Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG Naumburg

OLG Naumburg, Urteil vom 26.06.2023 – 12 U 23/23 

Anspruch des Altgesellschafters auf Auszahlung des Unternehmensgewinns aufgrund einer Gewinnverwendungsklausel in einem Vertrag über die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen

1. Kollidieren eine Vereinbarung der Gesellschafter über das Gewinnbezugsrecht für das laufende Geschäftsjahr im Rahmen eines Geschäftsanteil-Kaufvertrages und das in § 29 Abs. 2 GmbHG den Gesellschaftern zugebilligte Ermessen, so hat die vertragliche Regelung grundsätzlich Vorrang gegenüber der Kann-Bestimmung des Gesetzes und beschränkt sie mithin jedenfalls im Verhältnis zum Altgesellschafter den Entscheidungsspielraum des Anteilserwerbers (Anschluss BGH, Urteil vom 30. Juni 2004 – VIII ZR 349/03).

2. Wenn aufgrund der bindenden Regelung des Geschäftsanteil-Kaufvertrages dem Altgesellschafter das Gewinnbezugsrecht für das laufende Geschäftsjahr zusteht, dann ist ein Anteilserwerber, der durch den Kauf zum Alleingesellschafter der GmbH wird, grundsätzlich verpflichtet, einen Gewinnverwendungsbeschluss zu treffen, der die anteilige Auszahlung des Unternehmensgewinns an den ausgeschiedenen Gesellschafter vorsieht.

OLG München, Urteil vom 12.04.2022 – 18 U 2509/21

Der meinungsfreudige Wikipedia-Autor mit dem Pseudonym „Feliks“ durfte deanonymisiert werden.

Das OLG München hat ein hinreichendes Interesse der Öffentlichkeit an Identität und Person des Wikipedia-Autors bestätigt.

OLG Naumburg, Urteil vom 07.04.2022 – 4 U 203/21

GmbH I Vorläufiger Rechtsschutz I Abberufung Geschäftsführer I Versammlungsleiter

OLG Naumburg, Urteil vom 24.03.2022 – 2 U 143/21 

Agile Softwareentwicklung

Verstoß gegen die nachwirkende mitgliedschaftliche Treuepflicht durch den ausgeschiedenen Mitgesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH

Ein aus einer Zwei-Personen-GmbH ausgeschiedener Mitgesellschafter verstößt gegen seine nachwirkende mitgliedschaftliche Treuepflicht, wenn er die Projektleitung für eine Softwareentwicklung in agiler Arbeitsweise, welche er für eine Kundin der GmbH innehatte, in seinem neuen beruflichen Wirkungskreis ohne Zustimmung der Gesellschaft fortsetzt.

Landgericht Stendal, Urteil vom 11.11.2021 – 31 O 33/21

Außer Frage steht, dass auch ein statuarisch bestimmter Versammlungsleiter abberufen werden kann.

Grundsätzlich kann dies nur bei Zustimmung des Betroffenen (Sonderrecht) oder durch vorher anzukündigende und eintragungsbedürftige Satzungsänderung bzw. durch einstimmigen satzungsdurchbrechenden Beschluss erfolgen (vgl. nur Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 48 GmbHG Rn. 15 mit weiteren Nachweisen, zitiert nach Juris).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist weder eine Satzungsänderung beschlossen worden noch ein einstimmiger satzungsdurchbrechender Beschluss erfolgt. Der statuarisch bestimmte Versammlungsleiter hat auch seiner Abberufung nicht zugestimmt.

Anders verhält es sich aber bei der Abberufung eines Versammlungsleiters aus wichtigem Grund.

Es entspricht dem Interesse der Gesellschaft, die Satzung, die eine Abberufung des Versammlungsleiters aus wichtigem Grund nicht vorsieht, dahin auszulegen, dass die Abberufung des satzungsmäßigen Versammlungsleiters aus wichtigem Grund durch einen Hauptversammlungsbeschluss möglich ist (vgl. BGH Urteil vom 21. Juni 2010 -II ZR 230/08-; LG Köln Urteil vom 6. Juli 2005 -82 0 150/04-; Bayer in: Lutter/Hommelhoff, am angegebenen Ort; Noack, GmbHR 2017,792-800, jeweils zitiert nach Juris).

Voraussetzung hierfür ist das objektive Vorliegen eines wichtigen Grundes, der jedenfalls im Zusammenhang mit der konkreten Versammlungsleitung stehen muss (Noack, a.a.O.).

Der Versammlungsleiter kann Einfluss auf den Gang der Versammlung nehmen, insbesondere kann er auch die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte bestimmen. Er kann aber nicht Beschlussgegenstände von der Tagesordnung absetzen (BGH Urteil vom 21.Juni 2010- II ZR 230/08 – zitiert nach Juris; Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 19. Aufl.,§ 48 Rn. 16).

Dies aber hat der Geschäftsführer der Nebenintervenientin unstreitig getan. Er hat den Tagesordnungspunkt 1 über die Bestimmung eines Versammlungsleiters mit Beschlussfeststellungskompetenz übergangen und so das Mitsprache- und Mitwirkungsrecht der weiteren Gesellschafter, nämlich des Verfügungsbeklagten und dessen Bruders, grob verletzt. Das Übergehen des Tagesordnungspunktes begründet einen wichtigen Grund für die Abberufung des Versammlungsleiters (BGH Urteil vom 21. Juni 2010 -II ZR 230/08 -zitiert nach Juris).

cc)
Der Geschäftsführer der Nebenintervenientin ist auch wirksam als Verhandlungsleiter abberufen worden.

Parallel zu der Durchführung der Versammlung durch den Geschäftsführer der Nebenintervenientin zu dem von ihm sogleich aufgerufenen Tagesordnungspunkt 12 hat sich der Verfügungsbeklagte als Versammlungsleiter vorgeschlagen. Auf diesen Vorschlag ist kein weiterer Vorschlag erfolgt. Für die Wahl stimmten die Brüder B, während der Geschäftsführer der Nebenintervenientin für diese keine Stimme abgab. Anschließend stellte der Verfügungsbeklagte fest, dass er als Versammlungsleiter gewählt worden sei.

In der Durchführung der Wahl eines Versammlungsleiters mit Beschlussfest-stellungskompetenz liegt zugleich die Abberufung des statuarisch bestimmten Versammlungsleiters.

Hierzu genügt bei der personalistisch geprägten GmbH die einfache Mehrheit (Noack, a.a.O.; Bayer in: Lutter/Hommelhoff, a.a.O.,). Andernfalls liefe das Abberufungsrecht der Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund leer.

Aufgrund der hiernach wirksamen Abwahl des Geschäftsführers der Nebenintervenientin als Versammlungsleiter aus wichtigem Grund ist zugleich dessen Feststellungbefugnis als qualifizierter Versammlungsleiter entfallen (vgl. Noack, a.a.O.). Dessen Legitimation ist insoweit aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens entfallen.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 28.10.2021 bot keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 156 ZPO).

OLG Naumburg, Beschluss vom 26.10.2021 – 4 W 16/21 (Hs)

Unstreitig ist eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass der Vollziehungsmangel einen veränderten Umstand im Sinne des § 927 ZPO dar­stellt, der zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führt. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ein Antragsteller auch die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Kostentragungspflicht für einen Antragsteller wird damit begründet, dass derjenige, der die Vollziehungsfrist ungenutzt verstreichen lasse, nachträglich zu erkennen gebe, dass eine Dringlichkeit nicht bestanden habe und die einstweilige Verfügung daher von vornherein zu Unrecht ergangen sei (OLG Köln, Rpfleger 1982, 154).

OLG Naumburg, Urteil vom 29. April 2021 – 2 U 91/20

1. Die materiell-rechtliche Befugnis, Schadensersatzansprüche gegen aktuelle oder ehemalige Geschäftsführer geltend zu machen, steht in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 46 Nr. 8 GmbHG nur den Gesellschaftern zu und ist nicht davon abhängig, ob ein Aufsichtsrat gebildet wurde.

2. Der Gesellschaft obliegt im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren (ehemaligen) Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist.

3. a) Die Gesellschaft genügt ihrer Darlegungslast im Hinblick auf einen Vermögensschaden durch die Auszahlung zusätzlicher Arbeitnehmervergütungen für Bereitschaftsdienste schon dann nicht, wenn die Bereitschaftszeiten der Mitarbeiter jeweils vollständig außerhalb und zusätzlich zu der regulären Arbeitszeit anfielen und ein im einschlägigen Manteltarifvertrag alternativ zu einer Vergütung vorgesehener Freizeitausgleich im betreffenden Wirtschaftsjahr nicht umsetzbar war.

b) Die Auszahlung zusätzlicher Arbeitnehmervergütungen für Bereitschaftsdienste ist sachlich gerechtfertigt, wenn sie auf einer (mündlich getroffenen) Regelungsabrede zwischen dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer und dem Vorsitzenden des Betriebsrates beruht. Eine (formbedürftige) Betriebsvereinbarung ist für die Regelung einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nicht erforderlich.

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.11.2020 – 5 Wx 9/20

§ 28 GenG, § 40 GenG, § 157 GenG Tenor Die Beschwerde der betroffenen Genossenschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 15. September 2020 wird zurückgewiesen. Die Genossenschaft trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe […]

OLG Naumburg, Urteil vom 12.12.2019 – 1 U 125/19

Genossenschaft I Erlöschen des ursprünglichen Rechtsträgers bei Umwandlung durch Formwechsel

1. Die Genossenschaftsmitgliedschaft einer eingetragenen Genossenschaft endet nicht nach oder analog § 77a GenG mit ihrer Umwandlung durch Formwechsel in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Eine solche Umwandlung hat weder die Auflösung noch das Erlöschen der eingetragenen Genossenschaft zur Folge. Ebenso wenig tritt eine Rechtsnachfolge ein.

2. Wird in der Mitgliederliste dennoch die Beendigung der Mitgliedschaft vermerkt, hat die Gesellschaft gegen die Genossenschaft einen auf Berichtigung gerichteten Anspruch.

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 01. September 2016 – 2 U 95/15

Im Verhältnis zur Gesellschaft darf sich im Falle einer Veränderung in der Person des Gesellschafters nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG auf die Rechte eines Gesellschafters nur derjenige berufen, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Diese Bestimmung gilt uneingeschränkt auch im Erbfall.