Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG München

OLG München, Beschluss vom 03.08.2022 – 3 U 1989/22

Der Senat erwägt, das Verfahren gemäß § 8 KapMuG auszusetzen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats hat die Berufung der Klagepartei Aussicht auf Erfolg, da das Landgericht die Klage nicht ohne vorherigen Hinweis als unsubstantiiert hätte abweisen dürfen. Aufgrund des mittlerweile erfolgten Vortrags erscheint die Klage zudem zumindest nunmehr ausreichend substantiiert.

OLG München, Beschluss vom 29.06.2022 – 7 AktG 2/22

Aktienrechtliches Freigabeverfahren I Offensichtliche Unbegründetheit einer Anfechtungsklage I Berechnung der Frist zur Einreichung von Fragen bei Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung während der COVID-19-Pandemie I Folgen eines Verstoßes gegen Mitteilungspflichten nach Wegfall der Börsennotierung

OLG München, Beschluss vom 02.06.2022 – 7 W 578/22

Nebenintervention I Rechtliches Interesse der Nebenintervenientin bei Wiederklage

OLG München, Urteil vom 27.05.2021 – 29 U 6933/19

Zumutbare Rechtsverfolgung im EU-Ausland von DNS-Sperrungen

1. Ein Anspruch gegen Zugangsvermittler auf Einrichtung einer DNS-Sperren besteht nur, wenn der Rechteinhaber zuvor alle zumutbaren Maßnahmen ausschöpft, um die Aufdeckung der Identität des Betreibers der Webseite oder des Host-Providers zu erreichen.

2. Die vorherige gerichtliche Inanspruchnahme eines in der Europäischen Union ansässigen Host-Providers mit dem Ziel, Auskünfte über die Identität rechtsverletzender Dienstebetreiber zu erhalten, ist im Rahmen von § 7 IV TMG grundsätzlich als zumutbar anzusehen.

OLG München, Beschluss vom 18.05.2022 – 3 U 8421/21

Wirecard

Das Berufungsverfahren gegen die Beklagte zu 1) wird im Hinblick auf den am 16.03.2022 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Vorlagebeschluss des Landgerichts München I – 3. Zivilkammer – vom 14.03.2022, Gz. 3 OH 2767/22 KapMuG, gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ausgesetzt.

OLG München, Beschluss vom 06.05.2022 – 8 U 5530/21

1. Ob die Vorlagevoraussetzungen der §§ 1 ff. KapMuG vorliegen, ist im Aussetzungsverfahren gem. § 8 KapMuG nicht zu prüfen. Die Entscheidung über die Aussetzung hängt vielmehr ausschließlich von den in § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG genannten Voraussetzungen ab (Anschluss an BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020 – II ZB 30/19 -, Rn. 20 f.; Ablehnung von BGH, Beschluss vom 30. April 2019 – XI ZB 13/18, Rn. 14).

2. Das Musterverfahren ist hier außerdem statthaft. Festgestellt werden soll hier als Haupttat die „Unrichtigkeit der Geschäftsberichte der W. AG“. Die Beklagte zu 1) als Abschlussprüferin soll dem Vorlagebeschluss zufolge zu dieser Haupttat durch ihre angeblich unrichtigen Bestätigungsvermerke (nur) Beihilfe gem. § 830 Abs. 2 BGB geleistet haben. Bei dieser Sachlage sind die Bestätigungsvermerke der Beklagten zu 1) und deren angebliche Unrichtigkeit nicht selbst unmittelbarer Gegenstand des Musterverfahrens, sondern (nur) die behauptete Unterstützungshandlung zur Haupttat der W. AG. Dagegen bestehen aus Sicht des Senats keine Bedenken.

3. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt nicht i.S.v. § 8 KapMuG von den geltend gemachten Feststellungszielen ab, wenn die Sache ohne weitere Beweiserhebung und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist. Dabei hat nicht etwa lediglich eine kursorische Schlüssigkeitsprüfung stattzufinden, sondern eine volle Sachprüfung nach Grund und Höhe des Anspruchs – dabei kann hier dahinstehen, ob dem Prozessgericht insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt (ablehnend BGH, Beschluss vom 30.04.2019 – XI ZB 13/18).

4. Wenn und soweit die Klage – ggf. nach entsprechendem Hinweis gem. § 139 ZPO – unschlüssig oder ohne ausreichende Beweisangebote ist, ist sie abzuweisen und nicht das Verfahren auszusetzen (vgl. dazu ausführlich bereits Senat, Beschluss vom 27.01.2022 – 8 W 1818/21, zur Aussetzung gem. § 149 ZPO in einem Verfahren gegen den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen der W. AG, rechtskräftig).

5. Durch Aussetzung gem. § 8 KapMuG werden auch bisher nicht als Musterbeklagte vorgesehene Beklagte gem. § 9 Abs. 5 KapMuG zu Musterbeklagten des Musterverfahrens.

OLG München, Urteil vom 27.04.2022 – 20 U 996/21 Bau

Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 1 BaufordSiG

OLG München, Beschluss vom 21.04.2022 – 8 U 4257/21

Keine Haftung des Abschlussprüfers der deutschen P&R-Gesellschaften

1. Gegen den Abschlussprüfer der deutschen P&R-Gesellschaften bestehen grundsätzlich keine Ansprüche der Anleger aus Prospekthaftung im engeren oder weiteren Sinne, aus Vertrag oder aus sonstiger Vertrauenshaftung:

a) Die Kauf- und Verwaltungsverträge der P&R-Gruppe unterlagen erst ab 31. Dezember 2016 einer gesetzlichen Prospektpflicht. Vorher mussten die Inhaltsanforderungen an Prospekte aus § 7 VermAnlG nicht erfüllt werden (vgl. Senat, Hinweisbeschluss vom 13. Juli 2020 – 8 U 2610/20, WM 2020, 1822).

b) Ansprüche aus richterrechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinn scheiden hier schon deshalb aus, weil eine gemeinsame unternehmerische Betätigung der Anleger am Markt nicht vorliegt. Der Kauf von Containern stellt den Erwerb einzeln zuzuordnender Vermögensgegenstände dar und steht damit dem Erwerb von Immobilien oder Waren gleich.

c) Der allgemeine Hinweis in einer Informationsbroschüre, „Unabhängige Wirtschaftsprüfer testieren P&R die vollständige Vertragsabwicklung für die Containerinvestitionen“, reicht nicht aus, um Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinn auszulösen.

2. Die Erteilung eines unrichtigen Testats für einen Jahresabschluss durch einen Wirtschaftsprüfer kann bei einer besonders schwerwiegenden Verletzung der Sorgfaltspflichten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB sein.

a) Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Die Vorlage eines unrichtigen Bestätigungsvermerks allein reicht dabei nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe qualifiziert nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein, und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint. Ob dies der Fall ist, kann nur dann sachgerecht beantwortet werden, wenn vorher geklärt wird, ob und in welchen Punkten der Jahresabschluss objektive Fehler enthält. Zur Beurteilung der richtigen bilanziellen Bewertung ist im Zivilprozess in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten, es sei denn, das Gericht verfügt ausnahmsweise selbst über die notwendige besondere Sachkunde und weist die Parteien zuvor hierauf hin (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – III ZR 194/19, Rz. 18 mwN; ebenso Senat, Hinweis vom 9. Dezember 2021 – 8 U 6063/21, BeckRS 2021, 43191, juris, zur Haftung des Abschlussprüfers von Wirecard).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klagepartei hier zumindest einige möglicherweise sittenwidrige haftungsbegründende Pflichtverletzungen des Beklagten hinreichend dargelegt und unter Sachverständigenbeweis gestellt (insbes. „unvollständige Darstellung des Geschäftsmodells im Lagebericht“, „nicht ausreichende Prüfung und Darstellung bestandsgefährdender Risiken“ und „Nichtbeanstandung der Informationsabschottung“).

3. Die deshalb hier an sich gem. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gebotene Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht zur umfangreichen Beweisaufnahme konnte nur deshalb unterbleiben, weil sich die Hilfsbegründung zur mangelnden Kausalität im Ergebnis als zutreffend erwiesen hat. Es fehlt vorliegend jedenfalls an der erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität der beanstandeten Testate bzw. eines diesbezüglich pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten für die Kaufentscheidung der Kläger:

a) Anders als im Falle des Abschlussprüfers von Wirecard (vgl. dazu Senat, Hinweis vom 9. Dezember 2021 – 8 U 6063/21, BeckRS 2021, 43191, juris) kommt Containerkäufern wie den Klägern kein Erfahrungssatz dahingehend zugute, dass aufgrund des gewöhnlichen Laufs der Dinge davon auszugehen wäre, dass die – unterstellt gebotene – Verweigerung oder weitere Einschränkung der Testate durch den Beklagten bekannt geworden wäre oder sonst zu einem früheren Insolvenzantrag oder zu einem früheren Zusammenbruch des behaupteten „Schneeballsystems“ von P&R geführt hätte.

Wenn der Geschäftsführung der deutschen P&R-Gesellschaften klägerseits einerseits ein betrügerisches Vorgehen vorgeworfen wird, das jahrelang bewusst verschleiert worden sei, um sich selbst massiv zu bereichern, kann nicht andererseits ein Erfahrungssatz angenommen werden, dass sich dieselben Personen im Falle der Verweigerung des Testats rechtstreu verhalten und dies umgehend veröffentlicht hätten. Es erscheint dem Senat vielmehr naheliegend, dass die Geschäftsführung das behauptete „Schneeballsystem“ – auch zum eigenen finanziellen Vorteil – auch dann bis zu dessen wirtschaftlichen Zusammenbruch im März 2018 fortgesetzt hätte.

b) Der Beklagte selbst war vor der Veröffentlichung der Testate im Bundesanzeiger gem. § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Verschwiegenheit verpflichtet. Er durfte deshalb auch nicht anstelle der Geschäftsführung der P&R-Gruppe von sich aus den Vertrieb und notfalls die Fachpresse über eine – unterstellt – unterbliebene Veröffentlichung seiner – unterstellt – negativen Testate informieren, sodass die Anleger auch auf diesem Wege nicht Kenntnis von einer etwaigen Verweigerung oder weiteren Einschränkung der Testate durch den Beklagten erhalten konnten.

OLG München, Urteil vom 06.04.2022 – 7 U 9421/21

Kollusives Zusammenwirken bei der Veräußerung von GmbH-Anteilen I Nichtigkeit sowohl des Verkaufs als auch der Abtretung I Erreichen eines Abstimmungsverbots mit Mitteln der einstweiligen Verfügung

1. Besteht bei der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen ein kollusives Zusammenwirken der Geschäftsführer von Erwerberin und Veräußerin , so ist sowohl das Verpflichtungsgeschäft als auch das Verfügungsgeschäft in Form der Abtretung der Geschäftsanteile sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig. Für einen Antrag auf Rückübertragung der Geschäftsanteile fehlt es in diesem Fall am Rechtsschutzbedürfnis. Zulässig und begründet ist jedoch ein Antrag auf Zustimmung zur Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste.

2. Das Erreichen eines Abstimmungsverbots mit den Mitteln einer einstweiligen Verfügung ist ausnahmsweise statthaft, wenn infolge einer kollusiven Veräußerung von Geschäftsanteilen der Erwerber sich als Alleingesellschafter der GmbH geriert und der wahre Gesellschafter als nunmehr Außenstehender nicht die Möglichkeit hat, von etwaigen Beschlussfassungen Kenntnis zu erlangen, so dass nicht gewährleistet ist, dass der wahre Gesellschafter mit den Mitteln nachgehenden Rechtsschutzes die von dem Erwerber als Nichtberechtigter gefassten Beschlüsse wieder beseitigen kann.

OLG München, Urteil vom 30.03.2022 – 7 U 5926/21

Gesellschafterstreit über die Gesellschafterstellung in der GmbH

Streit über Wirksamkeit eines Geschäftsanteilsabtretungsvertrags

Gesellschafterliste I Streit über Behandlung weiter als Gesellschafter