG ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein gesonderter Ausspruch des Prozessgerichts über die anteilige Kostentragungspflicht der Parteien für die im Musterverfahren erster Instanz angefallenen Kosten grundsätzlich nicht erforderlich.

OLG München, Beschluss vom 19.12.2022 – 7 U 7198/21

Geschlossener Immobilienfonds I
Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen I Ausschluss eines Gesellschafters I wichtiger Grund

OLG München, Beschluss vom 01.12.2022 – 8 U 2112/22

Zur Frage, ob eine Streitigkeit aus Bank- und Finanzgeschäften gem. § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG das Vorliegen einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG voraussetzt

1. Für die Frage, ob eine Streitigkeit aus Bank- und Finanzgeschäften gem. § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das beteiligte Kredit- oder Finanzinstitut über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG verfügt (Abweichung von KG, Beschluss vom 10.12.2018, Gz. 2 AR 58/18; Anschluss an BFH, Urteil vom 29.9.2020 – VIII R 17/17, Rn. 34).
2. Im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 26. Juli 2022 (Gz. X ARZ 3/22), wonach gerichtsinterne Verweisungen an einen anderen Spruchkörper desselben Gerichts entsprechend § 281 II 4 ZPO für den anderen Spruchkörper bindend sind, dürfte eine Zuständigkeitsbestimmung in analoger Anwendung von § 36 I Nr. 6 ZPO zukünftig grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommen.

OLG München, Urteil vom 30.11.2022 – 7 U 4270/20

1. Es isz zwar grundsätzlich richtig, dass eine Abrede regelmäßig erst mit einer Einigung über alle offenen Punkte getroffen wird (vg. § 154 f. BGB. Dies ist jedoch nicht zwingend, denn es steht den Parteien frei, auch ohne abschließende Regelung aller Details eine Abrede rechtsverbindlich zu treffen. Dies ist namentlich dann anzunehmen, wenn die Parteien eine Vereinbarung in Vollzug setzen.

2. Kern einer jeder (fremdnützigen) Treuhandabrede ist Vertrauen; anderenfalls würde man den Treunehmer nicht die Rechtsstellung des Verfügungsberechtigten anvertrauen. Vertrauen sprich daher nicht gegen die Annahme eines Rechtsbindungswillens. Ob ein Rechtsgeschäft begründet wurde oder nicht, bestimmt sich (gerade im Bereich einer unentgeltlichen Treuhand) danach, welche Bedeutung ein Geschäft für die Parteien hatte.

OLG München, Urteil vom 20.10.2022 – 7 U 1785/18

Das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft haftet der Gesellschaft für Schäden, die aus der Verletzung von Vorstandspflichten resultieren (§ 93 Abs. 2 AktG). Eine solche Pflichtverletzung liegt in der Leistung von Zahlungen entgegen § 92 Abs. 2 AktG (§ 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG), also von Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft, sofern die Zahlung nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar ist.

Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). Die Zahlungseinstellung begründet also eine Vermutung für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit (die gegebenenfalls von der Beklagten zu widerlegen wäre). Allerdings greift diese Vermutung vorliegend aus Rechtsgründen nicht.

OLG München, Urteil vom 28.09.2022 – 7 U 3068/21

Auflösung der BGB-Gesellschaft I Abwicklungsvereinbarung auf disquotale Verteilung des Erlöses aus der Veräußerung von Grundstücken

OLG München, Beschluss vom 12.09.2022 – 34 Wx 329/22

GmbHG § 2 Abs. 1a, 8 Abs. 2, Abs. 3

1. Dem Zweck des § 2 Abs. 1a GmbHG, die Gründung einer GmbH in Standardfällen zu erleichtern, wird nur dann Rechnung getragen, wenn das Musterprotokoll ohne inhaltliche Änderungen übernommen wird, um dadurch schon die Prüfung, ob sich eine Änderung im konkreten Fall auswirkt, im Interesse einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu vermeiden.

2. Eine aktuelle Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1, 3 Satz 1 GmbHG kann verlangt werden, wenn das Eintragungsverfahren wegen eines Mangels bei der Anmeldung längere Zeit in Anspruch nimmt.

OLG München, Urteil vom 29.08.2022 – 33 U 4846/21

1. Zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund, wenn auf Seiten des anderen Vertragspartners eine Verschmelzung stattgefunden hat.

2. Die Verschmelzung also solche stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB dar. Hierfür bedarf es besonderer Umstände, die die weitere Erbringung der Dienste durch den übernehmenden Rechtsträger unzumutbar machen; insoweit sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 21.02.2014 – V ZR 164/13, NZM 2014, 312; Urteil vom 02.07.2021 – V ZR 201/20, NZG 2021, 1370).

3. Ob ein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegt, ist aus der Sicht des betroffenen Unternehmers zu beurteilen. Seine unternehmerische Entscheidung ist der Überprüfung durch die Gerichte auf ihre sachliche Rechtfertigung und Zweckmäßigkeit grundsätzlich entzogen, solange sich das unternehmerische Handeln nicht als willkürlich darstellt (im Anschluss an BAG, Urteil vom 26.09.2002 – 2 AZR 636/01 NZA 2003, 549).

OLG München, Beschluss vom 03.08.2022 – 3 U 1989/22

Der Senat erwägt, das Verfahren gemäß § 8 KapMuG auszusetzen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats hat die Berufung der Klagepartei Aussicht auf Erfolg, da das Landgericht die Klage nicht ohne vorherigen Hinweis als unsubstantiiert hätte abweisen dürfen. Aufgrund des mittlerweile erfolgten Vortrags erscheint die Klage zudem zumindest nunmehr ausreichend substantiiert.

OLG München, Beschluss vom 29.06.2022 – 7 AktG 2/22

Aktienrechtliches Freigabeverfahren I Offensichtliche Unbegründetheit einer Anfechtungsklage I Berechnung der Frist zur Einreichung von Fragen bei Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung während der COVID-19-Pandemie I Folgen eines Verstoßes gegen Mitteilungspflichten nach Wegfall der Börsennotierung